L 3 RJ 4/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 16 RJ 47/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 RJ 4/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 17.12.2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass durch Versorgungsausgleich erworbene Rentenanwartschaften wegen der Anrechnung einer Unfallrente auf ihre Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 93 SGB VI) zu keiner Steigerung des Zahlbetrages führen.

Die am ...1937 geborene Klägerin bezieht ab dem 01.06.1993 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Erwerbsunfähigkeit beruht im Wesentlichen auf den Folgen eines Wegeunfalles am 12.09.1990. Mit Bescheid vom 26.05.1994 bewilligte die Textil- und Bekleidungs-Berufsgenossenschaft der Klägerin wegen des Wegeunfalles eine Unfallrente nach einer MdE von 60 v.H ... Daraufhin rechnete die Beklagte die Unfallrente von 971,-- DM/mtl. auf die nach 27,6245 persönlichen Entgeltpunkten berechnete Erwerbsunfähigkeitsrente von 1.229,01 DM in Höhe von 25,81 DM monatlich ab 16.07.1993 an.

Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Coesfeld vom 20.02.2001 - 12 F 149/00 - wurden im Rahmen des Versorgungsausgleichs vom Versicherungskonto des geschiedenen Ehemannes der Klägerin Rentenanwartschaften in Höhe von 637,31 DM monatlich auf das Versicherungskonto der Klägerin übertragen. Die Rente des geschiedenen Ehemannes wurde durch dessen Rentenversicherungsträger entsprechend gemindert.

Infolge des Versorgungsausgleiches hatte die Klägerin gegenüber der Beklagten ab dem 01.06.2001 einen Anspruch auf eine Monatsrente von 2.075,02 DM nach nunmehr 42,7135 persönlichen Entgeltpunkten. Darauf rechnete die Beklagte mit Bescheid vom 16.05.2001 einen anteiligen Anspruch aus der Unfallrente von 534,73 DM an. Der monatliche Bruttorentenanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten ab dem 01.06.2001 betrug 1.540,29 DM, abzüglich der Eigenanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung 1.420,15 DM.

Hiergegen legte die Klägerin am 06.06.2001 Widerspruch ein: Es könne nicht richtig sein, dass der durch Versorgungsausgleich erworbene Mehranspruch durch Anrechnung untergehe, obwohl der Betrag ihrem geschiedenen Ehemann verlorengehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Unfallrente sei nach § 93 SGB VI auf die nun höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit anzurechnen. Da aufgrund der durch Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften der maßgebliche Grenzbetrag in erheblichem Umfang überschritten werde, ergebe sich der im Bescheid vom 16.05.2001 ausgewiesene Anrechnungsbetrag.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.09.2001 Klage erhoben und diese mit der Argumentation ihres Widerspruches begründet.

Mit Urteil vom 17.12.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Grundlage für die Anrechnung der Rente aus der Unfallversicherung sei § 93 SGB VI. Dessen Modalitäten seien rechnerisch zutreffend beachtet worden. Hinsichtlich der Anrechenbarkeit ergebe sich kein Unterschied, ob die Rente auf selbst erworbenen Ansprüchen oder auf aus einem Versorgungsausgleich herrührenden Ansprüchen beruhe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit von § 93 SGB VI bestünden nicht.

Gegen das ihr am 21.12.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.01.2002 eingegangene Berufung, mit der die Klägerin darauf hinweist, dass bei Durchführung des Versorgungsausgleiches in anderer als der gewählten Weise, z.B. durch eine Hypothek zu ihren Gunsten auf dem im Eigentum des geschiedenen Ehegatten stehenden Grundstücks, keine Anrechnung stattfände. Verfassungsrechlich bedenklich sei, dass der wirtschaftlich schwächere Ehepartner im Scheidungsverfahren keine rechtlich durchsetzbare Möglichkeit habe, eine rentenunschädliche Vereinbarung über den Versorgungsausgleich zu verlangen. Bedenklich sei auch, dass die von beiden ehemaligen Ehepartnern erworbenen Rentenansprüche bei Fortbestehen der Ehe zu einem insgesamt höheren Rentenbetrag führten als im Falle der Scheidung. Die Anrechnung nach § 93 SGB VI ziele nur auf die Begrenzung selbst erworbener Ansprüche ab. Aufgrund eines Versorgungsausgleiches übertragene Rentenansprüche blieben verschont.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 17.12.2001 ab zuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2001 zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.06.2001 unter voller Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte schließt sich dem angefochtenen Urteil an.

Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Der Senat schließt sich den nach eigener Prüfung für völlig richtig erachteten Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an, so dass insoweit von einer wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 153 Abs. 2 SGG - Sozialgerichtsgesetz -).

Im Hinblick auf den Berufungsvortrag der Klägerin, § 93 SGB VI ziele erkennbar nur auf die Begrenzung selbst erworbener Ansprüche ab, weshalb aufgrund eines Versorgungsausgleiches übertragene Rentenansprüche verschont blieben, ist darauf hinzuweisen, dass dies bereits nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht zutrifft: § 93 SGB VI sieht eine Anrechnung auch für den Fall vor, dass beide Renten, sowohl die Unfallversicherungsrente, die angerechnet wird, als auch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Hinterbliebenenrenten sind (§ 93 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Schon dies weist darauf hin, dass es für den vom Sozialgericht ausgeführten Grundgedanken der Vorschrift, der auf die Verhinderung einer Doppelversorgung durch funktionsgleiche Leistungen aus verschiedenen Versicherungszweigen abzielt, ohne Belang ist, ob und in welcher Weise der von der Anrechnung betroffene Bezieher beider Renten die Ansprüche erworben hat.

Auch wird der für die Zusammenführung der Renten aus beiden Versicherungssystemen maßgebliche Grenzbetrag im Wesentlichen auf der Grundlage des für die Berechnung der berufsgenossenschaftlichen Rente wichtigen Jahresarbeitsverdienstes bestimmt, indem 70 v.H. eines Zwölftels dieses Jahresarbeitsverdienstes, verviel fältigt mit dem jeweiligen Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, den Grenzbetrag ergeben (§ 93 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Damit richtet sich der von der Anrechnung verschonte monatliche Gesamtanspruch der Klägerin in einem wesentlichen Berechnungsschritt und im Wesentlichen auch der Höhe nach nach ihrem Jahresarbeitsverdienst des Jahres 1990, in dem sie den für die Rente der Berufsgenossenschaft auslösenden Wegeunfall hatte (§§ 81 ff, 82 Abs. 1 SGB VII). Damit hat der Gesetzgeber auch im Recht des SGB VI - jedenfalls bei der Zusammenrechnung nach § 93 SGB VI - die weitgehend abstrakte Schadensberechnung zum Maßstab des zu sichernden Gesamteinkommens gemacht, für die er sich bereits im Unfallversicherungsrecht entschieden hatte. Diese Berechnung lässt - anders als z.B. das Recht der sozialen Entschädigung - bereits im Ansatz keine Berücksichtigung konkret-individueller Verhältnisse wie etwa der tatsächlichen Auswirkungen der Schädigung auf den Entgeltbezug zu (hierzu: BSG, Urteil vom 28.01.1999, - B 8 KN 10/97 R = SozR 3-2600 § 93 Nr. 9).

