Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 9 P 123/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 P 67/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 03.08.1999 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Pflegegeld nach Stufe III aus der Sozialen Pflegeversicherung.
Die 1957 geborene Klägerin leidet seit 1993 an einem Guillain-Barré-Syndrom (idiopathische Polyradikuloneuritis). Die Beklagte gewährte ihr ab April 1995 Pflegeleistungen nach Stufe III. Ein Bewilligungsbescheid befindet sich nicht in den Akten der Beklagten und läßt sich auch aus den Daten nicht mehr rekonstruieren. Wegen der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge nach Inkrafttreten der Sozialen Pflegeversicherung hatte die Beklagte standardisierte, bis auf die jeweilige Pflegestufe nicht voneinander abweichende, Bescheide unmittelbar an die Versicherten übersandt. Kopien für die Akten wurden nicht gefertigt. In ihrem der Leistungsbewilligung zugrundeliegenden Gutachten vom 22.08.1995 stellte die Ärztin Dr. W ..., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung - MDK - Nordrhein, bei der damals bettlägerigen Klägerin einen stark reduzierten Allgemein- und Kräftezustand fest. Infolge der Parese an allen Extremitäten bestehe Bewegungsunfähigkeit; ein selbständiges Drehen sei nicht möglich, so daß die Klägerin umgelagert werden müsse. Wegen der nur minimalen Kraft in den Händen und einer Muskelatrophie sei das Essen mühsam, die Klägerin müsse gefüttert werden. Es bestehe eine Geh- und Stehunfähigkeit. Die Fortbewegung erfolge im Rollstuhl mit fremder Hilfe. Wegen der fast vollständigen Bewegungsunfähigkeit bei schlaffer Tetraparese nahm die Gutachterin Hilfebedarf bei allen Verrichtungen im Grundpflegebereich an (ihr Gutachten enthält keine Zeitangaben für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen), so daß Pflegestufe III anzunehmen sei. Bei dem langwierigen Verlauf seit April 1993 mit nur geringen Fortschritten sei mit kurzfristiger Besserung nicht zu rechnen.
Die Beklagte ordnete von Amts wegen im September 1997 eine Wiederholungsbegutachtung an, um zu prüfen, ob wesentliche Veränderungen im täglichen Hilfebedarf eingetreten seien. In ihrem Gutachten vom 03.12.1997 schätzten der Arzt W ... und die Pflegefachkraft H ... - beide MDK Nordrhein - den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege auf 162 Minuten. Die Klägerin könne auf geraden Strecken den Rollstuhl selbständig fortbewegen. Das Gehen sei ihr mit Hilfe eines Rollators und persönlicher Unterstützung 4 m möglich. Bei der Nahrungsaufnahme sei keine Unterstützung mehr nötig.
Mit Bescheid vom 09.12.1997 nahm die Beklagte mit Wirkung vom 01.01.1998 die Rückstufung in die Pflegestufe II vor, weil der Umfang der notwendigen Hilfe geringer geworden sei und daher nur noch Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe II vorliege. Die Kostenzusage befristete die Beklagte zunächst bis zum 30.11.1998.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie gehöre weiterhin zum Personenkreis der Schwerstpflegebedürftigen. Nach Einholung der Stellungnahme des Arztes W ... vom 12.03.1998 teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 23.03.1998 mit, nach Auswertung der Gutachten vom 22.08.1995 und 03.12.1997 verbleibe es bei der Einstufung in die Pflegestufe II, da sich der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege auf durchschnittlich 162 Minuten täglich verringert habe. Ihr werde gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) - Verwaltungsverfahren - Gelegenheit zur Äußerung und Mitteilung gegeben, ob der Widerspruch aufrecht gehalten werde. Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und machte geltend, der Pflegeaufwand habe sich nicht wesentlich verringert. Die einzige Besserung bestehe darin, daß sie nicht mehr gefüttert zu werden brauche. Nachdem ihr auf ihren Wunsch das Gutachten des Arztes W ... übersandt worden war, machte die Klägerin unter Angabe des Zeitaufwandes für die einzelnen Verrichtungen im Grundpflegebereich einen Hilfebedarf von insgesamt 254 Minuten geltend.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.1998 den Widerspruch zurück. In den Gründen führte sie unter Wiedergabe des Wortlautes des § 48 SGB X und der §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) - Soziale Pflegeversicherung - aus, ihre Leistungsgewährung basiere auf einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 22.08.1995. Danach hätte sie, die Klägerin, zum damaligen Zeitpunkt Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität benötigt. Sie sei der Pflegestufe III zugeordnet worden, weil sich das Ausmaß des Hilfebedarfs auf mehr als 4 Stunden pro Tag belaufen habe und zusätzlich Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung erforderlich gewesen sei. Diese Feststellungen seien durch ein erneutes Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung überprüft worden. Daraus habe sich ergeben, daß sich der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege so weit verringert habe, daß eine Zuordnung zur Pflegestufe III nicht mehr möglich gewesen sei. Trotz der weiterhin benötigten Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung hätte der Medizinische Dienst keine Schwerstpflegebedürftigkeit mehr feststellen können. Aufgrund ihres Widerspruchs sei ein weiteres Gutachten eingeholt worden. Der Gutachter habe in seiner Stellungnahme vom 12.03.1998 mit den Feststellungen des Vorgutachtens übereingestimmt. Nach alledem sei davon