Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
26
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 3 VG 25/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 VG 14/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. September 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungs-verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Beschädigtenversorgung in rentenberechtigendem Grade nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Am 23. November 1999 erstattete der Zeuge M H als Geschädigter gegen den Kläger Strafanzeige wegen Beleidigung bei der Polizeihauptwache N (Tagesnummer ). Zu seiner Strafanzeige gab der Zeuge H u. a. an, er wohne in Neuruppin in der K-Straße mit seiner Familie, zu der vier Kinder gehörten. Die Wohnstube sei mit Parkett ausgelegt, und wenn seine Kinder spielten, sei dies in der darunter gelegenen Wohnung des Klägers zu hören. Der Kläger sei am 21. November 1999 gegen 12.30 Uhr vor seine von ihm bewohnte Wohnung getreten und habe ihn als "Arschloch" bezeichnet und zu ihm gesagt "dass ich Ausländer bin und hier raus müsse". Er (= der Zeuge H) habe versucht, die Wohnungstür zu schließen. Der Kläger habe mit der Schulter dagegen gedrückt und zum Schlag ausgeholt, was aber nicht gelungen sei. Seine (=des Zeugen H) Frau habe mit dem jüngsten Kind auf dem Arm bei ihm gestanden. Zu seiner Ehefrau habe der Kläger ebenfalls erklärt, dass sie Ausländerin sei und zurück in ihre Heimat solle. Des Weiteren habe er sie als "Nutte" sowie "Schlampe" bezeichnet. Sodann habe er (= der Zeuge H) die Tür geschlossen, um den Streit zu beenden. Dieser Vorfall sei schon einmal vorgekommen.
Am 24. November 1999 erstattete der Kläger Strafanzeige wegen Bedrohung bei dem Polizeipräsidium O, Schutzbereich O in N (Tagebuchnummer ). Der Kriminaloberkommissar J vermerkte zu der Strafanzeige des Klägers, dass er ihn im Krankenhaus N aufgesucht habe. Wegen des Vermerks des Kriminaloberkommissars Jim Einzelnen wird auf Blatt 23,24 der B Akten des Beklagten sowie Blatt 6,7 der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) verwiesen.
Aufgrund der Angaben des Klägers wurde der Zeuge H vom Kriminaloberkommissar G am 30. Dezember 1999 als Beschuldigter vernommen. Wegen des Inhalts des Protokolls der Beschuldigtenvernehmung im Einzelnen wird auf Blatt 26,27 der B Akten des Beklagten sowie Blatt 13,14 der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) verwiesen.
Wegen der Bekundungen Klägers in seiner Beschuldigtenvernehmung vor dem Polizeipräsidium O, Schutzbereich O-N/N (ohne Datum) zum Vorwurf der Beleidigung wird auf Blatt 15 bis 17 der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) verwiesen.
Am 31. Januar 2000 befragte der Kriminaloberkommissar G die Nachbarn des Klägers, G und B N zum Sachverhalt. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf Blatt 30 der B Akten des Beklagten sowie Blatt. 18 der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) verwiesen.
In einem Einsatzbericht vom 21. November 1999 zu dem Ereignis wurde von der Polizei u. a. vermerkt, der Kläger sei vom Zeugen H mittels einer Vase (Gegenstand aus einer Kokosnussschale) bedroht worden. Der Kläger habe schnell die Treppe wieder nach unten gehen wollen, sei dabei ausgerutscht, die Treppe herunter gestürzt und habe sich dadurch die Verletzung am linken Bein zugezogen.
Die Staatsanwaltschaft N stellte am 01. März 2000 das Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen H nach § 170 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung ein und wies ihn darauf hin, dass der Kläger auf den Weg der Privatklage verwiesen worden sei. Mit einem weiteren Schreiben der Staatsanwaltschaft N vom 01. März 2000 wurde der Kläger auf den Weg der Privatklage nach Maßgabe der §§ 374 ff. der Strafprozessordnung verwiesen, weil die Strafverfolgung über die Interessen des Privatklageberechtigten hinaus kein öffentliches Interesse böte. Es habe sich um eine nachbarschaftliche Streitigkeit gehandelt. Die Strafverfolgung sei deshalb nicht als ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit anzusehen.
Der Kläger beantragte am 29. März 2000 bei dem Amt für Soziales und Versorgung Potsdam Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG. Aufgrund der Verletzung vom 21. November 1999 befinde er sich weiterhin in ärztlicher Behandlung. Er sei angegriffen worden.
Das Versorgungsamt Potsdam zog zum Verfahren die Strafakten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) sowie einen Arztbrief aus der R Kliniken GmbH vom 06. Dezember 1999, in dem über eine gestauchte Trümmerfraktur des Calcaneus links beim Kläger berichtet wurde, bei. Durch Bescheid vom 05. Oktober 2000 lehnte das Versorgungsamt Potsdam eine Beschädigtenversorgung nach dem OEG aus Anlass des Vorfalls vom 21. November 1999 mit der Begründung ab, die vorliegenden Angaben des Klägers und des Zeugen H zum Tathergang seien widersprüchlich. Der Zeuge H bestreite, den Kläger bedroht zu haben, und habe angegeben, der Kläger habe ihn (den Zeugen H) schlagen wollen und dieser habe sich nur verteidigen wollen. Unmittelbare Tatzeugen, die den gesamten streitigen Vorgang aus unbeteiligter Sicht hätten wahrnehmen können, seien nicht vorhanden. Somit stehe Aussage gegen Aussage. Anhaltspunkte dafür, der einen Sachverhaltsschilderung mehr Glauben zu schenken als der anderen, seien nicht ersichtlich. Insoweit sei der Nachweis über einen schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 OEG nicht zu führen. Dem Kläger obliege die objektive Beweislast für diesen schädigenden Vorgang.
