L 14 RA 6/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 An 87/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 RA 6/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 03. Februar 1998 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit hat, wobei insbesondere der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls bzw. die davon abhängige Erfüllung der Wartezeit fraglich ist.

Der am 17.05.1964 geborene Kläger hat zunächst den Beruf des Elektroanlageninstallateurs erlernt und anschließend nach einem entsprechendem Studium am 06.07.1992 an der Fachhochschule Bochum die Diplomprüfung im Studiengang Elektrotechnik mit Erfolg abgelegt. Nach der Arbeitgeberauskunft der N. T. GmbH in D. vom 29.11.1996 war der Kläger bei dieser Firma vom 01.07.1993 bis 30.06.1995 als Inbetriebnahmeingenieur beschäftigt.

In der Nacht vom 23.04.1994 auf den 24.04.1994 erlitt der Kläger eine intracranielle, raumfordernde Hirnstammblutung mit Lähmung der rechten Körperhälfte, des Atemzentrums und des Sprachzentrums. Es erfolgte eine notfallmäßige Aufnahme in die Neurochirurgische Klinik des Knappschafts-Krankenhauses in R. Nach Stabilisierung des Allgemeinzustandes wurde der Kläger im Mai 1994 in die Neurologische Klinik in H. O. und im November 1994 zur Weiterbehandlung in die Neurochirurgische Rehabilitationsklinik in H.-H. aufgenommen. Vom März bis August 1995 folgte eine weitere stationäre Behandlung in der Neurologischen Klinik H. O. Nach einem Arztbrief dieser Klinik vom 12.09.1995 wird der Kläger auch nach der Entlassung aus der Klinik aufgrund der erheblichen körperlichen und auch geistigen krankheitsbedingten Beeinträchtigungen weiterhin arbeitsunfähig sein. Dies ergibt sich auch aus einem vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht von dem behandelnden Internisten Dr. Sch., H., vom 26.11.1996.

Am 16.06.1995 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Die Beklagte zog einen Befundbericht der Klinik für Neurochirurgische Rehabilitation in H.-H. vom 21.09.1995 bei und lehnte mit Bescheid vom 08.12.1995 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab. Zur Begründung führte sie in dem Bescheid aus, zwar sei der Kläger seit dem 24.04.1994 erwerbsunfähig. Mit insgesamt 57 Monaten sei die Wartezeit von 60 Monaten für die Rente jedoch nicht erfüllt. Auch die Voraussetzungen gemäß § 53 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung lägen nicht vor. Die vorzeitige Wartezeiterfüllung setze bei VersicH., die vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung erwerbsunfähig geworden seien voraus, daß in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr mit Pflichtbeiträgen belegt sei. Diese Voraussetzung erfülle der Kläger mit 10 Monaten Beitragszeit nicht.

Dagegen erhob der Kläger am 31.12.1995 Widerspruch und trug zur Begründung vor, die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, daß er bereits seit dem 24.04.1994 erwerbsunfähig sei. Dazu überreichte er eine Stellungnahme des Oberarztes Dr. A. vom Knappschafts-Krankenhaus R. vom 25.04.1996, in der ausgeführt wurde, aufgrund des Krankheitsverlaufes könne auf keinen Fall davon ausgegangen werden, daß die Erwerbsunfähigkeit bereits zum Zeitpunkt der notfallmäßigen Einweisung bestanden habe, da zu diesem Zeitpunkt evtl. auftretende klinische Veränderungen durch die speziellen Reha-Maßnahmen nicht absehbar gewesen seien. Für eine endgültige Stellungnahme wären diesbezüglich auch neurochirurgische Verlaufskontrollen erforderlich.

Die Beklagte holte dazu eine Stellungnahme ihrer Ärztlichen Beraterin B. vom 30.05.1996 ein, in der diese ausführte, der Stellungnahme des Knappschafts-Krankenhauses könne voll zugestimmt werden, ändere jedoch den Versicherungsfall nicht. Der Krankheitsverlauf habe gezeigt, daß das Leistungsvermögen nicht wiederhergestellt werden konnte. Retrospektiv müsse nun der Versicherungsfall mit dem akuten Ereignis der Hirnstammblutung angenommen werden. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.1996 zurück. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen.

Mit der dagegen am 17.09.1996 erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere unter Hinweis auf die ärztliche Stellungnahme des Knappschafts-Krankenhauses R. sein Begehren weiter verfolgt. Die Beklagte habe zudem kommentarlos mehr als ein Jahr lang auch Sozialversicherungsbeiträge entgegengenommen, da der Arbeitgeber N. das Arbeitsverhältnis erst 14 Monate nach dem Vorfall vom 24.04.1994 gekündigt habe. Da der Leistungsfall nach seiner Auffassung nicht schon am 24.04.1994 eingetreten sei, seien unter Berücksichtigung dieser weiterhin entrichteten Beiträge die Voraussetzungen für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung gemäß § 53 Abs. 2 SGB VI erfüllt, da ein Jahr Pflichtbeiträge in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vorliege.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 08.12.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.08.1996 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen. Eine Verschiebung des Leistungsfalls auf einen späteren Zeitpunkt sei nach ihrer Auffassung nicht möglich.