auszugehen, daß sich in den tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung ergeben habe mit der Folge, daß sie, die Beklagte, berechtigt gewesen sei, die Leistung der Pflegestufe III einzustellen und nur noch Leistungen der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Klägerin hat am 01.10.1998 Klage erhoben, mit der sie die Weitergewährung von Leistungen nach der Pflegestufe III begehrt hat. Eine wesentliche Besserung sei nicht eingetreten. Sie bedürfe auch bei der Nahrungsaufnahme fremder Hilfe. Im übrigen habe die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid nicht substantiiert dargelegt, worin die Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen bestehe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.1998 sowie des Bescheides vom 30.12.1998 zu verurteilen, ihr über den 31.12.1997 hinaus Pflegegeld der Pflegestufe III zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt, die Leistungsbewilligung sei durch die angefochtenen Bescheide wirksam aufgehoben worden. In diesen sei zum Ausdruck gebracht worden, daß der MDK eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in Form eines verringerten Pflegebedarfs festgestellt habe. Die Klägerin habe auch Gelegenheit zur Anhörung erhalten. Im übrigen sei eine wesentliche Besserung in den tatsächlichen Verhältnissen der Klägerin eingetreten. Die Nahrungsaufnahme sei zwar immer noch erschwert, aber inzwischen selbständig möglich. Zudem sei die Klägerin auch in der Lage, über längere Zeit im Rollstuhl zu sitzen.
Während des Klageverfahrens erfolgte eine weitere von der Beklagten veranlaßte Begutachtung durch den Arzt Wollny. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28.12.1998 ausgeführt, die Klägerin könne mit Rollator und persönlicher Hilfe wenige Schritte gehen. Die Nahrungsaufnahme sei erschwert selbständig möglich, eine Tasse bzw. ein Glas könnte mit beiden Händen zum Mund geführt werden.
Im Grundpflegebereich hat der Gutachter einen Hilfebedarf von 171 Minuten für erforderlich gehalten. Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 30.12.1998 festgestellt, die Nachuntersuchung habe keine wesentliche Änderung im täglichen Hilfebedarf ergeben. Es würden weiterhin Geldleistungen nach der Pflegestufe II gezahlt.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 03.08.1999 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin über den 31.12.1997 hinaus Pflegegeld der Pflegestufe III zu zahlen. In seinen Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, der angefochtene Verwaltungsakt sei weder hinreichend bestimmt noch hinreichend begründet. Es fehle an einer ausdrücklichen Aufhebungsentscheidung. Der maßgebliche Sachverhalt ergebe sich nicht aus dem angefochtenen Verwaltungsakt, es fehle an der genauen Bezeichnung der aufzuhebenden Leistungsbewilligung. Der angefochtene Bescheid lasse auch nicht die Rechtsgrundlage erkennen, auf die er sich stütze. Die erstmals im Widerspruchsbescheid enthaltene bloße Wiedergabe der Tatbestandsvoraussetzungen als Textbausteine reiche nicht aus. Die bloße Bezugnahme auf die Gutachten des MDK genügten dem gesetzlich normierten Begründungszwang nicht.
Gegen das ihr am 13.08.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.08.1999 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie habe das Bestimmtheitsgebot beachtet. In dem angefochtenen Bescheid sei für den Adressaten unmißverständlich zum Ausdruck gebracht worden, daß ab dem 01.01.1998 die Pflegestufe II in Betracht komme. Daraus ergebe sich zumindest im Wege der Auslegung, daß Leistungen der Pflegestufe III zum 31.12.1997 eingestellt würden. Die ausdrückliche Nennung des aufzuhebenden Bescheides sei daher nicht erforder lich gewesen. Auch der sich aus den §§ 45, 48 SGB X folgende Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes stehe der Wirksamkeit der Aufhebungsbescheide nicht entgegen. Die Klägerin habe aufgrund der Nachbegutachtung durch den MDK damit rechnen müssen, daß ein geringerer Pflegebedarf festgestellt werden könne. Dementsprechend sei aus der Sicht eines objektiven Empfängers ein veränderter Leistungsbezug für die Zukunft nicht unvorbereitet gekommen. Daß der angefochtene Bescheid keine gesetzliche Grundlage nenne, habe nicht zur Folge, daß die Aufhebungsbescheide dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit widersprächen. Dem Ausgangsbescheid sei aus der Sicht eines verständigen Empfängers eine nachvollziehbare Begründung für den verminderten Leistungsbezug zu entnehmen. Im übrigen werde in dem Widerspruchsbescheid die Ermächtigungsgrundlage genannt. Der Widerspruchsbescheid enthalte auch eine nachvollziehbare Begründung für die Einstellung von Leistungen der Pflegestufe III. Aus der summarischen, ergebnisorientierten Darstellung innerhalb des Widerspruchsbescheides lasse sich auch nicht folgern, daß sich die Beklagte in ebenso abgekürzter Form mit dem Gutachten des MDK befaßt oder gar das Ergebnis dieser Begutachtung ungeprüft übernommen habe. Angesichts der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge sei eine kurze Zusammenfassung des Ergebnisses der Prüfung des jeweiligen Vorganges unvermeidlich. Dazu, daß die Einstellung der Leistung der Pflegestufe III auch in materieller Hinsicht begründet ist, hat sich die Beklagte auf die von ihr eingeholten Gutachten berufen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 03.08.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hat sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils gestützt.