Am 12. Oktober 2000 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Er sei zutiefst enttäuscht von der Handhabung des Rechts seine Person betreffend. Sein Grundsatz sei: "Leben und leben lassen". Er habe nie damit gerechnet, dass der Zeuge H ihn angreifen werde, als er ihn gebeten habe, sich an die Hausordnung zu halten und dass Ruhe einkehren solle. Er wisse nicht, wo er einen Zeugen hernehmen solle, der den Angriff bestätigen könne. Er hätte ja auch lügen können, als die Polizei gekommen sei, und einen Zeugen benennen können, mit dem er sich vorher hätte abgesprechen können. Aber so etwas liege ihm nicht. Der Zeuge H habe alles erstunken und erlogen. Der Zeuge H sei in der Zwischenzeit aufgrund des Vorfalls und der Vorgeschichte fristlos aus seiner Wohnung gekündigt worden. Wenn er den Zeugen H in der Stadt treffe, werde er von ihm zu allem Übel noch verhöhnt. Der Zeuge H zeige ihm den "Stinkefinger" und habe auch zu ihm gesagt: "Du kannst klagen, bis du schwarz wirst, du bekommst sowieso kein Recht". Dies sei sehr demütigend für ihn. Er sei psychisch und physisch fast am Ende. Sein gesundheitlicher Zustand habe sich enorm verschlechtert, da er durch den Stress und den aufreibenden Kampf um Gerechtigkeit erhöhte Blutzuckerwerte habe. Des Weiteren mache er sich große Sorgen um seine Zukunft und die seiner Familie. Zurzeit habe er sehr große finanzielle Sorgen, da er durch diese Ungerechtigkeit keinen Lohnausgleich sowie Schmerzensgeld bekomme. Er habe einen körperlichen Schaden am linken Fuß, der zeitlebens verbleibe. Er sei jetzt fast ein Jahr krankgeschrieben und habe vor kurzem versucht, durch ein Wiedereingliederungsverfahren im Arbeitsprozess (täglich fünf Stunden) wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dieser Versuch habe jedoch nach zwei Tagen abgebrochen werden müssen, da der linke Fuß sehr angeschwollen sei und stark geschmerzt habe. Er sei auch nicht ausländerfeindlich.
Das Landesversorgungsamt wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 08. März 2001 zurück. Der Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG sei nicht erbracht worden. Die Erklärung des Klägers vom 24. November 1999 stehe im Widerspruch zu seiner Erklärung vom 30. Dezember 1999. Hieraus ergebe sich sogar, dass eine strafrechtlich relevante Rechtswidrigkeit, wie sie im Sinne des OEG vorliegen müsse, nicht zu erkennen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2001 wird auf Bl. 69 bis 71 der B Akten des Beklagten verwiesen.
Der Kläger hat am 14. März 2001 Klage vor dem Sozialgericht Neuruppin erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt hat. Er habe sich durch das Verhalten des Zeugen H stark bedroht gefühlt und sei in Panik geraten. Als er die Treppe herunter gelaufen sei, weil der Zeuge H ihn mit einem Glasgefäß in der hoch erhobenen Hand auf der Treppe verfolgt und bedroht habe, sei er, als er sich habe umdrehen wollen, weil er Angst vor Schlägen gehabt habe, gestürzt. Er habe sich die Verletzung auf der Flucht vor dem Zeugen H zugezogen. Dies wäre nicht passiert, wenn dieser ihn nicht angegriffen hätte. Er habe jetzt einen dauerhaften Körperschaden. Durch den Stress und den Ärger sei seit September 2000 auch ein Diabetes mellitus bei ihm festgestellt worden. Er sei dem Zeugen H im Juli bzw. Anfang August 2001 beim Einkaufen in N begegnet. In einem Gespräch mit ihm habe der Zeuge H u. a. erklärt, dass es ihm Leid tue, dass er (Kläger) wegen des Fersenbruchs nun Schmerzen ertragen müsse. Der Zeuge H habe ihm die Hand gereicht und sich entschuldigt. Der Zeuge H habe ihm u. a. bei dem Gespräch erklärt, er sei nervlich seinerzeit sehr angespannt gewesen, weil er aus dem Krankenhaus gekommen sei, wo seine Tochter (die des Zeugen H) mit 40 Grad Fieber gelegen habe. Er habe sodann im Anschluss nach dem Gespräch, als er wieder zu Hause angekommen sei, seiner Ehefrau von der Begegnung berichtet. Er habe ein Schreiben über den tatsächlichen Geschehensablauf betr. den Angriff des Zeugen H verfasst und diesen gebeten, den Inhalt in einem Schreiben zum tatsächlichen Geschehensablauf zu bestätigen. Die Eheleute H hätten sich daraufhin beraten, das vorgelegte Schreiben nicht zu unterschreiben und ihn (den Kläger) auf den Rechtsanwalt des Zeugen Hverwiesen.
Der Beklagte hat an seinen Verwaltungsentscheidungen festgehalten. Es fehle an einer direkten körperlichen Einwirkung, die das Tatbestandsmerkmal eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs erfülle.
Das Sozialgericht Neuruppin hat in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2003 den Zeugen M H zum Beweisthema "Auseinandersetzung vom 21. November 1999" gehört; wegen der Aussage des Zeugen H wird auf Bl. 59 bis 60 der Gerichtsakten verwiesen.
