Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 P 99/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 6/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
"Ein Kontrahierungszwang nach § 110 Abs. 1, 2 SGB XI kann auch dann bestehen, wenn das Pflegeversicherungsverhältnis zwischenzeitlich unterbrochen war."
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2004 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, mit dem Kläger ab dem 1. Januar 2002 einen Vertrag über eine private Pflegepflichtversicherung nach Maßgabe des § 110 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch abzuschließen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Beklagten zum Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages mit dem Kläger unter den für so genannte Altversicherte geltenden Bedingungen.
Der Kläger ist seit dem 1. September 1982 bei dem beklagten Versicherungsunternehmen privat gegen Krankheit versichert. Seit dem 1. Januar 1995 war er bei diesem Unternehmen auch pflegeversichert, und zwar für die günstigeren Versicherungstarife entsprechend § 110 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (SGB XI).
Am 23. Juli 1996 teilte der Kläger der Beklagten mit, er werde für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2001 seinen Wohnsitz in die USA verlegen und sei in dieser Zeit von seinem Dienstherrn auch freigestellt. Er erkundigte sich in diesem Schreiben nach der Möglichkeit, die private Krankenversicherung während des Auslandsaufenthaltes ruhen zu lassen, und teilte zugleich mit, er sei an einem Ruhen der privaten Pflegeversicherung nicht interessiert.
Mit Schreiben vom 2. August 1996 bot die Beklagte dem Kläger für die Dauer des Auslandsaufenthaltes eine Anwartschaftsversicherung an, um den Pflegeversicherungsschutz zu den alten Bedingungen aufrechtzuerhalten. Sie wies den Kläger darauf hin, bei der Rückkehr nach Deutschland könne der alte Tarif ansonsten nicht mehr in Anspruch genommen werden.
Zum 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2001 verlegte der Kläger sodann tatsächlich seinen Wohnsitz in die USA. Er war in dieser Zeit von seinem Dienstherrn ohne Bezüge und ohne Beihilfeanspruch beurlaubt, ein privater Krankenversicherungsvertrag bestand fort. Dem Auslandsaufenthalt lag zugrunde, dass die Ehefrau des Klägers von ihrem französischen Dienstherrn in die USA entsandt worden war.
Am 17. August 2000 fragte der Kläger bei der Beklagten an, ob er bei einer Rückkehr nach Europa wieder nach seinem alten Tarif pflegeversichert werden könne und ob die Beklagte auch Leistungen für den Fall einer zukünftigen Wohnsitznahme des Klägers in Frankreich zusage. Mit Antwortschreiben vom 23. August 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er könne nur nach einem Tarif entsprechend § 110 Abs. 3 SGB XI versichert werden, d. h. nach vorangegangener Risikoprüfung und Abstufung nach Risikogruppen. Im Hinblick auf eine Wohnsitznahme des Klägers in Frankreich führte die Beklagte wörtlich aus:
Der Rechtsprechung bezüglich der Leistungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung bei einem Auslandsaufenthalt innerhalb der Staaten im EWR haben wir uns angeschlossen. Auf freiwilliger Basis erstatten wir das Pflegetagegeld bei festgestellter Pflegebedürftigkeit auch bei einem Aufenthalt im Ausland.
Am 6. September 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten ausdrücklich den Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages nach den ursprünglichen Vertragsbedingungen. Mit Schreiben vom 21. September 2000 lehnte die Beklagte dies gegenüber dem Kläger mit der Begründung ab, es handele sich nunmehr um einen Neuabschluss eines Pflegeversicherungsvertrages, so dass auch die Vertragsbedingungen für eine Neumitgliedschaft Anwendung zu finden hätten.
Nachdem der Kläger sich nunmehr an das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen gewandt und das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen die Beklagte zu einer Stellungnahme aufgefordert hatte, verfasste die Beklagte unter dem 22. Dezember 2000 eine umfangreiche Stellungnahme an das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen. Hierin führte die Beklagte aus, sie habe die Rechtslage neu geprüft und habe nunmehr die Vorschriften über die sozialversicherungsrechtliche Ausstrahlung entsprechend angewandt. Dies beruhe darauf, dass die Ehefrau des Klägers von ihrem Dienstherrn in das Ausland entsandt worden sei. Deshalb habe tatsächlich die Pflegepflichtversicherung unverändert fortbestanden, der Kläger gehöre weiterhin zum Kreis der nach den alten Bedingungen versicherten Personen. Mit Schreiben vom 16. Januar 2001 teilte daraufhin die Beklagte dem Kläger mit, seine Pflegepflichtversicherung werde rückwirkend zum 1. Januar 1997 wieder aktiv und beitragspflichtig geführt, weil ein Fall der sozialversicherungsrechtlichen Ausstrahlung vorliege. Deshalb erhalte der Kläger auch Versicherungsscheine und müsse rückwirkend Beiträge in Höhe von 1.755,54 DM nachzahlen. Am 22. Januar 2001 widersprach der Kläger diesem Schreiben ausdrücklich und wies darauf hin, dass seine Ehefrau vom französischen Finanzministerium in die USA entsandt worden sei. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 19. Februar 2001 mit, seine Pflegepflichtversicherung habe tatsächlich doch zum 31. Dezember 1996 geendet. Er sei allerdings bei seiner Rückkehr nach Deutschland zum 1. Januar 2002 wieder versicherungspflichtig.
