Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 U 918/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 5/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Dezember 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Verletztenteilrente des Klägers hinsichtlich des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit und des zu berücksichtigenden Jahresarbeitsverdienstes.
Der 1950 geborene Kläger war vom 23. November 1988 an als Referendar in den Vorbereitungsdienst für das Amt des Studienrates mit der beruflichen Fachrichtung Elektrotechnik/ Nachrichtentechnik aufgenommen und Beamter auf Widerruf; er sollte spätestens Mitte September 1990 den Vorbereitungsdienst beenden. Am 23. Januar 1990 erlitt er als Zeitungszusteller einen Arbeitsunfall, als er auf dem Fahrrad fahrend von einem entgegenkommenden PKW angefahren wurde.
Er wurde auf der Straße liegend aufgefunden und nach einer Erstbehandlung im Krankenhaus Sin die unfallchirurgische Abteilung des Uklinikums R V verlegt. Dem nachträglich erstellten Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. Chefarzt der unfallchirurgischen Abteilung des Universitätsklinikums RV vom 22. Februar 1990 zufolge bestand eine antero- und retrograde Amnesie für das Unfallereignis von ungefähr zehn Sekunden. Nach dem Befundbericht des Uklinikums R V vom 19.März 1990 über einen stationären Aufenthalt in der kieferchirurgischen Abteilung vom 23. Januar bis zum 15. Februar 1990 zog der Kläger sich ein Schädelhirntrauma 1. bis 2. Grades, multiple Platzwunden, Mittelgesichtsfrakturen Le Fort II, III rechts, II links, eine Patellarfraktur rechts sowie eine Nasenbeinfraktur zu. Durch die Fraktur seien die Zähne 33-43 in Verlust geraten.
In einem Zwischenbericht vom 9. Juli 1990 teilte der den Kläger ambulant behandelnde Facharzt für Chirurgie Dr. Hmit, die Unfallfolgen seien hinsichtlich der Patellarquerfraktur im Wesentlichen abgeschlossen. Die Funktion des rechten Kniegelenkes entspreche der Norm. Es bestehe eine mäßiggradige Atrophie der rechtsseitigen Oberschenkelstreckmuskulatur. Bezüglich der Gesichtsschädelfrakturen werde der Kläger ambulant durch die Abteilung für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie im Uklinikum R V mitbehandelt. Aufgrund einer audiologischen Untersuchung vom 16. Juli 1990 äußerten die Hals - Nasen - Ohren (HNO) - Ärzte Dres. T und F in einem Bericht vom 18. Juli 1990 den Verdacht einer posttraumatischen Schwerhörigkeit und gaben in einem Bericht vom 2. September 1990 einen mit dieser Hörstörung einhergehenden therapieresistenten Tinnitus an.
Der von der Beklagten mit einer nervenärztlichen Stellungnahme beauftragte Dr. Hkam am 3. August 1990 zu dem Ergebnis, aus nervenärztlicher Sicht habe der Unfall zu einem Schädelhirntrauma ersten Grades geführt, das folgenlos abgeklungen sei. Ein Computertomogramm habe rechts frontal eine leichte Hyperdensität ergeben, eine daraufhin veranlasste Kernspintomographie sei unauffällig gewesen. Es lägen keinerlei neurologische oder sonst fassbare Ausfallerscheinungen und keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vor.
In der Folgezeit reichte der Kläger unter anderem ein Attest des Arztes für Nervenheilkunde Dr. Lvom 30. April 1991 ein. Dieser gab an, der Kläger leide unter Ängsten mit Krankheitswert, die bereits zu neurotischen Beeinträchtigungen geführt hätten. Eine Arbeitsaufnahme als Zeitungsausträger sei zur Zeit nicht möglich, eine psychotherapeutische Behandlung sei indiziert, aber bei den laufenden Auseinandersetzungen ungünstig.
Die Beklagte holte ein HNO-ärztliches und neuro-otologisches Gutachten von Prof. Dr. Mein. In dessen Gutachten vom 26. Juni 1991 heißt es, der Unfall habe auch zu einem Trauma des rechten Innenohres geführt. Die bei dem Kläger bestehende Schwerhörigkeit rechts für mittelhohe und hohe Töne und das Ohrgeräusch rechts seien wahrscheinlich Folge des Unfalls vom 23.Januar 1990. Der Hörverlust rechts betrage 10 % und bedinge keine MdE. Bezüglich des Ohrgeräusches sei die MdE auf 5 bis 10 v.H. zu schätzen. Eine sehr wahrscheinlich noch unfallbedingte ganz geringe vestibuläre Gleichgewichtsstörung verursache noch eine MdE von unter 10 v.H. Die Gesamt-MdE werde auf diesem Fachgebiet auf 10 bis 15 v.H. geschätzt, es sei jedoch mit einer Abnahme der Symptomatik von Seiten des Gleichgewichtssystems zu rechnen. Arbeitsunfähigkeit liege nicht vor.
Auf Antrag des Klägers vom 22. Dezember 1995 auf Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides u.a. zu einer Verletztenrente veranlasste die Beklagte eine Stellungnahme von Dr. Dr. Chefarzt der Abteilung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Sch- Klinik vom 9. April 1996. Danach bestehe durch die umfangreiche und gelungene operative Rehabilitation von kieferchirurgischer Seite her keine MdE, die geklagten Schmerzen im Schädelbereich und die starke Einschränkung des Konzentrationsvermögens sei durch die zuständigen medizinischen Disziplinen zu beurteilen.
Prof. Dr. H kam auf Veranlassung der Beklagten in seinem unfallchirurgischen Gutachten vom 10. Juni 1996 zu dem Ergebnis, es liege eine knöchern gut verheilte Patellarquerfraktur vor, als indirekte Folge des Unfalls sei es zu einem Knorpelschaden retropatellar gekommen, der jedoch nur eine MdE von unter 10 v.H. rechtfertige. Die in der Bescheinigung des Orthopäden Dr. W (vom 16. August 1995) aufgeführten Beschwerden der Brustwirbelsäule seien als Residuen eines Morbus Scheuermann und Blockierungen der Costotransversalgelenke zu deuten. Die Lendenwirbelsäulenbeschwerden seien auf eine unfallunabhängige Hyperlordose und eine lumbosakrale Übergangsstörung sowie eine Hemisacralisation von L5 links zurückzuführen.
Die Beschwerden des Klägers beträfen den HNO-ärztlichen und den psychiatrischen Bereich.
Der Leiter der Psychiatrischen Intensiv- und Kriseninterventionsstation des Uklinikums B F, Dr. Bi, führte in seinem Gutachten vom 7. November 1996 aus, dass die zunächst entstellenden Verletzungen im Gesicht den Kläger zumindest in den ersten zwei Jahren erheblich beeinträchtigt und sicher zu den Verhaltensauffälligkeiten, die sich nach dem Unfall entwickelten, beigetragen hätten. Der Unfall habe den Kläger zu einem ausgesprochen ungünstigen Zeitpunkt kurz vor dem Ende seines Referendariats, als er schon mehrere berufliche Angebote gehabt habe, getroffen. Es sei zu vielfältigen psychischen Störungen in Form von zunehmendem Rückzug, depressiv-dysphorischen Verstimmungen, Alpträumen, vermehrter Reizbarkeit,Vorwurfshaltung und multiplen körperlichen Beschwerden gekommen. Diagnostisch lasse sich dieses Beschwerdebild als chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung interpretieren. Diese bedinge gegenwärtig eine MdE von15 v.H., habe aber bis zum Abschluss sämtlicher kieferchirurgischer Behandlungen 30 v.H. betragen. Die Gesamt-MdE betrage zur Zeit 20 v.H. Wesentlich sei der Versuch einer Wiedereingliederung des Klägers, der aufgrund amtsärztlicher Untersuchungen nach dem Unfall behindert worden sei.
Nachdem der Facharzt für Nervenkrankheiten und Psychiatrie Dr. Ein einem Aktenlagegutachten vom 4. Dezember 1996 das Gutachten von Dr. Bfür zutreffend erachtet hatte, erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1997 als Folgen des Arbeitsunfalls Zustand nach Schädelhirntrauma ersten Grades, chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung, Zustand nach gut verheilter Patellarfraktur rechts mit retropatellarem Knorpelschaden und geringgradiger Muskelminderung des rechten Oberschenkels sowie durch Behandlung weitestgehend ausgeglichene multiple Mittelgesichtsfrakturen und multiple Zahnverletzungen an. Die Rente werde vom 28. Dezember 1990 bis zum 3. September 1996, dem Tag der Untersuchung durch Dr. B nach einer MdE von 30 v.H., ab 4. September 1996 nach einer MdE von 20 v.H. gewährt. Für den Jahresverdienst sei nach § 573 Abs.1 Reichsversicherungsordnung (RVO) das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt sei. Da der Kläger spätestens im September 1990 die Ausbildung beendet hätte, sei das Entgelt eines Studienrates mit gleicher Ausbildung und gleicher Dienstalterstufe zu diesem Zeitpunkt zugrunde zu legen. Dies habe nach Mitteilung des Landesschulamtes 64.540,54 DM betragen und sei für die Folgezeit nach § 579 RVO anzupassen.