Zur Frage einer wesentlichen Änderung des Umfanges des Pflegebedarfs hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens der Ärztin für Arbeitsmedizin - Sozialmedizin - Dr. K ... vom 05.04.2000. Diese hat aufgrund einer Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung als Folge des Guillain-Barré-Syndroms mit Tetraparese und Atrophie der Extremitätenmuskulatur von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates schwere Einschränkungen beschrieben. Die Sachverständige hat im Bereich der Grundpflege einen Hilfebedarf von 208 Minuten (Körperpflege: 116 Minuten; Ernährung: 15 Minuten; Mobilität: 77 Minuten) und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung einen wöchentlichen Hilfebedarf von 600 Minuten für erforderlich gehalten. Gegenüber dem Gutachten von Dr. W ... vom 22.08.1995 hat die Sachverständige Dr. K ... eine Änderung insofern bejaht, als sich die Paresen im Bereich der Hände, der Beine und auch der Bauchmuskulatur gebessert hätten. Damals sei die Klägerin vollkommen bettlägerig gewesen. Sie sei jetzt in der Lage, mehrere Stunden im Rollstuhl zu sitzen und könne auch eigenständig die Nahrungsaufnahme bewerkstelligen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Klägerin ist durch die Bescheide vom 09.12.1997 und 11.09.1998 sowie den gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Verfahrens gewordenen Bescheid vom 30.12.1998 nicht beschwert; denn sie hat keinen Anspruch auf Weitergewährung von Pflegegeld der Pflegestufe III. Ab dem 01.01.1998 steht ihr nur noch Pflegegeld der Pflegestufe II zu.
Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin leidet das Verwaltungsverfahren nicht an einem wesentlichen Mangel. Zwar hat die Beklagte vor Erlaß des in die Rechte der Klägerin eingreifenden Bescheides vom 09.12.1997 diese nicht, wie es § 24 SGB X vorschreibt, angehört. Dieser wesentliche Verfahrensmangel ist jedoch in der Folgezeit, nämlich im Vorverfahren, geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X). Mit dem Anhörungsschreiben vom 23.03.1998 und dem ihr von der Beklagten übersandten Gutachten des Arztes W ... vom 03.12.1997 ist die Klägerin in den Stand gesetzt worden, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern und - wie es dann auch erfolgt ist - mit diesen sachgerecht auseinanderzusetzen (hierzu eingehend BSG vom 25.03.1999 - B 9 SB 12/97 R - und vom 28.04.1999 - B 9 SB 5/98 R -).
Dem angefochtenen Bescheid fehlt es auch nicht an der hinreichen den inhaltlichen Bestimmtheit i.S.d. § 33 SGB X. Unschädlich ist, daß der angefochtene Verwaltungsakt vom 09.12.1997 weder ausdrücklich als Bescheid bezeichnet worden ist (vgl. Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 37 Rdnr. 6), noch in einem Verfügungssatz den 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe III bewilligenden Bescheid aufhebt oder die Rechtsgrundlage nennt, auf die die Entscheidung gestützt ist. Bei objektiver Betrachtungsweise der vorliegend zu überprüfenden Regelung der Beklagten aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers sind nämlich alle wesentlichen Merkmale des Verwaltungsaktes eindeutig und widerspruchsfrei zu erkennen. Insbesondere ist klar, daß es sich um eine einseitige hoheitliche Regelung handelt, wem gegenüber etwas geregelt und welcher Sachverhalt in welchem Sinne geregelt wird (BSG, Urteil vom 30.06.1998 - Az.: B 4 RA 9/96 R -; Schneider-Danwitz in: SGB-Gesamtkommentar, § 33 Anm. 6). Dabei ist der Verwaltungsakt vom 09.12.1997 nicht isoliert zu betrachten. Es genügt, wenn der Widerspruchsbescheid die erforderliche Bestimmtheit herstellt (BVerwG, Urteil vom 23.10.1987 - Az.: 3 C 33/85 - in: NJW 1988, S. 506). Vorliegend enthält der Widerspruchsbescheid die Anspruchsgrundlage - § 48 SGB X -, auf die die Beklagte ihre Entscheidung stützt. Aus der Wiedergabe des Wortlautes der genannten Vorschrift, aus der Erklärung des Begriffs "Verwaltungsakt mit Dauerwirkung", der Bejahung einer wesentlichen Änderung gegenüber den Verhältnissen im Jahre 1995, der Einstellung der Leistungen nach Pflegestufe III und der Feststellung der Pflegestufe II ab 01.01.1998, war für die Klägerin erkennbar, daß die frühere, die Leistung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III bewilligende Regelung ab dem 01.01.1998 nicht mehr gelten sollte und ab dem genannten Zeitpunkt eine geringere Leistung erbracht werden würde. Tatsächlich hat die Klägerin - wie sich aus ihrem Widerspruchsschreiben ergibt - die von der Beklagten getroffene Entscheidung auch in diesem Sinne verstanden.