Zum Beginn des Jahres 2002 nahm der Kläger wieder seinen Wohnsitz in Deutschland und kehrte in seine frühere Stellung als beihilfeberechtigter Beamter zurück. Zugleich bestand auch ein Krankenversicherungsvertrag mit der Beklagten, der auch einen (beihilfekonformem) Anspruch auf Krankenhausversorgung vorsah. Am 11. Februar 2002 beantragte der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 2002 den Abschluss einer Pflegepflichtversicherung zu den ursprünglichen Vertragsbedingungen. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 15. Februar 2002 ab.
Am 22. Februar 2002 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und darin vor allem den Abschluss eines Versicherungsvertrages zu den ursprünglichen Bedingungen und eine Leistungszusage bei Aufenthalt im EG-Ausland beantragt. Das Sozialgericht hat die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung der Beklagten beigezogen und sodann durch Urteil vom 13. Mai 2004 die Klage abgewiesen: Die Klage sei teilweise wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, nämlich insoweit, als der Kläger eine ausdrückliche Leistungszusage für den Fall des Aufenthaltes in Frankreich begehre. Denn insoweit habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 23. August 2000 bereits eine Leistungserbringung unter der Voraussetzung des Bestehens eines Pflegepflichtversicherungsvertrages und des Vorliegens der Voraussetzungen einer Pflegegeldzahlung zugesagt. Im Übrigen sei die Klage nicht begründet, denn der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages nach § 110 Abs. 1 und 2 SGB XI. Diese Vorschriften seien entsprechend ihrem Sinn und Zweck gegenüber dem Wortlaut einschränkend auszulegen. Der Gesetzgeber habe die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Pflegeversicherung privat Krankenversicherten als besonders schutzwürdig angesehen, weil sie bei Abschluss des privaten Krankenversicherungsvertrages nicht damit rechnen mussten, zu den üblichen Bedingungen auch noch einen privaten Pflegeversicherungsvertrag abschließen zu müssen. Dieser Schutzzweck entfalle aber nach Auffassung der Kammer im Falle des Klägers, der in Kenntnis der Bedingungen den privaten Pflegepflichtversicherungsvertrag aufgelöst habe, um ihn später wieder abschließen zu wollen.
Gegen dieses ihm am 15. Juni 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Juni 2004 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Er meint, er sei weiterhin zum Kreis der so genannten Altversicherten zu zählen gemäß § 110 Abs. 1 SGB XI, weil sein privater Krankenversicherungsvertrag – an dem die Pflegepflichtversicherung anknüpfe – bereits zum 1. Januar 1995 bestanden habe und seitdem unbeendet fortbestehe. Allein dieser fortbestehende unveränderte Krankenversicherungsschutz sei nach Maßgabe des § 110 Abs. 1 SGB XI der entscheidende Anknüpfungspunkt und nicht der Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages. Auch bedürfe die Frage der Leistungen in das europäische Ausland weiterhin der Klärung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2004 aufzuheben und
1. festzustellen, dass der Kläger zum Personenkreis des § 110 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB XI gehört und daher auch nach den für diesen Personenkreis geltenden Tarifen zu behandeln ist, 2. festzustellen, dass die Beklagte bezüglich des im Jahre 2002 gestellten Antrages des Klägers auf Pflegepflichtversicherung dem Kontrahierungszwang unterliegt, und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger antragsgemäß zu versichern, 3. die Beklagte zu verpflichten, den bereits beantragten Pflegeversicherungsvertrag nach § 110 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB XI abzuschließen, d. h. ohne Risikoprüfung und zu den für diesen Personenkreis vorgesehenen Tarifen, 4. die Beklagte zu verpflichten, in dem abzuschließenden Versicherungsvertrag abweichend von den derzeitigen allgemeinen Vertragsbedingungen die Leistungsgewährung und das reguläre Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses ohne Einschränkungen auch für den Fall der ständigen Wohnsitznahme in einem Land der europäischen Union ausdrücklich und nicht widerruflich zuzusagen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und bewertet den Kläger als zum Personenkreis des § 110 Abs. 3 SGB XI gehörend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), und im Sinne des Antrages zu 3. auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2004 war zu ändern, die Beklagte war zu verurteilen, mit dem Kläger ab dem 1. Januar 2002 einen privaten Pflegepflichtversicherungsvertrag nach Maßgabe des § 110 Abs. 1, 2 SGB XI abzuschließen. Im Übrigen hingegen war die Berufung zurückzuweisen.
1. Nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI besteht ein Kontrahierungszwang für die Beklagte mit dem Kläger, weil dieser bei der Beklagten gegen das Risiko Krankheit mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert ist und nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI der Versicherungspflicht unterliegt. Nach § 110 Abs. 2 SGB XI besteht die Pflicht eines privaten Pflegeversicherungsunternehmens wie der Beklagten zum Abschluss eines Vertrages unter den in Abs. 1 näher umschriebenen, für die Versicherungsnehmer günstigeren Bedingungen für alle Versicherungsverträge, die mit Personen abgeschlossen werden, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des SGB XI Mitglied bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen sind. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger, denn er war bereits bei In-Kraft-Tretens des SGB XI zum 01. Januar 1995 Mitglied der Beklagten in deren Eigenschaft als privates Krankenversicherungsunternehmen und besaß auch einen Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen.
