Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 RJ 101/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 RJ 233/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 34/01
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.10.1998 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Waisenrente aus der Versicherung ihrer verstorbenen Großmutter (Versicherte).
Die 1984 geborene Klägerin ist die Tochter der 1956 geborenen G ... B ... G ... B ... ist ihre gesetzliche Vertreterin und hat das Sorgerecht für die Klägerin.
Die am ...1930 geborene Versicherte verstarb am 31.05.1996. Sie war die Großmutter der Klägerin.
Die Klägerin, ihre Mutter und die Versicherte lebten bis zum Tode der Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt. Dieser bestand etwa seit 1985/1986, seit Mai 1994 wohnte die Familie in der R ...-Str. in D ... Die Versicherte litt an Krebs und erhielt seit dem 01.08.1987 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, seit 1995 zahlte die Beklagte Altersrente.
Die Mutter der Klägerin ist ledig, zum Vater besteht kein Kontakt. Sie arbeitete bis 1992 und erhielt aufgrund einer Psoriasis und einer Psoriasis Arthritis Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von 1993 bis Mai 1996. Ab Februar 1996 arbeitete die Mutter der Klägerin wieder halbtags als Buchhalterin. Seit Februar 1999 bezieht sie wieder eine Zeitrente.
Die Klägerin erhielt von 1984 bis 1987 und ab Dezember 1993 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe des Regelunterhaltes nach der Düsseldorfer Tabelle. Sie ist über ihre Mutter krankenversichert. Das Kindergeld für die Klägerin wird an die Mutter gezahlt.
Am 17.06.1996 beantragte die Klägerin - gesetzlich vertreten durch ihre Mutter - aufgrund des Todes der Versicherten Halbwaisenrente. Sie legte Erklärungen der Schwester der Versicherten, Frau E ... E ... sowie ihres Patenonkels K ... R ... vor, die bestätigten, dass die Versicherte sie von Geburt an versorgt habe. Sie behauptete unter Vorlage von Kontoauszügen der Versicherten, dass diese ausser der Zahlung von Rundfundgebühren keine weiteren finanziellen Verpflichtungen gehabt habe, so dass sie die Klägerin habe unterhalten können. Sie führte aus, die Versicherte habe größtenteils für ihren Unterhalt in materieller und immaterieller Form gesorgt. Ihre Mutter habe dies nicht leisten können, weil diese entweder berufstätig oder während der Zeit der Rentenzahlung so krank gewesen sei, dass die Mutter selbst von der Versicherten habe betreut werden müssen. Anderweitigen Unterhalt habe sie lediglich von der Unterhaltsvorschusskasse erhalten.
Die Beklagte holte Meldebescheinigungen, eine Auskunft der BEK über die Krankenversicherung, eine Auskunft des Jugendamtes über das Sorgerecht und Auskünfte der Stadt D ... über die UVG-Leistungen und gezahlte Sozialhilfe ein.
Mit Bescheid vom 30.01.1997 und Widerspruchsbescheid vom 15.04.1997 (der nach erfolgloser Zustellung am 03.06.1997 erneut zur Post gegeben wurde) lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil gemäß § 48 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI ein Anspruch auf Waisenrente für Enkel nur dann bestehe, wenn sie im Zeitpunkt des Todes im Haushalt des Versicherten aufgenommen waren oder von ihm überwiegend unterhalten wurden. Eine Aufnahme in den Haushalt des Versicherten liege nur vor, wenn das Kind aus dem Haushalt seiner Eltern ausgeschieden und in den Haushalt des Versicherten übergetreten sei. Führten ein Elternteil und der Versicherte einen gemeinsamen Haushalt, sei dies regelmässig nicht der Fall. Da die Mutter neben der Versicherten im Haushalt der Verstorbenen gelebt habe, liege eine Haushaltsaufnahme nicht vor. Auch habe die Versicherte die Klägerin nicht überwiegend unterhalten.
Die Klägerin hat am Montag, den 07.07.1997 Klage erhoben. Sie hat weiterhin behauptet, die Versicherte habe sie sowohl finanziell unterstützt als auch persönlich betreut.
Die Beklagte hat ergänzend dargelegt, gegen eine Haushaltsaufnahme bei der Versicherten spreche auch, dass der eigentliche Hausstand, d.h. Miete und Nebenkosten, von der Mutter der Klägerin allein finanziert worden sei.
Das Sozialgericht hat die der Rentengewährung an die Mutter zugrundeliegende Prozeßakte des SG Düsseldorf S 27 An 496/92 beigezogen und die Klägerin und ihre Mutter in Erörterungsterminen vom 04.09.1997 und 25.06.1998 persönlich angehört. Zum Ergebnis wird auf die entsprechenden Niederschriften verwiesen.