Das Sozialgericht Neuruppin hat durch Urteil vom 17. September 2003 die Klage abgewiesen. Der Nachweis über ein schädigendes Ereignis im Sinne des § 1 OEG sei nicht erbracht. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Urteils wird auf Bl. 69 bis 72 der Gerichtsakten verwiesen.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 07. Oktober 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Oktober 2003 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass es sich bei dem Vorfall am 21. November 1999 nicht um einen solchen im Sinne des § 1 OEG gehandelt habe. Seine Flucht sei gerade nicht nur deshalb erfolgt, dass eine Gefahr habe drohen können. Vielmehr sei es so gewesen, dass er die Flucht in das Treppenhaus angetreten habe, weil ihn der Zeuge H verfolgt und konkret mit den Worten "Dich schlage ich tot!" bedroht habe. Diese Bedrohung sei dadurch manifestiert worden, dass der Zeuge H ihn mit einer erhobenen Glasschale ins Treppenhaus verfolgt habe. Er sei demnach zur Flucht gezwungen gewesen. Soweit diesbezüglich das Sozialgericht ausgeführt habe, dass er in seiner polizeilichen Vernehmung nicht angegeben habe, dass er durch den Zeugen H ins Treppenhaus verfolgt worden sei, so treffe dies nicht zu. Zwar sei explizit in der Strafanzeige vom 24. November 1999 nicht davon die Rede gewesen, dass er durch den Zeugen H bis auf die Treppe verfolgt worden sei, jedoch könne dies nicht zu seinen Lasten gewertet werden. Berücksichtigt werden müsse, dass er sich zu diesem Zeitpunkt noch zur Akutbehandlung der Verletzung in der Klinik befunden habe. Darüber hinaus habe es sich bei der Strafanzeige und der Wiedergabe des Sachverhalts nur um eine subjektive Wiedergabe des Kriminaloberkommissars J gehandelt. Diese Aufzeichnung sei durch ihn nicht unterzeichnet worden. In unmittelbar zeitlicher Nähe sei eine Vernehmung von ihm im Krankenhaus erfolgt. In dieser niedergelegten Leseabschrift sei ausgeführt worden, dass der Zeuge H mit der Glasschale hinter ihm hinterher gelaufen sei. Der Zeuge H habe ihn bis auf die Treppe verfolgt. Im Übrigen sei die Aussage des Zeugen H unglaubwürdig. Es sei falsch, dass der Zeuge H den Notruf (112) abgesetzt habe. Seine Ehefrau habe vielmehr den Notruf abgesetzt. Es treffe auch nicht zu, wenn der Zeuge H angegeben habe, dass seine Ehefrau und seine Tochter anwesend gewesen seien, als er am Boden gelegen habe. Vielmehr sei es so gewesen, dass seine Ehefrau erst später durch die weiteren Bewohner des Hauses N informiert worden sei. Auf eine schriftliche Zeugenerklärung des Herrn G N werde Bezug genommen. Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. September 2003 sowie den Bescheid des Amtes für Soziales und Versorgung Potsdam vom 05. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Ereignisses vom 21. November 1999 Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter des Senats hat am 10. Februar 2006 im Sozialgericht Neuruppin einen Erörterungstermin mit Beweisaufnahme durchgeführt, in dem die Ehefrau des Zeugen M H, die Zeugin M H, zum Beweisthema "Ereignisse am 21. November 1999 in KStraße , N" gehört worden ist. Wegen der Einzelheiten der Aussage der Zeugin H wird auf Bl. 125 bis 127 der Gerichtsakten verwiesen.
Wegen des weiteren Inhalts zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, der B Akten des Beklagten sowie der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Neuruppin hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die Verwaltungsentscheidungen des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz.
Nach dem seither unverändert gebliebenen § 1 Abs. 1 Satz 1 des am 16. Mai 1976 in Kraft getretenen OEG vom 11. Mai 1976 (BGBl. I, S. 1181) erhält, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.
Unter einem tätlichen Angriff ist ein gewaltsames Vorgehen gegen eine Person in feindlicher Absicht zu verstehen (vgl. Kunz/Zellner, Opferentschädigungsgesetz, Kommentar, 4. Auflage zu § 1 Rdnr. 10). Gefordert wird eine unmittelbare auf die körperliche Integrität eines anderen abzielende feindliche Aktion ohne Rücksicht auf ihren Erfolg (BSGE 81, 289; 77, 11). Ein tätlicher Angriff ist gekennzeichnet durch ein aktives Handeln, das unmittelbar gegen den Körper des Opfers gerichtet ist. Die Drohung stellt ein körperliches Übel erst in Aussicht und fällt grundsätzlich nicht unter den Begriff des tätlichen Angriffs. Nur wenn das Inaussicht Stellen des künftigen Übels bereits als Angriff auf die körperliche Integrität angesehen werden muss, kann bereits ein tätlicher Angriff bejaht werden. Durch einen tätlichen Angriff ist auch verursacht eine Verletzung, die der Angegriffene selbst während einer Fluchthandlung erleidet oder auf der Flucht einem Dritten zufügt. So liegt ein entschädigungspflichtiger Tatbestand u. a. vor, wenn der Angegriffene vor dem Täter flieht, stürzt und Verletzungen erleidet.
In allen Zweigen des sozialen Entschädigungsrechts genügt, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen, d.h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein müssen (st. Rspr. des BSG, so zur Kriegsopferversorgung - KOV - BSGE 77, 151, 152 = SozR 3-3100 § 1 Nr. 18; zum Opferentschädigungsgesetz - OEG -: BSGE 63, 271, 273 = SozR 1500 § 128 Nr. 34 m. w. N.; SozR 1500 § 128 Nr. 35; BSGE 65, 123f = § 128 Nr. 39; zum Soldatenversorgungsgesetz - SVG: BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 6; zum Impfschadensrecht: BSG SozR 3850 § 51 Nr. 9 und § 52 Nr. 1).
