Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 An 43/95
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 RA 23/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28. April 1998 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.1995 und des Widerspruchsbescheides vom 20.04.1995 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 28.02.1999 Erwerbsunfähigkeit auf Dauer anzunehmen und ihr die entsprechenden Leistungen ab dem 01.03.1999 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllt.
Die am ...1941 geborene Klägerin absolvierte in der Türkei eine Ausbildung zur Krankenschwester und war zuletzt von 1971 bis 1987 im Evangelischen Krankenhaus in G ... als Krankenschwester in der Operationsabteilung tätig. Seitdem übt sie keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr aus.
Am 16.10.1984 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen ersten Antrag auf Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 09.08.1985 lehnte die Beklagte diesen Rentenantrag ab und verwies in dem Bescheid hinsichtlich der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 ab 01.01.1984 geänderten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Renten wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit auf ein beigefügtes Hinweisblatt. Hinsichtlich des Hinweisblattes wird auf die im Berufungsverfahren von der Beklagten zu den Gerichtsakten gereichte Kopie verwiesen (Bl. 297 der Akte). Im anschließenden Klageverfahren wurde die Klage nach Einholung mehrerer ärztlicher Gutachten durch Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.11.1987 abgewiesen (Az.: S 7 An 214/85 SG Gelsenkirchen).
Am 21.07.1994 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte veranlaßte im Verwaltungsverfahren zunächst ärztliche Untersuchungen der Klägerin und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 05.01.1995 mit der Begründung ab, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei zwar seit dem 21.07.1994 leistungsgemindert; im maßgebenden Zeitraum vom 21.07.1989 bis 20.07.1994 seien jedoch keine Pflichtbeiträge entrichtet. Auch die Voraussetzungen der Übergangsregelung gemäß §§ 240, 241 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) seien nicht erfüllt. Zwar erfülle die Klägerin die Wartezeit von 60 Kalendermonaten vor dem 01.01.1984. Im Zeitraum vom 01.01.1984 bis 20.07.1994 sei jedoch nicht jeder Monat mit Anwartschafterhaltungszeiten belegt. Im übrigen sei die Klägerin auch aus medizinischer Sicht nicht berufs- oder erwerbsunfähig. Sie sei nämlich noch in der Lage, in öffentlichen Blutzentralen, Gesundheitsämtern und vertrauensärztlichen Dienststellen, im Labor und in technischen Untersuchungsstellen oder in Sanatorien als Arzthelferin oder als Werkschwester vollschichtig tätig zu sein.
Dagegen erhob die Klägerin am 16.01.1995 Widerspruch, der von der Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.1995 zurückgewiesen wurde. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird verwiesen.
Mit der dagegen am 02.05.1995 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Hinsichtlich des Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hat sie vorgetragen, diese seien nach ihrer Auffassung erfüllt, da seit 1984 Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Operationsschwester bestehe. Im übrigen lägen nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor, da die Beklagte sie nach Abschluß des Vorprozesses nicht über die Möglichkeiten der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informiert habe.
Die Beklagte hat an ihren angefochtenen Bescheiden festgehalten und ergänzend u.a. vorgetragen, bei der Klägerin liege zwar eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit bezogen auf die Tätigkeit einer Operationsschwester ab Aufgabe der Arbeit vor, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien jedoch gleichwohl nicht erfüllt. Weder für die Verlängerung des Rahmenzeitraumes der §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 SGB VI noch für das Vorliegen von Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne der §§ 240, 241 SGB VI komme es auf das bloße Vorhandensein einer Anrechnungszeittatsache an. Vielmehr müßten diese Zeiten tatsächlich Anrechnungszeiten sein bzw. nur deshalb keine Anrechnungszeit sein, weil eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen sei. Die Klägerin sei in der Zeit vom 16.09.1986 bis 30.12.1987 bei der AOK G ... und ab 01.07.1988 bei der BKK der A ... O ... AG jeweils ohne Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Nach § 252 Abs. 3 SGB VI liege in solchen Fällen eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1997 nur vor, wenn für diese Zeiten, längstens jedoch für 18 Kalendermonate, Beiträge nach mindestens 70 v.H., für die Zeit vom 01.01.1995 an 80 v.H. des zuletzt für einen vollen Kalendermonat versicherten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens gezahlt worden seien. Eine entsprechende Beitragszahlung sei im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt, so daß auch keine Berücksichtigung als Anrechnungszeit in Betracht komme. Hinsichtlich des geltend gemachten Herstellungsanspruchs hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Klägerin sei mit dem Bescheid vom 09.08.1985 hinreichend auf die sich durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 ergebenden Änderungen hingewiesen worden.
