B 2 U 31/01 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 31/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. September 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zur Ausgleichsumlage nach den §§ 176 ff des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Der Kläger betreibt ein privates Altenpflegeheim. Für dieses Unternehmen setzte die Beklagte mit Beitragsbescheiden vom 17. April 1998, 21. April 1999 und 26. April 2000 ua als Ausgleichsumlagen für die Jahre 1997 bis 1999 Beträge in Höhe von 772,20 DM, 699,64 DM und 865,10 DM fest. Die jeweils eingelegten Widersprüche, mit denen der Kläger die Bescheide wegen der Befreiung gemeinnütziger Alterspflegeheime von der Umlage unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten beanstandete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2000 zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. März 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 4. September 2001). Die Heranziehung des Klägers zur Ausgleichsumlage sei nicht verfassungswidrig. Die in § 180 Satz 3 SGB VII getroffene Ausnahmeregelung für gemeinnützige Einrichtungen stehe im Einklang mit Art 14 Abs 1, Art 12 Abs 1 und Art 2 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Im Hinblick auf Art 12 Abs 1 GG komme es nicht auf die Auswirkung des Ausgleichsbeitrages in seiner Gesamtheit an. § 180 Satz 3 SGB VII weise keine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Ferner könne nicht darauf abgestellt werden, wie hoch die durch die Freistellung gemeinnütziger Unternehmen bedingte Mehrbelastung für alle nicht gemeinnützigen Unternehmen im Bundesgebiet sei. Entscheidend könnten mit Rücksicht auf die individualrechtliche Ausrichtung des Grundrechtsschutzes nur die Auswirkungen auf das einzelne Unternehmen sein. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG sei nicht gegeben. Die Freistellung gemeinnütziger Unternehmen von der Heranziehung zur Ausgleichsumlage finde ihre Rechtfertigung in der Ausrichtung dieser Unternehmen auf die selbstlose Förderung der Allgemeinheit. Ebenso wenig stünden einer Anwendung des § 180 Satz 3 SGB VII europarechtliche Vorschriften entgegen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Ansicht des LSG, dass kein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art 12 GG gegeben sein solle, überzeuge nicht. Wenn in der Erhebung der Ausgleichsabgabe ausschließlich bei nicht gemeinnützigen Trägern und der Befreiung der gemeinnützigen Träger von dieser Abgabe eine Wettbewerbsverzerrung liege, sei auch Art 12 GG betroffen. Bei der Beurteilung dieser Frage habe das LSG zu Unrecht nur auf die Auswirkungen bei ihm, dem Kläger, nicht jedoch auf die Auswirkungen der Abgabe in ihrer Gesamtheit abgestellt. Der Ansicht des LSG, die Regelung habe keine objektiv berufsregelnde Tendenz, sei nicht zu folgen. Die jährliche Ausgleichsabgabe aller Mitglieder des Bundesverbandes der privaten Alten- und Pflegeheime und ambulanter Dienste eV betrage zusammen 2.381.360,- DM; es gebe auch weitere private Altenheime, die nicht dem Verband angehörten, so dass insgesamt eine Ausgleichsabgabe in Höhe von etwa 4,8 Millionen DM erhoben werde. Die Abgabe würde sich für alle privaten Träger um zwei Drittel verringern, wenn sie auch bei gemeinnützigen Trägern erhoben würde. Die Mehrbelastung der nicht gemeinnützigen Träger liege somit bei etwa 3,2 Millionen DM pro Jahr. Dies lasse erkennen, dass eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung und damit auch ein Verstoß gegen Art 12 GG gegeben sei. Wenn die Verbände der privaten Träger diese Beiträge als Umlage erhielten, könnte die Betreuung und Beratung der angeschlossenen Einrichtungen und deren Konkurrenzfähigkeit im Vergleich zu gemeinnützigen Einrichtungen verbessert werden. Insofern hätte eine gleichmäßige Verteilung der Ausgleichsabgabe auf alle Träger ganz konkrete Auswirkungen auf das einzelne Unternehmen. Wenn