Mit Urteil vom 20.10.1998 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, Halbwaisenrente nach Maßgabe der Gesetze zu bewilligen. Gestützt auf die Urteile des BSG vom 15.03.1988 - 4/11 a RA 14/87 und 22.04.1992 - 5 RJ 28/91 - hat es ausgeführt, für die Haushaltsaufnahme seien drei wesentliche Merkmale zu fordern: "Begründung einer Familie", "Zuwendung von Fürsorge" und "Gewährung eines nicht unerheblichen materiellen Unterhaltes". Diese Merkmale seien erfüllt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen diese am 29.10.1998 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 11.11.1998 eingelegte Berufung. Die Beklagte meint, im Gegensatz zu den vom BSG entschiedenen Fällen sei die Klägerin nicht in den Haushalt der Versicherten aufgenommen worden, sondern es habe sich um den Haushalt der Mutter gehandelt, in dem auch die Versicherte gelebt habe. Selbst wenn es auch der Haushalt der Versicherten gewesen sei, scheide ein Rentenanspruch aus, weil ein Kind nicht gleichzeitig in zwei Haushalten leben könne.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.10.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, die Versicherte sei nach ihrer Geburt zu ihrer Mutter gezogen, weil die Wohnung der Versicherten zu klein gewesen sei. Der Entschluss zusammenzuziehen sei gefaßt worden, weil sich die Schuppenflechte und die Gelenkerkrankung ihrer Mutter nach der Geburt verschlimmert hätten. Die Wohnung in der R ...-Str. habe ihre Mutter allein angemietet, weil diese sich in schriftlichen Dingen besser ausgekannt habe. Man habe als Familie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.
Im Berufungsverfahren wurden die Kindergeldakte, die UVG-Akte der Stadt D ... und die Rentenakten der Mutter der Klägerin (Prozeßakten des SG Düsseldorf S 27 An 496/92 und S 27 RA 305/97) beigezogen. Die Kindergartenerzieherinnen H ... und F ... haben schriftlich bestätigt, dass die Versicherte die Klägerin regelmässig zum Kindergarten und dort abgeholt habe. Der Patenonkel der Klägerin Richter und die Grundschullehrerin D ... wurden uneidlich als Zeugen vernommen.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen und die Sitzungsniederschriften vom 29.06.1999 und 17.07.2000 verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat aufgrund des Todes der Versicherten einen Anspruch auf Waisenrente.
Ein Anspruch auf Halbwaisenrente setzt gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 SGB VI voraus, dass der verstorbene Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und der Anspruchsteller als Kind des Versicherten zu berücksichtigen ist.
Die verstorbene Versicherte hat die allgemeine Wartezeit im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt. Da die Eltern der Klägerin noch leben, kommt nur ein Anspruch auf Halbwaisenrente in Betracht (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Die Klägerin ist auch als Kind der Versicherten zu berücksichtigen. Gemäß § 48 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI werden Enkel als Kinder auch berücksichtigt, wenn sie in den Haushalt des Verstorbenen aufgenommen waren oder von ihm überwiegend unterhalten wurden.
Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin in den Haushalt der Versicherten aufgenommen war. Unter Haushaltsaufnahme ist die Begründung einer Familiengemeinschaft zu verstehen, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Unterhalt) und immaterieller (Zuwendung von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) Art darstellt (ständige Rechtsprechung, BSG SozR 2200 § 1262 Nr. 14; BSG, Urteil vom 15.03.1988 -B 4/11a RA 14/87-; BSG, Urteil vom 08.07.1998 -B 13 RJ 97/97 R-).
Die Klägerin hat mit der Versicherten in einer Wohnung zusammengelebt, so dass das Merkmal der örtlichen Verbundenheit erfüllt ist.
Es ist auch nachgewiesen, dass die Versicherte - was die Beklagte letztlich auch nicht bestreitet - der Klägerin Fürsorge zugewandt hat und mit ihr eine familienähnliche Bindung eingegangen ist: Die Klägerin hat glaubhaft und nachvollziehbar beschrieben, dass sich ihre Großmutter mindestens ebenso wie ihre Mutter um sie gekümmert hat. Dies wird durch die von der Klägerin vorgelegten schriftlichen Erklärungen von E ... E ... und K ... R ... bestätigt. Auch die Angaben von Frau H ... und Frau F ... und die Aussage der Grundschullehrerin D ... belegen, dass die Versicherte der Klägerin Fürsorge zugewandt hat, die mit der gebotenen Fürsorge von Eltern gegenüber Kindern vergleichbar ist.
Die Versicherte hat der Klägerin auch ausreichend Unterhalt zugewandt.
Hinterbliebenenrenten haben die Funktion, einen durch den Tod des Versicherten entfallenden Unterhalt zu ersetzen. 0bwohl in personeller Hinsicht das Waisenrentenrecht mit der Einbeziehung von Stiefkindern, Pflegekindern, Enkeln und Geschwistern erheblich den Kreis derjenigen, die nach bürgerlichem Unterhaltsrecht (§§1601 ff BGB) als Kinder gegenüber einer Person kraft Gesetzes unterhaltsberechtigt sind, überschreitet (hierzu Köbl, Handbuch des Sozialversicherungsrechts-Rentenversicherung- Rdnr. 111 zu § 28), bleibt die Unterhaltsersatzfunktion der Waisenrenten (hierzu BVerfGE 17, 1, 11; 28, 324, 351) auch die spezifische Funktion einer Waisenrente für Enkel des Versicherten. Deshalb kann Waisenrente nicht demjenigen Enkel geleistet werden, dem durch den Tod eines Großelternteils nur die Zuwendung immaterieller Art genommen worden ist. Erforderlich ist die Gewährung nicht unerheblichen Unterhalts zu Lebzeiten des Versicherten, der sowohl bar als auch als Betreuungsunterhalt (vgl. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) in Form von Pflege (Beaufsichtigung und Erziehung) geleistet worden sein kann. Ein Betreuungsunterhalt ist nicht unerheblich, wenn er zumindest 1/4 des insgesamt für das Kind aufzubringen zeitlichen Betreuungsaufwands beansprucht (BSG, Urteil vom 15.03.1988 a.a.0.; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht/Gürtner Rdnr. 21 zu § 48 SGB VI; kritisch zu dieser Quote Köbl a.a.0. Rdnr. 117 zu § 28).
