L 2 B 9/02 U ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 U 149/02 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 B 9/02 U ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16. August 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 19 ... geborene Antragsteller hat keinen Beruf erlernt und war während seines bisherigen Berufslebens im Wesentlichen als Schlosserhelfer oder Bauhelfer bei Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt.

Am 15.07.2001 erlitt er einen Arbeitsunfall mit Teilamputationen im Bereich des II. bis V. Fingers links. Wegen der Unfallfolgen erhält er von der Beklagten bis heute laufend Verletztengeld.

Die Antragsgegnerin finanzierte ihm Ende 2001 den Erwerb der Fahrerlaubnis Klasse B (früher: Klasse 3). Bei den regelmäßigen Gesprächen zwischen den Beteiligten äußerte der Antragsteller den Wunsch, zum Berufskraftfahrer oder zum selbstständigen Unternehmer mit Tätigkeitsbereich "Haushaltsauf lösung, Entrümpelungen, Umzüge" umgeschult zu werden. Die Antragsgegnerin hielt diese Umschulungswünsche bislang für unangemessen, weil der Antrag steller auf andere Helfertätigkeiten verwiesen werden könne. Im April 2002 teilte sie ihm mit, dass eine abschließende Entscheidung, ob und ggf. welche Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben notwendig seien, noch nicht getroffen werden könne, weil zunächst der Abschluss der medizinischen Behandlungsmaßnahmen abzuwarten sei (Schreiben vom 24.04.2002). Im Folgenden nahm sie Kontakt zu mehreren Arbeitgebern auf, die sich bereit erklärten, den Antragsteller als Qualitätsprüfer oder als Sicherungsposten einzustellen. Eine solche Tätigkeit hielt der beratende Arzt Dr. S ... für zumutbar (Arbeitsmedizinische Stellungnahme vom 21.08.2002). Wegen der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit kam es indes noch nicht zur Aufnahme einer konkreten Tätigkeit.

Der Antragsteller meinte, er sei wegen der Verletzungsfolgen nicht in der Lage, derartige Tätigkeiten zu versehen, weshalb er weiterhin die Umschulung zum selbstständigen Unternehmer oder zum Berufskraftfahrer wünsche. Nachdem die Antragsgegnerin zunächst die Gewährung von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt hatte, da der Antragsteller auf andere zur Verfügung stehende Tätigkeiten verweisen werden könne (Bescheid vom 18.09.2002), hat sie diese Entscheidung wegen Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit später aufgehoben und gemeint, eine abschließende Entscheidung über Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei noch nicht möglich (Bescheid vom 24.10.2002).

Bereits im Juni 2002 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen einstweiligen Rechtsschutz begehrt: Es sei bisher keinerlei Berufshilfe im Ernst angedacht worden sei, weil der Antragsteller immer nur auf Helfertätigkeiten verwiesen werde, wie er sie vor dem Unfall ausgeübt habe.

Er hat beantragt,

die Beklagte im Wege der Einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Grunde nach umgehende Berufshilfemaßnahmen zu gewähren, um die offenkundigen Wettbewerbsnachteile abzumildern.

Die Antragsgegnerin hat gemeint, vor Abschluss der vorrangigen medizinschen Rehabilitationsmaßnahmen könne nicht sinnvoll über Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben entschieden werden. Erst danach stehe fest, welche Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben notwendig seien und ob eine Verweisbarkeit auf andere Helfertätigkeiten in Betracht komme. Wahrscheinlich könne sie dem Antragsteller dann zwei konkrete Arbeitsstellen anbieten.

Das SG hat den Antrag abgelehnt (Beschluss vom 16.08.2002).

Mit seiner Beschwerde führt der Antragsteller ergänzend aus, der Antrag sei wegen der Untätigkeit der Beklagten gestellt worden. Der Verlust von vier Fingern löse einen unmittelbaren Anspruch auf qualifizierte Berufshilfe aus.

Er beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16. August 2002 - S 10 U 149/02 ER - wird auf den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung erkannt, d.h. zu umgehender Berufshilfeleistung dem Grunde nach und deren Einleitung, um seine offenkundigen Wettbewerbsnachteile infolge des Verlustes von vier Fingern einer Hand abzumildern.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, sie prüfe laufend, ob dem Antragsteller Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren seien. Eine abschließende Entscheidung sei derzeit aber weder möglich noch rechtlich zulässig, weil wegen der fortdauernden medizinischen Behandlung und Rehabilitation noch nicht fest stehe, welche konkreten Tätigkeiten er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ausüben könne.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags, weil zweifelhaft ist, ob der Kläger für sein Rechtsschutzbegehren die statthafte Rechtsschutzform gewählt hat. Ob diese Bedenken durchgreifen, kann jedoch dahinstehen. Denn der Antrag ist jedenfalls unbegründet.

Die Voraussetzungen einer in Betracht zu ziehenden Regelungsanordnung liegen nicht vor, weil eine Einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers zieht die Antragsgegnerin den geltend gemachten Anspruch nicht in Zweifel, mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig dem Antragsteller einen seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern, nicht in Zweifel, vgl. § 26 Abs. 2 Nr.2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Vielmehr hat sie zur Erfüllung dieses Anspruchs den beruflichen Werdegang und die Qualifikation des Antragstellers abgeklärt und durch Kontakte mit ihm und Arbeitgebern sowie ärztliche Prüfung der Einsetzbarkeit (Dr. S ..., 21.08.2002) schon frühzeitig sicher zu stellen versucht, ihm bei Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit ein den Anforderungen des § 26 Abs. 2 Nr.2 SGB VII genügendes Arbeitsplatzangebot zu unterbreiten und ihn in die Lage zu versetzen, dieses anzunehmen.

Im Rahmen der im Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ist deshalb nicht ersichtlich, dass bereits vor Abschluss der medizinischen Heilbehandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen ein weitergehender Anspruch im Sinne der §§ 26 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, 35 Abs. 1 SGB VII, 33 Absätze 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), z.B. auf die vom Kläger gewünschte qualifizierende Umschulung, besteht. Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass vor einer förmlichen Entscheidung über geeignete Maßnahmen zur Teil habe am Arbeitsleben der Abschluss der medizinischen Maßnahmen abgewartet werden muss, um zu beurteilen, in welchem Umfang die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dauerhaft eingeschränkt ist. Aus diesem Grunde ist die Anordnung einer vorläufigen Regelung vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens derzeit nicht geboten.

Auch die von dem Antragsteller behauptete Eilbedürftigkeit aus wirtschaftlichen Gründen besteht schon deshalb nicht, weil er durch das derzeit als Lohnersatzleistung gewährte Verletztengeld wirtschaftlich hinreichend abgesichert ist. Schon deshalb ist ihm zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 7. Aufl. 2002, § 86b Rdnr.47).
Rechtskraft
Aus
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