L 6 Ar 1572/96 NZB

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 1565/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 1572/96 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wendet sich ein Kläger gegen die Vollstreckung einer rechtskräftig festgestellten Darlehensrückforderung, begründet die Klage jedoch nicht und behauptet in der (letzten) mündlichen Verhandlung, die Forderung sei durch Vollstreckung erloschen – ohne dies näher zu erläutern – verstößt das Sozialgericht nicht gegen die Untersuchungsmaxime, wenn es unter Hinweis auf Vortrag und Unterlagen der Beklagten vom Fortbestand der Forderung ausgeht und mangels Substantiierung der Behauptung des Klägers keine weiteren Beweise erhebt.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Im Streit steht die Berechtigung der Beklagten zur Vollstreckung einer rechtskräftig festgestellten Rückzahlungsforderung gegen den Kläger aus einem Darlehen in ursprünglicher Höhe von DM 1.500,–. Mit Urteil vom 25. September 1991 (L-6/Ar-1183/88) hat der erkennende Senat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 17. August 1988 (S-5/Ar-194/88) als unzulässig verworfen. In dem damit rechtskräftigen Urteil des Sozialgerichts war festgestellt worden, daß die Beklagte den Darlehensbetrag in Höhe von DM 1.500,– zu Recht mit Bescheid vom 25. Februar 1988 zurückgefordert und fällig gestellt habe. Soweit die Beklagte gegen einen Nachzahlungsanspruch des Klägers in Höhe von DM 706,97 aufgerechnet hat, hat das Sozialgericht den Bescheid vom 25. Februar 1988 aufgehoben, im übrigen die Klage jedoch abgewiesen. In der Folgezeit versuchte die Beklagte weiterhin, die Forderung einzuziehen, wogegen sich der Kläger zur Wehr gesetzt hat (vgl. z.B. Rechtsstreit S-5/Ar-494/94 – Sozialgericht Marburg – Urteil vom 21. Dezember 1995).

Im vorliegenden Rechtsstreit (Klage vom 23. Dezember 1994) wendet sich der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 1994, mit dem die Beklagte eine Aussetzung der Vollstreckung durch das hierzu beauftragte Hauptzollamt B. ablehnte hinsichtlich einer von der Beklagten geltend gemachten Restforderung in Höhe von DM 726,19. Der Kläger hat behauptet, es liege ihm kein Forderungs- oder Leistungsbescheid vor. Trotz verschiedener Erinnerungen hat der Kläger die Klage nicht weiter begründet.

Ausweislich des Protokolls vom 22. Oktober 1996 hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht behauptet, die Forderung sei durch Vollstreckung erloschen. Mit Urteil vom 22. Oktober 1996 (S-5/Ar-1565/94) hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe mit den angefochtenen Bescheiden die vom Kläger begehrte Aussetzung der Vollziehung in Form eines Verwaltungsaktes abgelehnt. Dies sie jedoch zu Recht erfolgt, da nach den Angaben und Aktenunterlagen der Beklagten eine Restforderung in Höhe von DM 726,19 bestehe. Für die Behauptung des Klägers, die Forderung sei durch Vollstreckung erloschen, fehle jeglicher Beweis. Der Kläger habe für seine Behauptung auch keinen Beweis angetreten. Es sei deshalb davon auszugehen, daß die Forderung tatsächlich bestehe. Die Vollstreckungsvoraussetzungen lägen auch vor (wird näher ausgeführt).

Gegen das ihm am 7. November 1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. Dezember 1996 die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Die rechtzeitig eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Die Berufung war nicht zuzulassen, denn der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das erstinstanzliche Urteil von einer obergerichtlichen Entscheidung ab, noch war das Vorliegen eines vom Kläger gerügten Verfahrensmangels, auf dem das Urteil beruhen kann, festzustellen, § 144 Abs. 2 SGG. Dabei ist ein Verfahrensmangel nur gegeben, wenn das Gericht gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die das gerichtliche Verfahren regelt, wenn es also prozessual falsch vorgegangen ist. Eine Überprüfung der materiellen Richtigkeit eines Urteils kann durch das Berufungsgericht erst erfolgen, wenn die Berufung entweder zulässig ist oder nachdem die Berufung zugelassen worden ist.

Nach dem sich aus den Gerichtsakten und den Verwaltungsakten der Beklagten ergebenden Sachverhalt konnte die Beklagte den rechtskräftig festgestellten Rückforderungsbetrag in Höhe von noch DM 726,19 bisher vom Kläger nicht erlangen. Dieser hat vielmehr über viele Jahre hinweg die Vollstreckung in der noch offenen Höhe verhindert. Es kann nicht festgestellt werden, daß das Sozialgericht gegen die Untersuchungsmaxime des § 103 SGG verstoßen hat, wie der Kläger rügt. Dieser Verfahrensgrundsatz bedeutet nicht, daß das Gericht unbegrenzt in alle Richtungen (sozusagen "ins Blaue” hinein) ermitteln muß. Vielmehr sind die Beteiligten heranzuziehen, insbesondere hinsichtlich derjenigen Tatsachen, die den Beteiligten bekannt sind (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl. § 103 Rdnr. 14). Nachdem der Kläger trotz wiederholter Aufforderungen des Gerichts die Klage über fast zwei Jahre nicht näher begründet hat, reicht es i.S. der Mitwirkungspflicht nicht aus, dann in der mündlichen Verhandlung lediglich eine allgemeine Behauptung aufzustellen, ohne diese zu substantiieren. Nach den vorliegenden Unterlagen der Beklagten, die das Gericht beigezogen hatte (auch eine Kopie der Einziehungsakten), ergab sich nicht, daß die Forderung erloschen ist. Es hätte deshalb schon genauerer Hinweise des Klägers bedurft, wann, auf welche Weise und in welcher Höhe denn die Vollstreckung erfolgreich gewesen sei, oder ob er den Betrag überwiesen hat, um dem Gericht die Möglichkeit konkreter Ermittlungen zu eröffnen. Nur dann, wenn sich solche Ermittlungsmöglichkeiten aufgedrängt hätten, hätte die Unterlassung zu einem Verfahrensfehler geführt.

Das weitere Vorbringen des Klägers konnte nicht berücksichtigt werden, da es sich entweder mit der materiellen Richtigkeit des angefochtenen Urteils befaßt und damit nicht die Richtigkeit des prozessualen Vorgehens des Sozialgerichts auf dem Weg zum Urteil betrifft, oder den hier zugrunde liegenden Streitgegenstand nicht betrifft.
Rechtskraft
Aus
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