Es ist davon auszugehen, dass die Versicherte, solange sie dazu gesundheitlich in der Lage war, Betreuungsunterhalt in diesem Umfang leistete. Dies ist nicht nur eine lebensnahe Betrachtungsweise, sondern wird auch durch den Gesundheitszustand der Mutter der Klägerin plausibel belegt. Diese hat bis zum Tode der Versicherten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines auch gerade für die Erfüllung von Betreuungs- und Erziehungsaufgaben erheblich behindernden Krankheitsbildes erhalten. Durch den der Bewilligung der Zeitrente zugrundeliegenden Entlassungsbericht der Medizinischen Klinik S ... über den stationären Aufenthalt der Mutter der Klägerin vom 24.05.1993 bis zum 21.06.1993 ist belegt, dass diese unter einer entzündlich rheumatischen Erkrankung mit Schmerzsymptomatik und hiermit einhergehender hoher psychischer Belastung und einem Erschöpfungszustand litt. Bestätigt wird die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Mutter der Klägerin auch durch die medizinischen Feststellungen im Verfahren SG Düsseldorf S 27 RA 305/97. Der neurologisch-psychiatrische Sachverständige Dr. E ... beschreibt im Gutachten vom 08.09.1999 nicht nur die Gelenkerkrankung, sondern auch eine seit Jahren bestehende psychische Erkrankung mit Depressionen, Ängsten und körperlicher Symptomatik bei zwangsneurotischer Persönlichkeitsstruktur. Die Mutter der Klägerin brauchte die Hilfe der Versicherten. Unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes der Mutter der Klägerin ist davon auszugehen, dass die Versicherte - jedenfalls als sie selbst gesundheitlich noch dazu in der Lage war - erhebliche Betreuungsleistungen gerade auch zu Gunsten der Klägerin erbrachte.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass - wie sich aus den Ausführungen des Zeugen R ... ergibt und auch von der Mutter der Klägerin selbst bestätigt wird - die Versicherte krankheitsbedingt ab 1994 evtl. nicht mehr in der Lage war, wesentlich Betreuungsleistungen für die Klägerin zu erbringen. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass der Wortlaut von § 48 Abs. 3 SGB VI hinsichtlich des Zeitraums der Unterhaltsgewährung offen ist. Im Gegensatz zu § 243 SGB VI (Witwenrente und Witwerrente an vor dem 01. Juli 1977 geschiedene Ehegatten) ist für einen Waisenrentenanspruch für Enkel nach § 48 Abs. 3 SGB VI nicht erforderlich, dass der Unterhalt im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten erbracht wurde oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode ein Anspruch darauf bestand. Wie ausgeführt ist es spezifische Funktionen der Waisenrente, den der Waise typischerweise entgehenden Unterhalt zu ersetzen. Daher ist es nach Sinn und Zweck der Vorschrift ausgeschlossen, einen Rentenanspruch deshalb zu verneinen, weil die Krankheit, die zum Tode und damit zum völligen Ausfall der Leistungsfähigkeit geführt hat, bereits vorher die Erbringung von Betreuungsleistungen unmöglich machte (vgl. auch entsprechende Überlegungen bei BSG, Urteil vom 22.04.1992 - B 5 RJ 28/91 -).
Im Gegensatz zur von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden geäußerten Auffassung ist es für die Aufnahme eines Enkelkindes in den Haushalt eines Großelternteiles nicht erforderlich, dass die Mutter nicht in dem selben Haushalt lebt und das Kind von der Familiengemeinschaft der Mutter getrennt ist. Diese Auffassung wurde zuletzt vom 5. Senat des BSG im Urteil vom 10.02.1983 - 5b RJ 56/91 - vertreten. Der 4. Senat ließ im erwähnten Urteil vom 15.03.1988 diese Frage ausdrücklich offen, führte jedoch in dieser Entscheidung aus, dass die Tatsache, dass die Großeltern sich die Gewährung von Naturalunterhalt mit der Mutter des Enkelkindes teilten, einer Gewährung von Waisenrente aus der Versicherung der Großeltern nicht entgegenstehe. Mit dem erwähnten Urteil vom 22.04.1992 hat der 5. Senat seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und ausgeführt, dass auch dann, wenn die Mutter mit ihrem Kind im gemeinsamen Haushalt bei ihren Eltern lebt, hinsichtlich des Kindes eine Haushaltsaufnahme durch die Großeltern gegeben sein kann. Dieser Rechtsprechung schließt der Senat sich an.