Mit der dagegen vor dem Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere darauf verwiesen, dass die durch Schwerhörigkeit und Tinnitus verursachte MdE von 15 v.H. keine Berücksichtigung gefunden habe. Ferner habe Prof. Dr. H in einem Gutachten für die Haftpflichtversicherung des Schädigers, die H, vom 5. Mai 1993 eine rechtsseitige posttraumatische Femoropatellararthrose mit einer MdE von10 %, das Schädel-Hirn-Trauma mit einer MdE von 20% bewertet. Prof. Dr. Mhabe in einem Gutachten für die H vom 17. Juni 1996 die Gesichtsschädelfraktur mit einer MdE von 20 % bewertet und darüber hinaus ein psychiatrisches Zusatzgutachten für erforderlich gehalten. Hinsichtlich seiner Schäden an der Wirbelsäule sei eine Begutachtung bislang nicht erfolgt, obwohl er mit einer Geschwindigkeit von etwa 90 Stundenkilometern an die Windschutzscheibe geprallt sei. Abgesehen davon seien bei der Berechnung seines Jahresarbeitsverdienstes nicht seine erwarteten Nebeneinkünfte u.a. als Dozent bei der Landesbildstelle berücksichtigt worden.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Orthopäden Dr. W(vom 6. April 1998) und Dr. K (vom 5. Juni 1998) sowie des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. T(vom 2. November 1998) eingeholt. Ferner hat es Kopien der Schwerbehinderten-Akten, der Unterlagen des amtsärztlichen Dienstes des Bezirksamtes W von Berlin, der für das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg erstellten Gutachten, nämlich des Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie im Krankenhaus SCvom 2. Juni 1997 und der Arbeitsamtsärztin J vom 25. Juni 1997, zur Akte genommen und die den Rechtstreit des Klägers zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft betreffende Gerichtsakte S 45 VS 207/ 92 beigezogen. In diesem Rechtsstreit hatte das Versorgungsamt, nachdem Dr. G in seinem Gutachten vom 12. Februar 1993 eine psychogene depressiv-ängstliche und neurasthenische Entwicklung mit einem GdB von 20 v.H. eingeschätzt hatte, mit Bescheid vom 5. März 1993 einen GdB von 50 anerkannt.
Anschließend hat das Sozialgericht ein Gutachten des Arztes für Nervenheilkunde Dr. Scheingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 13. April 1999 ausgeführt, die ohne neurologische Ausfallerscheinungen und aktuell ohne schwerere Funktionseinschränkungen einhergehenden Rückenschmerzen des Klägers seien nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen. Eine substantielle Hirnschädigung infolge des Unfalls könne weitgehend ausgeschlossen werden. Insofern sei die Diagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms als Ausdruck einer stattgehabten Hirnverletzung nicht mit dem Unfall in Zusammenhang zu bringen. Nicht erwähnt worden seien bislang die paranoide Persönlichkeitsstörung, die Meralgia paraesthetica und der atypische Gesichtsschmerz.
Wegen der bislang nicht ausreichend bewerteten psychischen Folgen und des atypischen Gesichtsschmerzes sei die unfallbedingte MdE durchgehend ab dem 28. Dezember 1990 fortlaufend mit 30 v.H. anzusetzen.
Mit Bescheid vom 9. September 1999 hat die Beklagte den Bescheid vom 10. Juli 1997 teilweise zurückgenommen und dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. über den 3. September 1996 hinaus gewährt. Als Folgen des Arbeitsunfalls hat sie Zustand nach Schädelhirntrauma ersten Grades, chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung, chronischer Tinnitus rechts, Zustand nach gut verheilter Patellarfraktur rechts mit retropatellarem Knorpelschaden und geringgradiger Muskelminderung des rechten Oberschenkels sowie diskrete Gefühlsstörungen im Gesicht im Bereich des Nervus trigeminus und atypische Gesichtsschmerzen nach durch Behandlung weitestgehend ausgeglichenen multiplen Mittelgesichtsfrakturen und multiplen Zahnverletzungen sowie eine Verschlimmerung der bestehenden paranoiden Persönlichkeitsstörung durch den Unfall anerkannt.
Durch Gerichtsbescheid vom 2. Dezember 1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer höheren MdE als 30 v.H. Seit Ende der Verletztengeldzahlung seien keine Unfallfolgen feststellbar, die die Einschätzung einer höheren MdE rechtfertigten. Auf neurologischem Gebiet seien von allen einschlägig gehörten Gutachtern keine Unfallfolgen festgestellt worden. Die kieferchirurgische Behandlung sei dem Gutachten von Prof. Dr. K zufolge mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen worden. Aus den umfangreichen vom Gericht beigezogenen Unterlagen seien keine Hinweise auf diesbezüglich fortbestehende Unfallfolgen ersichtlich. Auch auf unfallchirurgischem Gebiet sei ab 1. Januar 1991 keine messbare MdE mehr festzustellen. Die am 29. Mai 1996 durchgeführte radiologische Untersuchung des rechten Kniegelenks habe keine Hinweise auf eine wesentlich funktionsmindernde Patellararthrose im rechten Kniegelenk ergeben. Selbst wenn eine derartige posttraumatische Arthrose vorliegen würde, könnte dies nicht zu einer MdE führen, da keine Funktionseinschränkungen vorlägen. Hinsichtlich der vom Kläger gerügten unfallbedingten Wirbelsäulenbeschwerden habe der gerichtliche Sachverständige übereinstimmend mit den übrigen Gutachtern ausgeführt, dass diese nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen seien. Der seit 1991 vorliegende Unfallzustand beruhe im Wesentlichen auf Leiden, die das HNO-ärztliche bzw. psychiatrische Fachgebiet beträfen. Aus dem nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachten von Prof. Dr. M vom 26. Juni 1991ergebe sich insoweit, dass für den prozentualen Hörverlust von 10 % keine messbare MdE anzusetzen sei. Der Tinnitus rechts und die verbliebene als noch ganz leicht eingeschätzte Gleichgewichtsstörung hätten allenfalls mit einer MdE von 10 v.H. angesetzt werden können. Hinzu kämen die im Wesentlichen im Vordergrund stehenden Unfallfolgen auf psychiatrischem Gebiet, die von Dr. Schfür das Gericht nachvollziehbar mit einer MdE von 30 v.H. bewertet worden seien. Dies umfasse auch den chronischen Tinnitus rechts, da derart leichte, zusätzliche Gesundheitsstörungen nicht eine Erhöhung der Gesamt-MdE bedingen könnten. Die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes habe die Beklagte zutreffend nach § 573 Abs.1 RVO vorgenommen.
Gegen den ihm am 18. Dezember 1999 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 14. Januar 2000. Er ist der Auffassung, ihm stehe eine Verletztenrente nach einer höheren MdE zu und verweist hierzu auf Atteste von Dr. vom 14. März 2000), der Augenärzte Dres. P und P (vom 24. März 2000) und der HNO-Ärztin Dr. G-H(vom 28. Februar 2000), die eine MdE durch Hörminderung von 10 v.H., durch den Tinnitus von 20 v.H. annimmt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Dezember 1999 aufzuheben sowie den Bescheid vom 10. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1997 und den Bescheid vom 9. September 1999 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 28. Dezember 1990 Verletztenteilrente nach einer höheren MdE als 30 v.H. zu gewähren und einen höheren Jahresarbeitsverdienst zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat den HNO-Arzt Prof. Dr. Gzum medizinischen Sachverständigen ernannt. In seinem Gutachten vom 29. September 2000 hat der Sachverständige nach einer Untersuchung des Klägers vom 11. September 2000 ausgeführt, es sei nicht verständlich, wie Dr. G-Hauf einen Hörverlust von 70 % komme, da die angegebenen Werte nicht die Angaben enthielten, die für eine Ermittlung des prozentualen Hörverlustes erforderlich seien. Der bei der Untersuchung ermittelte Hörverlust rechts von 40% sei insgesamt als Folge des Unfallgeschehens zu werten, bedinge aber bei normalem Gegenohr nur eine MdE von unter 10 v.H ... Nach der Schilderung des Klägers sei der von ihm geklagte Tinnitus der Kategorie „ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen“ zuzuordnen und nur mit einer MdE von 0-10 v.H. zu bewerten. Die von Dr. Sch zugebilligte Gesamt-MdE von 30 v.H. decke eventuelle weitergehende psychische Folgen des Tinnitus bereits mit ab. Zu den gegen das Gutachten geäußerten Einwänden des Klägers hat der Sachverständige in einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Dezember 2000 ausgeführt, die MdE-Bewertung orientiere sich an den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996“ (Anhaltspunkte) S. 74. Die Gesamt-MdE beruhe vorrangig auf den von psychiatrischer Seite diagnostizierten Auffälligkeiten, während erhebliche psycho-vegetative Begleiterscheinungen allein als Folge des Tinnitus nicht nachvollziehbar seien und von dem Kläger auch nicht überzeugend hätten formuliert werden können. Es sei ein gravierender Unterschied, ob ein „Normalhörender“ durch einen 90-dB-Ton gestört werde, oder ob ein Patient, der im Tinnitusbereich einen 85-dB-Ton noch nicht höre, und der dann durch einen subjektiv empfundenen Ton gestört werde, der nur 1-2 dB über seiner Hörschwelle liege. Bei der Ermittlung der Gesamt-MdE seien nach Kapitel 19 der Anhaltspunkte die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend.