Nach der auch im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist im Übrigen zu beachten, dass nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich ist, sondern nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt haben (Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., § 1 BVG Rdnr. 67 mit weiteren Nachweisen). Ursache sind dabei die Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben mehrere Umstände zum Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (VV zu § 1 BVG).
Das Sozialgericht hat - auch unter Berücksichtigung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung - zutreffend entschieden, dass der Tatbestand von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht erfüllt ist. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlichen Angriff auf den Kläger ist weder nachgewiesen (zu 1.) noch führen allein die Angaben des Klägers, als glaubhaft zu Grunde gelegt, zur Bejahung des Tatbestandes (zu 2.).
1. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist der Nachweis nicht erbracht, dass der Kläger vom Zeugen H angegriffen wurde, als er sich die schwerwiegende Verletzung an der linken Ferse zuzog. Ein tätlicher Angriff entsprechend der Erklärung des Klägers in der Beschuldigtenvernehmung vor dem Polizeipräsidium O, Schutzbereich O-R/N (Bl. 15 f. der Akten der Staatsanwaltschaft N, Az.: ), der Zeuge H habe ihn mit einem Gegenstand in der Hand bedroht und erklärt, ihn totschlagen zu wollen, worauf er weggerannt sei, der Zeuge H ihm folgend, ist zur Überzeugung des Senats nicht bewiesen. Dieser vom Kläger so geschilderte Sachverhalt wird weder durch die Aussagen der Zeugen H bestätigt noch ergibt er sich aus den Aufzeichnungen des Kriminaloberkommissars J anlässlich der Befragung des Klägers im Krankenhaus N. Unstreitig ist der Kläger am 21. November 1999 an die Wohnungstür der beiden Zeugen H gegangen, um sich über Lärm, der wahrscheinlich aus der Wohnung der Zeugen H herrührte, zu beschweren. Vom Kläger wird nach eigenen Angaben auch nicht bestritten, dass er, nachdem die Wohnungstür vom Zeugen H geöffnet war, nicht vor der Wohnung stehen blieb, sondern in den Bereich der Türöffnung getreten ist. Andernfalls erklären sich nicht die Äußerungen der beiden Zeugen H, dass die Wohnungstür ihrer Wohnung nicht sogleich zu verschließen gewesen ist. Im Übrigen erklärte der Kläger selbst in der sich auf Blatt 15 bis 17 der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) befindlichen polizeilichen Vernehmung, dass der Zeuge H versucht habe, ihn aus der Tür zu drängen, weshalb er halb im Flur gestanden habe. Dieses Verhalten des Klägers habe den Zeugen H sodann bewogen, einen Gegenstand in die Hand zu nehmen, mit dem er dem Kläger gedroht habe1. Dies ist für den Senat auch nachvollziehbar, denn der Zeuge H wollte die Tür schließen, was auch nach Aussage der Zeugin H gelungen ist. Die Tür wurde nach Aussagen der Zeugin H erst wieder geöffnet, als ein lautes Poltern von der Treppe zu vernehmen war. Hieraus ergibt sich aber, dass ein Angriff unmittelbar (im Sinne der wesentlichen Bedingung) auf den Kläger nicht mehr bevorgestanden hat, als er sich die schwere Verletzung an der linken Ferse zugezogen hat. Der Senat ist deswegen davon überzeugt, dass der Kläger sich bei dem Herunterlaufen der Treppen vom Bereich der Wohnung H nicht infolge eines bevorstehenden Angriffs die linke Ferse gebrochen hat. Damit ist ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht bewiesen.
2. Aber selbst wenn die Sachverhaltsdarstellung des Klägers zugrunde gelegt wird bzw. als wahr unterstellt würde, so ergibt sich hieraus ebenfalls nicht die Bejahung der Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 OEG. Durch das Eintreten in den Wohnungsbereich der Eheleute H hat der Kläger – objektiv – einen Hausfriedenbruch i. S. d. § 123 StGB begangen. Die Zeugin H hat in ihrer Vernehmung erklärt, dass der Kläger an diesem Tage nicht in die Wohnung gebeten worden war. Ein derartiges strafrechtliches Verhalten steht aber einem vorsätzlich, rechtswidrigen Angriff i. S. d. § 1 Abs. 1 OEG entgegen. Denn der Versuch des Zeugen Hden Kläger aus der Tür zu drängen, ist als angemessene Notwehr (i. S. d. § 32 StGB) ebenso gerechtfertigt, wie nach dem Scheitern dieses Versuchs die Bedrohung mit einem Gegenstand. Allenfalls eine Verfolgung des Klägers in das Treppenhaus könnte über eine angemessene Notwehrhandlung hinausgehen. Eine solche Verfolgung ins Treppenhaus und damit einhergehende Bedrohung, wie sie der Kläger behauptet, würde einen Notwehrexzess i. S. d. § 33 StGB darstellen, indem der Zeuge Hin einer objektiv vorliegenden Notlage die Grenzen der Notwehr im Affekt überschritten hat (vgl. Tröndle/Fischer, StGB mit Nebengesetzen, 53. Aufl., 2006, § 33 Rdnr. 3). Damit könnte in der vom Kläger behaupteten Verfolgung und Bedrohung jedoch zumindest keine vorsätzliche Tat des Zeugen H gesehen werden und damit wiederum nicht zur Annahme des § 1 Abs. 1 OEG führen.