Unerheblich ist auch, dass die Versicherte die Klägerin nicht in ihre Wohnung aufgenommen hat, sondern die Versicherte zunächst in die Wohnung der Mutter gezogen ist und man sodann einen gemeinsamen Hausstand gründete. Zuzugestehen ist der Beklagten allerdings, dass den Entscheidungen des BSG vom 15.03.1988 und 22.04.1992 Sachverhalte zugrundelagen, in denen das Kind in einen bestehenden Haushalt der Großeltern zog. Dieser Unterschied zum vorliegenden Fall ist jedoch nicht erheblich. Das BSG hat die Frage, ob bereits ein Hausstand der Großeltern bestand oder die ser erst gemeinsam mit dem Enkelkind gegründet wurde, in beiden Entscheidungen nicht ausdrücklich als wesentlich angesehen. Dies ist auch nachvollziehbar, denn es handelt sich um einen formalen Umstand, der mit Sinn und Zweck der Halbwaisenrente - Unterhaltsersatzfunktion - nichts zu tun hat. Hintergrund der Fallkonstellationen, die den genannten Entscheidungen des BSG zugrundelagen, war vielmehr, dass die Großeltern wohl eher zur Erbringung der vollen Erziehungsleistung in der Lage waren, als die zum Teil noch minderjährigen Mütter. Auch hier ist es ähnlich. Wie bereits dargelegt war die Mutter der Klägerin gesundheitlich stark beeinträchtigt. Die Gründung eines gemeinsamen Hausstandes ermöglichte eine erheblich bessere, in wesentlichen Zeiträumen der schwerwiegenden körperlichen und psychischen Erkrankung der allein sorgeberechtigten Mutter der Klägerin die nahezu alleinige notwendige Betreuung der Klägerin.
Im Gegensatz zur Meinung der Beklagten ist es unerheblich, dass es mehrere Haushaltsvorstände gab. Entscheidend ist, dass auch die Versicherte - wie hier - Haushaltsvorstand gewesen ist, und es sich damit mindestens auch um ihren Haushalt handelte, in dem die Klägerin lebte. Durch die Ausführungen der Mutter der Klägerin, der Klägerin selbst und des Zeugen Richter ist belegt, dass die beiden im Haushalt lebenden erwachsenen Personen gleichberechtigt alle Belange des Haushalts regelten. Auf die Art und Weise der Finanzierung im Einzelnen kommt es nicht an.
Der Bejahung eines Rentenanspruchs steht auch nicht etwa entgegen, dass die Bewilligung einer Halbwaisenrente in Fällen der vorliegenden Art zu einer nicht hinnehmbaren Erhöhung des Versicherungsrisikos bei Mehrgenerationenhaushalten führen könnte. Derartige Bedenken sind nämlich nicht berechtigt. Ein zu einem Rentenanspruch führender wesentlicher Betreuungsunterhalt durch die Großeltern oder ein Großelternteil wird nur dann geleistet, wenn dieser durch die Eltern nicht vollständig erbracht werden kann. Von dem Verstorbenen muß eine Lücke gefüllt werden, die mit der Lücke vergleichbar ist, die ein Elternteil in der Betreuung und Versorgung eines Kindes hinterläßt, wenn er verstirbt. Die Gewährung einer Halbwaisenrente nach dem Tod eines Großelternteiles scheidet daher aus, wenn die Betreuung des Kindes durch die Eltern auch ohne die Großeltern gesichert werden kann. Unbeachtlich ist insbesondere auch, wenn beide Eltern berufstätig sind, und die Betreuung der Kinder durch die Großeltern oder einen Großelternteil erfolgt. Denn dann kommen beide Eltern ihrer Unterhaltspflicht dadurch nach, dass sie in erster Linie finanziell für das Kind sorgen und von den betreuenden Großeltern lediglich die tatsächliche Betreuung im Auftrag eines oder beider Elternteile geleistet wird. In diesem Fall hinterläßt der Tod eines Großelternteiles unterhaltsrechtlich keine mit dem Tod eines Elternteiles vergleichbare Lücke, weshalb ein Waisenrentenanspruch dann ausscheidet.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Zwar hat das BSG in den Urteilen vom 15.03.1988 und 22.04.1992 die Voraussetzungen für die Bewilligung von Halbwaisenrente festgelegt. Indes ist die Frage, welcher Unterhaltsanteil als hinreichend für eine Waisenrente zu erachten ist, wenn ein Kind nicht in der klassischen Kernfamilie, sondern in Familiengemeinschaft mit sonstigen Angehörigen lebt, in der Literatur nicht unumstritten (vgl. Köbl, a.a.0., Rdnr. 117 zu § 28). Dies läßt es erforderlich erscheinen, die Voraussetzungen und Grenzen eines Anspruchs auf Halbwaisenrente in Fällen der vorliegenden Arthöchstrichterlich zu klären. Durch das BSG noch nicht geklärt ist zudem, inwieweit sich die Tatsache, dass der Versicherte vor seinem Tode krankheitsbedingt nicht mehr zur Erbringung von Betreuungsleistungen in der Lage war, auf einen Waisenrentenanspruch auswirkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Waisenrente aus der Versicherung ihrer verstorbenen Großmutter (Versicherte).