Der auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Sachverständigen ernannte HNO-Arzt Dr. Bhat mit Schreiben vom 19. November 2001 mitgeteilt, die grundlegenden Aussagen von Prof. Dr. G in seinem Gutachten seien korrekt. Eine erneute audiologische Untersuchung sei nicht sinnvoll, sondern für die Bewertung der durch den Tinnitus hervorgerufenen Befindlichkeitsstörung sei eine spezielle Ausbildung in Neurologie/Psychiatrie/Richtung Psychosomatik notwendig.
Der daraufhin auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörte Arzt für Psychiatrie und Neurologie R hat einen erheblichen krankheitswertigen Tinnitus festgestellt, in dessen Folge sich psychoreaktive und kognitive Störungen eingestellt hätten. Aufmerksamkeitsdefizite würden sich aus vermehrter Ablenkbarkeit aufgrund des Tinnitus erklären. Die Depressionssymptomatik werde durch den Tinnitus verstärkt. Echte traumatische HWS-Veränderungen mit neurologischen Defiziten und akuten Nackenschmerzen seien nach dem Unfallereignis nicht dokumentiert. Die Läsionen der Nervenwurzeln C7 und C7/C8 dürften Ausdruck zunehmender, unfallunabhängiger degenerativer HWS-Veränderungen sein. Die MdE sei aufgrund psychogen-psychiatrischer Störungen sowie aufgrund Kopf- und atypischen Gesichtsschmerzes aus Unfallfolgen mit 30 v.H. zu bemessen. Die MdE aus HNO-ärztlichen Störungen inklusive Hörstörung sei darin enthalten und somit ausreichend gewürdigt. Dabei seien auch die tinnitusbedingten psychogenen Folgestörungen anteilig in der MdE-Feststellung von 30 v.H. aus psychogenen Störungen enthalten. Eine nachhaltige Verschlechterung oder Verbesserung der psychischen Störungen sei nicht eingetreten. Inwieweit der Tinnitus durch die Innenohrschwerhörigkeit auf erblicher Grundlage verstärkt werde, sollte im Rahmen einer nochmaligen HNO-Begutachtung geprüft werden, die auch im Hinblick auf eine Vielzahl von Untersuchungsbefunden zum Tinnitus sinnvoll sei.
Gegen dieses Gutachten hat der Kläger eingewandt, dass bei der Beurteilung der Unfallschäden auf unfallchirurgischem Gebiet Widersprüchlichkeiten der anderen Gutachten nicht beachtet würden.
Im Übrigen sei die Beurteilung widersprüchlich, weil einerseits bei der Bewertung der Gesamt-MdE die HNO-ärztlichen Unfallfolgen berücksichtigt worden seien, andererseits eine nochmalige HNO-Begutachtung für erforderlich gehalten werde. Aus den von ihm im Erörterungstermin vom 14. Januar 2003 vorgelegten Unterlagen, nämlich einem Arztbrief des Tinnituszentrums der Cvom 24. Oktober 2002 und einem Arztbrief des Krankenhauses Nvom 17. Juli 2002, ergebe sich, dass ein chronisch dekompensierter Tinnitus rechts bei rechts mittelgradiger und links geringgradiger Schallempfindungsschwerhörigkeit und ein posttraumatisches HWS-Syndrom vorlägen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat weder einen Anspruch auf eine Bewertung seiner Verletzungsfolgen mit einer höheren MdE, noch ist ein höherer Jahresarbeitsverdienst zu berücksichtigen.
Streitgegenstand ist neben dem Bescheid vom 9. September 1999 auch der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1997, da mit dem Bescheid vom 9. September 1999 nur eine Regelung zur Rentenhöhe für die Zeit ab 4. September 1996 getroffen wurde, während für die Zeit davor die bisherigen Bescheide maßgeblich bleiben, mithin einheitlich eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. gewährt wird.
Die Beklagte hat der Verletztenteilrente zutreffend für den Zeitraum ab deren Beginn eine MdE von 30 v.H. zugrunde gelegt.
Nach § 581 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), der hier zur Anwendung kommt, weil der Versicherungsfall vor dem Außer-Kraft-Treten des Dritten Buches der RVO am 31. Dezember 1996 (Artikel 35 Nr. 1, 36 des Unfallversicherungseinordnungsgesetzes -UVEG- vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254, 1317) eingetreten ist (§ 212 Sozialgesetzbuch -Siebentes Buch- SGB VII), wird, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, der Teil der Vollrente als Verletztenrente gewährt, der dem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) entspricht. Anspruch auf Verletztenrente besteht nur, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO).
Bei der Bildung der MdE sind alle Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die mit Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehen. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Ursachenzusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann (BSGE 45, 285, 286).
Bei Beachtung dieser Grundsätze hält es der Senat unter Berücksichtigung der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Schund des auf Antrag des Klägers gehörten Neurologen R nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass es durch den Unfall vom 23. Januar 1990 zu einer Verletzung der Halswirbelsäule gekommen ist. Weder sind bei dem stationären Aufenthalt des Klägers vom 23. Januar 1990 bis zum 15. Februar 1990 eine Verletzung der Halswirbelsäule oder neurologische Ausfälle festgestellt worden, noch hat der Kläger in der Folgezeit gegenüber seinen behandelnden Orthopäden Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule angegeben. Auch hat Dr. G anlässlich seiner Untersuchung vom 1. Februar 1993 im Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderten-Eigenschaft keine objektivierbaren neurologischen Ausfälle im Zusammenhang mit dem Wirbelsäulensyndrom (HWS und LWS betreffend) feststellen können.
Die nunmehr bestehenden Beschwerden hat der Sachverständige R für den Senat schlüssig und nachvollziehbar auf degenerative Veränderungen zurückgeführt, die mit dem CT-Befund der HWS übereinstimmen. Soweit der Kläger daraus, dass die Arbeitsamtsärztin John bei ihrer Begutachtung vom 25. Juni 1997 diesbezüglich schmerzhafte Bewegungseinschränkung durch Wirbelblockierungen der Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule nach Polytrauma“ festgestellt hat, die Verursachung durch den Unfall als festgestellt folgert, kann dem nicht zugestimmt werden. Denn mit Hilfe dieses Gutachtens sollten allein die bei dem Kläger bestehenden Gesundheitseinschränkungen zu dem Zweck festgestellt werden , ob und in welchen Beruf der Kläger umgeschult werden könnte. Hierfür war die Ursache der Gesundheitsstörungen unerheblich und weder Gegenstand der Untersuchung noch der Feststellung. Aus dem Arztbrief des Krankenhauses N vom 17. Juli 2002 ergibt sich nichts anderes, da dort ein „posttraumatisches Facettensyndrom“ nur als Grund der Vorstellung angegeben wird.
Eine Verletzung der Brust- oder Lendenwirbelsäule durch den Unfall lässt sich ebenfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen. Auch insoweit sind weder anlässlich der stationären Behandlung noch in der Folgezeit durch die behandelnden Orthopäden entsprechende Befunde erhoben worden. Vielmehr führt Dr. W die Beschwerden der Brustwirbelsäule auf die Residuen eines Morbus Scheuermann zurück, während die Beschwerden der Lendenwirbelsäule nach den Ausführungen von Prof. Dr. H in seinem Gutachten vom 10. Juni 1996 auf eine Hyperlordose und eine lumbosakrale Übergangstörung zurückzuführen sind. Danach sind unfallfremde Ursachen und nicht der Aufprall bei dem Unfall für die Beschwerden überwiegend wahrscheinlich.