Diesen Anspruch hat zwar die Beklagte im Jahre 1995 dadurch erfüllt, dass sie mit dem Kläger einen privaten Pflegeversicherungsvertrag zu den Bedingungen nach § 110 Abs. 1 SGB XI abschloss. Indessen ist zur Überzeugung des Senats zum 1. Januar 2002 ein erneuter Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages zu den alten Bedingungen entstanden, weil der zunächst im Jahre 1995 abgeschlossene Pflegeversicherungsvertrag zum 31. Dezember 1996 endete und die Anspruchsvoraussetzungen nach § 110 Abs. 1, 2 SGB XI zum 1. Januar 2002 erneut durch den Kläger erfüllt wurden:
a) Gemäß § 15 Abs. 3 und 4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung, die dem im Jahre 1995 abgeschlossenen Vertrag zugrunde lagen, endete die private Pflegeversicherung des Klägers zum 31. Dezember 1996, weil er danach sowohl als Versicherungsnehmer als auch als Versicherter seinen Wohnsitz in das (außereuropäische) Ausland verlegte. Diese Versicherungsbedingungen sind wirksam, sie verstoßen insbesondere nicht gegen den in § 110 SGB XI geregelten Kontrahierungszwang der Beklagten. Denn ab dem Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung des Klägers in das Ausland erlosch auch der Kontrahierungszwang für die Beklagte, weil gemäß § 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) die Vorschriften über eine Versicherungspflicht und eine Versicherungsberechtigung, soweit sie – wie vorliegend – eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, nur dann gelten, wenn die betreffenden Personen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland haben.
Hieran änderte sich auch nichts durch die Vorschrift des § 4 SGB IV über die so genannte sozialversicherungsrechtliche Ausstrahlung. An einer solchen Ausstrahlung fehlte es schon deswegen, weil weder der Kläger noch – bei gegebenenfalls analoger Anwendung des § 4 SGB IV – seine Ehefrau von einem deutschen Arbeitgeber oder Dienstherrn in das Ausland entsandt oder zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in das Ausland übergesiedelt waren.
b) Auch durch die zwischenzeitlich von den Beteiligten einander gegenüber abgegebenen Willenserklärungen ist vor dem 1. Januar 2002 kein erneuter Vertrag über den Abschluss einer privaten Pflegeversicherung zustande gekommen. Zwar hat der Kläger am 6. September 2000 gegenüber der Beklagten einen Antrag im Sinne von § 145 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgegeben, gerichtet auf den Abschluss eines solchen Vertrages zu den für so genannte Altversicherte geltenden Bedingungen. Dieser Antrag ist jedoch gemäß § 146 BGB erloschen, nachdem die Beklagte ihn mit ihrem Schreiben vom 21. September 2000 ausdrücklich abgelehnt hatte.
Sodann kann möglicherweise das Schreiben der Beklagten vom 16. Januar 2001, dem zudem neue Versicherungsscheine beigefügt waren, als Antrag der Beklagten auf Abschluss eines neuen Pflegeversicherungsvertrages zu den für so genannte Altversicherte geltenden Bedingungen gesehen werden, denn ein derartiger Vertrag kann auch durch schlüssiges Verhalten – etwa durch Übersendung von Versicherungsscheinen und anschließende Beitragsentrichtung – zustande kommen (Udsching, SGB XI, 2. Auflage 2000 § 110 Randnummer 4 mit weiteren Nachweisen). Indessen hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 22. Januar 2001 den möglichen Antrag der Beklagten ausdrücklich abgelehnt und nach § 146 BGB dessen Erlöschen herbeigeführt. Vor diesem Hintergrund kann vorliegend offen bleiben, ob die Beklagte sodann ihre Erklärung vom 16. Januar 2001 angefochten hat und ob im Hinblick auf einen Versicherungsvertrag die Anfechtungsvorschrift des § 119 Abs. 2 BGB Anwendung findet (hierzu Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Februar 1995, IV ZR 158/94, NJW-RR 1995, 725).
c) Ab dem 1. Januar 2002 unterlag der Kläger jedoch wieder gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI der Pflicht zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrags. Zur Überzeugung des Senats entstand ab diesem Zeitpunkt der Kontrahierungszwang der Beklagten – und zwar zu den alten, in § 110 Abs. 1 SGB XI näher umschriebenen Bedingungen – erneut. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 110 Abs. 2 SGB XI, der keine zeitliche oder sonstige Grenze für den Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages unter den für so genannte Altversicherte geltenden, günstigeren Bedingungen vorsieht, insbesondere nicht auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des SGB XI zum 1. Januar 1995 beschränkt ist. Dies entspricht darüber hinaus auch dem Sinn und Zweck dieser Regelungen. Denn der Gesetzgeber hat den Personenkreis derjenigen, die schon vor dem 1. Januar 1995 einen privaten Krankenversicherungsvertrag mit Anspruch auf Krankenhausversorgung besaßen, als besonders schutzwürdig angesehen, weil dieser Personenkreis, als er sich für einen privaten Krankenversicherungsschutz entschied, noch nicht wissen konnte, dass eine private Pflegeversicherungspflicht eingeführt werden würde (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit, BR-Drucksache 505/93 Seite 154 zu § 119).