der Bundesverband die bei einer Gleichstellung aller Träger freiwerdenden Teile der Ausgleichsabgaben zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit seiner Mitglieder einsetzen könnte, wäre dadurch eine Wettbewerbsgleichstellung auch mit konkurrierenden gemeinnützigen Trägern erreicht, die nämlich ihrerseits dann weniger Geldmittel für wettbewerbsstärkende Maßnahmen ausgeben könnten. Des Weiteren habe das LSG einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG zu Unrecht verneint. Es sei nämlich unzutreffend, dass es im Rahmen des Gleichheitssatzes auf die Größenordnung der finanziellen Auswirkungen eines Verstoßes ankomme; entscheidend sei allein, ob eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt sei. Es sei zwar nicht angreifbar, dass der Gesetzgeber die gemeinnützigen Träger nach der Abgabenordnung (AO) habe bevorzugen wollen. Dies beziehe sich aber ausschließlich auf die Besteuerung und sei deshalb konsequent, weil derartige Einrichtungen keine zu versteuernden Gewinne erwirtschaften dürften. Eine weiter gehende Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Privilegierung gemeinnütziger Träger könne dem jedoch nicht entnommen werden. Beiträge zur Berufsgenossenschaft seien wie andere Kosten bei der Pflegesatzermittlung einzurechnen. Dadurch erhöhten sich bei den nicht gemeinnützigen Trägern die von den Kassen bzw bei Selbstzahlern von den Bewohnern zu entrichtenden täglichen Pflegesätze um den anteiligen Betrag dieser Ausgleichslast. Entsprechend seien die Pflegesätze gemeinnütziger Träger um diesen anteiligen Betrag niedriger. Diese günstige Stellung der gemeinnützigen Träger könne auch nicht mit sozialen Argumenten gerechtfertigt werden. Der Umstand, ob ein Betreiber ein Altenpflegeheim gewinnorientiert führe oder als gemeinnützig anerkannt sei, dürfe nicht mit Wettbewerbsvorteilen in Form von niedrigeren Pflegesätzen verbunden sein. Diese Ungleichbehandlung wäre noch zu rechtfertigen, wenn sie das Betriebsergebnis der gemeinnützigen Träger verbesserte, wovon der Gesetzgeber fälschlicherweise ausgegangen sei. Tatsächlich schlage sich die Erhebung der Ausgleichslast ausschließlich in der Kostenberechnung der Pflegesätze nieder. Sie werde deshalb voll an die Heimbewohner bzw die Kassen weitergegeben und sei für den Träger kostenneutral. Dies habe zur Folge, dass gemeinnützige Träger aufgrund ihrer Befreiung von der Abgabe mit niedrigeren Pflegesätzen in direktem Wettbewerb um Heimbewohner mit den nicht gemeinnützigen Trägern konkurrierten. Diese Wettbewerbsverzerrung könne nicht als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips sachlich gerechtfertigt werden, sondern sei willkürlich und vom Gesetzgeber nicht gewollt. Dass der Gesetzgeber gemeinnützige Träger nur im steuerlichen Bereich, nicht aber bei sonstigen Abgaben habe privilegieren wollen, werde an dem Beispiel deutlich, dass eine Kommune ein Altenpflegeheim eines gemeinnützigen Trägers im Gegensatz zu einem privaten Altenheim auch nicht von der Zahlung von Wasser- oder Müllgebühren freistelle. Dieses wäre offensichtlich ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. So verhalte es sich aber auch bei der angegriffenen Ausgleichsabgabe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. September 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 31. März 2001 sowie die Bescheide der Beklagten vom 17. April 1998, vom 21. April 1999 und vom 26. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2000 bezüglich des festgesetzten Beitrages zur Ausgleichslast aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Die Beklagte hat den Kläger für die Jahre 1997 bis 1999 zu Recht zur Zahlung einer Ausgleichsumlage gemäß den §§ 176 ff SGB VII herangezogen. Die Veranlagung beruht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die betreffenden Vorschriften (§§ 176 bis 181 SGB VII), insbesondere § 180 Satz 3 SGB VII, verstoßen nicht gegen das GG.

