Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 Ar 868/76
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 487/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Tätigkeit eines selbständigen Rechtsanwalts pflegt, jedenfalls dann, wenn der Rechtsanwalt – unabhängig davon, ob dies rechtlich zulässig ist, – seine Rechtsanwaltstätigkeit nicht durch bestimmte äußere Vorkehrungen von vornherein selbst in zeitlicher Hinsicht einschränkt, der Natur der Sache nach nicht aufwendiger als zwanzig Stunden wöchentlich beschränkt zu sein. Da einer solchen Tätigkeit keine derartige zeitliche Beschränkung immanent ist, ist es rechtlich unerheblich, wieviele Stunden lang sie im konkreten Falle tatsächlich wöchentlich ausgeübt wurde.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 1978 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Berechtigung der Beklagten zur Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung von Alhi.
Der 1948 geborene Kläger hat am 27. November 1975 die zweite juristische Staatsprüfung bestanden. Am 1. Dezember 1975 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alhi. Er gab an, er wolle eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft ausüben; die in dem Antragsvordruck gestellte Frage nach der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit wurde verneint.
Am 5. Januar 1976 wurde der Kläger aufgrund eines noch vor dem 1. Dezember 1975 gestellten Antrages als Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt am Main vereidigt; er übt seitdem zusammen mit seinem Kollegen J. in (Taunus) den Beruf eines selbständigen Rechtsanwalts aus.
Nachdem der Beklagten von dritter Seite die Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit des Klägers zugetragen worden war, stellte sie nach einem Beratungsgespräch mit dem Kläger am 3. März 1976 ab dem 4. März 1976 die dem Kläger mit Bescheid vom 26. Januar 1976 bewilligte Alhi ein. Ihre Ermitlungen ergaben, daß der Kläger in seiner Wohnung eine Anwaltskanzlei eingerichtet hatte; nach dem am Hauseingang angebrachten Kanzleischild wurden die Bürostunden montags bis freitags jeweils in der Zeit von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr sowie von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr und die Sprechstunden montags bis freitags jeweils von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr sowie nach Vereinbarung abgehalten. Diese Zeiten stimmen mit den auf dem Schriftsatz des Klägers vom 8. Mai 1978 (Berufungseinlegung) und den auf dem Schriftsatz vom 11. Februar 1980 aufgedruckten Büro- und Sprechstundenzeiten überein.
Weiterhin ergaben die Ermittlungen der Beklagten, daß der Kläger zusammen mit seinem Kollegen J. in den Monaten Januar 1976 und Februar 1976 aus dem Betrieb der Rechtsanwaltskanzlei Einnahmen in Höhe von 4.104,68 DM und Ausgaben in Höhe von 5.044,28 DM hatte. Diese Angaben wurden von dem Kläger dahingehend ergänzt, daß die Einnahmen im ersten Quartal 1976 insgesamt 7.452,14 DM und die Ausgaben insgesamt 8.629,23 DM betragen hätten und in dieser Zeit insgesamt 63 Akten angelegt worden seien, wovon die Hälfte auf ihn entfalle. Gleichzeitig gab der Kläger an, die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes sei das Endziel seiner beruflichen Ausbildung gewesen; er sei jedoch nach wie vor daran interessiert, eine unselbständige Tätigkeit als Anwalt auszuüben, z.B. in der Rechtsabteilung einer Bank oder Versicherungs-Gesellschaft.
Mit Bescheid vom 21. September 1976 hob die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab 5. Januar 1976 auf mit der Begründung, daß der Kläger nicht als Arbeitnehmer anzusehen sei, weil er überwiegend selbständig tätig sei und beabsichtige, diese Tätigkeit auch weiterhin auszuüben; gleichzeitig forderte sie von dem Kläger die für die Zeit vom 5. Januar 1976 bis 3. März 1976 in Höhe von 1.359,66 DM bezogene Alhi zurück, weil der Kläger ihr die Ausübung der selbständigen Tätigkeit nicht angezeigt habe.
Am 1. Oktober 1976 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 1976, dem Kläger zugestellt am 2. Dezember 1976, als unbegründet zurückwies. Im einzelnen wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.
Am 31. Dezember 1976 hat der Kläger durch Einreichen einer Klageschrift bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und dabei das Begehren auf Gewährung von Alhi auf die Zeit bis zum 30. Juni 1976 beschränkt.