Der für den Gesetzgeber hiernach entscheidende Anknüpfungspunkt ist nicht der – gegebenenfalls spätere – Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages, sondern vielmehr der zum 1. Januar 1995 bestehende und seitdem aufrechterhaltene Krankenversicherungsvertrag. Die besondere Schutzwürdigkeit des Personenkreises der so genannten Altversicherten besteht nämlich deswegen, weil sie sich – zumeist unwiderruflich – schon vor dem Jahre 1995 für den Beitritt zur privaten Krankenversicherung entschieden hatten und sie deshalb beim späteren Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages begünstigt werden sollten. Dieser Schutzzweck besteht zur Überzeugung des Senats auch dann, wenn – wie vorliegend – der Pflegeversicherungsvertrag vorübergehend unterbrochen war und allein der Krankenversicherungsvertrag fortbestand. Denn auch in diesem Falle hat der Versicherte die grundlegende Entscheidung zum Beitritt zu einem privaten Krankenversicherungs-Unternehmen unwiderruflich vor dem Jahre 1995 getroffen und bereits damals den Sachverhalt geschaffen, der den entscheidenden Anknüpfungspunkt für den vom Gesetzgeber gewollten Vertrauensschutz darstellt.
2. Darüber hinaus ergibt sich der geltend gemachte Anspruch auch aus der Stellung des Klägers als eines beihilfeberechtigten Beamten. Er besaß die Beihilfeberechtigung bereits zum 1. Januar 1995 und besitzt sie wieder seit dem 1. Januar 2002; in der Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2001 ruhte zwar die Beihilfeberechtigung, doch das ihr zugrunde liegende Beamtenverhältnis war auch in dieser Zeit nicht aufgelöst. Für den Kläger folgt hieraus eine Versicherungspflicht nach § 23 Abs. 3 SGB XI. Diese Vorschrift begründet für den Personenkreis des Klägers eine eigenständige Vorsorgeverpflichtung unabhängig vom Bestehen einer Krankenversicherung. Ein derartiges Verständnis ist von § 110 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI, der die Vorschrift des § 23 Abs. 3 SGB XI als eigenständigen Tatbestand der Versicherungspflicht zitiert, vorausgesetzt und neben dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XI insbesondere durch das dem Pflegeversicherungsrecht zu Grunde liegende Gesamtkonzept geboten (Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Februar 2004, B 12 P 3/02 R, SozR 4-3300 § 23 Nr. 1).
Auch vor diesem Hintergrund ist der Kläger als so genannter Altversicherter anzusehen, denn der nach § 23 Abs. 3 SGB XI bestehende Anknüpfungspunkt – die Beihilfeberechtigung – bestand bei dem Kläger bereits seit dem 1. Januar 1995 und war auch in der Zwischenzeit jedenfalls dem rechtlichen Grunde nach durchgehend gegeben. Der Auslandsaufenthalt in den Jahren 1997 bis 2001 stellte insoweit gerade keine Lösung von diesem Anknüpfungspunkt dar, denn das Beamtenverhältnis war nicht aufgelöst, sondern ruhte für den begrenzten, im Vorhinein genau bestimmten Zeitraum der Jahre 1997 bis 2001. Bereits bei Beginn des Ruhenszeitraums war festgelegt, dass nach Ablauf dieses Zeitraums – ohne dass es eines weiteren Zutuns des Klägers oder seines Dienstherrn bedurft hätte – das Beamtenverhältnis einschließlich der Beihilfeberechtigung in vollem Umfang wieder aufleben würde. Hierdurch war zugleich von vornherein festgelegt, dass der Kläger beihilferechtlich in seine bereits zum 1. Januar 1995 bestehende Stellung zurückkehren würde, die auch für die pflegeversicherungsrechtliche Anknüpfung maßgeblich ist.
3. Im Übrigen jedoch war die Berufung zurückzuweisen, denn insoweit hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Das Sozialgericht hat der Sache nach auch über das in den im Berufungsverfahren neu formulierten Anträgen zu 1., zu 2. und zu 4. enthaltene Rechtsschutzbegehren mit entschieden.
a) Allerdings ist hinsichtlich der Anträge zu 1. und zu 2. jedenfalls nunmehr das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, weil der Kläger vor dem Hintergrund der aus dem Tenor ersichtlichen Teilstattgabe zumindest jetzt kein rechtlich schützenswertes Interesse an den in den Anträgen zu 1. und zu 2. begehrten Feststellungen bzw. einer weiteren Verurteilung der Beklagten zu einem Vertragsabschluss hat.
b) Ebenso wenig ist der Antrag zu 4. zulässig. Allerdings ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 23. August 2000 entfallen. Zwar stellt die Beklagte in diesem Schreiben in Aussicht, sie werde das Pflegetagegeld auch bei einem Aufenthalt im Ausland leisten, doch kann darin keine Leistungszusage für sämtliche Leistungen der Pflegeversicherung gesehen werden. Indessen fehlt diesem Antrag jedenfalls derzeit ein konkretes Rechtsschutzbedürfnis, weil gegenwärtig nicht ersichtlich ist, ob und gegebenenfalls wann der Kläger seinen Wohnsitz nach Frankreich verlegen wird und ob er dann ein versichertes Mitglied der Beklagten sein wird. Vor diesem Hintergrund ist gegenwärtig kein hinreichend konkreter Sachverhalt erkennbar, auf dessen Grundlage eine aktuelle Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage besteht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits zuzulassen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Beklagten zum Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages mit dem Kläger unter den für so genannte Altversicherte geltenden Bedingungen.