Die von der Beklagten mit Bescheid vom 9. September 1999 anerkannten Unfallfolgen bedingen keine höhere MdE als 30 v.H ... Die Bemessung der unfallbedingten MdE richtet sich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Verletzten durch die Unfallfolgen und dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben zwar keine verbindliche Wirkung, sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Bei der Bewertung der MdE sind auch die von der Rechtsprechung und von dem versicherungsrechtlichen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in den zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG SozR 3- 2200 § 581 Nr. 8).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war für den vom Kläger geltend gemachten Patellarknorpelschaden lediglich eine MdE von unter 10 anzusetzen. Hierzu hat das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt, dass schon 1996 keine Funktionseinschränkung mehr festgestellt werden konnte. Die vom Kläger unter Hinweis auf ein Gutachten von Dr. Marx geltend gemachte Femoropatellararthrose, die dieser mit einer MdE von 10 % bewertet hat, führt als solche nicht zur Anerkennung einer MdE, da den vom Kläger eingereichten Unterlagen keine entsprechende Funktionseinschränkung zu entnehmen ist. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung ist eine MdE aber erst bei Bewegungseinschränkungen des Kniegelenks oder einer Arthrose mit Funktionsbehinderung gegeben (vgl. Übersicht bei Kranig in Hauck, Kommentar zum SGB VII, § 56 Rdnr. 70, Anmerkung 17.4).
Auch das Schädelhirntrauma ersten Grades hat nach der übereinstimmenden Auffassung aller neurologischen Gutachter keinen bleibenden Gesundheitsschaden bewirkt, der mit einer MdE zu bewerten wäre. Dr. Bhat in seinem Gutachten vom 7. November 1996 unter Berücksichtigung der am 31. Juli 1990 gefertigten Kernspintomographie des Gehirns dargelegt, dass das Trauma folgenlos abgeklungen sei.
Dieser Auffassung haben sich der gerichtliche Sachverständige Dr. Sch und der auf Antrag des Klägers gehörte Neurologe R angeschlossen. Der Senat hat keine Veranlassung, an diesen gutachterlichen Feststellungen, die sich mit einer Vielzahl von Befunden auseinandersetzen, zu zweifeln.
Die Gesichtsschädelfrakturen als solche bedingen ebenfalls keine messbare MdE. Vielmehr hat Dr. K in seiner Stellungnahme vom 9. April 1996 auf die sehr gute Rehabilitation hinsichtlich Form und Funktion des Mittelgesichts- und Unterkieferbereichs hingewiesen.
Maßgeblich für die MdE- Bewertung sind nach alledem die Unfallfolgen auf HNO-ärztlichem und psychiatrischem Gebiet.
Für die Einstufung des Hörverlustes und des Tinnitus war das durch den Senat eingeholte Gutachten von Prof. Dr. Gvom 29. September 1999 zu berücksichtigen. Insbesondere sah sich der Senat durch den Hinweis des Neurologen R, der mit Blick auf den Tinnitus eine erneute HNO-ärztliche Begutachtung angeregt hat, nicht veranlasst ein weiteres Gutachten einzuholen. Denn der zunächst vom Kläger benannte HNO- Facharzt Dr. B hat für den Senat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass eine weitere audiologische Untersuchung keine neuen Ergebnisse zu Tage bringen werde, vielmehr die Auswirkungen des Tinnitus durch ein psychiatrisches Gutachten zu klären seien. Für die Verwertbarkeit des Gutachtens ist des weiteren unerheblich, dass Prof. Dr. G die von ihm vorgenommene Berechnung des Hörverlustes auf die Anhaltspunkte gestützt hat, da die Berechnungsmethode mit derjenigen des im Bereich der Unfallversicherung zu verwendenden Königsteiner Merkblattes übereinstimmt. Auf die an der Bewertung geäußerte Kritik des Klägers braucht der Senat unter Berücksichtigung der von Dr. B geäußerten Einschätzung nicht einzugehen, zumal Prof. Dr. G sich mit den Einwänden im Einzelnen in seiner Stellungnahme vom 11. November 2000 nochmals ausführlich auseinandergesetzt hatte. Der Senat vermag in der als Vorschlag zu wertenden Einschätzung einer hörverlustbedingten MdE von weniger als 10 keinen Mangel oder Fehler zu ersehen. Vielmehr entspricht sie derjenigen der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Mehrtens-Perlebach, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung M 2301 S. 23). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Arztbrief des Tinnituszentrums vom 24. Oktober 2002. Die dort erstmalig beschriebene leichtgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit links führt bei weiterhin beschriebener mittelgradiger Schwerhörigkeit rechts nicht zu einer Erhöhung der MdE, da die Schwerhörigkeit links als Nachschaden keinen Einfluss auf die MdE hat.
Auch der Einschätzung, dass der Tinnitus als solcher keine MdE von 10 v.H. bedingt, folgt der Senat vor dem Hintergrund, dass Prof. Dr. G diese Einschätzung in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 11. November 2000 ergänzend dahingehend erläutert hat, dass der chronische Tinnitus schon in der Bewertung der posttraumatischen Belastungsstörung mit einer MdE von 30 v.H. berücksichtigt worden sei. Auch dies entspricht der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Mehrtens-Perlebach, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung M 2301 S. 27). Danach ist ein Tinnitus bei der Bewertung des Gesamtschadensbildes mit einer MdE bis zu 10 v.H. zu berücksichtigen. Dies muss jedoch im Sinne einer integrierenden MdE-Bewertung geschehen, wobei kritisch zu prüfen ist, ob nicht eine in der Persönlichkeit des Versicherten begründete Reaktionsweise den wesentlichen Faktor für die Ausgestaltung des Beschwerdebildes bildet. Vor diesem Hintergrund folgt aus der Beschreibung des Tinnitus als chronisch dekompensiert im Arztbrief des Tinnituszentrums vom 24. Oktober 2002 nichts für die Höhe der MdE.
Die nach alledem für die Bewertung der MdE im Vordergrund stehende chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung war nach übereinstimmender Auffassung der Gutachter Dr. Sch und R mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. Beide haben ihre Feststellungen unabhängig voneinander, sachlich kompetent und schlüssig getroffen. Sie haben die von ihnen beschriebenen Beschwerdebilder nachvollziehbar gewürdigt und die MdE nachvollziehbar ermittelt. Insbesondere hat Dr. Sch bei der Bewertung berücksichtigt, dass es sich um eine erhebliche, anhaltende Störung handele, die bei den vorliegenden ungünstigen Umständen zu einer zusätzlichen Leistungseinschränkung führe.
Diese Bewertung entspricht ebenfalls den in der einschlägigen Fachliteratur wiedergegebenen Maßstäben, nach denen stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit eine MdE von 20 bis 40 bedingen (vgl. Kranig in Hauck, Kommentar zum SGB VII, § 56 Rdnr. 55 Anm. 2.3.).
Im Übrigen wird die Bildung der Gesamt-MdE nicht durch eine Addition der einzelnen MdE-Werte, sondern durch die Gesamtwürdigung der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens der verschiedenen Funktionsstörungen vorgenommen. Da sich der Tinnitus vor allem durch psycho-vegetative Begleiterscheinungen auswirkt, die sich mit den Folgen der posttraumatischen Belastungsstörung überschneiden, hatte der Senat keine Bedenken, der übereinstimmenden zusammenfassenden Bewertung sowohl des psychiatrischen als auch des HNO-ärztlichen Gutachtens zu folgen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Berechnung seiner Rente nach einem höheren Jahresarbeitsverdienst. Nach § 573 Abs. 1S. 2 RVO wird der Jahresarbeitsverdienst für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet. Der neuen Berechnung ist nach S.2 der Vorschrift das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist. Diese Vorschrift hat die Beklagte unter Berücksichtigung des ihr vom Landesschulamt unter Berücksichtigung der Lebensaltersstufe des Klägers mitgeteilten Entgelts von 64.540,54 DM zutreffend angewendet. Bei dieser fiktiven Berechnung sind eventuelle Nebenverdienste nicht zu berücksichtigen, da die Berechnung allein an den Abschluss der Berufsausbildung, nicht aber an eventuelle anderweitige zukünftige Einnahmen anknüpft.
Eine Neuberechnung nach zwischenzeitlichen Gehaltserhöhungen ist nach § 573 Abs.1 S. 1 RVO nicht vorgesehen, weil nur der Zeitpunkt des voraussichtlichen Endes der Ausbildung für die Festsetzung des Jahresarbeitsverdienstes maßgeblich ist. Die jährliche Anpassung ist nach § 579 RVO vorzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Verletztenteilrente des Klägers hinsichtlich des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit und des zu berücksichtigenden Jahresarbeitsverdienstes.