Er hat sein früheres Vorbringen dahingehend ergänzt, daß sowohl er als auch sein Kollege J. bei der Einrichtung der Anwaltskanzlei davon ausgegangen seien, daß diese Kanzlei sie zunächst in den ersten zwei Jahren nicht werde ernähren können; sie hätten deshalb geplant, Arbeitsverhältnisse als unselbständige Arbeitnehmer einzugehen und nebenbei versuchen wollen, sich als Rechtsanwalt eine Existenzgrundlage für später zu schaffen. In dem Zeitraum vom 5. Januar 1976 bis 30. Juni 1976 seien von seinem Kollegen J. und ihm zusammen 128 Akten angelegt worden, wovon die Hälfte, also 64 Akten, auf ihn entfallen sei. Dies ergebe einen Arbeitsanfall von 10 bis 11 Akten pro Monat. Bei großzügig angesetzter Bearbeitungsdauer von zwei Stunden je Akte habe er also monatlich nur etwa 20 Stunden gearbeitet; der tatsächliche monatliche Arbeitsaufwand sei sogar noch niedriger gewesen. Im übrigen habe er der Beklagten bereits bei Antragstellung bekannt gegeben, daß er Rechtsanwalt sei und deshalb keine Pflichtverletzung durch Nichtmitteilung dieser Tätigkeit begangen. Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, schon nach den Angaben auf dem Kanzleischild und auf dem Briefbogen des Klägers sei davon auszugehen, daß der Kläger sich 40 Stunden wöchentlich in seiner Anwaltskanzlei arbeitsbereit aufhalten mußte.
Mit Urteil vom 3. März 1978 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. Im wesentlichen ist diese Klageabweisung darauf gestützt, der Kläger habe erkennbar schon zu Beginn seiner Rechtsanwaltstätigkeit, wie schon die Verteilung der Büro- und Sprechzeiten auf den ganzen Tag zeige, nicht das Ziel angesteuert und verwirklicht, diese Rechtsanwaltstätigkeit auf 20 Stunden in der Woche zu begrenzen; es bedürfe daher keiner konkreten Feststellungen über die Dauer des Arbeitsaufwandes bei der Bearbeitung der angelegten Akten.
Gegen dieses ihm am 3. Mai 1978 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, eingelegt mit einem am 9. Mai 1978 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz vom 8. Mai 1978.
Der Kläger wiederholt im wesentlichen sein früheres Vorbringen und macht darüberhinaus geltend, anwaltliche Sprechzeiten seien in der Kanzlei, die ihm zugleich als Wohnung gedient habe, nur jeweils von 16.00 bis 18.00 Uhr eingerichtet gewesen; selbst dieses Anbieten von Sprechzeiten bedeute aber noch nicht, daß diese Zeiten auch so genutzt wurden oder hätten genutzt werden müssen. Weiterhin habe er sich in der streitigen Zeit nachweisbar vergeblich bemüht, eine unselbständige Anstellung zu finden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 1978 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. September 1976 und den Widerspruchsbescheid vom 22. November 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe auch für die Zeit vom 4. März 1976 bis zum 30. Juni 1976 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich, darauf, auf den Kläger sei, wie sich aus dem Kanzleischild ergebe, eine anteilige wöchentliche Arbeits- bzw. Bereitschaftszeit von 20 Stunden entfallen; es erscheine wenig glaubhaft, daß diese Zeiten nur vorgetäuscht seien. Gerade die Tatsache, daß nach der Eröffnung einer Anwaltspraxis nur wenige Mandanten zu betreuen seien, mache es erforderlich, die ganze Zeit der angegebenen Bürostunden anwesend zu sein, um möglichst keine neuen Klienten zu versäumen. Im übrigen ergebe sich aus dem Verhalten des Klägers nach seinem zweiten Staatsexamen, daß er von Anfang an eine Vollzeittätigkeit als Anwalt angestrebt habe, denn er habe sofort nach seinem Examen und noch vor der Arbeitslosmeldung seine Zulassung als Anwalt beantragt. Diese Bewertung des Verhaltens des Klägers rechtfertige sich auch im nachhinein dadurch, daß er auch jetzt noch als selbständiger Rechtsanwalt tätig sei. Schließlich habe der Kläger die Ausübung der Anwaltstätigkeit auch entgegen seiner Verpflichtung zumindest grobfahrlässig nicht angezeigt.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Leistungsakten der Beklagten, Arbeitsamt Frankfurt am Main, Stamm-Nr. xxx, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) sowie an sich statthaft (§ 143 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 1978 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht für die Zeit vom 5. Januar 1976 bis 30. Juni 1976 kein Alhi-Anspruch zu; die diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat daher die Bewilligung von Alhi, da ihre Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, aufheben dürfen (§ 151 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz –AFG–). Ebenso ist die Beklagte berechtigt, die dem Kläger für die Zeit vom 5. Januar 1976 bis 3. März 1976 gewährte Alhi zurückzufordern; insoweit sind die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben.
Der Anspruch auf Alhi setzt u.a. voraus, daß der Betreffende arbeitslos ist (§ 134 Abs. 1 Nr. 1 AFG). Der Kläger war aber in der Zeit vom 5. Januar 1976 bis 30. Januar 1976 nicht arbeitslos im Sinne des Gesetzes. Arbeitslos im Sinne des AFG ist gem. § 101 Abs. 1 AFG ein Arbeitnehmer, in der vorübergehend nicht einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige (bis 30. Juni 1977: geringfügige) Beschäftigung ausübt; er ist nicht arbeitslos, wenn er als Selbständiger eine Tätigkeit ausübt, die die Grenze der Kurzzeitigkeit bzw. der Geringfügigkeit überschreitet (§ 101 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AFG). Kurzzeitig bzw. geringfügig in diesem Sinne ist eine Beschäftigung, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist (§ 102 Abs. 1 S. 1 AFG).