Die 1984 geborene Klägerin ist die Tochter der 1956 geborenen G ... B ... G ... B ... ist ihre gesetzliche Vertreterin und hat das Sorgerecht für die Klägerin.
Die am ...1930 geborene Versicherte verstarb am 31.05.1996. Sie war die Großmutter der Klägerin.
Die Klägerin, ihre Mutter und die Versicherte lebten bis zum Tode der Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt. Dieser bestand etwa seit 1985/1986, seit Mai 1994 wohnte die Familie in der R ...-Str. in D ... Die Versicherte litt an Krebs und erhielt seit dem 01.08.1987 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, seit 1995 zahlte die Beklagte Altersrente.
Die Mutter der Klägerin ist ledig, zum Vater besteht kein Kontakt. Sie arbeitete bis 1992 und erhielt aufgrund einer Psoriasis und einer Psoriasis Arthritis Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von 1993 bis Mai 1996. Ab Februar 1996 arbeitete die Mutter der Klägerin wieder halbtags als Buchhalterin. Seit Februar 1999 bezieht sie wieder eine Zeitrente.
Die Klägerin erhielt von 1984 bis 1987 und ab Dezember 1993 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe des Regelunterhaltes nach der Düsseldorfer Tabelle. Sie ist über ihre Mutter krankenversichert. Das Kindergeld für die Klägerin wird an die Mutter gezahlt.
Am 17.06.1996 beantragte die Klägerin - gesetzlich vertreten durch ihre Mutter - aufgrund des Todes der Versicherten Halbwaisenrente. Sie legte Erklärungen der Schwester der Versicherten, Frau E ... E ... sowie ihres Patenonkels K ... R ... vor, die bestätigten, dass die Versicherte sie von Geburt an versorgt habe. Sie behauptete unter Vorlage von Kontoauszügen der Versicherten, dass diese ausser der Zahlung von Rundfundgebühren keine weiteren finanziellen Verpflichtungen gehabt habe, so dass sie die Klägerin habe unterhalten können. Sie führte aus, die Versicherte habe größtenteils für ihren Unterhalt in materieller und immaterieller Form gesorgt. Ihre Mutter habe dies nicht leisten können, weil diese entweder berufstätig oder während der Zeit der Rentenzahlung so krank gewesen sei, dass die Mutter selbst von der Versicherten habe betreut werden müssen. Anderweitigen Unterhalt habe sie lediglich von der Unterhaltsvorschusskasse erhalten.
Die Beklagte holte Meldebescheinigungen, eine Auskunft der BEK über die Krankenversicherung, eine Auskunft des Jugendamtes über das Sorgerecht und Auskünfte der Stadt D ... über die UVG-Leistungen und gezahlte Sozialhilfe ein.
Mit Bescheid vom 30.01.1997 und Widerspruchsbescheid vom 15.04.1997 (der nach erfolgloser Zustellung am 03.06.1997 erneut zur Post gegeben wurde) lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil gemäß § 48 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI ein Anspruch auf Waisenrente für Enkel nur dann bestehe, wenn sie im Zeitpunkt des Todes im Haushalt des Versicherten aufgenommen waren oder von ihm überwiegend unterhalten wurden. Eine Aufnahme in den Haushalt des Versicherten liege nur vor, wenn das Kind aus dem Haushalt seiner Eltern ausgeschieden und in den Haushalt des Versicherten übergetreten sei. Führten ein Elternteil und der Versicherte einen gemeinsamen Haushalt, sei dies regelmässig nicht der Fall. Da die Mutter neben der Versicherten im Haushalt der Verstorbenen gelebt habe, liege eine Haushaltsaufnahme nicht vor. Auch habe die Versicherte die Klägerin nicht überwiegend unterhalten.
Die Klägerin hat am Montag, den 07.07.1997 Klage erhoben. Sie hat weiterhin behauptet, die Versicherte habe sie sowohl finanziell unterstützt als auch persönlich betreut.
Die Beklagte hat ergänzend dargelegt, gegen eine Haushaltsaufnahme bei der Versicherten spreche auch, dass der eigentliche Hausstand, d.h. Miete und Nebenkosten, von der Mutter der Klägerin allein finanziert worden sei.
Das Sozialgericht hat die der Rentengewährung an die Mutter zugrundeliegende Prozeßakte des SG Düsseldorf S 27 An 496/92 beigezogen und die Klägerin und ihre Mutter in Erörterungsterminen vom 04.09.1997 und 25.06.1998 persönlich angehört. Zum Ergebnis wird auf die entsprechenden Niederschriften verwiesen.