Das Sozialgericht hat eine Arbeitgeberauskunft sowie verschiedene ärztliche Befundberichte beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines kardiologischen Gutachtens von Dr. O ..., Leitender Arzt der Kardiologischen Abteilung des Evangelischen Krankenhauses O ..., vom 09.12.1996 und eines orthopädischen Gutachtens von Chefarzt Dr. B ..., Paracelsus- Klinik der Stadt M ..., vom 29.03.1997 mit ergänzender Stellungnahme vom 19.06.1997. Weiter hat das Sozialgericht berufskundliche Unterlagen und Urteile zu möglichen Verweisgungstätigkeiten für Krankenschwestern beigezogen. Auf die ärztlichen Gutachten und berufskundlichen Unterlagen wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 28.04.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung i. w. ausgeführt, die Klägerin sei nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme weder berufs- noch erwerbsunfähig. Es könne daher dahinstehen, ob die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit vorlägen. Diese Voraussetzungen könnten gegeben sein, wenn ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bejaht würde, weil die Beklagte die Klägerin nach Abschluß des Vorprozesses durch Urteil vom 09.11.1987 nicht mehr darüber aufgeklärt habe, wie sie weiterhin die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das am 07.05.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.05.1998 Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung hat sie ihr Begehren auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.03.1999 beschränkt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.04.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.1995 zu verurteilen, ihr aufgrund eines am 28.02.1999 eingetretenen Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit auf Dauer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.03.1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach Auswertung verschiedener vom Senat eingeholter ärztlicher Befundberichte hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.12.1999 (Bl. 319 der Akten) mitgeteilt, es könne nunmehr auch nach Auffassung der Beklagten ab 28.02.1999 wegen Multimorbidität vom Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit ausgegangen werden. Wegen Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen könne es jedoch nicht zur Rentengewährung kommen.
Den Beteiligten ist in Kopie ein Urteil des Senats vom 11.02.2000 (Az.: L 14 RJ 39/98 LSG NRW) zugeleitet worden, mit dem der Senat in einem ähnlichen Fall die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch bejaht und die dortige Beklagte entsprechend verurteilt hat.
Die Beklagte hat dazu u.a. vorgetragen, daß nach ihrer Auffassung im vorliegenden Fall nicht unbedingt ein konkreter Anlaß für eine Beratung bestanden habe; außerdem sei der Klägerin im Februar 1988 ein Versicherungsverlauf erteilt worden. Zudem bleibe zu klären, ob der Klägerin eine freiwillige Beitragsentrichtung überhaupt möglich gewesen wäre.
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Klägerin befragt, ob sie bei entsprechender Beratung durch die Beklagte die zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes erforderlichen freiwilligen Beiträge entrichtet hätte und wie ihre wirtschaftlichen Verhältnisse damals waren. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.04.2000 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (zwei Bände) sowie den der ebenfalls beigezogenen Vorprozeßakten S 7 An 214/85 SG Gelsenkirchen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist mit dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeschränkten Antrag auch begründet. Die Klägerin hat zur Überzeugung des Senats ab 01.03.1999 Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI.
Unstreitig ist die Klägerin seit dem 28.02.1999 auf Dauer erwerbsunfähig. Dies ergibt sich auch nach Auffassung des Senats insbesondere aus dem vorliegenden Befundbericht des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L ..., G ..., vom 20.08.1999. Die Wartezeit für die begehrte Rente ist ebenfalls unstreitig erfüllt.