Die von dem Kläger seit dem 5. Januar 1976 ausgeübte Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt stellt keine Tätigkeit dar, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt eine Beschränkung durch Arbeitsvertrag scheidet im vorliegenden Falle ohnehin aus.
Ist die Beurteilungsgrundlage der "Natur der Sache”, d.h., der Art und dem Umfang der anfallenden Verrichtungen sowie den zeitlichen Umständen ihrer Erledigung, zu entnehmen, so kommt es darauf an, ob bei normalem Ablauf der Ereignisse ein durchschnittlich begabter Ausführender mit durchschnittlicher Fertigkeit unter üblichen Arbeitsbedingungen weniger als 20 Arbeitsstunden wöchentlich benötigt. Auf das individuelle Leistungsvermögen und den Leistungswillen des Betreffenden kommt es nicht an; vielmehr ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend sind die Grenzen, die sich ungeachtet subjektiver Gesichtspunkte, wie z.B. des Arbeitstempos des Ausführenden, allein aus Art und Wesen der Beschäftigung objektiv ergeben (BSG, Urt. v. 30. Mai 1978 – 7 RAr 48/77 – SozR 4100 102 Nr. 3; BSG, Urt. v. 1. August 1978 – 7 RAr 12/77 – SozR 4100 § 102 Nr. 4, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Maßgeblichkeit dieses objektiven Maßstabes ergibt sich zunächst daraus, daß das Gesetz auf die "Natur der Sache” und damit auf ein objektives Abgrenzungskriterium abstellt. Zum anderen folgt sie daraus, daß § 102 Abs. 1 S. 1 AFG als geringfügig bzw. kurzzeitig nicht eine Beschäftigung bezeichnet, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt ist, sondern "beschränkt zu sein pflegt”. Die Verwendung des Wortes "pflegt” zeigt, daß es nicht darauf ankommen soll, wie lange der Betreffende konkret in einer bestimmten Situation für die Erledigung einer bestimmten Arbeit gebraucht hat, sondern darauf, welche Zeit dafür normalerweise benötigt wird (BSG, Urt. v. 30. Mai 1978, a.a.O.).
Hieraus folgt zunächst, daß es nicht darauf ankommt, wieviele Stunden wöchentlich der Kläger in der streitigen Zeit als selbständiger Rechtsanwalt tatsächlich tätig war; insoweit sind keine Ermittlungen nötig gewesen. Ebensowenig ist aber auch entscheidend, wie lange ein durchschnittlicher Rechtsanwalt hätte arbeiten müssen, um die in der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers konkret angefallene Arbeit zu bewältigen; ganz abgesehen davon, daß hinsichtlich der bei den einzelnen Rechtsfällen nötigen Aktenbearbeitungsdauer keinerlei auch nur annähernd sicheren objektiven Zeitkriterien erkennbar sind. Ausschlaggebend ist vielmehr, daß die Tätigkeit eines selbständigen Rechtsanwalts als solche, jedenfalls dann, wenn der Rechtsanwalt – unabhängig davon, ob dies rechtlich zulässig ist, – seine Rechtsanwaltstätigkeit nicht durch bestimmte äußere Vorkehrungen von vornherein selbst in zeitlicher Hinsicht einschränkt, allein nach Art und Wesen der Tätigkeit, also der "Natur der Sache” nach, nicht auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt. Ihr ist vielmehr der Natur der Sache nach keine derartige zeitliche Grenze immanent. Pflegt die ausgeübte Tätigkeit als solche aber zeitlich nicht auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein, so ist es rechtlich unerheblich, wieviele Stunden lang sie im konkreten Falle tatsächlich wöchentlich ausgeübt wurde.