Mit Urteil vom 20.10.1998 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, Halbwaisenrente nach Maßgabe der Gesetze zu bewilligen. Gestützt auf die Urteile des BSG vom 15.03.1988 - 4/11 a RA 14/87 und 22.04.1992 - 5 RJ 28/91 - hat es ausgeführt, für die Haushaltsaufnahme seien drei wesentliche Merkmale zu fordern: "Begründung einer Familie", "Zuwendung von Fürsorge" und "Gewährung eines nicht unerheblichen materiellen Unterhaltes". Diese Merkmale seien erfüllt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen diese am 29.10.1998 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 11.11.1998 eingelegte Berufung. Die Beklagte meint, im Gegensatz zu den vom BSG entschiedenen Fällen sei die Klägerin nicht in den Haushalt der Versicherten aufgenommen worden, sondern es habe sich um den Haushalt der Mutter gehandelt, in dem auch die Versicherte gelebt habe. Selbst wenn es auch der Haushalt der Versicherten gewesen sei, scheide ein Rentenanspruch aus, weil ein Kind nicht gleichzeitig in zwei Haushalten leben könne.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.10.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, die Versicherte sei nach ihrer Geburt zu ihrer Mutter gezogen, weil die Wohnung der Versicherten zu klein gewesen sei. Der Entschluss zusammenzuziehen sei gefaßt worden, weil sich die Schuppenflechte und die Gelenkerkrankung ihrer Mutter nach der Geburt verschlimmert hätten. Die Wohnung in der R ...-Str. habe ihre Mutter allein angemietet, weil diese sich in schriftlichen Dingen besser ausgekannt habe. Man habe als Familie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.
Im Berufungsverfahren wurden die Kindergeldakte, die UVG-Akte der Stadt D ... und die Rentenakten der Mutter der Klägerin (Prozeßakten des SG Düsseldorf S 27 An 496/92 und S 27 RA 305/97) beigezogen. Die Kindergartenerzieherinnen H ... und F ... haben schriftlich bestätigt, dass die Versicherte die Klägerin regelmässig zum Kindergarten und dort abgeholt habe. Der Patenonkel der Klägerin Richter und die Grundschullehrerin D ... wurden uneidlich als Zeugen vernommen.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen und die Sitzungsniederschriften vom 29.06.1999 und 17.07.2000 verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat aufgrund des Todes der Versicherten einen Anspruch auf Waisenrente.
Ein Anspruch auf Halbwaisenrente setzt gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 SGB VI voraus, dass der verstorbene Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und der Anspruchsteller als Kind des Versicherten zu berücksichtigen ist.
Die verstorbene Versicherte hat die allgemeine Wartezeit im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt. Da die Eltern der Klägerin noch leben, kommt nur ein Anspruch auf Halbwaisenrente in Betracht (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Die Klägerin ist auch als Kind der Versicherten zu berücksichtigen. Gemäß § 48 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI werden Enkel als Kinder auch berücksichtigt, wenn sie in den Haushalt des Verstorbenen aufgenommen waren oder von ihm überwiegend unterhalten wurden.
Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin in den Haushalt der Versicherten aufgenommen war. Unter Haushaltsaufnahme ist die Begründung einer Familiengemeinschaft zu verstehen, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Unterhalt) und immaterieller (Zuwendung von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) Art darstellt (ständige Rechtsprechung, BSG SozR 2200 § 1262 Nr. 14; BSG, Urteil vom 15.03.1988 -B 4/11a RA 14/87-; BSG, Urteil vom 08.07.1998 -B 13 RJ 97/97 R-).
Die Klägerin hat mit der Versicherten in einer Wohnung zusammengelebt, so dass das Merkmal der örtlichen Verbundenheit erfüllt ist.
Es ist auch nachgewiesen, dass die Versicherte - was die Beklagte letztlich auch nicht bestreitet - der Klägerin Fürsorge zugewandt hat und mit ihr eine familienähnliche Bindung eingegangen ist: Die Klägerin hat glaubhaft und nachvollziehbar beschrieben, dass sich ihre Großmutter mindestens ebenso wie ihre Mutter um sie gekümmert hat. Dies wird durch die von der Klägerin vorgelegten schriftlichen Erklärungen von E ... E ... und K ... R ... bestätigt. Auch die Angaben von Frau H ... und Frau F ... und die Aussage der Grundschullehrerin D ... belegen, dass die Versicherte der Klägerin Fürsorge zugewandt hat, die mit der gebotenen Fürsorge von Eltern gegenüber Kindern vergleichbar ist.
Die Versicherte hat der Klägerin auch ausreichend Unterhalt zugewandt.
Hinterbliebenenrenten haben die Funktion, einen durch den Tod des Versicherten entfallenden Unterhalt zu ersetzen. 0bwohl in personeller Hinsicht das Waisenrentenrecht mit der Einbeziehung von Stiefkindern, Pflegekindern, Enkeln und Geschwistern erheblich den Kreis derjenigen, die nach bürgerlichem Unterhaltsrecht (§§1601 ff BGB) als Kinder gegenüber einer Person kraft Gesetzes unterhaltsberechtigt sind, überschreitet (hierzu Köbl, Handbuch des Sozialversicherungsrechts-Rentenversicherung- Rdnr. 111 zu § 28), bleibt die Unterhaltsersatzfunktion der Waisenrenten (hierzu BVerfGE 17, 1, 11; 28, 324, 351) auch die spezifische Funktion einer Waisenrente für Enkel des Versicherten. Deshalb kann Waisenrente nicht demjenigen Enkel geleistet werden, dem durch den Tod eines Großelternteils nur die Zuwendung immaterieller Art genommen worden ist. Erforderlich ist die Gewährung nicht unerheblichen Unterhalts zu Lebzeiten des Versicherten, der sowohl bar als auch als Betreuungsunterhalt (vgl. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) in Form von Pflege (Beaufsichtigung und Erziehung) geleistet worden sein kann. Ein Betreuungsunterhalt ist nicht unerheblich, wenn er zumindest 1/4 des insgesamt für das Kind aufzubringen zeitlichen Betreuungsaufwands beansprucht (BSG, Urteil vom 15.03.1988 a.a.0.; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht/Gürtner Rdnr. 21 zu § 48 SGB VI; kritisch zu dieser Quote Köbl a.a.0. Rdnr. 117 zu § 28).