Ebensowenig mangelt es der angefochtenen Entscheidung an der hinreichenden Begründetheit. Gemäß § 35 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt schriftlich zu begründen. Ein Fall des § 35 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 SGB X, in dem es einer Begründung nicht bedarf, ist vorliegend nicht gegeben. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Es müssen die die Entscheidung tragenden Gesichtspunkte rechtlicher und tatsächlicher Art aufgezeigt werden (Schroeder-Printzen, SGB X, § 35 Rdnr. 5; BSG, Urteil vom 23.10.1985 - Az.: 9a RV 1/84 - in: Breithaupt 1986, 416 ff.). Auch in diesem Fall kann die fehlende Begründung bis zum Abschluß des Vorverfahrens nach geholt werden und somit den Formfehler heilen (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 SGB X). Die Begründung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten reicht noch aus, um der Klägerin die Verteidigung ihres Rechtes zu ermöglichen und ihr Klagebegehren sachgemäß zu verfolgen. Zwar hat die Beklagte die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe nicht im einzelnen dargelegt. Sie hat jedoch unter Hinweis auf das der Klägerin inhaltlich bekannt gegebene Gutachten des Arztes W ..., in dem die Besserungsmerkmale und der nunmehr erforderliche Zeitaufwand für Hilfe aufgeführt sind, eine Besserung i.S.d. § 48 SGB X gegenüber 1995 insofern festgestellt, als sich der Umfang der Pflegebedürftigkeit im Grundpflegebereich so weit verringert hat, daß ab 01.01.1998 die Voraussetzungen für die Pflegestufe III, die im Bescheid zitiert worden sind, nicht mehr erreicht werden.
Im Vergleich zu den tatsächlichen Verhältnissen, die der 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe III bewilligenden Entscheidung der Beklagten zugrundegelegen haben, ist eine wesentliche Änderung in dem Ausmaß der Pflegebedürftigkeit eingetreten, die die Herabsetzung der Pflegestufe III auf die Pflegestufe II rechtfertigt. Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI setzt die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe III voraus, daß der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt 5 Stunden beträgt, hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens 4 Stunden entfallen. Ferner ist erforderlich, daß der Pflegebedürftige bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedarf.
Davon ausgehend kommt vorliegend eine Zuordnung zur Pflegestufe III nicht mehr in Betracht. Denn eine Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) von mindestens 4 Stunden besteht nicht mehr. Daß das maßgebliche Vergleichsgutachten von Dr. W ... den für die 1995 erfolgte Einstufung in die Pflegestufe III maßgebenden Zeitaufwand für Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen nicht enthält, steht einem Vergleich des jetzigen Hilfebedarfs mit dem im Jahre 1995 nicht entgegen. Bewilligt wurde 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe III. Lediglich insoweit ist Bindungswirkung eingetreten. Der zeitliche Aufwand an Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen, der zur damaligen Einstufung in die Pflegestufe III geführt hat, erwächst nicht in Bindungswirkung (vgl. auch BSG, Urteil vom 10.09.1997 - Az.: 9 RVs 15/96 - in: SozR 3-3870 § 3 SchwbG Nr. 7).
Gegenüber dem im maßgeblichen Vergleichsgutachten dokumentierten Gesundheitszustand ist eine Besserung eingetreten mit der Folge, daß der Umfang der Hilfebedürftigkeit nicht mehr die Zuordnung der Klägerin zur Pflegestufe III rechtfertigt. Es ist zu einer Zunahme der Selbständigkeit gekommen, die auf eine Besserung der Paresen im Bereich der Hände, Beine und Bauchmuskulatur zurückzuführen ist. Eine Harn- und Stuhlinkontinenz besteht nicht mehr. Mußte die Klägerin 1995 noch gefüttert werden, so ist die Nahrungsaufnahme jetzt - wenn auch erschwert - ohne fremde Hilfe möglich. War die Klägerin 1995 infolge des völligen Funktionsausfalles des Stütz- und Bewegungsapparates und des zentralen Nervensystems in vollem Umfang auf fremde Hilfe angewiesen, ist jetzt bei der Teilwäsche des Unter- und Oberkörpers, beim Händewaschen und bei der Zahnpflege lediglich noch eine teilweise Übernahme durch die Pflegeperson erforderlich. 1995 war die Klägerin noch dauernd bettlägerig. Jetzt kann sie sich innerhalb der Wohnung mit dem Rollstuhl selbständig bewegen.
Diese positive Entwicklung hat zu einer Verringerung des Hilfebedarfs geführt. Der Senat hat seiner Entscheidung den von der Sachverständigen Dr. K ... geschätzten Zeitaufwand für Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen im Grundpflegebereich zugrundegelegt, der den Vorgaben der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien) vom 31.03.1997 entspricht und teilweise sogar darüber hinausgeht (Ganzkörperwäsche, Baden, An- und Auskleiden) und der von der Klägerin auch ausdrücklich nicht angegriffen worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Pflegegeld nach Stufe III aus der Sozialen Pflegeversicherung.