Nach alledem ergibt sich, dass, ausgehend von der Sachverhaltsdarstellung der Eheleute H, es an dem Nachweis eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG fehlt bzw. auf der Grundlage der Sachverhaltsdarstellung des Klägers an dem Vorsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG fehlt. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen, weil die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Beschädigtenversorgung in rentenberechtigendem Grade nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Am 23. November 1999 erstattete der Zeuge M H als Geschädigter gegen den Kläger Strafanzeige wegen Beleidigung bei der Polizeihauptwache N (Tagesnummer ). Zu seiner Strafanzeige gab der Zeuge H u. a. an, er wohne in Neuruppin in der K-Straße mit seiner Familie, zu der vier Kinder gehörten. Die Wohnstube sei mit Parkett ausgelegt, und wenn seine Kinder spielten, sei dies in der darunter gelegenen Wohnung des Klägers zu hören. Der Kläger sei am 21. November 1999 gegen 12.30 Uhr vor seine von ihm bewohnte Wohnung getreten und habe ihn als "Arschloch" bezeichnet und zu ihm gesagt "dass ich Ausländer bin und hier raus müsse". Er (= der Zeuge H) habe versucht, die Wohnungstür zu schließen. Der Kläger habe mit der Schulter dagegen gedrückt und zum Schlag ausgeholt, was aber nicht gelungen sei. Seine (=des Zeugen H) Frau habe mit dem jüngsten Kind auf dem Arm bei ihm gestanden. Zu seiner Ehefrau habe der Kläger ebenfalls erklärt, dass sie Ausländerin sei und zurück in ihre Heimat solle. Des Weiteren habe er sie als "Nutte" sowie "Schlampe" bezeichnet. Sodann habe er (= der Zeuge H) die Tür geschlossen, um den Streit zu beenden. Dieser Vorfall sei schon einmal vorgekommen.
Am 24. November 1999 erstattete der Kläger Strafanzeige wegen Bedrohung bei dem Polizeipräsidium O, Schutzbereich O in N (Tagebuchnummer ). Der Kriminaloberkommissar J vermerkte zu der Strafanzeige des Klägers, dass er ihn im Krankenhaus N aufgesucht habe. Wegen des Vermerks des Kriminaloberkommissars Jim Einzelnen wird auf Blatt 23,24 der B Akten des Beklagten sowie Blatt 6,7 der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) verwiesen.
Aufgrund der Angaben des Klägers wurde der Zeuge H vom Kriminaloberkommissar G am 30. Dezember 1999 als Beschuldigter vernommen. Wegen des Inhalts des Protokolls der Beschuldigtenvernehmung im Einzelnen wird auf Blatt 26,27 der B Akten des Beklagten sowie Blatt 13,14 der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) verwiesen.
Wegen der Bekundungen Klägers in seiner Beschuldigtenvernehmung vor dem Polizeipräsidium O, Schutzbereich O-N/N (ohne Datum) zum Vorwurf der Beleidigung wird auf Blatt 15 bis 17 der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) verwiesen.
Am 31. Januar 2000 befragte der Kriminaloberkommissar G die Nachbarn des Klägers, G und B N zum Sachverhalt. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf Blatt 30 der B Akten des Beklagten sowie Blatt. 18 der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) verwiesen.
In einem Einsatzbericht vom 21. November 1999 zu dem Ereignis wurde von der Polizei u. a. vermerkt, der Kläger sei vom Zeugen H mittels einer Vase (Gegenstand aus einer Kokosnussschale) bedroht worden. Der Kläger habe schnell die Treppe wieder nach unten gehen wollen, sei dabei ausgerutscht, die Treppe herunter gestürzt und habe sich dadurch die Verletzung am linken Bein zugezogen.
Die Staatsanwaltschaft N stellte am 01. März 2000 das Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen H nach § 170 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung ein und wies ihn darauf hin, dass der Kläger auf den Weg der Privatklage verwiesen worden sei. Mit einem weiteren Schreiben der Staatsanwaltschaft N vom 01. März 2000 wurde der Kläger auf den Weg der Privatklage nach Maßgabe der §§ 374 ff. der Strafprozessordnung verwiesen, weil die Strafverfolgung über die Interessen des Privatklageberechtigten hinaus kein öffentliches Interesse böte. Es habe sich um eine nachbarschaftliche Streitigkeit gehandelt. Die Strafverfolgung sei deshalb nicht als ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit anzusehen.
Der Kläger beantragte am 29. März 2000 bei dem Amt für Soziales und Versorgung Potsdam Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG. Aufgrund der Verletzung vom 21. November 1999 befinde er sich weiterhin in ärztlicher Behandlung. Er sei angegriffen worden.
Das Versorgungsamt Potsdam zog zum Verfahren die Strafakten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) sowie einen Arztbrief aus der R Kliniken GmbH vom 06. Dezember 1999, in dem über eine gestauchte Trümmerfraktur des Calcaneus links beim Kläger berichtet wurde, bei. Durch Bescheid vom 05. Oktober 2000 lehnte das Versorgungsamt Potsdam eine Beschädigtenversorgung nach dem OEG aus Anlass des Vorfalls vom 21. November 1999 mit der Begründung ab, die vorliegenden Angaben des Klägers und des Zeugen H zum Tathergang seien widersprüchlich. Der Zeuge H bestreite, den Kläger bedroht zu haben, und habe angegeben, der Kläger habe ihn (den Zeugen H) schlagen wollen und dieser habe sich nur verteidigen wollen. Unmittelbare Tatzeugen, die den gesamten streitigen Vorgang aus unbeteiligter Sicht hätten wahrnehmen können, seien nicht vorhanden. Somit stehe Aussage gegen Aussage. Anhaltspunkte dafür, der einen Sachverhaltsschilderung mehr Glauben zu schenken als der anderen, seien nicht ersichtlich. Insoweit sei der Nachweis über einen schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 OEG nicht zu führen. Dem Kläger obliege die objektive Beweislast für diesen schädigenden Vorgang.