Nach Maßgabe des § 176 SGB VII gleichen die gewerblichen Berufsgenossenschaften den Lastenanteil an Renten iS des § 177 Abs 1 SGB VII und an Entschädigungen iS des § 176 Abs 2 SGB VII untereinander aus, soweit der jeweilige Entschädigungslastsatz einer Berufsgenossenschaft bei Renten das Viereinhalbfache, bei Entschädigungen das Fünffache des jeweiligen durchschnittlichen Entschädigungslastsatzes der gewerblichen Berufsgenossenschaften übersteigt. Nach § 179 SGB VII werden die Beiträge der Unternehmen einer Berufsgenossenschaft für deren sich gemäß § 178 Abs 2 und 3 SGB VII zu berechnenden Ausgleichsanteil ausschließlich nach dem Arbeitsentgelt der Versicherten in den Unternehmen umgelegt. Bei Anwendung der §§ 178 und 179 SGB VII, also sowohl bei der Berechnung des auf die jeweilige Berufsgenossenschaft fallenden Ausgleichsanteils als auch bei dessen Umlegung auf die Unternehmen, bleibt gemäß § 180 SGB VII für jedes Unternehmen eine dort näher bestimmte Jahresentgeltsumme außer Betracht (Satz 1). Bei der Beklagten bleiben außerdem die Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege, die gemeinnützigen privaten Krankenhäuser und andere vergleichbare private gemeinnützige Anstalten außer Betracht (Satz 3). Außer Betracht bleiben ferner Unternehmen nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten sowie gemeinnützige Unternehmen (Satz 4).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Vorschriften für die Heranziehung des Klägers zur Ausgleichsumlage für die Jahre 1997 bis 1999 nach den §§ 176 ff SGB VII, insbesondere die des § 179 SGB VII, sind nach den vom Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen angegriffenen und daher für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt. Ob dabei die gemeinnützigen Einrichtungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, die gemäß § 180 Satz 3 SGB VII bei der Anwendung der §§ 179 und 180 SGB VII unberücksichtigt geblieben sind, auch wegen § 180 Satz 4 SGB VII unberücksichtigt bleiben mussten, kann offen bleiben. Normen des GG werden nicht dadurch verletzt, dass der Kläger im Gegensatz zu den in § 180 Satz 3 SGB VII genannten Trägern nicht von der Zahlung der Ausgleichsumlage befreit wird.

Die Regelung des § 180 Satz 3 SGB VII stellt keinen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Klägers nach Art 12 Abs 1 GG dar. Dieses Grundrecht, das auch die Ausübung des Berufs schützt (Berufsausübungsfreiheit), ist nicht nur bei unmittelbaren Eingriffen, sondern auch dann verletzt, wenn die Auswirkungen hoheitlichen Handelns geeignet sind, dieses Grundrecht zu beeinträchtigen (mittelbarer Eingriff; BVerfGE 13, 181, 185 f). Im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsordnung ist das Verhalten der Unternehmer im Wettbewerb Bestandteil ihrer Berufsausübung; soweit es rechtlich normiert ist, ist ihr Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG dadurch berührt (BVerfGE 46, 120, 137 ff). So kann auch durch staatliche Planung, Subventionierung oder als Folge einer bestimmten Wahrnehmung von Aufgaben staatlicher Leistungsverwaltung der Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG berührt werden (BVerfGE 82, 209, 223; 86, 28, 37 mwN). Insbesondere kann die Berufsfreiheit in ihrer Ausprägung als Gewährleistung der Wettbewerbsfreiheit auch dann tangiert sein, wenn ein staatlicher Eingriff in Form einer sachlich nicht gerechtfertigten Mittelvergabe an einen Konkurrenten am Markt stattfindet (BSGE 88, 215, 222 = SozR 3-3300 § 9 Nr 1).