Allerdings liegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß §§ 44, 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI sowie der Übergangsregelung in § 240, 241 SGB VI wegen der Lücken im Versicherungsverlauf unstreitig nicht unmittelbar vor. Eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit seit Aufgabe der Tätigkeit als Operationsschwester kann aus den von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren dargelegten Gründen (s.o.) nicht berücksichtigt werden. Nach Auffassung des Senats sind im Wege des von der Rechtsprechung entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedoch die Voraussetzungen der Übergangsregelung gemäß §§ 240, 241 SGB VI erfüllt, weil die Klägerin vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, nach dem Versicherungsverlauf vom 25.07.1996 (Bl. 51 der Akten) die Zeit vom 01.01.1984 bis 13.08.1984 mit Pflichtbeiträgen belegt ist und für die Kalendermonate danach bis zum Eintritt des Leistungsfalls eine Beitragszahlung im Wege des Herstellungsanspruchs zulässig ist (§§ 197 Abs. 2, 198 Satz 1 Nr. 2, § 241 Abs. 2 letzter Satz SGB VI).
Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind hier erfüllt, weil die Klägerin bei dem erfolglosen Abschluß des Vorprozesses S 7 An 214/85 durch das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.11.1987 von der Beklagten nicht auf die Möglichkeiten für eine Aufrechterhaltung ihres Versicherungsschutzes hingewiesen worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist ein Versicherungsträger gemäß § 14 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) gehalten, Versicherte bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden. Ein solcher konkreter Anlaß kann sich nach der Rechtsprechung des BSG aus einem laufenden Rentenfeststellungsverfahren oder bei dem erfolglosen Abschluß eines Rentenverfahrens ergeben (vgl. z. B. Urteile des BSG vom 25.08.1993 - 13 RJ 43/92 - und 22.10.1996 - 13 RJ 69/95 - SozR 3-1200 § 14 Nr. 10 und 22, mit Hinweisen auf die bisherige Rechtsprechung des BSG -). Im Anschluß an die genannten Urteile des BSG hat der erkennende Senat bereits mit Urteilen vom 30.04.1997 (Az.: L 14 J 139/96) sowie vom 11.02.2000 (Az.: L 14 RJ 39/98) einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch in Fällen bejaht, in denen nach klageabweisenden Urteilen des Sozialgerichts bzw. Landessozialgerichts nicht über die Möglichkeiten zur Erhaltung es Versicherungsschutzes belehrt worden war. Nach der vorliegenden Presse-Mitteilung Nr. 22/00 des BSG vom 05.04.2000 hat das BSG in einem ähnlichen Fall im Ergebnis erneut einen Beratungsfehler des dortigen Versicherungsträgers bejaht, auch wenn Einzelheiten dieser Entscheidung noch nicht bekannt sind (Az. d. BSG: B 5 RJ 50/98 R).
Ein solcher Anlaß für eine entsprechende Beratung der Klägerin durch die Beklagte bestand nach Auffassung des Senats auch hier bei Abschluß des damaligen Klageverfahrens im November 1987. Nach dem über zwei Jahre dauernden Gerichtsverfahren, in dem es um die medizinischen Voraussetzungen der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und nicht um versicherungsrechtliche Voraussetzungen gegangen war, bestand die auch für die Beklagte erkennbare Gefahr, daß der Klägerin die dem Ablehnungsbescheid vom 09.08.1985 beigefügten Hinweise über die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes nicht mehr gegenwärtig waren. Entgegen der Auffassung der Beklagten macht es dabei keinen Unterschied, ob sich der Vorprozeß wie hier nur über eine Instanz oder wie in dem vom Senat am 11.02.2000 entschiedenen Fall über mehrere Instanzen hingezogen hat. Angesichts der Bedeutung der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes für einen evtl. späteren Leistungsfall obliegt es daher nach Auffassung des Senats den Versicherungsträgern im Rahmen ihrer Beratungspflicht, die Versicherten zu diesem Zeitpunkt, zu dem häufig der endgültige Verlust des Versicherungsschutzes für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit droht, erneut auf die gesetzlichen Möglichkeiten der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes hinzuweisen. Dieser Obliegenheit kommen die für die Rentenversicherung der Arbeiter zuständigen Versicherungsträger in den letzten Jahren nach den Erfahrungen des Senats aus diversen Berufungsverfahren häufig dadurch nach, daß der Terminbevollmächtigte bei Abschluß der mündlichen Verhandlung dem Versicherten ein entsprechendes Merkblatt aushändigt und dies in der Sitzungsniederschrift vermerkt wird. Dies ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht erfolgt und war zum damaligen Zeitpunkt auch noch nicht allgemein üblich.