Es ist davon auszugehen, dass die Versicherte, solange sie dazu gesundheitlich in der Lage war, Betreuungsunterhalt in diesem Umfang leistete. Dies ist nicht nur eine lebensnahe Betrachtungsweise, sondern wird auch durch den Gesundheitszustand der Mutter der Klägerin plausibel belegt. Diese hat bis zum Tode der Versicherten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines auch gerade für die Erfüllung von Betreuungs- und Erziehungsaufgaben erheblich behindernden Krankheitsbildes erhalten. Durch den der Bewilligung der Zeitrente zugrundeliegenden Entlassungsbericht der Medizinischen Klinik S ... über den stationären Aufenthalt der Mutter der Klägerin vom 24.05.1993 bis zum 21.06.1993 ist belegt, dass diese unter einer entzündlich rheumatischen Erkrankung mit Schmerzsymptomatik und hiermit einhergehender hoher psychischer Belastung und einem Erschöpfungszustand litt. Bestätigt wird die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Mutter der Klägerin auch durch die medizinischen Feststellungen im Verfahren SG Düsseldorf S 27 RA 305/97. Der neurologisch-psychiatrische Sachverständige Dr. E ... beschreibt im Gutachten vom 08.09.1999 nicht nur die Gelenkerkrankung, sondern auch eine seit Jahren bestehende psychische Erkrankung mit Depressionen, Ängsten und körperlicher Symptomatik bei zwangsneurotischer Persönlichkeitsstruktur. Die Mutter der Klägerin brauchte die Hilfe der Versicherten. Unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes der Mutter der Klägerin ist davon auszugehen, dass die Versicherte - jedenfalls als sie selbst gesundheitlich noch dazu in der Lage war - erhebliche Betreuungsleistungen gerade auch zu Gunsten der Klägerin erbrachte.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass - wie sich aus den Ausführungen des Zeugen R ... ergibt und auch von der Mutter der Klägerin selbst bestätigt wird - die Versicherte krankheitsbedingt ab 1994 evtl. nicht mehr in der Lage war, wesentlich Betreuungsleistungen für die Klägerin zu erbringen. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass der Wortlaut von § 48 Abs. 3 SGB VI hinsichtlich des Zeitraums der Unterhaltsgewährung offen ist. Im Gegensatz zu § 243 SGB VI (Witwenrente und Witwerrente an vor dem 01. Juli 1977 geschiedene Ehegatten) ist für einen Waisenrentenanspruch für Enkel nach § 48 Abs. 3 SGB VI nicht erforderlich, dass der Unterhalt im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten erbracht wurde oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode ein Anspruch darauf bestand. Wie ausgeführt ist es spezifische Funktionen der Waisenrente, den der Waise typischerweise entgehenden Unterhalt zu ersetzen. Daher ist es nach Sinn und Zweck der Vorschrift ausgeschlossen, einen Rentenanspruch deshalb zu verneinen, weil die Krankheit, die zum Tode und damit zum völligen Ausfall der Leistungsfähigkeit geführt hat, bereits vorher die Erbringung von Betreuungsleistungen unmöglich machte (vgl. auch entsprechende Überlegungen bei BSG, Urteil vom 22.04.1992 - B 5 RJ 28/91 -).
Im Gegensatz zur von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden geäußerten Auffassung ist es für die Aufnahme eines Enkelkindes in den Haushalt eines Großelternteiles nicht erforderlich, dass die Mutter nicht in dem selben Haushalt lebt und das Kind von der Familiengemeinschaft der Mutter getrennt ist. Diese Auffassung wurde zuletzt vom 5. Senat des BSG im Urteil vom 10.02.1983 - 5b RJ 56/91 - vertreten. Der 4. Senat ließ im erwähnten Urteil vom 15.03.1988 diese Frage ausdrücklich offen, führte jedoch in dieser Entscheidung aus, dass die Tatsache, dass die Großeltern sich die Gewährung von Naturalunterhalt mit der Mutter des Enkelkindes teilten, einer Gewährung von Waisenrente aus der Versicherung der Großeltern nicht entgegenstehe. Mit dem erwähnten Urteil vom 22.04.1992 hat der 5. Senat seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und ausgeführt, dass auch dann, wenn die Mutter mit ihrem Kind im gemeinsamen Haushalt bei ihren Eltern lebt, hinsichtlich des Kindes eine Haushaltsaufnahme durch die Großeltern gegeben sein kann. Dieser Rechtsprechung schließt der Senat sich an.