Am 12. Oktober 2000 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Er sei zutiefst enttäuscht von der Handhabung des Rechts seine Person betreffend. Sein Grundsatz sei: "Leben und leben lassen". Er habe nie damit gerechnet, dass der Zeuge H ihn angreifen werde, als er ihn gebeten habe, sich an die Hausordnung zu halten und dass Ruhe einkehren solle. Er wisse nicht, wo er einen Zeugen hernehmen solle, der den Angriff bestätigen könne. Er hätte ja auch lügen können, als die Polizei gekommen sei, und einen Zeugen benennen können, mit dem er sich vorher hätte abgesprechen können. Aber so etwas liege ihm nicht. Der Zeuge H habe alles erstunken und erlogen. Der Zeuge H sei in der Zwischenzeit aufgrund des Vorfalls und der Vorgeschichte fristlos aus seiner Wohnung gekündigt worden. Wenn er den Zeugen H in der Stadt treffe, werde er von ihm zu allem Übel noch verhöhnt. Der Zeuge H zeige ihm den "Stinkefinger" und habe auch zu ihm gesagt: "Du kannst klagen, bis du schwarz wirst, du bekommst sowieso kein Recht". Dies sei sehr demütigend für ihn. Er sei psychisch und physisch fast am Ende. Sein gesundheitlicher Zustand habe sich enorm verschlechtert, da er durch den Stress und den aufreibenden Kampf um Gerechtigkeit erhöhte Blutzuckerwerte habe. Des Weiteren mache er sich große Sorgen um seine Zukunft und die seiner Familie. Zurzeit habe er sehr große finanzielle Sorgen, da er durch diese Ungerechtigkeit keinen Lohnausgleich sowie Schmerzensgeld bekomme. Er habe einen körperlichen Schaden am linken Fuß, der zeitlebens verbleibe. Er sei jetzt fast ein Jahr krankgeschrieben und habe vor kurzem versucht, durch ein Wiedereingliederungsverfahren im Arbeitsprozess (täglich fünf Stunden) wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dieser Versuch habe jedoch nach zwei Tagen abgebrochen werden müssen, da der linke Fuß sehr angeschwollen sei und stark geschmerzt habe. Er sei auch nicht ausländerfeindlich.
Das Landesversorgungsamt wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 08. März 2001 zurück. Der Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG sei nicht erbracht worden. Die Erklärung des Klägers vom 24. November 1999 stehe im Widerspruch zu seiner Erklärung vom 30. Dezember 1999. Hieraus ergebe sich sogar, dass eine strafrechtlich relevante Rechtswidrigkeit, wie sie im Sinne des OEG vorliegen müsse, nicht zu erkennen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2001 wird auf Bl. 69 bis 71 der B Akten des Beklagten verwiesen.
Der Kläger hat am 14. März 2001 Klage vor dem Sozialgericht Neuruppin erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt hat. Er habe sich durch das Verhalten des Zeugen H stark bedroht gefühlt und sei in Panik geraten. Als er die Treppe herunter gelaufen sei, weil der Zeuge H ihn mit einem Glasgefäß in der hoch erhobenen Hand auf der Treppe verfolgt und bedroht habe, sei er, als er sich habe umdrehen wollen, weil er Angst vor Schlägen gehabt habe, gestürzt. Er habe sich die Verletzung auf der Flucht vor dem Zeugen H zugezogen. Dies wäre nicht passiert, wenn dieser ihn nicht angegriffen hätte. Er habe jetzt einen dauerhaften Körperschaden. Durch den Stress und den Ärger sei seit September 2000 auch ein Diabetes mellitus bei ihm festgestellt worden. Er sei dem Zeugen H im Juli bzw. Anfang August 2001 beim Einkaufen in N begegnet. In einem Gespräch mit ihm habe der Zeuge H u. a. erklärt, dass es ihm Leid tue, dass er (Kläger) wegen des Fersenbruchs nun Schmerzen ertragen müsse. Der Zeuge H habe ihm die Hand gereicht und sich entschuldigt. Der Zeuge H habe ihm u. a. bei dem Gespräch erklärt, er sei nervlich seinerzeit sehr angespannt gewesen, weil er aus dem Krankenhaus gekommen sei, wo seine Tochter (die des Zeugen H) mit 40 Grad Fieber gelegen habe. Er habe sodann im Anschluss nach dem Gespräch, als er wieder zu Hause angekommen sei, seiner Ehefrau von der Begegnung berichtet. Er habe ein Schreiben über den tatsächlichen Geschehensablauf betr. den Angriff des Zeugen H verfasst und diesen gebeten, den Inhalt in einem Schreiben zum tatsächlichen Geschehensablauf zu bestätigen. Die Eheleute H hätten sich daraufhin beraten, das vorgelegte Schreiben nicht zu unterschreiben und ihn (den Kläger) auf den Rechtsanwalt des Zeugen Hverwiesen.
Der Beklagte hat an seinen Verwaltungsentscheidungen festgehalten. Es fehle an einer direkten körperlichen Einwirkung, die das Tatbestandsmerkmal eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs erfülle.
Das Sozialgericht Neuruppin hat in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2003 den Zeugen M H zum Beweisthema "Auseinandersetzung vom 21. November 1999" gehört; wegen der Aussage des Zeugen H wird auf Bl. 59 bis 60 der Gerichtsakten verwiesen.