Der 1950 geborene Kläger war vom 23. November 1988 an als Referendar in den Vorbereitungsdienst für das Amt des Studienrates mit der beruflichen Fachrichtung Elektrotechnik/ Nachrichtentechnik aufgenommen und Beamter auf Widerruf; er sollte spätestens Mitte September 1990 den Vorbereitungsdienst beenden. Am 23. Januar 1990 erlitt er als Zeitungszusteller einen Arbeitsunfall, als er auf dem Fahrrad fahrend von einem entgegenkommenden PKW angefahren wurde.
Er wurde auf der Straße liegend aufgefunden und nach einer Erstbehandlung im Krankenhaus Sin die unfallchirurgische Abteilung des Uklinikums R V verlegt. Dem nachträglich erstellten Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. Chefarzt der unfallchirurgischen Abteilung des Universitätsklinikums RV vom 22. Februar 1990 zufolge bestand eine antero- und retrograde Amnesie für das Unfallereignis von ungefähr zehn Sekunden. Nach dem Befundbericht des Uklinikums R V vom 19.März 1990 über einen stationären Aufenthalt in der kieferchirurgischen Abteilung vom 23. Januar bis zum 15. Februar 1990 zog der Kläger sich ein Schädelhirntrauma 1. bis 2. Grades, multiple Platzwunden, Mittelgesichtsfrakturen Le Fort II, III rechts, II links, eine Patellarfraktur rechts sowie eine Nasenbeinfraktur zu. Durch die Fraktur seien die Zähne 33-43 in Verlust geraten.
In einem Zwischenbericht vom 9. Juli 1990 teilte der den Kläger ambulant behandelnde Facharzt für Chirurgie Dr. Hmit, die Unfallfolgen seien hinsichtlich der Patellarquerfraktur im Wesentlichen abgeschlossen. Die Funktion des rechten Kniegelenkes entspreche der Norm. Es bestehe eine mäßiggradige Atrophie der rechtsseitigen Oberschenkelstreckmuskulatur. Bezüglich der Gesichtsschädelfrakturen werde der Kläger ambulant durch die Abteilung für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie im Uklinikum R V mitbehandelt. Aufgrund einer audiologischen Untersuchung vom 16. Juli 1990 äußerten die Hals - Nasen - Ohren (HNO) - Ärzte Dres. T und F in einem Bericht vom 18. Juli 1990 den Verdacht einer posttraumatischen Schwerhörigkeit und gaben in einem Bericht vom 2. September 1990 einen mit dieser Hörstörung einhergehenden therapieresistenten Tinnitus an.
Der von der Beklagten mit einer nervenärztlichen Stellungnahme beauftragte Dr. Hkam am 3. August 1990 zu dem Ergebnis, aus nervenärztlicher Sicht habe der Unfall zu einem Schädelhirntrauma ersten Grades geführt, das folgenlos abgeklungen sei. Ein Computertomogramm habe rechts frontal eine leichte Hyperdensität ergeben, eine daraufhin veranlasste Kernspintomographie sei unauffällig gewesen. Es lägen keinerlei neurologische oder sonst fassbare Ausfallerscheinungen und keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vor.
In der Folgezeit reichte der Kläger unter anderem ein Attest des Arztes für Nervenheilkunde Dr. Lvom 30. April 1991 ein. Dieser gab an, der Kläger leide unter Ängsten mit Krankheitswert, die bereits zu neurotischen Beeinträchtigungen geführt hätten. Eine Arbeitsaufnahme als Zeitungsausträger sei zur Zeit nicht möglich, eine psychotherapeutische Behandlung sei indiziert, aber bei den laufenden Auseinandersetzungen ungünstig.
Die Beklagte holte ein HNO-ärztliches und neuro-otologisches Gutachten von Prof. Dr. Mein. In dessen Gutachten vom 26. Juni 1991 heißt es, der Unfall habe auch zu einem Trauma des rechten Innenohres geführt. Die bei dem Kläger bestehende Schwerhörigkeit rechts für mittelhohe und hohe Töne und das Ohrgeräusch rechts seien wahrscheinlich Folge des Unfalls vom 23.Januar 1990. Der Hörverlust rechts betrage 10 % und bedinge keine MdE. Bezüglich des Ohrgeräusches sei die MdE auf 5 bis 10 v.H. zu schätzen. Eine sehr wahrscheinlich noch unfallbedingte ganz geringe vestibuläre Gleichgewichtsstörung verursache noch eine MdE von unter 10 v.H. Die Gesamt-MdE werde auf diesem Fachgebiet auf 10 bis 15 v.H. geschätzt, es sei jedoch mit einer Abnahme der Symptomatik von Seiten des Gleichgewichtssystems zu rechnen. Arbeitsunfähigkeit liege nicht vor.
Auf Antrag des Klägers vom 22. Dezember 1995 auf Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides u.a. zu einer Verletztenrente veranlasste die Beklagte eine Stellungnahme von Dr. Dr. Chefarzt der Abteilung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Sch- Klinik vom 9. April 1996. Danach bestehe durch die umfangreiche und gelungene operative Rehabilitation von kieferchirurgischer Seite her keine MdE, die geklagten Schmerzen im Schädelbereich und die starke Einschränkung des Konzentrationsvermögens sei durch die zuständigen medizinischen Disziplinen zu beurteilen.
Prof. Dr. H kam auf Veranlassung der Beklagten in seinem unfallchirurgischen Gutachten vom 10. Juni 1996 zu dem Ergebnis, es liege eine knöchern gut verheilte Patellarquerfraktur vor, als indirekte Folge des Unfalls sei es zu einem Knorpelschaden retropatellar gekommen, der jedoch nur eine MdE von unter 10 v.H. rechtfertige. Die in der Bescheinigung des Orthopäden Dr. W (vom 16. August 1995) aufgeführten Beschwerden der Brustwirbelsäule seien als Residuen eines Morbus Scheuermann und Blockierungen der Costotransversalgelenke zu deuten. Die Lendenwirbelsäulenbeschwerden seien auf eine unfallunabhängige Hyperlordose und eine lumbosakrale Übergangsstörung sowie eine Hemisacralisation von L5 links zurückzuführen.
Die Beschwerden des Klägers beträfen den HNO-ärztlichen und den psychiatrischen Bereich.
Der Leiter der Psychiatrischen Intensiv- und Kriseninterventionsstation des Uklinikums B F, Dr. Bi, führte in seinem Gutachten vom 7. November 1996 aus, dass die zunächst entstellenden Verletzungen im Gesicht den Kläger zumindest in den ersten zwei Jahren erheblich beeinträchtigt und sicher zu den Verhaltensauffälligkeiten, die sich nach dem Unfall entwickelten, beigetragen hätten. Der Unfall habe den Kläger zu einem ausgesprochen ungünstigen Zeitpunkt kurz vor dem Ende seines Referendariats, als er schon mehrere berufliche Angebote gehabt habe, getroffen. Es sei zu vielfältigen psychischen Störungen in Form von zunehmendem Rückzug, depressiv-dysphorischen Verstimmungen, Alpträumen, vermehrter Reizbarkeit,Vorwurfshaltung und multiplen körperlichen Beschwerden gekommen. Diagnostisch lasse sich dieses Beschwerdebild als chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung interpretieren. Diese bedinge gegenwärtig eine MdE von15 v.H., habe aber bis zum Abschluss sämtlicher kieferchirurgischer Behandlungen 30 v.H. betragen. Die Gesamt-MdE betrage zur Zeit 20 v.H. Wesentlich sei der Versuch einer Wiedereingliederung des Klägers, der aufgrund amtsärztlicher Untersuchungen nach dem Unfall behindert worden sei.
Nachdem der Facharzt für Nervenkrankheiten und Psychiatrie Dr. Ein einem Aktenlagegutachten vom 4. Dezember 1996 das Gutachten von Dr. Bfür zutreffend erachtet hatte, erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1997 als Folgen des Arbeitsunfalls Zustand nach Schädelhirntrauma ersten Grades, chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung, Zustand nach gut verheilter Patellarfraktur rechts mit retropatellarem Knorpelschaden und geringgradiger Muskelminderung des rechten Oberschenkels sowie durch Behandlung weitestgehend ausgeglichene multiple Mittelgesichtsfrakturen und multiple Zahnverletzungen an. Die Rente werde vom 28. Dezember 1990 bis zum 3. September 1996, dem Tag der Untersuchung durch Dr. B nach einer MdE von 30 v.H., ab 4. September 1996 nach einer MdE von 20 v.H. gewährt. Für den Jahresverdienst sei nach § 573 Abs.1 Reichsversicherungsordnung (RVO) das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt sei. Da der Kläger spätestens im September 1990 die Ausbildung beendet hätte, sei das Entgelt eines Studienrates mit gleicher Ausbildung und gleicher Dienstalterstufe zu diesem Zeitpunkt zugrunde zu legen. Dies habe nach Mitteilung des Landesschulamtes 64.540,54 DM betragen und sei für die Folgezeit nach § 579 RVO anzupassen.