Die 1957 geborene Klägerin leidet seit 1993 an einem Guillain-Barré-Syndrom (idiopathische Polyradikuloneuritis). Die Beklagte gewährte ihr ab April 1995 Pflegeleistungen nach Stufe III. Ein Bewilligungsbescheid befindet sich nicht in den Akten der Beklagten und läßt sich auch aus den Daten nicht mehr rekonstruieren. Wegen der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge nach Inkrafttreten der Sozialen Pflegeversicherung hatte die Beklagte standardisierte, bis auf die jeweilige Pflegestufe nicht voneinander abweichende, Bescheide unmittelbar an die Versicherten übersandt. Kopien für die Akten wurden nicht gefertigt. In ihrem der Leistungsbewilligung zugrundeliegenden Gutachten vom 22.08.1995 stellte die Ärztin Dr. W ..., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung - MDK - Nordrhein, bei der damals bettlägerigen Klägerin einen stark reduzierten Allgemein- und Kräftezustand fest. Infolge der Parese an allen Extremitäten bestehe Bewegungsunfähigkeit; ein selbständiges Drehen sei nicht möglich, so daß die Klägerin umgelagert werden müsse. Wegen der nur minimalen Kraft in den Händen und einer Muskelatrophie sei das Essen mühsam, die Klägerin müsse gefüttert werden. Es bestehe eine Geh- und Stehunfähigkeit. Die Fortbewegung erfolge im Rollstuhl mit fremder Hilfe. Wegen der fast vollständigen Bewegungsunfähigkeit bei schlaffer Tetraparese nahm die Gutachterin Hilfebedarf bei allen Verrichtungen im Grundpflegebereich an (ihr Gutachten enthält keine Zeitangaben für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen), so daß Pflegestufe III anzunehmen sei. Bei dem langwierigen Verlauf seit April 1993 mit nur geringen Fortschritten sei mit kurzfristiger Besserung nicht zu rechnen.
Die Beklagte ordnete von Amts wegen im September 1997 eine Wiederholungsbegutachtung an, um zu prüfen, ob wesentliche Veränderungen im täglichen Hilfebedarf eingetreten seien. In ihrem Gutachten vom 03.12.1997 schätzten der Arzt W ... und die Pflegefachkraft H ... - beide MDK Nordrhein - den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege auf 162 Minuten. Die Klägerin könne auf geraden Strecken den Rollstuhl selbständig fortbewegen. Das Gehen sei ihr mit Hilfe eines Rollators und persönlicher Unterstützung 4 m möglich. Bei der Nahrungsaufnahme sei keine Unterstützung mehr nötig.
Mit Bescheid vom 09.12.1997 nahm die Beklagte mit Wirkung vom 01.01.1998 die Rückstufung in die Pflegestufe II vor, weil der Umfang der notwendigen Hilfe geringer geworden sei und daher nur noch Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe II vorliege. Die Kostenzusage befristete die Beklagte zunächst bis zum 30.11.1998.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie gehöre weiterhin zum Personenkreis der Schwerstpflegebedürftigen. Nach Einholung der Stellungnahme des Arztes W ... vom 12.03.1998 teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 23.03.1998 mit, nach Auswertung der Gutachten vom 22.08.1995 und 03.12.1997 verbleibe es bei der Einstufung in die Pflegestufe II, da sich der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege auf durchschnittlich 162 Minuten täglich verringert habe. Ihr werde gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) - Verwaltungsverfahren - Gelegenheit zur Äußerung und Mitteilung gegeben, ob der Widerspruch aufrecht gehalten werde. Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und machte geltend, der Pflegeaufwand habe sich nicht wesentlich verringert. Die einzige Besserung bestehe darin, daß sie nicht mehr gefüttert zu werden brauche. Nachdem ihr auf ihren Wunsch das Gutachten des Arztes W ... übersandt worden war, machte die Klägerin unter Angabe des Zeitaufwandes für die einzelnen Verrichtungen im Grundpflegebereich einen Hilfebedarf von insgesamt 254 Minuten geltend.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.1998 den Widerspruch zurück. In den Gründen führte sie unter Wiedergabe des Wortlautes des § 48 SGB X und der §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) - Soziale Pflegeversicherung - aus, ihre Leistungsgewährung basiere auf einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 22.08.1995. Danach hätte sie, die Klägerin, zum damaligen Zeitpunkt Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität benötigt. Sie sei der Pflegestufe III zugeordnet worden, weil sich das Ausmaß des Hilfebedarfs auf mehr als 4 Stunden pro Tag belaufen habe und zusätzlich Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung erforderlich gewesen sei. Diese Feststellungen seien durch ein erneutes Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung überprüft worden. Daraus habe sich ergeben, daß sich der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege so weit verringert habe, daß eine Zuordnung zur Pflegestufe III nicht mehr möglich gewesen sei. Trotz der weiterhin benötigten Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung hätte der Medizinische Dienst keine Schwerstpflegebedürftigkeit mehr feststellen können. Aufgrund ihres Widerspruchs sei ein weiteres Gutachten eingeholt worden. Der Gutachter habe in seiner Stellungnahme vom 12.03.1998 mit den Feststellungen des Vorgutachtens übereingestimmt. Nach alledem sei davon auszugehen, daß sich in den tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung ergeben habe mit der Folge, daß sie, die Beklagte, berechtigt gewesen sei, die Leistung der Pflegestufe III einzustellen und nur noch Leistungen der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Klägerin hat am 01.10.1998 Klage erhoben, mit der sie die Weitergewährung von Leistungen nach der Pflegestufe III begehrt hat. Eine wesentliche Besserung sei nicht eingetreten. Sie bedürfe auch bei der Nahrungsaufnahme fremder Hilfe. Im übrigen habe die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid nicht substantiiert dargelegt, worin die Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen bestehe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.1998 sowie des Bescheides vom 30.12.1998 zu verurteilen, ihr über den 31.12.1997 hinaus Pflegegeld der Pflegestufe III zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt, die Leistungsbewilligung sei durch die angefochtenen Bescheide wirksam aufgehoben worden. In diesen sei zum Ausdruck gebracht worden, daß der MDK eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in Form eines verringerten Pflegebedarfs festgestellt habe. Die Klägerin habe auch Gelegenheit zur Anhörung erhalten. Im übrigen sei eine wesentliche Besserung in den tatsächlichen Verhältnissen der Klägerin eingetreten. Die Nahrungsaufnahme sei zwar immer noch erschwert, aber inzwischen selbständig möglich. Zudem sei die Klägerin auch in der Lage, über längere Zeit im Rollstuhl zu sitzen.