Das Sozialgericht Neuruppin hat durch Urteil vom 17. September 2003 die Klage abgewiesen. Der Nachweis über ein schädigendes Ereignis im Sinne des § 1 OEG sei nicht erbracht. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Urteils wird auf Bl. 69 bis 72 der Gerichtsakten verwiesen.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 07. Oktober 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Oktober 2003 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass es sich bei dem Vorfall am 21. November 1999 nicht um einen solchen im Sinne des § 1 OEG gehandelt habe. Seine Flucht sei gerade nicht nur deshalb erfolgt, dass eine Gefahr habe drohen können. Vielmehr sei es so gewesen, dass er die Flucht in das Treppenhaus angetreten habe, weil ihn der Zeuge H verfolgt und konkret mit den Worten "Dich schlage ich tot!" bedroht habe. Diese Bedrohung sei dadurch manifestiert worden, dass der Zeuge H ihn mit einer erhobenen Glasschale ins Treppenhaus verfolgt habe. Er sei demnach zur Flucht gezwungen gewesen. Soweit diesbezüglich das Sozialgericht ausgeführt habe, dass er in seiner polizeilichen Vernehmung nicht angegeben habe, dass er durch den Zeugen H ins Treppenhaus verfolgt worden sei, so treffe dies nicht zu. Zwar sei explizit in der Strafanzeige vom 24. November 1999 nicht davon die Rede gewesen, dass er durch den Zeugen H bis auf die Treppe verfolgt worden sei, jedoch könne dies nicht zu seinen Lasten gewertet werden. Berücksichtigt werden müsse, dass er sich zu diesem Zeitpunkt noch zur Akutbehandlung der Verletzung in der Klinik befunden habe. Darüber hinaus habe es sich bei der Strafanzeige und der Wiedergabe des Sachverhalts nur um eine subjektive Wiedergabe des Kriminaloberkommissars J gehandelt. Diese Aufzeichnung sei durch ihn nicht unterzeichnet worden. In unmittelbar zeitlicher Nähe sei eine Vernehmung von ihm im Krankenhaus erfolgt. In dieser niedergelegten Leseabschrift sei ausgeführt worden, dass der Zeuge H mit der Glasschale hinter ihm hinterher gelaufen sei. Der Zeuge H habe ihn bis auf die Treppe verfolgt. Im Übrigen sei die Aussage des Zeugen H unglaubwürdig. Es sei falsch, dass der Zeuge H den Notruf (112) abgesetzt habe. Seine Ehefrau habe vielmehr den Notruf abgesetzt. Es treffe auch nicht zu, wenn der Zeuge H angegeben habe, dass seine Ehefrau und seine Tochter anwesend gewesen seien, als er am Boden gelegen habe. Vielmehr sei es so gewesen, dass seine Ehefrau erst später durch die weiteren Bewohner des Hauses N informiert worden sei. Auf eine schriftliche Zeugenerklärung des Herrn G N werde Bezug genommen. Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. September 2003 sowie den Bescheid des Amtes für Soziales und Versorgung Potsdam vom 05. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Ereignisses vom 21. November 1999 Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter des Senats hat am 10. Februar 2006 im Sozialgericht Neuruppin einen Erörterungstermin mit Beweisaufnahme durchgeführt, in dem die Ehefrau des Zeugen M H, die Zeugin M H, zum Beweisthema "Ereignisse am 21. November 1999 in KStraße , N" gehört worden ist. Wegen der Einzelheiten der Aussage der Zeugin H wird auf Bl. 125 bis 127 der Gerichtsakten verwiesen.
Wegen des weiteren Inhalts zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, der B Akten des Beklagten sowie der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Neuruppin hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die Verwaltungsentscheidungen des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz.
Nach dem seither unverändert gebliebenen § 1 Abs. 1 Satz 1 des am 16. Mai 1976 in Kraft getretenen OEG vom 11. Mai 1976 (BGBl. I, S. 1181) erhält, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.
Unter einem tätlichen Angriff ist ein gewaltsames Vorgehen gegen eine Person in feindlicher Absicht zu verstehen (vgl. Kunz/Zellner, Opferentschädigungsgesetz, Kommentar, 4. Auflage zu § 1 Rdnr. 10). Gefordert wird eine unmittelbare auf die körperliche Integrität eines anderen abzielende feindliche Aktion ohne Rücksicht auf ihren Erfolg (BSGE 81, 289; 77, 11). Ein tätlicher Angriff ist gekennzeichnet durch ein aktives Handeln, das unmittelbar gegen den Körper des Opfers gerichtet ist. Die Drohung stellt ein körperliches Übel erst in Aussicht und fällt grundsätzlich nicht unter den Begriff des tätlichen Angriffs. Nur wenn das Inaussicht Stellen des künftigen Übels bereits als Angriff auf die körperliche Integrität angesehen werden muss, kann bereits ein tätlicher Angriff bejaht werden. Durch einen tätlichen Angriff ist auch verursacht eine Verletzung, die der Angegriffene selbst während einer Fluchthandlung erleidet oder auf der Flucht einem Dritten zufügt. So liegt ein entschädigungspflichtiger Tatbestand u. a. vor, wenn der Angegriffene vor dem Täter flieht, stürzt und Verletzungen erleidet.
In allen Zweigen des sozialen Entschädigungsrechts genügt, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen, d.h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein müssen (st. Rspr. des BSG, so zur Kriegsopferversorgung - KOV - BSGE 77, 151, 152 = SozR 3-3100 § 1 Nr. 18; zum Opferentschädigungsgesetz - OEG -: BSGE 63, 271, 273 = SozR 1500 § 128 Nr. 34 m. w. N.; SozR 1500 § 128 Nr. 35; BSGE 65, 123f = § 128 Nr. 39; zum Soldatenversorgungsgesetz - SVG: BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 6; zum Impfschadensrecht: BSG SozR 3850 § 51 Nr. 9 und § 52 Nr. 1).