Unerheblich ist auch, dass die Versicherte die Klägerin nicht in ihre Wohnung aufgenommen hat, sondern die Versicherte zunächst in die Wohnung der Mutter gezogen ist und man sodann einen gemeinsamen Hausstand gründete. Zuzugestehen ist der Beklagten allerdings, dass den Entscheidungen des BSG vom 15.03.1988 und 22.04.1992 Sachverhalte zugrundelagen, in denen das Kind in einen bestehenden Haushalt der Großeltern zog. Dieser Unterschied zum vorliegenden Fall ist jedoch nicht erheblich. Das BSG hat die Frage, ob bereits ein Hausstand der Großeltern bestand oder die ser erst gemeinsam mit dem Enkelkind gegründet wurde, in beiden Entscheidungen nicht ausdrücklich als wesentlich angesehen. Dies ist auch nachvollziehbar, denn es handelt sich um einen formalen Umstand, der mit Sinn und Zweck der Halbwaisenrente - Unterhaltsersatzfunktion - nichts zu tun hat. Hintergrund der Fallkonstellationen, die den genannten Entscheidungen des BSG zugrundelagen, war vielmehr, dass die Großeltern wohl eher zur Erbringung der vollen Erziehungsleistung in der Lage waren, als die zum Teil noch minderjährigen Mütter. Auch hier ist es ähnlich. Wie bereits dargelegt war die Mutter der Klägerin gesundheitlich stark beeinträchtigt. Die Gründung eines gemeinsamen Hausstandes ermöglichte eine erheblich bessere, in wesentlichen Zeiträumen der schwerwiegenden körperlichen und psychischen Erkrankung der allein sorgeberechtigten Mutter der Klägerin die nahezu alleinige notwendige Betreuung der Klägerin.
Im Gegensatz zur Meinung der Beklagten ist es unerheblich, dass es mehrere Haushaltsvorstände gab. Entscheidend ist, dass auch die Versicherte - wie hier - Haushaltsvorstand gewesen ist, und es sich damit mindestens auch um ihren Haushalt handelte, in dem die Klägerin lebte. Durch die Ausführungen der Mutter der Klägerin, der Klägerin selbst und des Zeugen Richter ist belegt, dass die beiden im Haushalt lebenden erwachsenen Personen gleichberechtigt alle Belange des Haushalts regelten. Auf die Art und Weise der Finanzierung im Einzelnen kommt es nicht an.
Der Bejahung eines Rentenanspruchs steht auch nicht etwa entgegen, dass die Bewilligung einer Halbwaisenrente in Fällen der vorliegenden Art zu einer nicht hinnehmbaren Erhöhung des Versicherungsrisikos bei Mehrgenerationenhaushalten führen könnte. Derartige Bedenken sind nämlich nicht berechtigt. Ein zu einem Rentenanspruch führender wesentlicher Betreuungsunterhalt durch die Großeltern oder ein Großelternteil wird nur dann geleistet, wenn dieser durch die Eltern nicht vollständig erbracht werden kann. Von dem Verstorbenen muß eine Lücke gefüllt werden, die mit der Lücke vergleichbar ist, die ein Elternteil in der Betreuung und Versorgung eines Kindes hinterläßt, wenn er verstirbt. Die Gewährung einer Halbwaisenrente nach dem Tod eines Großelternteiles scheidet daher aus, wenn die Betreuung des Kindes durch die Eltern auch ohne die Großeltern gesichert werden kann. Unbeachtlich ist insbesondere auch, wenn beide Eltern berufstätig sind, und die Betreuung der Kinder durch die Großeltern oder einen Großelternteil erfolgt. Denn dann kommen beide Eltern ihrer Unterhaltspflicht dadurch nach, dass sie in erster Linie finanziell für das Kind sorgen und von den betreuenden Großeltern lediglich die tatsächliche Betreuung im Auftrag eines oder beider Elternteile geleistet wird. In diesem Fall hinterläßt der Tod eines Großelternteiles unterhaltsrechtlich keine mit dem Tod eines Elternteiles vergleichbare Lücke, weshalb ein Waisenrentenanspruch dann ausscheidet.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Zwar hat das BSG in den Urteilen vom 15.03.1988 und 22.04.1992 die Voraussetzungen für die Bewilligung von Halbwaisenrente festgelegt. Indes ist die Frage, welcher Unterhaltsanteil als hinreichend für eine Waisenrente zu erachten ist, wenn ein Kind nicht in der klassischen Kernfamilie, sondern in Familiengemeinschaft mit sonstigen Angehörigen lebt, in der Literatur nicht unumstritten (vgl. Köbl, a.a.0., Rdnr. 117 zu § 28). Dies läßt es erforderlich erscheinen, die Voraussetzungen und Grenzen eines Anspruchs auf Halbwaisenrente in Fällen der vorliegenden Arthöchstrichterlich zu klären. Durch das BSG noch nicht geklärt ist zudem, inwieweit sich die Tatsache, dass der Versicherte vor seinem Tode krankheitsbedingt nicht mehr zur Erbringung von Betreuungsleistungen in der Lage war, auf einen Waisenrentenanspruch auswirkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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