Mit der dagegen vor dem Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere darauf verwiesen, dass die durch Schwerhörigkeit und Tinnitus verursachte MdE von 15 v.H. keine Berücksichtigung gefunden habe. Ferner habe Prof. Dr. H in einem Gutachten für die Haftpflichtversicherung des Schädigers, die H, vom 5. Mai 1993 eine rechtsseitige posttraumatische Femoropatellararthrose mit einer MdE von10 %, das Schädel-Hirn-Trauma mit einer MdE von 20% bewertet. Prof. Dr. Mhabe in einem Gutachten für die H vom 17. Juni 1996 die Gesichtsschädelfraktur mit einer MdE von 20 % bewertet und darüber hinaus ein psychiatrisches Zusatzgutachten für erforderlich gehalten. Hinsichtlich seiner Schäden an der Wirbelsäule sei eine Begutachtung bislang nicht erfolgt, obwohl er mit einer Geschwindigkeit von etwa 90 Stundenkilometern an die Windschutzscheibe geprallt sei. Abgesehen davon seien bei der Berechnung seines Jahresarbeitsverdienstes nicht seine erwarteten Nebeneinkünfte u.a. als Dozent bei der Landesbildstelle berücksichtigt worden.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Orthopäden Dr. W(vom 6. April 1998) und Dr. K (vom 5. Juni 1998) sowie des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. T(vom 2. November 1998) eingeholt. Ferner hat es Kopien der Schwerbehinderten-Akten, der Unterlagen des amtsärztlichen Dienstes des Bezirksamtes W von Berlin, der für das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg erstellten Gutachten, nämlich des Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie im Krankenhaus SCvom 2. Juni 1997 und der Arbeitsamtsärztin J vom 25. Juni 1997, zur Akte genommen und die den Rechtstreit des Klägers zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft betreffende Gerichtsakte S 45 VS 207/ 92 beigezogen. In diesem Rechtsstreit hatte das Versorgungsamt, nachdem Dr. G in seinem Gutachten vom 12. Februar 1993 eine psychogene depressiv-ängstliche und neurasthenische Entwicklung mit einem GdB von 20 v.H. eingeschätzt hatte, mit Bescheid vom 5. März 1993 einen GdB von 50 anerkannt.
Anschließend hat das Sozialgericht ein Gutachten des Arztes für Nervenheilkunde Dr. Scheingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 13. April 1999 ausgeführt, die ohne neurologische Ausfallerscheinungen und aktuell ohne schwerere Funktionseinschränkungen einhergehenden Rückenschmerzen des Klägers seien nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen. Eine substantielle Hirnschädigung infolge des Unfalls könne weitgehend ausgeschlossen werden. Insofern sei die Diagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms als Ausdruck einer stattgehabten Hirnverletzung nicht mit dem Unfall in Zusammenhang zu bringen. Nicht erwähnt worden seien bislang die paranoide Persönlichkeitsstörung, die Meralgia paraesthetica und der atypische Gesichtsschmerz.
Wegen der bislang nicht ausreichend bewerteten psychischen Folgen und des atypischen Gesichtsschmerzes sei die unfallbedingte MdE durchgehend ab dem 28. Dezember 1990 fortlaufend mit 30 v.H. anzusetzen.
Mit Bescheid vom 9. September 1999 hat die Beklagte den Bescheid vom 10. Juli 1997 teilweise zurückgenommen und dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. über den 3. September 1996 hinaus gewährt. Als Folgen des Arbeitsunfalls hat sie Zustand nach Schädelhirntrauma ersten Grades, chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung, chronischer Tinnitus rechts, Zustand nach gut verheilter Patellarfraktur rechts mit retropatellarem Knorpelschaden und geringgradiger Muskelminderung des rechten Oberschenkels sowie diskrete Gefühlsstörungen im Gesicht im Bereich des Nervus trigeminus und atypische Gesichtsschmerzen nach durch Behandlung weitestgehend ausgeglichenen multiplen Mittelgesichtsfrakturen und multiplen Zahnverletzungen sowie eine Verschlimmerung der bestehenden paranoiden Persönlichkeitsstörung durch den Unfall anerkannt.
Durch Gerichtsbescheid vom 2. Dezember 1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer höheren MdE als 30 v.H. Seit Ende der Verletztengeldzahlung seien keine Unfallfolgen feststellbar, die die Einschätzung einer höheren MdE rechtfertigten. Auf neurologischem Gebiet seien von allen einschlägig gehörten Gutachtern keine Unfallfolgen festgestellt worden. Die kieferchirurgische Behandlung sei dem Gutachten von Prof. Dr. K zufolge mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen worden. Aus den umfangreichen vom Gericht beigezogenen Unterlagen seien keine Hinweise auf diesbezüglich fortbestehende Unfallfolgen ersichtlich. Auch auf unfallchirurgischem Gebiet sei ab 1. Januar 1991 keine messbare MdE mehr festzustellen. Die am 29. Mai 1996 durchgeführte radiologische Untersuchung des rechten Kniegelenks habe keine Hinweise auf eine wesentlich funktionsmindernde Patellararthrose im rechten Kniegelenk ergeben. Selbst wenn eine derartige posttraumatische Arthrose vorliegen würde, könnte dies nicht zu einer MdE führen, da keine Funktionseinschränkungen vorlägen. Hinsichtlich der vom Kläger gerügten unfallbedingten Wirbelsäulenbeschwerden habe der gerichtliche Sachverständige übereinstimmend mit den übrigen Gutachtern ausgeführt, dass diese nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen seien. Der seit 1991 vorliegende Unfallzustand beruhe im Wesentlichen auf Leiden, die das HNO-ärztliche bzw. psychiatrische Fachgebiet beträfen. Aus dem nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachten von Prof. Dr. M vom 26. Juni 1991ergebe sich insoweit, dass für den prozentualen Hörverlust von 10 % keine messbare MdE anzusetzen sei. Der Tinnitus rechts und die verbliebene als noch ganz leicht eingeschätzte Gleichgewichtsstörung hätten allenfalls mit einer MdE von 10 v.H. angesetzt werden können. Hinzu kämen die im Wesentlichen im Vordergrund stehenden Unfallfolgen auf psychiatrischem Gebiet, die von Dr. Schfür das Gericht nachvollziehbar mit einer MdE von 30 v.H. bewertet worden seien. Dies umfasse auch den chronischen Tinnitus rechts, da derart leichte, zusätzliche Gesundheitsstörungen nicht eine Erhöhung der Gesamt-MdE bedingen könnten. Die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes habe die Beklagte zutreffend nach § 573 Abs.1 RVO vorgenommen.
Gegen den ihm am 18. Dezember 1999 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 14. Januar 2000. Er ist der Auffassung, ihm stehe eine Verletztenrente nach einer höheren MdE zu und verweist hierzu auf Atteste von Dr. vom 14. März 2000), der Augenärzte Dres. P und P (vom 24. März 2000) und der HNO-Ärztin Dr. G-H(vom 28. Februar 2000), die eine MdE durch Hörminderung von 10 v.H., durch den Tinnitus von 20 v.H. annimmt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Dezember 1999 aufzuheben sowie den Bescheid vom 10. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1997 und den Bescheid vom 9. September 1999 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 28. Dezember 1990 Verletztenteilrente nach einer höheren MdE als 30 v.H. zu gewähren und einen höheren Jahresarbeitsverdienst zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat den HNO-Arzt Prof. Dr. Gzum medizinischen Sachverständigen ernannt. In seinem Gutachten vom 29. September 2000 hat der Sachverständige nach einer Untersuchung des Klägers vom 11. September 2000 ausgeführt, es sei nicht verständlich, wie Dr. G-Hauf einen Hörverlust von 70 % komme, da die angegebenen Werte nicht die Angaben enthielten, die für eine Ermittlung des prozentualen Hörverlustes erforderlich seien. Der bei der Untersuchung ermittelte Hörverlust rechts von 40% sei insgesamt als Folge des Unfallgeschehens zu werten, bedinge aber bei normalem Gegenohr nur eine MdE von unter 10 v.H ... Nach der Schilderung des Klägers sei der von ihm geklagte Tinnitus der Kategorie „ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen“ zuzuordnen und nur mit einer MdE von 0-10 v.H. zu bewerten. Die von Dr. Sch zugebilligte Gesamt-MdE von 30 v.H. decke eventuelle weitergehende psychische Folgen des Tinnitus bereits mit ab. Zu den gegen das Gutachten geäußerten Einwänden des Klägers hat der Sachverständige in einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Dezember 2000 ausgeführt, die MdE-Bewertung orientiere sich an den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996“ (Anhaltspunkte) S. 74. Die Gesamt-MdE beruhe vorrangig auf den von psychiatrischer Seite diagnostizierten Auffälligkeiten, während erhebliche psycho-vegetative Begleiterscheinungen allein als Folge des Tinnitus nicht nachvollziehbar seien und von dem Kläger auch nicht überzeugend hätten formuliert werden können. Es sei ein gravierender Unterschied, ob ein „Normalhörender“ durch einen 90-dB-Ton gestört werde, oder ob ein Patient, der im Tinnitusbereich einen 85-dB-Ton noch nicht höre, und der dann durch einen subjektiv empfundenen Ton gestört werde, der nur 1-2 dB über seiner Hörschwelle liege. Bei der Ermittlung der Gesamt-MdE seien nach Kapitel 19 der Anhaltspunkte die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend.