Allerdings richtet sich der Schutz des Art 12 Abs 1 GG nicht gegen jedwede auch nur mittelbar wirkende Beeinträchtigung des Berufs (BVerfGE 97, 228, 253). Wann und in welchem Ausmaß gewisse tatsächliche Einwirkungen eine relevante Beeinträchtigung des Grundrechts ausmachen, muss in Ermangelung einheitlicher formaler Eingriffskriterien in jedem Einzelfall materiell nach Maßgabe des Schutzzweckes ermittelt werden. Dementsprechend ist es geboten, den Schutzbereich der grundrechtlichen unternehmerischen Betätigungsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG einzugrenzen (BVerwGE 71, 183, 192). Eine (mittelbare) Auswirkung bedeutet dann einen Eingriff in die Berufsfreiheit, wenn sie von einigem Gewicht ist und dadurch eine objektiv berufsregelnde Tendenz entfaltet (BVerfG aaO; BVerwG Urteil vom 5. Dezember 2000, NJW 2001, 1590; vgl auch BSGE 85, 98, 106 = SozR 3-2200 § 708 Nr 1; Manssen in von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, 4. Aufl, Art 12 GG RdNr 95 mwN; Pieroth/Schlinck, Staatsrecht II Grundrechte, 15. Aufl, S 203; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl, Art 12 GG RdNr 15).

Vor diesem Hintergrund kann durch die Regelung des § 180 Satz 3 SGB VII im Falle des Klägers nicht von einem Eingriff in sein Grundrecht auf Berufsfreiheit ausgegangen werden. So ist zunächst - entgegen der Ansicht des Klägers - maßgebend darauf abzustellen, dass bei der hier vorzunehmenden Betrachtung nur die Auswirkungen der gesetzlichen Regelung des § 180 Satz 3 SGB VII in der Person des Klägers und auf seine eigene berufliche Tätigkeit als Betreiber eines privaten Altenpflegeheims von Bedeutung sind. Es kommt nicht darauf an, welche Folgen die betreffende Vorschrift für die gesamte Branche der privaten Alten- und Pflegeheimbetreiber hat. Zwar argumentiert der Kläger damit, dass sich ganz konkrete Auswirkungen auf seinen Betrieb ergäben, wenn die in Rede stehende Umlage dem Bundesverband der privaten Alten- und Pflegeheime zu Gute käme und so etwa der innerbetriebliche Ausbildungsstand, die Betreuung durch den Verband und letztlich auch die Konkurrenzfähigkeit gegenüber gemeinnützigen Trägern verbessert würden. Dies vermag aber schon deswegen nicht einen Eingriff in die im Wege von Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufs- und Wettbewerbsfreiheit zu belegen, weil eine Verwendung des Umlageaufkommens durch die Berufsverbände gar nicht in Rede steht. Wären die Vergünstigungen der von der Ausgleichsumlage befreiten Einrichtungen nach § 180 SGB VII - wie der Kläger meint - verfassungswidrig, würde die gesetzliche Pflicht des Klägers zur Zahlung der Ausgleichsumlage nicht entfallen. Vielmehr müssten bei Nichtigkeitserklärung des § 180 Satz 3 und 4 SGB VII durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einmal bei der Berechnung des auf die Beklagte entfallenden Ausgleichsanteils die Arbeitsentgelte der Versicherten dieser Einrichtungen mitgezählt werden, was zu einer erheblichen Erhöhung des umzulegenden Betrages bei der Beklagten führen würde. Zum andern müsste der so errechnete Ausgleichsanteil entsprechend den Arbeitsentgelten der jeweiligen Versicherten auf alle Mitglieder der Beklagten, also auch auf die von der Ausgleichsumlage befreiten Einrichtungen, umgelegt werden. Da bei der hier umstrittenen Umlegung ein Ausgleichsanteil zugrunde gelegt worden ist, der ohne die Arbeitsentgelte dieser Einrichtungen errechnet worden und dementsprechend niedriger als bei Einbeziehung dieser Einrichtungen ist, wird der Kläger durch die Nichtberücksichtigung der von der Ausgleichsumlage befreiten Einrichtungen bei der Umlage des Ausgleichsanteils auf die Unternehmer nur unwesentlich höher belastet als bei voller Berücksichtigung der genannten Einrichtungen.