Dieses Ergebnis folgt freilich noch nicht daraus, daß es sich um eine selbständige Tätigkeit handelt. Wer beispielsweise ein Geschäft oder einen Gewerbebetrieb betreibt, bei demjenigen lassen sich im allgemeinen von den Öffnungs- bzw. Betriebszeiten einschließlich eventueller Vor- und Nacharbeitszeiten hier regelmäßig konkrete Tätitgkeitszeiten objektiv ermitteln. Bei der Tätigkeit eines selbständigen Rechtsanwalts liegen die Verhältnisse jedoch anders. Hier lassen sich aus dem Umfang der eigentlichen anwaltlichen Sprechstunden keine derartigen Schlußfolgerungen ziehen, da die für Vor- und Nacharbeiten erforderliche Zeit weder objektiv faßbar noch in irgendeiner Weise von vornherein zeitlich beschränkt ist. Sie hängt von dem sich aus der Abhaltung von Sprechstunden ergebenden Arbeitsanfall ab; diesem ist jedoch von der Natur der Sache her keine zeitliche Beschränkung immanent. Hinzu kommt, daß sich weiterhin bereits allein aus der Abhaltung von Bürostunden ein anwaltlicher Arbeitsanfall ergibt, dem ebenfalls der Natur der Sache nach keine zeitliche Begrenzung innewohnt. Schließlich ist darüber hinaus die ebenfalls nicht objektivierbare und ebensowenig von vornherein zeitlich eingeschränkte oder einschränkbare Tätigkeit bei Gericht zu berücksichtigen. In anschaulicher Weise wird dieses Ergebnis in der Person des Klägers selbst bestätigt. Seine Büro- und Sprechzeiten hatten, abgesehen davon, daß er Sprechzeiten nach Vereinbarung anbietet, in der Zeit bis zum 30. Juni 1976 und danach den gleichen zeitlichen Umfang, wie er auch heute noch bei einer unbestrittenermaßen nicht nur kurzzeitigen Anwaltstätigkeit fortbesteht. War die von dem Kläger ausgeübte Anwaltstätigkeit aber weder durch selbstgesetzte interne Beschränkungen noch von dem äußeren Anbieten dieser Tätigkeit her zeitlich auf weniger als 20 Stunden wöchentlich begrenzt – aus den von dem Kläger öffentlich bekanntgemachten Büro- und Sprechzeiten ergibt sich, wie ausgeführt, keine derartige zeitliche Begrenzung –, so war sie der Natur der Sache nach nicht geringfügig bzw. kurzzeitig. Bei Tätigkeiten, die so, wie sie von dem Ausübenden selbst angelegt sind, ihrer Art und ihrem Wesen nach keine zeitliche Begrenzung aufweisen, kann auch keine letztlich willkürliche Grenze von 20 Stunden wöchentlich angesetzt werden. Im übrigen schließt die Versagung der Gewährung von Alhi den Betreffenden nicht von dem Bezug von Sozialleistungen völlig aus, da ihm, falls die diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ein Anspruch auf Sozialhilfe zusteht.
Die Rückzahlungspflicht ergibt sich aus § 152 AFG. Soweit eine Entscheidung nach § 151 Abs. 1 AFG aufgehoben ist, ist die Leistung u.a. dann insoweit zurückzuzahlen, als der Empfänger die Gewährung dadurch herbeigeführt hat, daß er vorsätzlich oder grobfahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige vorsätzlich oder grobfahrlässig unterlassen hat (§ 152 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AFG). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle erfüllt.
Der Kläger hat bereits bei der Antragstellung am 1. Dezember 1975 unvollständige Angaben gemacht. Er hätte angeben müssen, daß er zu diesem Zeitpunkt bereits seine Zulassung als selbständiger Rechtsanwalt beantragt hatte und mit dieser Zulassung ernsthaft rechnen konnte. Eine entsprechende Mitteilungspflicht ergab sich aus dem mit der Antragstellung zwischen dem Kläger und der Beklagten begründeten Sozialrechtsverhältnis. Aus diesem Sozialrechtsverhältnis folge nach dem auch im Sozialrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) die (Neben-)Pflicht, die Beklagte vor vermeidbarem Schaden, und damit auch vor einer bereits absehbaren nicht gerechtfertigten – zukünftigen – Leistungsgewährung, zu bewahren. Diese Pflicht hat der Kläger auch grobfahrlässig verletzt. Indem er die ihm im Antragsvordruck gestellte Frage nach der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit – zum damaligen Zeitpunkt zutreffenderweise – verneinte, mußte sich ihm, zumal als einem Volljuristen, aufdrängen, daß der Ausübung einer solchen selbständigen Tätigkeit eine ausschlaggebende Bedeutung für die Gewährung von Alhi zukommen kann und er deshalb bereits damals den nahe bevorstehenden Beginn der Aufnahme einer solchen Tätigkeit der Beklagten anzeigen mußte. Zumindest hätte er den Versuch unternehmen müssen, sich insoweit durch entsprechende Rückfragen beim Arbeitsamt Klarheit zu verschaffen; dies hat er jedoch nicht getan. Das Vorbringen des Klägers, er habe bereits bei seiner Antragstellung die Rechtsanwaltstätigkeit angegeben, erweist sich in diesem Zusammenhang als unzutreffend. Dem Gericht liegt der von dem Kläger ausgefüllte Antragsvordruck im Original vor; er enthält keine diesbezüglichen Angaben. Bei der Arbeitsamtsnebenstelle Bad Homburg befinden sich nur noch die eigentlichen Vermittlungsunterlagen; sie enthalten aber ebenfalls, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats vortragen ließ und wie auch von selten des Klägers unwidersprochen geblieben ist, ebenfalls keine Anhaltspunkte bezüglich der Ausübung einer Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt.
Darüber hinaus hat es der Kläger aber jedenfalls grobfahrlässig unterlassen, seine erfolgte Zulassung als Rechtsanwalt der Beklagten mitzuteilen. Hierzu war er gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) verpflichtet. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Dies hat der Kläger aber hinsichtlich der Zulassung als Rechtsanwalt und der Aufnahme einer Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt nicht getan. Auch insoweit folgt der Vorwurf grober Fahrlässigkeit daraus, daß der Kläger, zumal als Volljurist, zumindest von dem erst kurze Zeit zurückliegenden Ausfüllen des Antragsvordruckes her wissen mußte, daß er die Aufnahme dieser Tätigkeit der Beklagten mitteilen mußte. Zumindest hätte er auch insoweit den Versuch unternehmen müssen, sich durch entsprechende Rückfragen beim Arbeitsamt Klarheit zu verschaffen; dies hat er jedoch ebenfalls nicht getan.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
II. Die Beteiligten haben einander keine kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Berechtigung der Beklagten zur Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung von Alhi.