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß die Klägerin ausweislich der Verwaltungsakten am 25.09.1987, also kurz vor Abschluß des Vorprozesses, bei der Beklagten einen Antrag auf Kontenklärung gestellt hat (Bl. 215 der Verwaltungsakten), der - soweit ersichtlich - bis zum Abschluß des Vorprozesses nicht bearbeitet worden ist. Nach Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 09.03.2000 ist der Klägerin im Februar 1988 ein Versicherungsverlauf erteilt worden. Dies zeigt, daß sich die Beklagte damals sogar unabhängig von der Beendigung des Vorprozesses mit dem Versicherungskonto der Klägerin befassen musste. Dabei war für sie ohne weiteres erkennbar, daß die Klägerin die für sie bestehende letzte Möglichkeit zur Aufrechterhaltung ihres Versicherungsschutzes bis dahin nicht wahrgenommen hatte. Unabhängig von der vom Senat ohnehin angenommenen Beratungspflicht bei Prozeßende hätte die Beklagte in jedem Fall den Antrag auf Kontoklärung und die Erteilung der Rentenauskunft zum Anlaß für eine spezielle Beratung der Klägerin nehmen müssen.
Ein Beratungsmangel als Voraussetzung für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch liegt daher nach Auffassung des Senats eindeutig vor. Auch die weitere Voraussetzung eines Herstellungsanspruchs, daß die Klägerin bei entsprechender Beratung den Versicherungsschutz durch Zahlung freiwilliger Beiträge aufrecht erhalten hätte, liegt zur Überzeugung des Senats vor. Auf Befragen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überzeugend dargelegt, daß sie in jedem Fall bereit gewesen wäre, die erforderlichen freiwilligen Beiträge zu zahlen, wenn sie gewußt hätte, daß dies zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes erforderlich war. Ihr Mann, der 1987 noch bei der Firma O in B beschäftigt gewesen sei und gut verdient habe, hätte ihr das Geld für die freiwillige Versicherung ohne weiteres gegeben. Bei seinem Ausscheiden bei O im Jahre 1993 habe er zudem eine Abfindung in Höhe von ca. 40.000,-- DM erhalten.
Ausgehend von diesen Angaben der Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung auch von der Sitzungsvertreterin der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden sind, geht der Senat davon aus, daß die Klägerin bzw. ihr Ehemann damals wirtschaftlich in der Lage waren, für die Zeit von 1984 bis zur Beendigung des Vorprozesses im November 1987 freiwillige Beiträge zumindest in Höhe des Mindestbeitrags von monatlich 84,-- DM im Jahre 1984 bzw. 94,-- DM im Jahre 1987 nachzuentrichten. Für die Folgezeit hätte sich die Klägerin arbeitslos melden können, worauf die Beklagte ebenfalls hätte hinweisen müssen. Aber auch für die Folgezeit hätte die Klägerin nach den wirtschaftlichen Verhältnissen ihres Ehemannes zur Überzeugung des Senats freiwillige Beiträge in Mindesthöhe entrichten können, zumal der Ehemann bei Verlust des Arbeitsplatzes etwa im Jahr 1993 eine Abfindung in Höhe von 40.000,-- DM erhalten hat.
Der Senat ist daher der Überzeugung, daß der Klägerin bei entsprechender Beratung durch die Beklagte die Rentenanwartschaft durch Entrichtung freiwilliger Beiträge erhalten geblieben wäre. Im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist sie daher auch jetzt noch berechtigt, im erforderlichen Umfang freiwillige Beiträge nachzuentrichten. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sind daher gemäß § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI gegeben, ohne daß es es der tatsächlichen Nachentrichtung der freiwilligen Beiträge bedarf.