Die deshalb hier allein zu berücksichtigenden Zahlungspflichten des Klägers, mit denen dieser im Gegensatz zu von der Ausgleichsumlage befreiten Trägern belastet wird und die für die Jahre 1997 bis 1999 die Beträge in Höhe von 772,20 DM, 699,64 DM bzw 865,10 DM zum Gegenstand haben, wirken sich im Hinblick auf den dem Art 12 Abs 1 GG immanenten Schutz der Wettbewerbsfreiheit schon deshalb nicht so intensiv aus, weil diese zu entrichtenden Beträge bei nicht vorhandener Privilegierung der in § 180 Satz 3 SGB VII genannten Einrichtungen nur unwesentlich niedriger wären.

Darüber hinaus verletzt die Heranziehung des Klägers zur Ausgleichsumlage - im Gegensatz zu den gemäß § 180 Satz 3 SGB VII von der Ausgleichsumlage befreiten Trägern - nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es mit ihm unvereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 81, 156, 205/206 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; BVerfGE 93, 386, 397; 102, 41, 54 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3). Als Vergleichsgruppen sind hier einerseits die Mitglieder der Beklagten, die - wie der Kläger - ein nicht gemeinnütziges Altenpflegeheim betreiben, und andererseits die Mitglieder der Beklagten, soweit sie als Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege oder als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen Altenpflegeheime betreiben, heranzuziehen. Die sich aus der angegriffenen Vorschrift des § 180 Satz 3 SGB VII ergebenden Unterschiede bestehen darin, dass die erste Gruppe - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - zur Zahlung einer jährlichen Ausgleichsumlage verpflichtet ist, während die zweite Gruppe hierzu nicht herangezogen wird. Im Falle des Klägers betrug der hierdurch bedingte Beitragsunterschied in den Jahren 1997 bis 1999 772,20 DM, 699,64 DM bzw 865,10 DM. Die Höhe der jährlichen Umlage und damit der Unterschied in der Beitragszahlung der beiden Gruppen wäre allerdings erheblich höher, wenn bei der Ermittlung des auf die Beklagte entfallenden Ausgleichsanteils die Arbeitsentgelte der von der Ausgleichsumlage befreiten Einrichtungen mit berücksichtigt würden. Da § 180 Satz 3 iVm Satz 1 SGB VII dies aber ausschließt, wird die auf die nicht privilegierte Gruppe fallende Umlage nicht nur auf eine im Einzelfall zumutbare Höhe (hier: etwa 700 bis 900 DM jährlich) reduziert, sondern auch an entsprechende Belastungen der Unternehmer weit gehend angepasst, die bei gleicher Arbeitsentgeltsumme ihrer Versicherten bei einer nach den §§ 176 ff SGB VII in Anspruch genommenen gewerblichen Berufsgenossenschaft versichert sind, der keine gemeinnützigen Einrichtungen angehören. Die in der unterschiedlichen Heranziehung zur Tragung des Ausgleichsanteils liegende Ungleichbehandlung wird nicht dadurch verstärkt, dass durch sie - wenn auch in geringem Umfang - die Gruppe der Betreiber nicht gemeinnütziger Altenpflegeheime Gewinneinbußen und Wettbewerbsnachteile erleiden. Eher verringern sich diese Unterschiede in der Regel dadurch, dass die Umlage als Betriebskosten steuerlich abgesetzt werden kann. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der in der Höhe des jährlichen Umlagebetrages liegende Unterschied zwischen den beiden Vergleichsgruppen erheblich niedriger wäre, wenn die Befreiung von der Umlage nur der privilegierten Gruppe, dh den gemeinnützig geführten Altenpflegeheimen, gewährt würde. Der Umlagebetrag ist nämlich nur deswegen so hoch, weil unter die Befreiung von der Umlage auch der nicht zur Altenpflege gehörende übrige Bereich der freien Wohlfahrtspflege und der der gemeinnützigen Krankenhäuser und anderer privater gemeinnütziger Anstalten fällt. Dieser Bereich muss bei der Anwendung des Art 3 Abs 1 GG unberücksichtigt bleiben, zumal dessen Befreiung von der Umlage vom Kläger auch nicht als Verstoß gegen diese Verfassungsnorm gerügt worden ist.