Der Kläger ist seit dem 1. September 1982 bei dem beklagten Versicherungsunternehmen privat gegen Krankheit versichert. Seit dem 1. Januar 1995 war er bei diesem Unternehmen auch pflegeversichert, und zwar für die günstigeren Versicherungstarife entsprechend § 110 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (SGB XI).
Am 23. Juli 1996 teilte der Kläger der Beklagten mit, er werde für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2001 seinen Wohnsitz in die USA verlegen und sei in dieser Zeit von seinem Dienstherrn auch freigestellt. Er erkundigte sich in diesem Schreiben nach der Möglichkeit, die private Krankenversicherung während des Auslandsaufenthaltes ruhen zu lassen, und teilte zugleich mit, er sei an einem Ruhen der privaten Pflegeversicherung nicht interessiert.
Mit Schreiben vom 2. August 1996 bot die Beklagte dem Kläger für die Dauer des Auslandsaufenthaltes eine Anwartschaftsversicherung an, um den Pflegeversicherungsschutz zu den alten Bedingungen aufrechtzuerhalten. Sie wies den Kläger darauf hin, bei der Rückkehr nach Deutschland könne der alte Tarif ansonsten nicht mehr in Anspruch genommen werden.
Zum 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2001 verlegte der Kläger sodann tatsächlich seinen Wohnsitz in die USA. Er war in dieser Zeit von seinem Dienstherrn ohne Bezüge und ohne Beihilfeanspruch beurlaubt, ein privater Krankenversicherungsvertrag bestand fort. Dem Auslandsaufenthalt lag zugrunde, dass die Ehefrau des Klägers von ihrem französischen Dienstherrn in die USA entsandt worden war.
Am 17. August 2000 fragte der Kläger bei der Beklagten an, ob er bei einer Rückkehr nach Europa wieder nach seinem alten Tarif pflegeversichert werden könne und ob die Beklagte auch Leistungen für den Fall einer zukünftigen Wohnsitznahme des Klägers in Frankreich zusage. Mit Antwortschreiben vom 23. August 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er könne nur nach einem Tarif entsprechend § 110 Abs. 3 SGB XI versichert werden, d. h. nach vorangegangener Risikoprüfung und Abstufung nach Risikogruppen. Im Hinblick auf eine Wohnsitznahme des Klägers in Frankreich führte die Beklagte wörtlich aus:
Der Rechtsprechung bezüglich der Leistungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung bei einem Auslandsaufenthalt innerhalb der Staaten im EWR haben wir uns angeschlossen. Auf freiwilliger Basis erstatten wir das Pflegetagegeld bei festgestellter Pflegebedürftigkeit auch bei einem Aufenthalt im Ausland.
Am 6. September 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten ausdrücklich den Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages nach den ursprünglichen Vertragsbedingungen. Mit Schreiben vom 21. September 2000 lehnte die Beklagte dies gegenüber dem Kläger mit der Begründung ab, es handele sich nunmehr um einen Neuabschluss eines Pflegeversicherungsvertrages, so dass auch die Vertragsbedingungen für eine Neumitgliedschaft Anwendung zu finden hätten.
Nachdem der Kläger sich nunmehr an das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen gewandt und das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen die Beklagte zu einer Stellungnahme aufgefordert hatte, verfasste die Beklagte unter dem 22. Dezember 2000 eine umfangreiche Stellungnahme an das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen. Hierin führte die Beklagte aus, sie habe die Rechtslage neu geprüft und habe nunmehr die Vorschriften über die sozialversicherungsrechtliche Ausstrahlung entsprechend angewandt. Dies beruhe darauf, dass die Ehefrau des Klägers von ihrem Dienstherrn in das Ausland entsandt worden sei. Deshalb habe tatsächlich die Pflegepflichtversicherung unverändert fortbestanden, der Kläger gehöre weiterhin zum Kreis der nach den alten Bedingungen versicherten Personen. Mit Schreiben vom 16. Januar 2001 teilte daraufhin die Beklagte dem Kläger mit, seine Pflegepflichtversicherung werde rückwirkend zum 1. Januar 1997 wieder aktiv und beitragspflichtig geführt, weil ein Fall der sozialversicherungsrechtlichen Ausstrahlung vorliege. Deshalb erhalte der Kläger auch Versicherungsscheine und müsse rückwirkend Beiträge in Höhe von 1.755,54 DM nachzahlen. Am 22. Januar 2001 widersprach der Kläger diesem Schreiben ausdrücklich und wies darauf hin, dass seine Ehefrau vom französischen Finanzministerium in die USA entsandt worden sei. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 19. Februar 2001 mit, seine Pflegepflichtversicherung habe tatsächlich doch zum 31. Dezember 1996 geendet. Er sei allerdings bei seiner Rückkehr nach Deutschland zum 1. Januar 2002 wieder versicherungspflichtig.