Der auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Sachverständigen ernannte HNO-Arzt Dr. Bhat mit Schreiben vom 19. November 2001 mitgeteilt, die grundlegenden Aussagen von Prof. Dr. G in seinem Gutachten seien korrekt. Eine erneute audiologische Untersuchung sei nicht sinnvoll, sondern für die Bewertung der durch den Tinnitus hervorgerufenen Befindlichkeitsstörung sei eine spezielle Ausbildung in Neurologie/Psychiatrie/Richtung Psychosomatik notwendig.
Der daraufhin auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörte Arzt für Psychiatrie und Neurologie R hat einen erheblichen krankheitswertigen Tinnitus festgestellt, in dessen Folge sich psychoreaktive und kognitive Störungen eingestellt hätten. Aufmerksamkeitsdefizite würden sich aus vermehrter Ablenkbarkeit aufgrund des Tinnitus erklären. Die Depressionssymptomatik werde durch den Tinnitus verstärkt. Echte traumatische HWS-Veränderungen mit neurologischen Defiziten und akuten Nackenschmerzen seien nach dem Unfallereignis nicht dokumentiert. Die Läsionen der Nervenwurzeln C7 und C7/C8 dürften Ausdruck zunehmender, unfallunabhängiger degenerativer HWS-Veränderungen sein. Die MdE sei aufgrund psychogen-psychiatrischer Störungen sowie aufgrund Kopf- und atypischen Gesichtsschmerzes aus Unfallfolgen mit 30 v.H. zu bemessen. Die MdE aus HNO-ärztlichen Störungen inklusive Hörstörung sei darin enthalten und somit ausreichend gewürdigt. Dabei seien auch die tinnitusbedingten psychogenen Folgestörungen anteilig in der MdE-Feststellung von 30 v.H. aus psychogenen Störungen enthalten. Eine nachhaltige Verschlechterung oder Verbesserung der psychischen Störungen sei nicht eingetreten. Inwieweit der Tinnitus durch die Innenohrschwerhörigkeit auf erblicher Grundlage verstärkt werde, sollte im Rahmen einer nochmaligen HNO-Begutachtung geprüft werden, die auch im Hinblick auf eine Vielzahl von Untersuchungsbefunden zum Tinnitus sinnvoll sei.
Gegen dieses Gutachten hat der Kläger eingewandt, dass bei der Beurteilung der Unfallschäden auf unfallchirurgischem Gebiet Widersprüchlichkeiten der anderen Gutachten nicht beachtet würden.
Im Übrigen sei die Beurteilung widersprüchlich, weil einerseits bei der Bewertung der Gesamt-MdE die HNO-ärztlichen Unfallfolgen berücksichtigt worden seien, andererseits eine nochmalige HNO-Begutachtung für erforderlich gehalten werde. Aus den von ihm im Erörterungstermin vom 14. Januar 2003 vorgelegten Unterlagen, nämlich einem Arztbrief des Tinnituszentrums der Cvom 24. Oktober 2002 und einem Arztbrief des Krankenhauses Nvom 17. Juli 2002, ergebe sich, dass ein chronisch dekompensierter Tinnitus rechts bei rechts mittelgradiger und links geringgradiger Schallempfindungsschwerhörigkeit und ein posttraumatisches HWS-Syndrom vorlägen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat weder einen Anspruch auf eine Bewertung seiner Verletzungsfolgen mit einer höheren MdE, noch ist ein höherer Jahresarbeitsverdienst zu berücksichtigen.
Streitgegenstand ist neben dem Bescheid vom 9. September 1999 auch der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1997, da mit dem Bescheid vom 9. September 1999 nur eine Regelung zur Rentenhöhe für die Zeit ab 4. September 1996 getroffen wurde, während für die Zeit davor die bisherigen Bescheide maßgeblich bleiben, mithin einheitlich eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. gewährt wird.
Die Beklagte hat der Verletztenteilrente zutreffend für den Zeitraum ab deren Beginn eine MdE von 30 v.H. zugrunde gelegt.
Nach § 581 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), der hier zur Anwendung kommt, weil der Versicherungsfall vor dem Außer-Kraft-Treten des Dritten Buches der RVO am 31. Dezember 1996 (Artikel 35 Nr. 1, 36 des Unfallversicherungseinordnungsgesetzes -UVEG- vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254, 1317) eingetreten ist (§ 212 Sozialgesetzbuch -Siebentes Buch- SGB VII), wird, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, der Teil der Vollrente als Verletztenrente gewährt, der dem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) entspricht. Anspruch auf Verletztenrente besteht nur, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO).
Bei der Bildung der MdE sind alle Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die mit Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehen. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Ursachenzusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann (BSGE 45, 285, 286).
Bei Beachtung dieser Grundsätze hält es der Senat unter Berücksichtigung der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Schund des auf Antrag des Klägers gehörten Neurologen R nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass es durch den Unfall vom 23. Januar 1990 zu einer Verletzung der Halswirbelsäule gekommen ist. Weder sind bei dem stationären Aufenthalt des Klägers vom 23. Januar 1990 bis zum 15. Februar 1990 eine Verletzung der Halswirbelsäule oder neurologische Ausfälle festgestellt worden, noch hat der Kläger in der Folgezeit gegenüber seinen behandelnden Orthopäden Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule angegeben. Auch hat Dr. G anlässlich seiner Untersuchung vom 1. Februar 1993 im Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderten-Eigenschaft keine objektivierbaren neurologischen Ausfälle im Zusammenhang mit dem Wirbelsäulensyndrom (HWS und LWS betreffend) feststellen können.
Die nunmehr bestehenden Beschwerden hat der Sachverständige R für den Senat schlüssig und nachvollziehbar auf degenerative Veränderungen zurückgeführt, die mit dem CT-Befund der HWS übereinstimmen. Soweit der Kläger daraus, dass die Arbeitsamtsärztin John bei ihrer Begutachtung vom 25. Juni 1997 diesbezüglich schmerzhafte Bewegungseinschränkung durch Wirbelblockierungen der Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule nach Polytrauma“ festgestellt hat, die Verursachung durch den Unfall als festgestellt folgert, kann dem nicht zugestimmt werden. Denn mit Hilfe dieses Gutachtens sollten allein die bei dem Kläger bestehenden Gesundheitseinschränkungen zu dem Zweck festgestellt werden , ob und in welchen Beruf der Kläger umgeschult werden könnte. Hierfür war die Ursache der Gesundheitsstörungen unerheblich und weder Gegenstand der Untersuchung noch der Feststellung. Aus dem Arztbrief des Krankenhauses N vom 17. Juli 2002 ergibt sich nichts anderes, da dort ein „posttraumatisches Facettensyndrom“ nur als Grund der Vorstellung angegeben wird.
Eine Verletzung der Brust- oder Lendenwirbelsäule durch den Unfall lässt sich ebenfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen. Auch insoweit sind weder anlässlich der stationären Behandlung noch in der Folgezeit durch die behandelnden Orthopäden entsprechende Befunde erhoben worden. Vielmehr führt Dr. W die Beschwerden der Brustwirbelsäule auf die Residuen eines Morbus Scheuermann zurück, während die Beschwerden der Lendenwirbelsäule nach den Ausführungen von Prof. Dr. H in seinem Gutachten vom 10. Juni 1996 auf eine Hyperlordose und eine lumbosakrale Übergangstörung zurückzuführen sind. Danach sind unfallfremde Ursachen und nicht der Aufprall bei dem Unfall für die Beschwerden überwiegend wahrscheinlich.