Die sich hieraus ergebende geringfügige unterschiedliche Behandlung der beiden Vergleichsgruppen sind nicht von solchem Gewicht, dass sie nicht durch die Unterschiede zwischen diesen Gruppen gerechtfertigt würden. Vielmehr wird die Ungleichbehandlung dadurch gerechtfertigt, dass sich die beiden Gruppen wesentlich voneinander unterscheiden.

180 Satz 3 SGB VII knüpft mit der beitragsrechtlichen Privilegierung der dort genannten Einrichtungen an Regelungen im Steuerrecht, namentlich an die Vorschriften der AO, an (vgl Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII § 180 RdNr 5; Mehrtens, § 180 SGB VII RdNr 2). In den §§ 51 ff AO sind die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen für den Fall geregelt, dass eine Körperschaft (iS des Körperschaftsgesetzes) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke (steuerbegünstigte Zwecke) verfolgt. So kann einer bestimmten Körperschaft Gemeinnützigkeit zuerkannt werden, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem, oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs 1 AO). Unter diesen Voraussetzungen ist als Förderung der Allgemeinheit ua die im vorliegenden Zusammenhang bedeutsame Förderung der Altenhilfe, des öffentlichen Gesundheitswesens und des Wohlfahrtwesens anzuerkennen (§ 52 Abs 2 Nr 2 AO). Selbstlosigkeit iS des § 52 Abs 1 AO, aber auch iS des § 53 AO (mildtätige Zwecke) und des § 54 AO (kirchliche Zwecke) ist nach § 55 Abs 1 AO gegeben, wenn durch die betreffende Tätigkeit nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche - zB gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke - verfolgt werden und die weiteren, dort unter Nr 1 bis 5 genannten Kriterien erfüllt sind. Eine Einrichtung ist nach § 66 Abs 2 AO grundsätzlich dann dem Bereich der (freien, dh nicht-staatlichen) Wohlfahrtspflege zuzurechnen, wenn sie planmäßig, "zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbes wegen", Sorge für Not leidende oder gefährdete Mitmenschen übernimmt. Durch die Formulierung "zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbes wegen" bringt das Gesetz nichts anderes als das Erfordernis der selbstlosen Förderung der Allgemeinheit zum Ausdruck (Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, 10. Aufl, § 66 AO RdNr 22). Damit gilt der Gesichtspunkt der selbstlosen Förderung der Allgemeinheit für alle gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Einrichtungen als das gemeinsame prägende Wesensmerkmal. Unter diesem Gesichtspunkt bedarf es im Rahmen des § 180 Satz 3 SGB VII keiner Festlegung, ob der jeweilige Träger der freien Wohlfahrtspflege überwiegend gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt (vgl auch § 4 Nr 18 des Umsatzsteuergesetzes sowie § 23 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung). Der Gesetzgeber bezweckt mit den in den §§ 51 ff AO enthaltenen Regelungen, mit denen diesen Einrichtungen finanzielle Belastungen genommen, Finanzmittel zugeleitet oder sonstige Vergünstigungen erteilt werden, eine Besserstellung nicht-staatlicher Einrichtungen bzw Unternehmen ua im Bereich der Gesundheits- und Wohlfahrtspflege, die aus ideellen Erwägungen ihrer Betreiber, dh ohne einen sonstigen (wirtschaftlichen) Vorteil daraus zu ziehen, als Teil des öffentlichen Systems der sozialen Sicherung (Fischer, aaO RdNr 9) zum Allgemeinwohl tätig werden. Damit aber unterscheiden sich diese Einrichtungen in ihrer Zielsetzung wesentlich von nicht gemeinnützigen Unternehmen, deren Betreiber in erster Linie das Ziel verfolgen, Gewinn zu erzielen. Ferner ergeben sich aufgrund der bestehenden bzw nicht bestehenden Gewinnabsicht zwangsläufig Unterschiede finanzieller und organisatorischer Art.