Zum Beginn des Jahres 2002 nahm der Kläger wieder seinen Wohnsitz in Deutschland und kehrte in seine frühere Stellung als beihilfeberechtigter Beamter zurück. Zugleich bestand auch ein Krankenversicherungsvertrag mit der Beklagten, der auch einen (beihilfekonformem) Anspruch auf Krankenhausversorgung vorsah. Am 11. Februar 2002 beantragte der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 2002 den Abschluss einer Pflegepflichtversicherung zu den ursprünglichen Vertragsbedingungen. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 15. Februar 2002 ab.
Am 22. Februar 2002 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und darin vor allem den Abschluss eines Versicherungsvertrages zu den ursprünglichen Bedingungen und eine Leistungszusage bei Aufenthalt im EG-Ausland beantragt. Das Sozialgericht hat die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung der Beklagten beigezogen und sodann durch Urteil vom 13. Mai 2004 die Klage abgewiesen: Die Klage sei teilweise wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, nämlich insoweit, als der Kläger eine ausdrückliche Leistungszusage für den Fall des Aufenthaltes in Frankreich begehre. Denn insoweit habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 23. August 2000 bereits eine Leistungserbringung unter der Voraussetzung des Bestehens eines Pflegepflichtversicherungsvertrages und des Vorliegens der Voraussetzungen einer Pflegegeldzahlung zugesagt. Im Übrigen sei die Klage nicht begründet, denn der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages nach § 110 Abs. 1 und 2 SGB XI. Diese Vorschriften seien entsprechend ihrem Sinn und Zweck gegenüber dem Wortlaut einschränkend auszulegen. Der Gesetzgeber habe die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Pflegeversicherung privat Krankenversicherten als besonders schutzwürdig angesehen, weil sie bei Abschluss des privaten Krankenversicherungsvertrages nicht damit rechnen mussten, zu den üblichen Bedingungen auch noch einen privaten Pflegeversicherungsvertrag abschließen zu müssen. Dieser Schutzzweck entfalle aber nach Auffassung der Kammer im Falle des Klägers, der in Kenntnis der Bedingungen den privaten Pflegepflichtversicherungsvertrag aufgelöst habe, um ihn später wieder abschließen zu wollen.
Gegen dieses ihm am 15. Juni 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Juni 2004 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Er meint, er sei weiterhin zum Kreis der so genannten Altversicherten zu zählen gemäß § 110 Abs. 1 SGB XI, weil sein privater Krankenversicherungsvertrag – an dem die Pflegepflichtversicherung anknüpfe – bereits zum 1. Januar 1995 bestanden habe und seitdem unbeendet fortbestehe. Allein dieser fortbestehende unveränderte Krankenversicherungsschutz sei nach Maßgabe des § 110 Abs. 1 SGB XI der entscheidende Anknüpfungspunkt und nicht der Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages. Auch bedürfe die Frage der Leistungen in das europäische Ausland weiterhin der Klärung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2004 aufzuheben und
1. festzustellen, dass der Kläger zum Personenkreis des § 110 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB XI gehört und daher auch nach den für diesen Personenkreis geltenden Tarifen zu behandeln ist, 2. festzustellen, dass die Beklagte bezüglich des im Jahre 2002 gestellten Antrages des Klägers auf Pflegepflichtversicherung dem Kontrahierungszwang unterliegt, und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger antragsgemäß zu versichern, 3. die Beklagte zu verpflichten, den bereits beantragten Pflegeversicherungsvertrag nach § 110 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB XI abzuschließen, d. h. ohne Risikoprüfung und zu den für diesen Personenkreis vorgesehenen Tarifen, 4. die Beklagte zu verpflichten, in dem abzuschließenden Versicherungsvertrag abweichend von den derzeitigen allgemeinen Vertragsbedingungen die Leistungsgewährung und das reguläre Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses ohne Einschränkungen auch für den Fall der ständigen Wohnsitznahme in einem Land der europäischen Union ausdrücklich und nicht widerruflich zuzusagen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und bewertet den Kläger als zum Personenkreis des § 110 Abs. 3 SGB XI gehörend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), und im Sinne des Antrages zu 3. auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2004 war zu ändern, die Beklagte war zu verurteilen, mit dem Kläger ab dem 1. Januar 2002 einen privaten Pflegepflichtversicherungsvertrag nach Maßgabe des § 110 Abs. 1, 2 SGB XI abzuschließen. Im Übrigen hingegen war die Berufung zurückzuweisen.
1. Nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI besteht ein Kontrahierungszwang für die Beklagte mit dem Kläger, weil dieser bei der Beklagten gegen das Risiko Krankheit mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert ist und nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI der Versicherungspflicht unterliegt. Nach § 110 Abs. 2 SGB XI besteht die Pflicht eines privaten Pflegeversicherungsunternehmens wie der Beklagten zum Abschluss eines Vertrages unter den in Abs. 1 näher umschriebenen, für die Versicherungsnehmer günstigeren Bedingungen für alle Versicherungsverträge, die mit Personen abgeschlossen werden, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des SGB XI Mitglied bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen sind. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger, denn er war bereits bei In-Kraft-Tretens des SGB XI zum 01. Januar 1995 Mitglied der Beklagten in deren Eigenschaft als privates Krankenversicherungsunternehmen und besaß auch einen Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen.