Nach der auch im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist im Übrigen zu beachten, dass nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich ist, sondern nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt haben (Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., § 1 BVG Rdnr. 67 mit weiteren Nachweisen). Ursache sind dabei die Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben mehrere Umstände zum Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (VV zu § 1 BVG).
Das Sozialgericht hat - auch unter Berücksichtigung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung - zutreffend entschieden, dass der Tatbestand von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht erfüllt ist. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlichen Angriff auf den Kläger ist weder nachgewiesen (zu 1.) noch führen allein die Angaben des Klägers, als glaubhaft zu Grunde gelegt, zur Bejahung des Tatbestandes (zu 2.).
1. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist der Nachweis nicht erbracht, dass der Kläger vom Zeugen H angegriffen wurde, als er sich die schwerwiegende Verletzung an der linken Ferse zuzog. Ein tätlicher Angriff entsprechend der Erklärung des Klägers in der Beschuldigtenvernehmung vor dem Polizeipräsidium O, Schutzbereich O-R/N (Bl. 15 f. der Akten der Staatsanwaltschaft N, Az.: ), der Zeuge H habe ihn mit einem Gegenstand in der Hand bedroht und erklärt, ihn totschlagen zu wollen, worauf er weggerannt sei, der Zeuge H ihm folgend, ist zur Überzeugung des Senats nicht bewiesen. Dieser vom Kläger so geschilderte Sachverhalt wird weder durch die Aussagen der Zeugen H bestätigt noch ergibt er sich aus den Aufzeichnungen des Kriminaloberkommissars J anlässlich der Befragung des Klägers im Krankenhaus N. Unstreitig ist der Kläger am 21. November 1999 an die Wohnungstür der beiden Zeugen H gegangen, um sich über Lärm, der wahrscheinlich aus der Wohnung der Zeugen H herrührte, zu beschweren. Vom Kläger wird nach eigenen Angaben auch nicht bestritten, dass er, nachdem die Wohnungstür vom Zeugen H geöffnet war, nicht vor der Wohnung stehen blieb, sondern in den Bereich der Türöffnung getreten ist. Andernfalls erklären sich nicht die Äußerungen der beiden Zeugen H, dass die Wohnungstür ihrer Wohnung nicht sogleich zu verschließen gewesen ist. Im Übrigen erklärte der Kläger selbst in der sich auf Blatt 15 bis 17 der Akten der Staatsanwaltschaft N (Az.: ) befindlichen polizeilichen Vernehmung, dass der Zeuge H versucht habe, ihn aus der Tür zu drängen, weshalb er halb im Flur gestanden habe. Dieses Verhalten des Klägers habe den Zeugen H sodann bewogen, einen Gegenstand in die Hand zu nehmen, mit dem er dem Kläger gedroht habe1. Dies ist für den Senat auch nachvollziehbar, denn der Zeuge H wollte die Tür schließen, was auch nach Aussage der Zeugin H gelungen ist. Die Tür wurde nach Aussagen der Zeugin H erst wieder geöffnet, als ein lautes Poltern von der Treppe zu vernehmen war. Hieraus ergibt sich aber, dass ein Angriff unmittelbar (im Sinne der wesentlichen Bedingung) auf den Kläger nicht mehr bevorgestanden hat, als er sich die schwere Verletzung an der linken Ferse zugezogen hat. Der Senat ist deswegen davon überzeugt, dass der Kläger sich bei dem Herunterlaufen der Treppen vom Bereich der Wohnung H nicht infolge eines bevorstehenden Angriffs die linke Ferse gebrochen hat. Damit ist ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht bewiesen.
2. Aber selbst wenn die Sachverhaltsdarstellung des Klägers zugrunde gelegt wird bzw. als wahr unterstellt würde, so ergibt sich hieraus ebenfalls nicht die Bejahung der Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 OEG. Durch das Eintreten in den Wohnungsbereich der Eheleute H hat der Kläger – objektiv – einen Hausfriedenbruch i. S. d. § 123 StGB begangen. Die Zeugin H hat in ihrer Vernehmung erklärt, dass der Kläger an diesem Tage nicht in die Wohnung gebeten worden war. Ein derartiges strafrechtliches Verhalten steht aber einem vorsätzlich, rechtswidrigen Angriff i. S. d. § 1 Abs. 1 OEG entgegen. Denn der Versuch des Zeugen Hden Kläger aus der Tür zu drängen, ist als angemessene Notwehr (i. S. d. § 32 StGB) ebenso gerechtfertigt, wie nach dem Scheitern dieses Versuchs die Bedrohung mit einem Gegenstand. Allenfalls eine Verfolgung des Klägers in das Treppenhaus könnte über eine angemessene Notwehrhandlung hinausgehen. Eine solche Verfolgung ins Treppenhaus und damit einhergehende Bedrohung, wie sie der Kläger behauptet, würde einen Notwehrexzess i. S. d. § 33 StGB darstellen, indem der Zeuge Hin einer objektiv vorliegenden Notlage die Grenzen der Notwehr im Affekt überschritten hat (vgl. Tröndle/Fischer, StGB mit Nebengesetzen, 53. Aufl., 2006, § 33 Rdnr. 3). Damit könnte in der vom Kläger behaupteten Verfolgung und Bedrohung jedoch zumindest keine vorsätzliche Tat des Zeugen H gesehen werden und damit wiederum nicht zur Annahme des § 1 Abs. 1 OEG führen.
Nach alledem ergibt sich, dass, ausgehend von der Sachverhaltsdarstellung der Eheleute H, es an dem Nachweis eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG fehlt bzw. auf der Grundlage der Sachverhaltsdarstellung des Klägers an dem Vorsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG fehlt. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen, weil die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Rechtskraft
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