Die Vergünstigungen, die der Gesetzgeber den gemeinnützigen Einrichtungen gewährt, sind nicht - wie der Kläger meint - auf das Steuerrecht beschränkt. Sie finden sich auch in zahlreichen anderen Rechtsgebieten, wie etwa im Baurecht (§ 19 Abs 4 Nr 4 des Bundesbaugesetzes), im Strafrecht (§ 56b Abs 2 Nr 2 des Strafgesetzbuches) und im Strafprozessrecht (§ 153a Abs 1 Satz 2 Nr 2 der Strafprozessordnung). Auch außerhalb des Unfallversicherungsrechts enthält das Sozialrecht Regelungen, die diesen Einrichtungen eine bevorzugte Rechtsstellung einräumen, wie etwa § 83 Abs 1 Nr 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, § 111a Satz 1 Halbs 2 und § 132a Abs 1 Satz 1 Halbs 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), § 74 Abs 1 Nr 3 und § 75 Abs 1 Nr 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch sowie § 102 Abs 3 Satz 1 Nr 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Für die Träger der freien Wohlfahrtspflege gilt Entsprechendes (vgl ua § 1 Abs 2 Auswandererschutzgesetz, § 18 Nr 4 Lohnfortzahlungsgesetz, § 2 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres, § 12 Abs 2 Nr 2 der Heimsicherungsverordnung, § 10 Abs 2, § 17 Abs 1 Satz 1, § 95 Satz 3 und § 119 Abs 7 Satz 2 des Bundessozialhilfegesetzes, § 132 Abs 2 SGB V sowie § 11 Abs 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch).

Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen darauf beschränkt wäre, besondere Regelungen zu Gunsten der gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Einrichtungen nur im Steuerrecht zu erlassen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf fehlende Vergünstigungen dieser Einrichtungen bei kommunalen Wasser- und Müllgebühren hinweist, ist dies schon deshalb kein überzeugendes Argument gegen die hier umstrittene Beitragsvergünstigung, weil Beiträge und Gebühren sich rechtlich erheblich unterscheiden. Auch soweit der Kläger geltend macht, die Befreiung von der Umlage führe bei den privilegierten Betreibern von Altenpflegeheimen zu einem niedrigerem Pflegesatz, ist dies verfassungsrechtlich nicht von Gewicht, zumal die Senkung von Pflegesätzen der Allgemeinheit zu Gute kommt und damit innerhalb der Zielsetzung des Trägers eines nach § 180 Satz 3 SGB VII von der Ausgleichsumlage befreiten Alterspflegeheims liegt.

Aus alledem folgt, dass die Privilegierung von Alterspflegeheimträgern, denen entweder die Gemeinnützigkeit zuerkannt ist oder die zum Bereich der freien Wohlfahrtspflege gehören, nach § 180 Satz 3 SGB VII durch sachliche Gründe getragen wird und somit keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes darstellt. Die Verletzung sonstiger Verfassungsnormen ist vom Kläger nicht gerügt worden. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte. Da der Senat die in § 180 Satz 3 SGB VII enthaltene Regelung nicht für verfassungswidrig hält, kommt eine Vorlage an das BVerfG (Art 100 Abs 1 Satz 1 GG) nicht in Betracht.

Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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