Diesen Anspruch hat zwar die Beklagte im Jahre 1995 dadurch erfüllt, dass sie mit dem Kläger einen privaten Pflegeversicherungsvertrag zu den Bedingungen nach § 110 Abs. 1 SGB XI abschloss. Indessen ist zur Überzeugung des Senats zum 1. Januar 2002 ein erneuter Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages zu den alten Bedingungen entstanden, weil der zunächst im Jahre 1995 abgeschlossene Pflegeversicherungsvertrag zum 31. Dezember 1996 endete und die Anspruchsvoraussetzungen nach § 110 Abs. 1, 2 SGB XI zum 1. Januar 2002 erneut durch den Kläger erfüllt wurden:
a) Gemäß § 15 Abs. 3 und 4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung, die dem im Jahre 1995 abgeschlossenen Vertrag zugrunde lagen, endete die private Pflegeversicherung des Klägers zum 31. Dezember 1996, weil er danach sowohl als Versicherungsnehmer als auch als Versicherter seinen Wohnsitz in das (außereuropäische) Ausland verlegte. Diese Versicherungsbedingungen sind wirksam, sie verstoßen insbesondere nicht gegen den in § 110 SGB XI geregelten Kontrahierungszwang der Beklagten. Denn ab dem Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung des Klägers in das Ausland erlosch auch der Kontrahierungszwang für die Beklagte, weil gemäß § 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) die Vorschriften über eine Versicherungspflicht und eine Versicherungsberechtigung, soweit sie – wie vorliegend – eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, nur dann gelten, wenn die betreffenden Personen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland haben.
Hieran änderte sich auch nichts durch die Vorschrift des § 4 SGB IV über die so genannte sozialversicherungsrechtliche Ausstrahlung. An einer solchen Ausstrahlung fehlte es schon deswegen, weil weder der Kläger noch – bei gegebenenfalls analoger Anwendung des § 4 SGB IV – seine Ehefrau von einem deutschen Arbeitgeber oder Dienstherrn in das Ausland entsandt oder zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in das Ausland übergesiedelt waren.
b) Auch durch die zwischenzeitlich von den Beteiligten einander gegenüber abgegebenen Willenserklärungen ist vor dem 1. Januar 2002 kein erneuter Vertrag über den Abschluss einer privaten Pflegeversicherung zustande gekommen. Zwar hat der Kläger am 6. September 2000 gegenüber der Beklagten einen Antrag im Sinne von § 145 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgegeben, gerichtet auf den Abschluss eines solchen Vertrages zu den für so genannte Altversicherte geltenden Bedingungen. Dieser Antrag ist jedoch gemäß § 146 BGB erloschen, nachdem die Beklagte ihn mit ihrem Schreiben vom 21. September 2000 ausdrücklich abgelehnt hatte.
Sodann kann möglicherweise das Schreiben der Beklagten vom 16. Januar 2001, dem zudem neue Versicherungsscheine beigefügt waren, als Antrag der Beklagten auf Abschluss eines neuen Pflegeversicherungsvertrages zu den für so genannte Altversicherte geltenden Bedingungen gesehen werden, denn ein derartiger Vertrag kann auch durch schlüssiges Verhalten – etwa durch Übersendung von Versicherungsscheinen und anschließende Beitragsentrichtung – zustande kommen (Udsching, SGB XI, 2. Auflage 2000 § 110 Randnummer 4 mit weiteren Nachweisen). Indessen hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 22. Januar 2001 den möglichen Antrag der Beklagten ausdrücklich abgelehnt und nach § 146 BGB dessen Erlöschen herbeigeführt. Vor diesem Hintergrund kann vorliegend offen bleiben, ob die Beklagte sodann ihre Erklärung vom 16. Januar 2001 angefochten hat und ob im Hinblick auf einen Versicherungsvertrag die Anfechtungsvorschrift des § 119 Abs. 2 BGB Anwendung findet (hierzu Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Februar 1995, IV ZR 158/94, NJW-RR 1995, 725).
c) Ab dem 1. Januar 2002 unterlag der Kläger jedoch wieder gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI der Pflicht zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrags. Zur Überzeugung des Senats entstand ab diesem Zeitpunkt der Kontrahierungszwang der Beklagten – und zwar zu den alten, in § 110 Abs. 1 SGB XI näher umschriebenen Bedingungen – erneut. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 110 Abs. 2 SGB XI, der keine zeitliche oder sonstige Grenze für den Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages unter den für so genannte Altversicherte geltenden, günstigeren Bedingungen vorsieht, insbesondere nicht auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des SGB XI zum 1. Januar 1995 beschränkt ist. Dies entspricht darüber hinaus auch dem Sinn und Zweck dieser Regelungen. Denn der Gesetzgeber hat den Personenkreis derjenigen, die schon vor dem 1. Januar 1995 einen privaten Krankenversicherungsvertrag mit Anspruch auf Krankenhausversorgung besaßen, als besonders schutzwürdig angesehen, weil dieser Personenkreis, als er sich für einen privaten Krankenversicherungsschutz entschied, noch nicht wissen konnte, dass eine private Pflegeversicherungspflicht eingeführt werden würde (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit, BR-Drucksache 505/93 Seite 154 zu § 119).