Der 1948 geborene Kläger hat am 27. November 1975 die zweite juristische Staatsprüfung bestanden. Am 1. Dezember 1975 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alhi. Er gab an, er wolle eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft ausüben; die in dem Antragsvordruck gestellte Frage nach der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit wurde verneint.
Am 5. Januar 1976 wurde der Kläger aufgrund eines noch vor dem 1. Dezember 1975 gestellten Antrages als Rechtsanwalt beim Landgericht Frankfurt am Main vereidigt; er übt seitdem zusammen mit seinem Kollegen J. in (Taunus) den Beruf eines selbständigen Rechtsanwalts aus.
Nachdem der Beklagten von dritter Seite die Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit des Klägers zugetragen worden war, stellte sie nach einem Beratungsgespräch mit dem Kläger am 3. März 1976 ab dem 4. März 1976 die dem Kläger mit Bescheid vom 26. Januar 1976 bewilligte Alhi ein. Ihre Ermitlungen ergaben, daß der Kläger in seiner Wohnung eine Anwaltskanzlei eingerichtet hatte; nach dem am Hauseingang angebrachten Kanzleischild wurden die Bürostunden montags bis freitags jeweils in der Zeit von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr sowie von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr und die Sprechstunden montags bis freitags jeweils von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr sowie nach Vereinbarung abgehalten. Diese Zeiten stimmen mit den auf dem Schriftsatz des Klägers vom 8. Mai 1978 (Berufungseinlegung) und den auf dem Schriftsatz vom 11. Februar 1980 aufgedruckten Büro- und Sprechstundenzeiten überein.
Weiterhin ergaben die Ermittlungen der Beklagten, daß der Kläger zusammen mit seinem Kollegen J. in den Monaten Januar 1976 und Februar 1976 aus dem Betrieb der Rechtsanwaltskanzlei Einnahmen in Höhe von 4.104,68 DM und Ausgaben in Höhe von 5.044,28 DM hatte. Diese Angaben wurden von dem Kläger dahingehend ergänzt, daß die Einnahmen im ersten Quartal 1976 insgesamt 7.452,14 DM und die Ausgaben insgesamt 8.629,23 DM betragen hätten und in dieser Zeit insgesamt 63 Akten angelegt worden seien, wovon die Hälfte auf ihn entfalle. Gleichzeitig gab der Kläger an, die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes sei das Endziel seiner beruflichen Ausbildung gewesen; er sei jedoch nach wie vor daran interessiert, eine unselbständige Tätigkeit als Anwalt auszuüben, z.B. in der Rechtsabteilung einer Bank oder Versicherungs-Gesellschaft.
Mit Bescheid vom 21. September 1976 hob die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab 5. Januar 1976 auf mit der Begründung, daß der Kläger nicht als Arbeitnehmer anzusehen sei, weil er überwiegend selbständig tätig sei und beabsichtige, diese Tätigkeit auch weiterhin auszuüben; gleichzeitig forderte sie von dem Kläger die für die Zeit vom 5. Januar 1976 bis 3. März 1976 in Höhe von 1.359,66 DM bezogene Alhi zurück, weil der Kläger ihr die Ausübung der selbständigen Tätigkeit nicht angezeigt habe.
Am 1. Oktober 1976 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 1976, dem Kläger zugestellt am 2. Dezember 1976, als unbegründet zurückwies. Im einzelnen wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.
Am 31. Dezember 1976 hat der Kläger durch Einreichen einer Klageschrift bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und dabei das Begehren auf Gewährung von Alhi auf die Zeit bis zum 30. Juni 1976 beschränkt.
Er hat sein früheres Vorbringen dahingehend ergänzt, daß sowohl er als auch sein Kollege J. bei der Einrichtung der Anwaltskanzlei davon ausgegangen seien, daß diese Kanzlei sie zunächst in den ersten zwei Jahren nicht werde ernähren können; sie hätten deshalb geplant, Arbeitsverhältnisse als unselbständige Arbeitnehmer einzugehen und nebenbei versuchen wollen, sich als Rechtsanwalt eine Existenzgrundlage für später zu schaffen. In dem Zeitraum vom 5. Januar 1976 bis 30. Juni 1976 seien von seinem Kollegen J. und ihm zusammen 128 Akten angelegt worden, wovon die Hälfte, also 64 Akten, auf ihn entfallen sei. Dies ergebe einen Arbeitsanfall von 10 bis 11 Akten pro Monat. Bei großzügig angesetzter Bearbeitungsdauer von zwei Stunden je Akte habe er also monatlich nur etwa 20 Stunden gearbeitet; der tatsächliche monatliche Arbeitsaufwand sei sogar noch niedriger gewesen. Im übrigen habe er der Beklagten bereits bei Antragstellung bekannt gegeben, daß er Rechtsanwalt sei und deshalb keine Pflichtverletzung durch Nichtmitteilung dieser Tätigkeit begangen. Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, schon nach den Angaben auf dem Kanzleischild und auf dem Briefbogen des Klägers sei davon auszugehen, daß der Kläger sich 40 Stunden wöchentlich in seiner Anwaltskanzlei arbeitsbereit aufhalten mußte.