Der Klägerin ist daher unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.03.1999 zuzusprechen. Der Rentenbeginn ergibt sich aus § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die dafür nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 bzw. 2 SGG erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllt.
Die am ...1941 geborene Klägerin absolvierte in der Türkei eine Ausbildung zur Krankenschwester und war zuletzt von 1971 bis 1987 im Evangelischen Krankenhaus in G ... als Krankenschwester in der Operationsabteilung tätig. Seitdem übt sie keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr aus.
Am 16.10.1984 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen ersten Antrag auf Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 09.08.1985 lehnte die Beklagte diesen Rentenantrag ab und verwies in dem Bescheid hinsichtlich der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 ab 01.01.1984 geänderten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Renten wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit auf ein beigefügtes Hinweisblatt. Hinsichtlich des Hinweisblattes wird auf die im Berufungsverfahren von der Beklagten zu den Gerichtsakten gereichte Kopie verwiesen (Bl. 297 der Akte). Im anschließenden Klageverfahren wurde die Klage nach Einholung mehrerer ärztlicher Gutachten durch Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.11.1987 abgewiesen (Az.: S 7 An 214/85 SG Gelsenkirchen).
Am 21.07.1994 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte veranlaßte im Verwaltungsverfahren zunächst ärztliche Untersuchungen der Klägerin und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 05.01.1995 mit der Begründung ab, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei zwar seit dem 21.07.1994 leistungsgemindert; im maßgebenden Zeitraum vom 21.07.1989 bis 20.07.1994 seien jedoch keine Pflichtbeiträge entrichtet. Auch die Voraussetzungen der Übergangsregelung gemäß §§ 240, 241 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) seien nicht erfüllt. Zwar erfülle die Klägerin die Wartezeit von 60 Kalendermonaten vor dem 01.01.1984. Im Zeitraum vom 01.01.1984 bis 20.07.1994 sei jedoch nicht jeder Monat mit Anwartschafterhaltungszeiten belegt. Im übrigen sei die Klägerin auch aus medizinischer Sicht nicht berufs- oder erwerbsunfähig. Sie sei nämlich noch in der Lage, in öffentlichen Blutzentralen, Gesundheitsämtern und vertrauensärztlichen Dienststellen, im Labor und in technischen Untersuchungsstellen oder in Sanatorien als Arzthelferin oder als Werkschwester vollschichtig tätig zu sein.
Dagegen erhob die Klägerin am 16.01.1995 Widerspruch, der von der Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.1995 zurückgewiesen wurde. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird verwiesen.
Mit der dagegen am 02.05.1995 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Hinsichtlich des Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hat sie vorgetragen, diese seien nach ihrer Auffassung erfüllt, da seit 1984 Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Operationsschwester bestehe. Im übrigen lägen nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor, da die Beklagte sie nach Abschluß des Vorprozesses nicht über die Möglichkeiten der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informiert habe.
Die Beklagte hat an ihren angefochtenen Bescheiden festgehalten und ergänzend u.a. vorgetragen, bei der Klägerin liege zwar eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit bezogen auf die Tätigkeit einer Operationsschwester ab Aufgabe der Arbeit vor, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien jedoch gleichwohl nicht erfüllt. Weder für die Verlängerung des Rahmenzeitraumes der §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 SGB VI noch für das Vorliegen von Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne der §§ 240, 241 SGB VI komme es auf das bloße Vorhandensein einer Anrechnungszeittatsache an. Vielmehr müßten diese Zeiten tatsächlich Anrechnungszeiten sein bzw. nur deshalb keine Anrechnungszeit sein, weil eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen sei. Die Klägerin sei in der Zeit vom 16.09.1986 bis 30.12.1987 bei der AOK G ... und ab 01.07.1988 bei der BKK der A ... O ... AG jeweils ohne Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Nach § 252 Abs. 3 SGB VI liege in solchen Fällen eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1997 nur vor, wenn für diese Zeiten, längstens jedoch für 18 Kalendermonate, Beiträge nach mindestens 70 v.H., für die Zeit vom 01.01.1995 an 80 v.H. des zuletzt für einen vollen Kalendermonat versicherten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens gezahlt worden seien. Eine entsprechende Beitragszahlung sei im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt, so daß auch keine Berücksichtigung als Anrechnungszeit in Betracht komme. Hinsichtlich des geltend gemachten Herstellungsanspruchs hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Klägerin sei mit dem Bescheid vom 09.08.1985 hinreichend auf die sich durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 ergebenden Änderungen hingewiesen worden.