Der für den Gesetzgeber hiernach entscheidende Anknüpfungspunkt ist nicht der – gegebenenfalls spätere – Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages, sondern vielmehr der zum 1. Januar 1995 bestehende und seitdem aufrechterhaltene Krankenversicherungsvertrag. Die besondere Schutzwürdigkeit des Personenkreises der so genannten Altversicherten besteht nämlich deswegen, weil sie sich – zumeist unwiderruflich – schon vor dem Jahre 1995 für den Beitritt zur privaten Krankenversicherung entschieden hatten und sie deshalb beim späteren Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages begünstigt werden sollten. Dieser Schutzzweck besteht zur Überzeugung des Senats auch dann, wenn – wie vorliegend – der Pflegeversicherungsvertrag vorübergehend unterbrochen war und allein der Krankenversicherungsvertrag fortbestand. Denn auch in diesem Falle hat der Versicherte die grundlegende Entscheidung zum Beitritt zu einem privaten Krankenversicherungs-Unternehmen unwiderruflich vor dem Jahre 1995 getroffen und bereits damals den Sachverhalt geschaffen, der den entscheidenden Anknüpfungspunkt für den vom Gesetzgeber gewollten Vertrauensschutz darstellt.
2. Darüber hinaus ergibt sich der geltend gemachte Anspruch auch aus der Stellung des Klägers als eines beihilfeberechtigten Beamten. Er besaß die Beihilfeberechtigung bereits zum 1. Januar 1995 und besitzt sie wieder seit dem 1. Januar 2002; in der Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2001 ruhte zwar die Beihilfeberechtigung, doch das ihr zugrunde liegende Beamtenverhältnis war auch in dieser Zeit nicht aufgelöst. Für den Kläger folgt hieraus eine Versicherungspflicht nach § 23 Abs. 3 SGB XI. Diese Vorschrift begründet für den Personenkreis des Klägers eine eigenständige Vorsorgeverpflichtung unabhängig vom Bestehen einer Krankenversicherung. Ein derartiges Verständnis ist von § 110 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI, der die Vorschrift des § 23 Abs. 3 SGB XI als eigenständigen Tatbestand der Versicherungspflicht zitiert, vorausgesetzt und neben dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XI insbesondere durch das dem Pflegeversicherungsrecht zu Grunde liegende Gesamtkonzept geboten (Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Februar 2004, B 12 P 3/02 R, SozR 4-3300 § 23 Nr. 1).
Auch vor diesem Hintergrund ist der Kläger als so genannter Altversicherter anzusehen, denn der nach § 23 Abs. 3 SGB XI bestehende Anknüpfungspunkt – die Beihilfeberechtigung – bestand bei dem Kläger bereits seit dem 1. Januar 1995 und war auch in der Zwischenzeit jedenfalls dem rechtlichen Grunde nach durchgehend gegeben. Der Auslandsaufenthalt in den Jahren 1997 bis 2001 stellte insoweit gerade keine Lösung von diesem Anknüpfungspunkt dar, denn das Beamtenverhältnis war nicht aufgelöst, sondern ruhte für den begrenzten, im Vorhinein genau bestimmten Zeitraum der Jahre 1997 bis 2001. Bereits bei Beginn des Ruhenszeitraums war festgelegt, dass nach Ablauf dieses Zeitraums – ohne dass es eines weiteren Zutuns des Klägers oder seines Dienstherrn bedurft hätte – das Beamtenverhältnis einschließlich der Beihilfeberechtigung in vollem Umfang wieder aufleben würde. Hierdurch war zugleich von vornherein festgelegt, dass der Kläger beihilferechtlich in seine bereits zum 1. Januar 1995 bestehende Stellung zurückkehren würde, die auch für die pflegeversicherungsrechtliche Anknüpfung maßgeblich ist.
3. Im Übrigen jedoch war die Berufung zurückzuweisen, denn insoweit hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Das Sozialgericht hat der Sache nach auch über das in den im Berufungsverfahren neu formulierten Anträgen zu 1., zu 2. und zu 4. enthaltene Rechtsschutzbegehren mit entschieden.
a) Allerdings ist hinsichtlich der Anträge zu 1. und zu 2. jedenfalls nunmehr das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, weil der Kläger vor dem Hintergrund der aus dem Tenor ersichtlichen Teilstattgabe zumindest jetzt kein rechtlich schützenswertes Interesse an den in den Anträgen zu 1. und zu 2. begehrten Feststellungen bzw. einer weiteren Verurteilung der Beklagten zu einem Vertragsabschluss hat.
b) Ebenso wenig ist der Antrag zu 4. zulässig. Allerdings ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 23. August 2000 entfallen. Zwar stellt die Beklagte in diesem Schreiben in Aussicht, sie werde das Pflegetagegeld auch bei einem Aufenthalt im Ausland leisten, doch kann darin keine Leistungszusage für sämtliche Leistungen der Pflegeversicherung gesehen werden. Indessen fehlt diesem Antrag jedenfalls derzeit ein konkretes Rechtsschutzbedürfnis, weil gegenwärtig nicht ersichtlich ist, ob und gegebenenfalls wann der Kläger seinen Wohnsitz nach Frankreich verlegen wird und ob er dann ein versichertes Mitglied der Beklagten sein wird. Vor diesem Hintergrund ist gegenwärtig kein hinreichend konkreter Sachverhalt erkennbar, auf dessen Grundlage eine aktuelle Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage besteht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits zuzulassen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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