Mit Urteil vom 3. März 1978 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. Im wesentlichen ist diese Klageabweisung darauf gestützt, der Kläger habe erkennbar schon zu Beginn seiner Rechtsanwaltstätigkeit, wie schon die Verteilung der Büro- und Sprechzeiten auf den ganzen Tag zeige, nicht das Ziel angesteuert und verwirklicht, diese Rechtsanwaltstätigkeit auf 20 Stunden in der Woche zu begrenzen; es bedürfe daher keiner konkreten Feststellungen über die Dauer des Arbeitsaufwandes bei der Bearbeitung der angelegten Akten.
Gegen dieses ihm am 3. Mai 1978 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, eingelegt mit einem am 9. Mai 1978 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz vom 8. Mai 1978.
Der Kläger wiederholt im wesentlichen sein früheres Vorbringen und macht darüberhinaus geltend, anwaltliche Sprechzeiten seien in der Kanzlei, die ihm zugleich als Wohnung gedient habe, nur jeweils von 16.00 bis 18.00 Uhr eingerichtet gewesen; selbst dieses Anbieten von Sprechzeiten bedeute aber noch nicht, daß diese Zeiten auch so genutzt wurden oder hätten genutzt werden müssen. Weiterhin habe er sich in der streitigen Zeit nachweisbar vergeblich bemüht, eine unselbständige Anstellung zu finden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 1978 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. September 1976 und den Widerspruchsbescheid vom 22. November 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe auch für die Zeit vom 4. März 1976 bis zum 30. Juni 1976 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich, darauf, auf den Kläger sei, wie sich aus dem Kanzleischild ergebe, eine anteilige wöchentliche Arbeits- bzw. Bereitschaftszeit von 20 Stunden entfallen; es erscheine wenig glaubhaft, daß diese Zeiten nur vorgetäuscht seien. Gerade die Tatsache, daß nach der Eröffnung einer Anwaltspraxis nur wenige Mandanten zu betreuen seien, mache es erforderlich, die ganze Zeit der angegebenen Bürostunden anwesend zu sein, um möglichst keine neuen Klienten zu versäumen. Im übrigen ergebe sich aus dem Verhalten des Klägers nach seinem zweiten Staatsexamen, daß er von Anfang an eine Vollzeittätigkeit als Anwalt angestrebt habe, denn er habe sofort nach seinem Examen und noch vor der Arbeitslosmeldung seine Zulassung als Anwalt beantragt. Diese Bewertung des Verhaltens des Klägers rechtfertige sich auch im nachhinein dadurch, daß er auch jetzt noch als selbständiger Rechtsanwalt tätig sei. Schließlich habe der Kläger die Ausübung der Anwaltstätigkeit auch entgegen seiner Verpflichtung zumindest grobfahrlässig nicht angezeigt.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Leistungsakten der Beklagten, Arbeitsamt Frankfurt am Main, Stamm-Nr. xxx, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) sowie an sich statthaft (§ 143 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 1978 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht für die Zeit vom 5. Januar 1976 bis 30. Juni 1976 kein Alhi-Anspruch zu; die diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat daher die Bewilligung von Alhi, da ihre Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, aufheben dürfen (§ 151 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz –AFG–). Ebenso ist die Beklagte berechtigt, die dem Kläger für die Zeit vom 5. Januar 1976 bis 3. März 1976 gewährte Alhi zurückzufordern; insoweit sind die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben.
Der Anspruch auf Alhi setzt u.a. voraus, daß der Betreffende arbeitslos ist (§ 134 Abs. 1 Nr. 1 AFG). Der Kläger war aber in der Zeit vom 5. Januar 1976 bis 30. Januar 1976 nicht arbeitslos im Sinne des Gesetzes. Arbeitslos im Sinne des AFG ist gem. § 101 Abs. 1 AFG ein Arbeitnehmer, in der vorübergehend nicht einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige (bis 30. Juni 1977: geringfügige) Beschäftigung ausübt; er ist nicht arbeitslos, wenn er als Selbständiger eine Tätigkeit ausübt, die die Grenze der Kurzzeitigkeit bzw. der Geringfügigkeit überschreitet (§ 101 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AFG). Kurzzeitig bzw. geringfügig in diesem Sinne ist eine Beschäftigung, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist (§ 102 Abs. 1 S. 1 AFG).
Die von dem Kläger seit dem 5. Januar 1976 ausgeübte Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt stellt keine Tätigkeit dar, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt eine Beschränkung durch Arbeitsvertrag scheidet im vorliegenden Falle ohnehin aus.