Das Sozialgericht hat eine Arbeitgeberauskunft sowie verschiedene ärztliche Befundberichte beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines kardiologischen Gutachtens von Dr. O ..., Leitender Arzt der Kardiologischen Abteilung des Evangelischen Krankenhauses O ..., vom 09.12.1996 und eines orthopädischen Gutachtens von Chefarzt Dr. B ..., Paracelsus- Klinik der Stadt M ..., vom 29.03.1997 mit ergänzender Stellungnahme vom 19.06.1997. Weiter hat das Sozialgericht berufskundliche Unterlagen und Urteile zu möglichen Verweisgungstätigkeiten für Krankenschwestern beigezogen. Auf die ärztlichen Gutachten und berufskundlichen Unterlagen wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 28.04.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung i. w. ausgeführt, die Klägerin sei nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme weder berufs- noch erwerbsunfähig. Es könne daher dahinstehen, ob die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit vorlägen. Diese Voraussetzungen könnten gegeben sein, wenn ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bejaht würde, weil die Beklagte die Klägerin nach Abschluß des Vorprozesses durch Urteil vom 09.11.1987 nicht mehr darüber aufgeklärt habe, wie sie weiterhin die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das am 07.05.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.05.1998 Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung hat sie ihr Begehren auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.03.1999 beschränkt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.04.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.1995 zu verurteilen, ihr aufgrund eines am 28.02.1999 eingetretenen Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit auf Dauer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.03.1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach Auswertung verschiedener vom Senat eingeholter ärztlicher Befundberichte hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.12.1999 (Bl. 319 der Akten) mitgeteilt, es könne nunmehr auch nach Auffassung der Beklagten ab 28.02.1999 wegen Multimorbidität vom Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit ausgegangen werden. Wegen Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen könne es jedoch nicht zur Rentengewährung kommen.
Den Beteiligten ist in Kopie ein Urteil des Senats vom 11.02.2000 (Az.: L 14 RJ 39/98 LSG NRW) zugeleitet worden, mit dem der Senat in einem ähnlichen Fall die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch bejaht und die dortige Beklagte entsprechend verurteilt hat.
Die Beklagte hat dazu u.a. vorgetragen, daß nach ihrer Auffassung im vorliegenden Fall nicht unbedingt ein konkreter Anlaß für eine Beratung bestanden habe; außerdem sei der Klägerin im Februar 1988 ein Versicherungsverlauf erteilt worden. Zudem bleibe zu klären, ob der Klägerin eine freiwillige Beitragsentrichtung überhaupt möglich gewesen wäre.
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Klägerin befragt, ob sie bei entsprechender Beratung durch die Beklagte die zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes erforderlichen freiwilligen Beiträge entrichtet hätte und wie ihre wirtschaftlichen Verhältnisse damals waren. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.04.2000 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (zwei Bände) sowie den der ebenfalls beigezogenen Vorprozeßakten S 7 An 214/85 SG Gelsenkirchen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist mit dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeschränkten Antrag auch begründet. Die Klägerin hat zur Überzeugung des Senats ab 01.03.1999 Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI.
Unstreitig ist die Klägerin seit dem 28.02.1999 auf Dauer erwerbsunfähig. Dies ergibt sich auch nach Auffassung des Senats insbesondere aus dem vorliegenden Befundbericht des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L ..., G ..., vom 20.08.1999. Die Wartezeit für die begehrte Rente ist ebenfalls unstreitig erfüllt.