Während des Klageverfahrens erfolgte eine weitere von der Beklagten veranlaßte Begutachtung durch den Arzt Wollny. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28.12.1998 ausgeführt, die Klägerin könne mit Rollator und persönlicher Hilfe wenige Schritte gehen. Die Nahrungsaufnahme sei erschwert selbständig möglich, eine Tasse bzw. ein Glas könnte mit beiden Händen zum Mund geführt werden.
Im Grundpflegebereich hat der Gutachter einen Hilfebedarf von 171 Minuten für erforderlich gehalten. Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 30.12.1998 festgestellt, die Nachuntersuchung habe keine wesentliche Änderung im täglichen Hilfebedarf ergeben. Es würden weiterhin Geldleistungen nach der Pflegestufe II gezahlt.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 03.08.1999 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin über den 31.12.1997 hinaus Pflegegeld der Pflegestufe III zu zahlen. In seinen Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, der angefochtene Verwaltungsakt sei weder hinreichend bestimmt noch hinreichend begründet. Es fehle an einer ausdrücklichen Aufhebungsentscheidung. Der maßgebliche Sachverhalt ergebe sich nicht aus dem angefochtenen Verwaltungsakt, es fehle an der genauen Bezeichnung der aufzuhebenden Leistungsbewilligung. Der angefochtene Bescheid lasse auch nicht die Rechtsgrundlage erkennen, auf die er sich stütze. Die erstmals im Widerspruchsbescheid enthaltene bloße Wiedergabe der Tatbestandsvoraussetzungen als Textbausteine reiche nicht aus. Die bloße Bezugnahme auf die Gutachten des MDK genügten dem gesetzlich normierten Begründungszwang nicht.
Gegen das ihr am 13.08.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.08.1999 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie habe das Bestimmtheitsgebot beachtet. In dem angefochtenen Bescheid sei für den Adressaten unmißverständlich zum Ausdruck gebracht worden, daß ab dem 01.01.1998 die Pflegestufe II in Betracht komme. Daraus ergebe sich zumindest im Wege der Auslegung, daß Leistungen der Pflegestufe III zum 31.12.1997 eingestellt würden. Die ausdrückliche Nennung des aufzuhebenden Bescheides sei daher nicht erforder lich gewesen. Auch der sich aus den §§ 45, 48 SGB X folgende Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes stehe der Wirksamkeit der Aufhebungsbescheide nicht entgegen. Die Klägerin habe aufgrund der Nachbegutachtung durch den MDK damit rechnen müssen, daß ein geringerer Pflegebedarf festgestellt werden könne. Dementsprechend sei aus der Sicht eines objektiven Empfängers ein veränderter Leistungsbezug für die Zukunft nicht unvorbereitet gekommen. Daß der angefochtene Bescheid keine gesetzliche Grundlage nenne, habe nicht zur Folge, daß die Aufhebungsbescheide dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit widersprächen. Dem Ausgangsbescheid sei aus der Sicht eines verständigen Empfängers eine nachvollziehbare Begründung für den verminderten Leistungsbezug zu entnehmen. Im übrigen werde in dem Widerspruchsbescheid die Ermächtigungsgrundlage genannt. Der Widerspruchsbescheid enthalte auch eine nachvollziehbare Begründung für die Einstellung von Leistungen der Pflegestufe III. Aus der summarischen, ergebnisorientierten Darstellung innerhalb des Widerspruchsbescheides lasse sich auch nicht folgern, daß sich die Beklagte in ebenso abgekürzter Form mit dem Gutachten des MDK befaßt oder gar das Ergebnis dieser Begutachtung ungeprüft übernommen habe. Angesichts der Vielzahl der zu bearbeitenden Vorgänge sei eine kurze Zusammenfassung des Ergebnisses der Prüfung des jeweiligen Vorganges unvermeidlich. Dazu, daß die Einstellung der Leistung der Pflegestufe III auch in materieller Hinsicht begründet ist, hat sich die Beklagte auf die von ihr eingeholten Gutachten berufen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 03.08.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hat sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils gestützt.