Ist die Beurteilungsgrundlage der "Natur der Sache”, d.h., der Art und dem Umfang der anfallenden Verrichtungen sowie den zeitlichen Umständen ihrer Erledigung, zu entnehmen, so kommt es darauf an, ob bei normalem Ablauf der Ereignisse ein durchschnittlich begabter Ausführender mit durchschnittlicher Fertigkeit unter üblichen Arbeitsbedingungen weniger als 20 Arbeitsstunden wöchentlich benötigt. Auf das individuelle Leistungsvermögen und den Leistungswillen des Betreffenden kommt es nicht an; vielmehr ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend sind die Grenzen, die sich ungeachtet subjektiver Gesichtspunkte, wie z.B. des Arbeitstempos des Ausführenden, allein aus Art und Wesen der Beschäftigung objektiv ergeben (BSG, Urt. v. 30. Mai 1978 – 7 RAr 48/77 – SozR 4100 102 Nr. 3; BSG, Urt. v. 1. August 1978 – 7 RAr 12/77 – SozR 4100 § 102 Nr. 4, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Maßgeblichkeit dieses objektiven Maßstabes ergibt sich zunächst daraus, daß das Gesetz auf die "Natur der Sache” und damit auf ein objektives Abgrenzungskriterium abstellt. Zum anderen folgt sie daraus, daß § 102 Abs. 1 S. 1 AFG als geringfügig bzw. kurzzeitig nicht eine Beschäftigung bezeichnet, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt ist, sondern "beschränkt zu sein pflegt”. Die Verwendung des Wortes "pflegt” zeigt, daß es nicht darauf ankommen soll, wie lange der Betreffende konkret in einer bestimmten Situation für die Erledigung einer bestimmten Arbeit gebraucht hat, sondern darauf, welche Zeit dafür normalerweise benötigt wird (BSG, Urt. v. 30. Mai 1978, a.a.O.).
Hieraus folgt zunächst, daß es nicht darauf ankommt, wieviele Stunden wöchentlich der Kläger in der streitigen Zeit als selbständiger Rechtsanwalt tatsächlich tätig war; insoweit sind keine Ermittlungen nötig gewesen. Ebensowenig ist aber auch entscheidend, wie lange ein durchschnittlicher Rechtsanwalt hätte arbeiten müssen, um die in der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers konkret angefallene Arbeit zu bewältigen; ganz abgesehen davon, daß hinsichtlich der bei den einzelnen Rechtsfällen nötigen Aktenbearbeitungsdauer keinerlei auch nur annähernd sicheren objektiven Zeitkriterien erkennbar sind. Ausschlaggebend ist vielmehr, daß die Tätigkeit eines selbständigen Rechtsanwalts als solche, jedenfalls dann, wenn der Rechtsanwalt – unabhängig davon, ob dies rechtlich zulässig ist, – seine Rechtsanwaltstätigkeit nicht durch bestimmte äußere Vorkehrungen von vornherein selbst in zeitlicher Hinsicht einschränkt, allein nach Art und Wesen der Tätigkeit, also der "Natur der Sache” nach, nicht auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt. Ihr ist vielmehr der Natur der Sache nach keine derartige zeitliche Grenze immanent. Pflegt die ausgeübte Tätigkeit als solche aber zeitlich nicht auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein, so ist es rechtlich unerheblich, wieviele Stunden lang sie im konkreten Falle tatsächlich wöchentlich ausgeübt wurde.
Dieses Ergebnis folgt freilich noch nicht daraus, daß es sich um eine selbständige Tätigkeit handelt. Wer beispielsweise ein Geschäft oder einen Gewerbebetrieb betreibt, bei demjenigen lassen sich im allgemeinen von den Öffnungs- bzw. Betriebszeiten einschließlich eventueller Vor- und Nacharbeitszeiten hier regelmäßig konkrete Tätitgkeitszeiten objektiv ermitteln. Bei der Tätigkeit eines selbständigen Rechtsanwalts liegen die Verhältnisse jedoch anders. Hier lassen sich aus dem Umfang der eigentlichen anwaltlichen Sprechstunden keine derartigen Schlußfolgerungen ziehen, da die für Vor- und Nacharbeiten erforderliche Zeit weder objektiv faßbar noch in irgendeiner Weise von vornherein zeitlich beschränkt ist. Sie hängt von dem sich aus der Abhaltung von Sprechstunden ergebenden Arbeitsanfall ab; diesem ist jedoch von der Natur der Sache her keine zeitliche Beschränkung immanent. Hinzu kommt, daß sich weiterhin bereits allein aus der Abhaltung von Bürostunden ein anwaltlicher Arbeitsanfall ergibt, dem ebenfalls der Natur der Sache nach keine zeitliche Begrenzung innewohnt. Schließlich ist darüber hinaus die ebenfalls nicht objektivierbare und ebensowenig von vornherein zeitlich eingeschränkte oder einschränkbare Tätigkeit bei Gericht zu berücksichtigen. In anschaulicher Weise wird dieses Ergebnis in der Person des Klägers selbst bestätigt. Seine Büro- und Sprechzeiten hatten, abgesehen davon, daß er Sprechzeiten nach Vereinbarung anbietet, in der Zeit bis zum 30. Juni 1976 und danach den gleichen zeitlichen Umfang, wie er auch heute noch bei einer unbestrittenermaßen nicht nur kurzzeitigen Anwaltstätigkeit fortbesteht. War die von dem Kläger ausgeübte Anwaltstätigkeit aber weder durch selbstgesetzte interne Beschränkungen noch von dem äußeren Anbieten dieser Tätigkeit her zeitlich auf weniger als 20 Stunden wöchentlich begrenzt – aus den von dem Kläger öffentlich bekanntgemachten Büro- und Sprechzeiten ergibt sich, wie ausgeführt, keine derartige zeitliche Begrenzung –, so war sie der Natur der Sache nach nicht geringfügig bzw. kurzzeitig. Bei Tätigkeiten, die so, wie sie von dem Ausübenden selbst angelegt sind, ihrer Art und ihrem Wesen nach keine zeitliche Begrenzung aufweisen, kann auch keine letztlich willkürliche Grenze von 20 Stunden wöchentlich angesetzt werden. Im übrigen schließt die Versagung der Gewährung von Alhi den Betreffenden nicht von dem Bezug von Sozialleistungen völlig aus, da ihm, falls die diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ein Anspruch auf Sozialhilfe zusteht.