Allerdings liegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß §§ 44, 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI sowie der Übergangsregelung in § 240, 241 SGB VI wegen der Lücken im Versicherungsverlauf unstreitig nicht unmittelbar vor. Eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit seit Aufgabe der Tätigkeit als Operationsschwester kann aus den von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren dargelegten Gründen (s.o.) nicht berücksichtigt werden. Nach Auffassung des Senats sind im Wege des von der Rechtsprechung entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedoch die Voraussetzungen der Übergangsregelung gemäß §§ 240, 241 SGB VI erfüllt, weil die Klägerin vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, nach dem Versicherungsverlauf vom 25.07.1996 (Bl. 51 der Akten) die Zeit vom 01.01.1984 bis 13.08.1984 mit Pflichtbeiträgen belegt ist und für die Kalendermonate danach bis zum Eintritt des Leistungsfalls eine Beitragszahlung im Wege des Herstellungsanspruchs zulässig ist (§§ 197 Abs. 2, 198 Satz 1 Nr. 2, § 241 Abs. 2 letzter Satz SGB VI).
Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind hier erfüllt, weil die Klägerin bei dem erfolglosen Abschluß des Vorprozesses S 7 An 214/85 durch das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.11.1987 von der Beklagten nicht auf die Möglichkeiten für eine Aufrechterhaltung ihres Versicherungsschutzes hingewiesen worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist ein Versicherungsträger gemäß § 14 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) gehalten, Versicherte bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden. Ein solcher konkreter Anlaß kann sich nach der Rechtsprechung des BSG aus einem laufenden Rentenfeststellungsverfahren oder bei dem erfolglosen Abschluß eines Rentenverfahrens ergeben (vgl. z. B. Urteile des BSG vom 25.08.1993 - 13 RJ 43/92 - und 22.10.1996 - 13 RJ 69/95 - SozR 3-1200 § 14 Nr. 10 und 22, mit Hinweisen auf die bisherige Rechtsprechung des BSG -). Im Anschluß an die genannten Urteile des BSG hat der erkennende Senat bereits mit Urteilen vom 30.04.1997 (Az.: L 14 J 139/96) sowie vom 11.02.2000 (Az.: L 14 RJ 39/98) einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch in Fällen bejaht, in denen nach klageabweisenden Urteilen des Sozialgerichts bzw. Landessozialgerichts nicht über die Möglichkeiten zur Erhaltung es Versicherungsschutzes belehrt worden war. Nach der vorliegenden Presse-Mitteilung Nr. 22/00 des BSG vom 05.04.2000 hat das BSG in einem ähnlichen Fall im Ergebnis erneut einen Beratungsfehler des dortigen Versicherungsträgers bejaht, auch wenn Einzelheiten dieser Entscheidung noch nicht bekannt sind (Az. d. BSG: B 5 RJ 50/98 R).
Ein solcher Anlaß für eine entsprechende Beratung der Klägerin durch die Beklagte bestand nach Auffassung des Senats auch hier bei Abschluß des damaligen Klageverfahrens im November 1987. Nach dem über zwei Jahre dauernden Gerichtsverfahren, in dem es um die medizinischen Voraussetzungen der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und nicht um versicherungsrechtliche Voraussetzungen gegangen war, bestand die auch für die Beklagte erkennbare Gefahr, daß der Klägerin die dem Ablehnungsbescheid vom 09.08.1985 beigefügten Hinweise über die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes nicht mehr gegenwärtig waren. Entgegen der Auffassung der Beklagten macht es dabei keinen Unterschied, ob sich der Vorprozeß wie hier nur über eine Instanz oder wie in dem vom Senat am 11.02.2000 entschiedenen Fall über mehrere Instanzen hingezogen hat. Angesichts der Bedeutung der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes für einen evtl. späteren Leistungsfall obliegt es daher nach Auffassung des Senats den Versicherungsträgern im Rahmen ihrer Beratungspflicht, die Versicherten zu diesem Zeitpunkt, zu dem häufig der endgültige Verlust des Versicherungsschutzes für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit droht, erneut auf die gesetzlichen Möglichkeiten der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes hinzuweisen. Dieser Obliegenheit kommen die für die Rentenversicherung der Arbeiter zuständigen Versicherungsträger in den letzten Jahren nach den Erfahrungen des Senats aus diversen Berufungsverfahren häufig dadurch nach, daß der Terminbevollmächtigte bei Abschluß der mündlichen Verhandlung dem Versicherten ein entsprechendes Merkblatt aushändigt und dies in der Sitzungsniederschrift vermerkt wird. Dies ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht erfolgt und war zum damaligen Zeitpunkt auch noch nicht allgemein üblich.