Das Sozialgericht hat Befundberichte des Orthopäden Dr. H., H., vom 14.11.1996, des Allgemeinmediziners Dr. K., B., vom 22.11.1996 und des Internisten Dr. Sch., H., vom 26.11.1996 eingeholt, denen jeweils diverse ärztliche Berichte über weitere Behandlungen des Klägers in verschiedenen Kliniken beigefügt sind. Auf den Inhalt dieser Unterlagen und der Befundberichte wird Bezug genommen. Weiter hat das Sozialgericht eine Arbeitgeberauskunft der Firma N. T. GmbH vom 29.11.1996 beigezogen, auf deren Inhalt ebenfalls verwiesen wird.

Mit Urteil vom 03.02.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung i. w. ausgeführt, zwar sei der Kläger seit dem 24.04.1994 erwerbsunfähig, ausgehend von diesem Versicherungsfall sei jedoch die Wartezeit für die begehrte Rente nicht erfüllt. Ausweislich des Versicherungsverlaufes seien vom 01.09.1981 bis 22.07.1985 = 47 Kalendermonate und vom 01.07.1993 bis 23.04.1994 = 10 Kalendermonate, insgesamt also 57 Monate, auf die Wartezeit anzurechnen. Damit sei die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt. Auch die vorzeitige Wartezeit gemäß § 53 SGB VI erfülle der Kläger nicht. Dies setze (soweit hier einschlägig) voraus, daß ein Versicherter, der vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung seiner Ausbildung erwerbsunfähig geworden sei, in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr mit Pflichtbeiträgen habe. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers könne der Versicherungsfall auch nicht auf einen späteren Zeitpunkt insbesondere nicht auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung verlegt werden. Entscheidendes Ereignis für die Erwerbsunfähigkeit des Klägers sei die am 24.04.1994 erlittene Hirnstammblutung gewesen. Der Kläger sei ab diesem Zeitpunkt nach den Auskünften seiner behandelnden Ärzte durchgängig arbeitsunfähig gewesen. Der Krankheitsverlauf habe sich nicht verändert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das am 12.02.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.02.1998 Berufung eingelegt und zur Begründung unter Hinweis auf die Stellungnahme des Knappschafts-Krankenhauses R. vom 25.04.1996 erneut vorgetragen, er sei nach seiner Auffassung nicht schon seit dem 24.04.1994 erwerbsunfähig. Der Versicherungsfall sei auf einen späteren Zeitpunkt, gegebenenfalls auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung zu verlegen, so daß die Wartezeit erfüllt sei. Insoweit hat er die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 03.02.1998 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat auch zur Überzeugung des Senats keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 SGB VI, weil weder die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI) erfüllt ist, noch die Voraussetzungen für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung gemäß § 53 SGB VI vorliegen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen, denen sich der Senat anschließt.

Da die von der Beklagten festgestellten Versicherungszeiten unstreitig sind, wäre die Wartezeit für die begehrte Rente lediglich dann erfüllt, wenn der Versicherungsfall nicht schon mit dem Zeitpunkt der Hirnstammblutung am 24.04.1994, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, zu dem die Wartezeit durch die weiterhin gezahlten Pflichtbeiträge erfüllt ist, anzunehmen wäre. Dies ist jedoch auch nach Auffassung des Senats nicht möglich. Zwar konnte bei der notfallmäßigen Aufnahme im Knappschafts-Krankenhaus R. am 24.04.1994 nicht sofort davon ausgegangen werden, daß der Kläger von diesem Zeitpunkt an erwerbsunfähig sein würde. Für eine endgültige Beurteilung war sicherlich eine Verlaufskontrolle erforderlich. Diese Auffassung des Knappschafts-Krankenhauses wird auch von der Beratenden Ärztin B. der Beklagten geteilt. Zum Zeitpunkt der notfallmäßigen Aufnahme bestand sicherlich beim Kläger, seiner Familie und auch den Ärzten die Hoffnung, daß sich das Krankheitsbild wieder deutlich bessern würde.

Aus den vorliegenden Arzt- und Klinikberichten über die weitere Behandlung des Klägers ergibt sich jedoch, daß sich das Krankheitsbild des Klägers im weiteren Verlauf nicht grundlegend geändert hat. Das gesundheitliche Leistungsvermögen des Klägers ist seit der Hirnstammblutung am 24.04.1994 nach allen vorliegenden ärztlichen Berichten durchgehend so eingeschränkt, daß der Kläger keinerlei Arbeitstätigkeit mehr verrichten kann. Eine nachvollziehbare Begründung, warum der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit nicht am 24.04.1994, sondern erst später eingetreten sein soll, ist weder ersichtlich noch vom Kläger aufgezeigt. Durch die diversen vorliegenden Arzt- und Klinikberichte ist der Sachverhalt in medizinischer Hinsicht auch so umfassend aufgeklärt, daß der Senat keine Veranlassung sieht, ein vom Kläger angeregtes ärztliches Gutachten einzuholen.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 bzw. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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