Zur Frage einer wesentlichen Änderung des Umfanges des Pflegebedarfs hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens der Ärztin für Arbeitsmedizin - Sozialmedizin - Dr. K ... vom 05.04.2000. Diese hat aufgrund einer Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung als Folge des Guillain-Barré-Syndroms mit Tetraparese und Atrophie der Extremitätenmuskulatur von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates schwere Einschränkungen beschrieben. Die Sachverständige hat im Bereich der Grundpflege einen Hilfebedarf von 208 Minuten (Körperpflege: 116 Minuten; Ernährung: 15 Minuten; Mobilität: 77 Minuten) und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung einen wöchentlichen Hilfebedarf von 600 Minuten für erforderlich gehalten. Gegenüber dem Gutachten von Dr. W ... vom 22.08.1995 hat die Sachverständige Dr. K ... eine Änderung insofern bejaht, als sich die Paresen im Bereich der Hände, der Beine und auch der Bauchmuskulatur gebessert hätten. Damals sei die Klägerin vollkommen bettlägerig gewesen. Sie sei jetzt in der Lage, mehrere Stunden im Rollstuhl zu sitzen und könne auch eigenständig die Nahrungsaufnahme bewerkstelligen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Klägerin ist durch die Bescheide vom 09.12.1997 und 11.09.1998 sowie den gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Verfahrens gewordenen Bescheid vom 30.12.1998 nicht beschwert; denn sie hat keinen Anspruch auf Weitergewährung von Pflegegeld der Pflegestufe III. Ab dem 01.01.1998 steht ihr nur noch Pflegegeld der Pflegestufe II zu.
Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin leidet das Verwaltungsverfahren nicht an einem wesentlichen Mangel. Zwar hat die Beklagte vor Erlaß des in die Rechte der Klägerin eingreifenden Bescheides vom 09.12.1997 diese nicht, wie es § 24 SGB X vorschreibt, angehört. Dieser wesentliche Verfahrensmangel ist jedoch in der Folgezeit, nämlich im Vorverfahren, geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X). Mit dem Anhörungsschreiben vom 23.03.1998 und dem ihr von der Beklagten übersandten Gutachten des Arztes W ... vom 03.12.1997 ist die Klägerin in den Stand gesetzt worden, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern und - wie es dann auch erfolgt ist - mit diesen sachgerecht auseinanderzusetzen (hierzu eingehend BSG vom 25.03.1999 - B 9 SB 12/97 R - und vom 28.04.1999 - B 9 SB 5/98 R -).
Dem angefochtenen Bescheid fehlt es auch nicht an der hinreichen den inhaltlichen Bestimmtheit i.S.d. § 33 SGB X. Unschädlich ist, daß der angefochtene Verwaltungsakt vom 09.12.1997 weder ausdrücklich als Bescheid bezeichnet worden ist (vgl. Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 37 Rdnr. 6), noch in einem Verfügungssatz den 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe III bewilligenden Bescheid aufhebt oder die Rechtsgrundlage nennt, auf die die Entscheidung gestützt ist. Bei objektiver Betrachtungsweise der vorliegend zu überprüfenden Regelung der Beklagten aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers sind nämlich alle wesentlichen Merkmale des Verwaltungsaktes eindeutig und widerspruchsfrei zu erkennen. Insbesondere ist klar, daß es sich um eine einseitige hoheitliche Regelung handelt, wem gegenüber etwas geregelt und welcher Sachverhalt in welchem Sinne geregelt wird (BSG, Urteil vom 30.06.1998 - Az.: B 4 RA 9/96 R -; Schneider-Danwitz in: SGB-Gesamtkommentar, § 33 Anm. 6). Dabei ist der Verwaltungsakt vom 09.12.1997 nicht isoliert zu betrachten. Es genügt, wenn der Widerspruchsbescheid die erforderliche Bestimmtheit herstellt (BVerwG, Urteil vom 23.10.1987 - Az.: 3 C 33/85 - in: NJW 1988, S. 506). Vorliegend enthält der Widerspruchsbescheid die Anspruchsgrundlage - § 48 SGB X -, auf die die Beklagte ihre Entscheidung stützt. Aus der Wiedergabe des Wortlautes der genannten Vorschrift, aus der Erklärung des Begriffs "Verwaltungsakt mit Dauerwirkung", der Bejahung einer wesentlichen Änderung gegenüber den Verhältnissen im Jahre 1995, der Einstellung der Leistungen nach Pflegestufe III und der Feststellung der Pflegestufe II ab 01.01.1998, war für die Klägerin erkennbar, daß die frühere, die Leistung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III bewilligende Regelung ab dem 01.01.1998 nicht mehr gelten sollte und ab dem genannten Zeitpunkt eine geringere Leistung erbracht werden würde. Tatsächlich hat die Klägerin - wie sich aus ihrem Widerspruchsschreiben ergibt - die von der Beklagten getroffene Entscheidung auch in diesem Sinne verstanden.