Die Rückzahlungspflicht ergibt sich aus § 152 AFG. Soweit eine Entscheidung nach § 151 Abs. 1 AFG aufgehoben ist, ist die Leistung u.a. dann insoweit zurückzuzahlen, als der Empfänger die Gewährung dadurch herbeigeführt hat, daß er vorsätzlich oder grobfahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige vorsätzlich oder grobfahrlässig unterlassen hat (§ 152 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AFG). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle erfüllt.
Der Kläger hat bereits bei der Antragstellung am 1. Dezember 1975 unvollständige Angaben gemacht. Er hätte angeben müssen, daß er zu diesem Zeitpunkt bereits seine Zulassung als selbständiger Rechtsanwalt beantragt hatte und mit dieser Zulassung ernsthaft rechnen konnte. Eine entsprechende Mitteilungspflicht ergab sich aus dem mit der Antragstellung zwischen dem Kläger und der Beklagten begründeten Sozialrechtsverhältnis. Aus diesem Sozialrechtsverhältnis folge nach dem auch im Sozialrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) die (Neben-)Pflicht, die Beklagte vor vermeidbarem Schaden, und damit auch vor einer bereits absehbaren nicht gerechtfertigten – zukünftigen – Leistungsgewährung, zu bewahren. Diese Pflicht hat der Kläger auch grobfahrlässig verletzt. Indem er die ihm im Antragsvordruck gestellte Frage nach der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit – zum damaligen Zeitpunkt zutreffenderweise – verneinte, mußte sich ihm, zumal als einem Volljuristen, aufdrängen, daß der Ausübung einer solchen selbständigen Tätigkeit eine ausschlaggebende Bedeutung für die Gewährung von Alhi zukommen kann und er deshalb bereits damals den nahe bevorstehenden Beginn der Aufnahme einer solchen Tätigkeit der Beklagten anzeigen mußte. Zumindest hätte er den Versuch unternehmen müssen, sich insoweit durch entsprechende Rückfragen beim Arbeitsamt Klarheit zu verschaffen; dies hat er jedoch nicht getan. Das Vorbringen des Klägers, er habe bereits bei seiner Antragstellung die Rechtsanwaltstätigkeit angegeben, erweist sich in diesem Zusammenhang als unzutreffend. Dem Gericht liegt der von dem Kläger ausgefüllte Antragsvordruck im Original vor; er enthält keine diesbezüglichen Angaben. Bei der Arbeitsamtsnebenstelle Bad Homburg befinden sich nur noch die eigentlichen Vermittlungsunterlagen; sie enthalten aber ebenfalls, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats vortragen ließ und wie auch von selten des Klägers unwidersprochen geblieben ist, ebenfalls keine Anhaltspunkte bezüglich der Ausübung einer Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt.
Darüber hinaus hat es der Kläger aber jedenfalls grobfahrlässig unterlassen, seine erfolgte Zulassung als Rechtsanwalt der Beklagten mitzuteilen. Hierzu war er gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) verpflichtet. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Dies hat der Kläger aber hinsichtlich der Zulassung als Rechtsanwalt und der Aufnahme einer Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt nicht getan. Auch insoweit folgt der Vorwurf grober Fahrlässigkeit daraus, daß der Kläger, zumal als Volljurist, zumindest von dem erst kurze Zeit zurückliegenden Ausfüllen des Antragsvordruckes her wissen mußte, daß er die Aufnahme dieser Tätigkeit der Beklagten mitteilen mußte. Zumindest hätte er auch insoweit den Versuch unternehmen müssen, sich durch entsprechende Rückfragen beim Arbeitsamt Klarheit zu verschaffen; dies hat er jedoch ebenfalls nicht getan.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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