Richtet sich bereits die Berechnung des Grenzbetrages, jedenfalls insoweit er den monatlichen Rentenanspruch selbst übersteigt (§ 93 Abs. 3 Satz 2 SGB VI), ohnehin im Wesentlichen nach dem (von der Klägerin selbst erworbenen) Rentenanspruch gegenüber der Berufsgenossenschaft, so ist erst Recht kein Grund für eine Differenzierung nach der Herkunft ihrer Teilanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung ersichtlich: Weder das dargestellte Regelungsziel noch die vom Gesetzgeber ausgestaltete Art und Weise der Anrechnung deuten darauf hin. Im Gegenteil erschiene es nicht plausibel, warum ein durch Versorgungsausgleich erworbener Rentenanspruch "stärker" sein sollte als ein durch eigene Arbeitsleistung erworbener Rentenanspruch. In anderem Zusammenhang ist es eher umgekehrt: So ist die Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 43 SGB VI) allein durch eigene Pflichtbeitragszeiten möglich; durch Versorgungsausgleich erworbene Anwartschaften bleiben unberücksichtigt (BSG, Urteil vom 31.05.1989, - BSGE 65, 107 = SozR 2200, § 1246 Nr. 166; BSG, Beschluss vom 14.11.1994 - 4 BA 158/94).

Zur Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung nach § 93 SGB VI hat die Klägerin auf keine, von der bisherigen, die Rechtmäßigkeit der Vorschrift jeweils bestätigenden Rechtsprechung der 0bergerichte (Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 31, 185, 189 ff.; 40, 65, 83; 43, 13, 19 ff.; 53, 313 331 f.; Beschlüsse gemäß § 93 a BVerfG vom 19.12.1980 - 1 BvR 893/80, SozR 2200 § 1279 Nr. 6 sowie vom 19.07.1984 - 1 BvR 1614/83, SozR 2200, § 1278 Nr. 11; BSG, Urteile vom 31.03.1998, - B 4 RA 59/96 - = SozR 2600 § 93 Nr. 8, - B 4 RA 27/96 R) nicht berücksichtigte Gesichtspunkte hingewiesen, noch ergäben sie sich aus Besonderheiten des Sachverhaltes.

Die Überlegungen zu möglichen anderen Varianten einer Durchführung des Versorgungsausgleiches, bei deren Wahl sich die Summe der Alterseinkünfte der geschiedenen Eheleute erhöhte, finden keinen Eingang in das vorliegende Verfahren, in dem es allein um Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte geht.

Auch die Überlegungen zur wirtschaftlichen Betroffenheit des geschiedenen Ehemannes, dessen Rente um den Betrag des Versorgungsausgleiches gekürzt wird, ohne dass die Klägerin davon etwas hätte, verlassen den Rahmen dieses Verfahrens; sie betreffen das Verhältnis des geschiedenen Ehemannes zum Träger seiner Rentenversicherung, der die Minderung der Rente vorgenommen hat. Zur Vermeidung von Unbilligkeiten und Härten in diesem - hier nicht streitbetroffenen - Verhältnis hat der Gesetzgeber in Gestalt des VAHRG (Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21.02.1983, BGBl. I, S. 105) einen Ausgleich geschaffen und so die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, das zugleich die Kürzung von Renten und Anwartschaften in anderen als den nun im VAHRG geregelten Ausnahmefällen als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes angesehen hatte (BVerfG, Urteil vom 28.02.1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - = SozR 7610, § 1587 Nr. 1).

Das VAHRG enthält u.a. Rückabwicklungsmöglichkeiten für die Fälle, in denen der Ausgleichsberechtigte verstorben ist, ohne Leistungen in mehr als geringer Höhe aus dem Versorgungsausgleich erlangt zu haben (§ 4 VAHRG) und für den Fall, dass der Berechtigte - bei bestehendem Unterhaltsanspruch - keine Rente aus dem übertragenen Anrecht erlangen kann (§ 5 VAHRG). Eine Erweiterung der Ausnahme in § 5 VAHRG auf alle Fälle, in denen der Berechtigte (noch) keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält, wird als nicht geboten angesehen (BSG, Urteil vom 14.01.1986 - 5a RKn 24/84 = SozR 5795 § 5 Nr. 1; LSG NRW, Urteil vom 13.02.2001 - L 18 RJ 87/00).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Ein Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 SGG besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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