Ebensowenig mangelt es der angefochtenen Entscheidung an der hinreichenden Begründetheit. Gemäß § 35 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt schriftlich zu begründen. Ein Fall des § 35 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 SGB X, in dem es einer Begründung nicht bedarf, ist vorliegend nicht gegeben. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Es müssen die die Entscheidung tragenden Gesichtspunkte rechtlicher und tatsächlicher Art aufgezeigt werden (Schroeder-Printzen, SGB X, § 35 Rdnr. 5; BSG, Urteil vom 23.10.1985 - Az.: 9a RV 1/84 - in: Breithaupt 1986, 416 ff.). Auch in diesem Fall kann die fehlende Begründung bis zum Abschluß des Vorverfahrens nach geholt werden und somit den Formfehler heilen (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 SGB X). Die Begründung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten reicht noch aus, um der Klägerin die Verteidigung ihres Rechtes zu ermöglichen und ihr Klagebegehren sachgemäß zu verfolgen. Zwar hat die Beklagte die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe nicht im einzelnen dargelegt. Sie hat jedoch unter Hinweis auf das der Klägerin inhaltlich bekannt gegebene Gutachten des Arztes W ..., in dem die Besserungsmerkmale und der nunmehr erforderliche Zeitaufwand für Hilfe aufgeführt sind, eine Besserung i.S.d. § 48 SGB X gegenüber 1995 insofern festgestellt, als sich der Umfang der Pflegebedürftigkeit im Grundpflegebereich so weit verringert hat, daß ab 01.01.1998 die Voraussetzungen für die Pflegestufe III, die im Bescheid zitiert worden sind, nicht mehr erreicht werden.
Im Vergleich zu den tatsächlichen Verhältnissen, die der 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe III bewilligenden Entscheidung der Beklagten zugrundegelegen haben, ist eine wesentliche Änderung in dem Ausmaß der Pflegebedürftigkeit eingetreten, die die Herabsetzung der Pflegestufe III auf die Pflegestufe II rechtfertigt. Gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI setzt die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe III voraus, daß der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt 5 Stunden beträgt, hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens 4 Stunden entfallen. Ferner ist erforderlich, daß der Pflegebedürftige bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedarf.
Davon ausgehend kommt vorliegend eine Zuordnung zur Pflegestufe III nicht mehr in Betracht. Denn eine Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) von mindestens 4 Stunden besteht nicht mehr. Daß das maßgebliche Vergleichsgutachten von Dr. W ... den für die 1995 erfolgte Einstufung in die Pflegestufe III maßgebenden Zeitaufwand für Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen nicht enthält, steht einem Vergleich des jetzigen Hilfebedarfs mit dem im Jahre 1995 nicht entgegen. Bewilligt wurde 1995 Pflegegeld nach Pflegestufe III. Lediglich insoweit ist Bindungswirkung eingetreten. Der zeitliche Aufwand an Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen, der zur damaligen Einstufung in die Pflegestufe III geführt hat, erwächst nicht in Bindungswirkung (vgl. auch BSG, Urteil vom 10.09.1997 - Az.: 9 RVs 15/96 - in: SozR 3-3870 § 3 SchwbG Nr. 7).
Gegenüber dem im maßgeblichen Vergleichsgutachten dokumentierten Gesundheitszustand ist eine Besserung eingetreten mit der Folge, daß der Umfang der Hilfebedürftigkeit nicht mehr die Zuordnung der Klägerin zur Pflegestufe III rechtfertigt. Es ist zu einer Zunahme der Selbständigkeit gekommen, die auf eine Besserung der Paresen im Bereich der Hände, Beine und Bauchmuskulatur zurückzuführen ist. Eine Harn- und Stuhlinkontinenz besteht nicht mehr. Mußte die Klägerin 1995 noch gefüttert werden, so ist die Nahrungsaufnahme jetzt - wenn auch erschwert - ohne fremde Hilfe möglich. War die Klägerin 1995 infolge des völligen Funktionsausfalles des Stütz- und Bewegungsapparates und des zentralen Nervensystems in vollem Umfang auf fremde Hilfe angewiesen, ist jetzt bei der Teilwäsche des Unter- und Oberkörpers, beim Händewaschen und bei der Zahnpflege lediglich noch eine teilweise Übernahme durch die Pflegeperson erforderlich. 1995 war die Klägerin noch dauernd bettlägerig. Jetzt kann sie sich innerhalb der Wohnung mit dem Rollstuhl selbständig bewegen.
Diese positive Entwicklung hat zu einer Verringerung des Hilfebedarfs geführt. Der Senat hat seiner Entscheidung den von der Sachverständigen Dr. K ... geschätzten Zeitaufwand für Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen im Grundpflegebereich zugrundegelegt, der den Vorgaben der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien) vom 31.03.1997 entspricht und teilweise sogar darüber hinausgeht (Ganzkörperwäsche, Baden, An- und Auskleiden) und der von der Klägerin auch ausdrücklich nicht angegriffen worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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