Die von der Beklagten mit Bescheid vom 9. September 1999 anerkannten Unfallfolgen bedingen keine höhere MdE als 30 v.H ... Die Bemessung der unfallbedingten MdE richtet sich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Verletzten durch die Unfallfolgen und dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben zwar keine verbindliche Wirkung, sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Bei der Bewertung der MdE sind auch die von der Rechtsprechung und von dem versicherungsrechtlichen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in den zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG SozR 3- 2200 § 581 Nr. 8).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war für den vom Kläger geltend gemachten Patellarknorpelschaden lediglich eine MdE von unter 10 anzusetzen. Hierzu hat das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt, dass schon 1996 keine Funktionseinschränkung mehr festgestellt werden konnte. Die vom Kläger unter Hinweis auf ein Gutachten von Dr. Marx geltend gemachte Femoropatellararthrose, die dieser mit einer MdE von 10 % bewertet hat, führt als solche nicht zur Anerkennung einer MdE, da den vom Kläger eingereichten Unterlagen keine entsprechende Funktionseinschränkung zu entnehmen ist. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung ist eine MdE aber erst bei Bewegungseinschränkungen des Kniegelenks oder einer Arthrose mit Funktionsbehinderung gegeben (vgl. Übersicht bei Kranig in Hauck, Kommentar zum SGB VII, § 56 Rdnr. 70, Anmerkung 17.4).
Auch das Schädelhirntrauma ersten Grades hat nach der übereinstimmenden Auffassung aller neurologischen Gutachter keinen bleibenden Gesundheitsschaden bewirkt, der mit einer MdE zu bewerten wäre. Dr. Bhat in seinem Gutachten vom 7. November 1996 unter Berücksichtigung der am 31. Juli 1990 gefertigten Kernspintomographie des Gehirns dargelegt, dass das Trauma folgenlos abgeklungen sei.
Dieser Auffassung haben sich der gerichtliche Sachverständige Dr. Sch und der auf Antrag des Klägers gehörte Neurologe R angeschlossen. Der Senat hat keine Veranlassung, an diesen gutachterlichen Feststellungen, die sich mit einer Vielzahl von Befunden auseinandersetzen, zu zweifeln.
Die Gesichtsschädelfrakturen als solche bedingen ebenfalls keine messbare MdE. Vielmehr hat Dr. K in seiner Stellungnahme vom 9. April 1996 auf die sehr gute Rehabilitation hinsichtlich Form und Funktion des Mittelgesichts- und Unterkieferbereichs hingewiesen.
Maßgeblich für die MdE- Bewertung sind nach alledem die Unfallfolgen auf HNO-ärztlichem und psychiatrischem Gebiet.
Für die Einstufung des Hörverlustes und des Tinnitus war das durch den Senat eingeholte Gutachten von Prof. Dr. Gvom 29. September 1999 zu berücksichtigen. Insbesondere sah sich der Senat durch den Hinweis des Neurologen R, der mit Blick auf den Tinnitus eine erneute HNO-ärztliche Begutachtung angeregt hat, nicht veranlasst ein weiteres Gutachten einzuholen. Denn der zunächst vom Kläger benannte HNO- Facharzt Dr. B hat für den Senat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass eine weitere audiologische Untersuchung keine neuen Ergebnisse zu Tage bringen werde, vielmehr die Auswirkungen des Tinnitus durch ein psychiatrisches Gutachten zu klären seien. Für die Verwertbarkeit des Gutachtens ist des weiteren unerheblich, dass Prof. Dr. G die von ihm vorgenommene Berechnung des Hörverlustes auf die Anhaltspunkte gestützt hat, da die Berechnungsmethode mit derjenigen des im Bereich der Unfallversicherung zu verwendenden Königsteiner Merkblattes übereinstimmt. Auf die an der Bewertung geäußerte Kritik des Klägers braucht der Senat unter Berücksichtigung der von Dr. B geäußerten Einschätzung nicht einzugehen, zumal Prof. Dr. G sich mit den Einwänden im Einzelnen in seiner Stellungnahme vom 11. November 2000 nochmals ausführlich auseinandergesetzt hatte. Der Senat vermag in der als Vorschlag zu wertenden Einschätzung einer hörverlustbedingten MdE von weniger als 10 keinen Mangel oder Fehler zu ersehen. Vielmehr entspricht sie derjenigen der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Mehrtens-Perlebach, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung M 2301 S. 23). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Arztbrief des Tinnituszentrums vom 24. Oktober 2002. Die dort erstmalig beschriebene leichtgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit links führt bei weiterhin beschriebener mittelgradiger Schwerhörigkeit rechts nicht zu einer Erhöhung der MdE, da die Schwerhörigkeit links als Nachschaden keinen Einfluss auf die MdE hat.
Auch der Einschätzung, dass der Tinnitus als solcher keine MdE von 10 v.H. bedingt, folgt der Senat vor dem Hintergrund, dass Prof. Dr. G diese Einschätzung in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 11. November 2000 ergänzend dahingehend erläutert hat, dass der chronische Tinnitus schon in der Bewertung der posttraumatischen Belastungsstörung mit einer MdE von 30 v.H. berücksichtigt worden sei. Auch dies entspricht der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Mehrtens-Perlebach, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung M 2301 S. 27). Danach ist ein Tinnitus bei der Bewertung des Gesamtschadensbildes mit einer MdE bis zu 10 v.H. zu berücksichtigen. Dies muss jedoch im Sinne einer integrierenden MdE-Bewertung geschehen, wobei kritisch zu prüfen ist, ob nicht eine in der Persönlichkeit des Versicherten begründete Reaktionsweise den wesentlichen Faktor für die Ausgestaltung des Beschwerdebildes bildet. Vor diesem Hintergrund folgt aus der Beschreibung des Tinnitus als chronisch dekompensiert im Arztbrief des Tinnituszentrums vom 24. Oktober 2002 nichts für die Höhe der MdE.
Die nach alledem für die Bewertung der MdE im Vordergrund stehende chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung war nach übereinstimmender Auffassung der Gutachter Dr. Sch und R mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. Beide haben ihre Feststellungen unabhängig voneinander, sachlich kompetent und schlüssig getroffen. Sie haben die von ihnen beschriebenen Beschwerdebilder nachvollziehbar gewürdigt und die MdE nachvollziehbar ermittelt. Insbesondere hat Dr. Sch bei der Bewertung berücksichtigt, dass es sich um eine erhebliche, anhaltende Störung handele, die bei den vorliegenden ungünstigen Umständen zu einer zusätzlichen Leistungseinschränkung führe.
Diese Bewertung entspricht ebenfalls den in der einschlägigen Fachliteratur wiedergegebenen Maßstäben, nach denen stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit eine MdE von 20 bis 40 bedingen (vgl. Kranig in Hauck, Kommentar zum SGB VII, § 56 Rdnr. 55 Anm. 2.3.).
Im Übrigen wird die Bildung der Gesamt-MdE nicht durch eine Addition der einzelnen MdE-Werte, sondern durch die Gesamtwürdigung der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens der verschiedenen Funktionsstörungen vorgenommen. Da sich der Tinnitus vor allem durch psycho-vegetative Begleiterscheinungen auswirkt, die sich mit den Folgen der posttraumatischen Belastungsstörung überschneiden, hatte der Senat keine Bedenken, der übereinstimmenden zusammenfassenden Bewertung sowohl des psychiatrischen als auch des HNO-ärztlichen Gutachtens zu folgen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Berechnung seiner Rente nach einem höheren Jahresarbeitsverdienst. Nach § 573 Abs. 1S. 2 RVO wird der Jahresarbeitsverdienst für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet. Der neuen Berechnung ist nach S.2 der Vorschrift das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist. Diese Vorschrift hat die Beklagte unter Berücksichtigung des ihr vom Landesschulamt unter Berücksichtigung der Lebensaltersstufe des Klägers mitgeteilten Entgelts von 64.540,54 DM zutreffend angewendet. Bei dieser fiktiven Berechnung sind eventuelle Nebenverdienste nicht zu berücksichtigen, da die Berechnung allein an den Abschluss der Berufsausbildung, nicht aber an eventuelle anderweitige zukünftige Einnahmen anknüpft.
Eine Neuberechnung nach zwischenzeitlichen Gehaltserhöhungen ist nach § 573 Abs.1 S. 1 RVO nicht vorgesehen, weil nur der Zeitpunkt des voraussichtlichen Endes der Ausbildung für die Festsetzung des Jahresarbeitsverdienstes maßgeblich ist. Die jährliche Anpassung ist nach § 579 RVO vorzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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