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß die Klägerin ausweislich der Verwaltungsakten am 25.09.1987, also kurz vor Abschluß des Vorprozesses, bei der Beklagten einen Antrag auf Kontenklärung gestellt hat (Bl. 215 der Verwaltungsakten), der - soweit ersichtlich - bis zum Abschluß des Vorprozesses nicht bearbeitet worden ist. Nach Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 09.03.2000 ist der Klägerin im Februar 1988 ein Versicherungsverlauf erteilt worden. Dies zeigt, daß sich die Beklagte damals sogar unabhängig von der Beendigung des Vorprozesses mit dem Versicherungskonto der Klägerin befassen musste. Dabei war für sie ohne weiteres erkennbar, daß die Klägerin die für sie bestehende letzte Möglichkeit zur Aufrechterhaltung ihres Versicherungsschutzes bis dahin nicht wahrgenommen hatte. Unabhängig von der vom Senat ohnehin angenommenen Beratungspflicht bei Prozeßende hätte die Beklagte in jedem Fall den Antrag auf Kontoklärung und die Erteilung der Rentenauskunft zum Anlaß für eine spezielle Beratung der Klägerin nehmen müssen.
Ein Beratungsmangel als Voraussetzung für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch liegt daher nach Auffassung des Senats eindeutig vor. Auch die weitere Voraussetzung eines Herstellungsanspruchs, daß die Klägerin bei entsprechender Beratung den Versicherungsschutz durch Zahlung freiwilliger Beiträge aufrecht erhalten hätte, liegt zur Überzeugung des Senats vor. Auf Befragen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überzeugend dargelegt, daß sie in jedem Fall bereit gewesen wäre, die erforderlichen freiwilligen Beiträge zu zahlen, wenn sie gewußt hätte, daß dies zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes erforderlich war. Ihr Mann, der 1987 noch bei der Firma O in B beschäftigt gewesen sei und gut verdient habe, hätte ihr das Geld für die freiwillige Versicherung ohne weiteres gegeben. Bei seinem Ausscheiden bei O im Jahre 1993 habe er zudem eine Abfindung in Höhe von ca. 40.000,-- DM erhalten.
Ausgehend von diesen Angaben der Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung auch von der Sitzungsvertreterin der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden sind, geht der Senat davon aus, daß die Klägerin bzw. ihr Ehemann damals wirtschaftlich in der Lage waren, für die Zeit von 1984 bis zur Beendigung des Vorprozesses im November 1987 freiwillige Beiträge zumindest in Höhe des Mindestbeitrags von monatlich 84,-- DM im Jahre 1984 bzw. 94,-- DM im Jahre 1987 nachzuentrichten. Für die Folgezeit hätte sich die Klägerin arbeitslos melden können, worauf die Beklagte ebenfalls hätte hinweisen müssen. Aber auch für die Folgezeit hätte die Klägerin nach den wirtschaftlichen Verhältnissen ihres Ehemannes zur Überzeugung des Senats freiwillige Beiträge in Mindesthöhe entrichten können, zumal der Ehemann bei Verlust des Arbeitsplatzes etwa im Jahr 1993 eine Abfindung in Höhe von 40.000,-- DM erhalten hat.
Der Senat ist daher der Überzeugung, daß der Klägerin bei entsprechender Beratung durch die Beklagte die Rentenanwartschaft durch Entrichtung freiwilliger Beiträge erhalten geblieben wäre. Im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist sie daher auch jetzt noch berechtigt, im erforderlichen Umfang freiwillige Beiträge nachzuentrichten. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sind daher gemäß § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI gegeben, ohne daß es es der tatsächlichen Nachentrichtung der freiwilligen Beiträge bedarf.
Der Klägerin ist daher unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.03.1999 zuzusprechen. Der Rentenbeginn ergibt sich aus § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die dafür nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 bzw. 2 SGG erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
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