Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 U 137/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 U 33/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 RU 13/97
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05.09.1995 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten hat.
Die 1967 geborene Klägerin arbeitete seit Herbst 1991 in dem Leitungsteam der Jungpfadfinderstufe (Altersgruppe 11 bis 13 Jahre) des Stammes St. A ... der Deutschen Pfadfinderschaft St. G (DPSG) mit. Zusammen mit drei männlichen Betreuern leitete sie eine von der DPSG getragene Freizeit ihrer Gruppe (Sommerlager), die vom 31.07. bis 19.08.1993 am B ... stattfand. Da unter den 11 Gruppenmitgliedern auch drei Mädchen waren, war eine weibliche Betreuerin erforderlich. Leiterinnen anderer Gruppen des Stammes standen nicht zur Verfügung. Die Klägerin hatte zunächst aus finanziellen Gründen davon absehen wollen, nicht an der Freizeit teilzunehmen. Um ihr die Teilnahme zu ermöglichen, wurden ihr jedoch vom Stammesvorstand die üblicherweise auch von den Betreuern zu tragenden Verpflegungskosten in Höhe von 180 DM erlassen. Eine Vergütung erhalten die Betreuer solcher Freizeitmaßnahmen nicht.
Am 09.08.1993 verunglückte die Klägerin bei einem Fahrradunfall während eines Ausflugs der Gruppe. Aus ungeklärter Ursache stürzte sie auf einer abschüssigen Strecke und zog sich dabei eine BWK 6- Berstungsfraktur mit 50-prozentiger Einengung des Spinalkanals, ein Schädel-Hirn-Trauma mit Capsula interna-Blutung rechts und Einblutung in das Hinterhorn des linken Seitenventrikels und eine Clavikulafraktur links zu. Die BWK-Fraktur konnte operativ stabilisiert werden. Als Folge des Schädel-Hirn-Traumas besteht noch eine Hemiparese links.
Mit Schreiben vom 06.09.1993 meldete die Barmer Ersatzkasse, bei der die Klägerin versichert ist, einen Erstattungsanspruch bei der Beklagten an und bat um Prüfung, ob ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vorliege. Auf Anfrage der Beklagten teilte die katholische Kirchengemeinde St. A ... mit, bei der Freizeit habe es sich um eine Veranstaltung der DPSG gehandelt, ein Zusammenhang mit der Kirchengemeinde bestehe nicht. Die Beklagte hörte die Klägerin zur beabsichtigten Ablehnung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall an und führte insoweit aus, die Leitung der Freizeit sei Ausfluß der Mitgliedschaft der Klägerin in der DPSG gewesen. Die Gruppenleiter übernähmen ihre Leiter- und Betreuungsfunktion nicht als Außenstehende, sondern weil sie als Erwachsene Mitglied des Vereines seien und Leiterfunktion übernommen hätten. Die Klägerin wies demgegenüber in ihrer Stellungnahme darauf hin, sie sei während ihrer Tätigkeit als Gruppenleiterin "durchaus" an die Weisungen des Stammesvorstandes gebunden gewesen, sie habe sich über die normale Mitgliedspflicht hinaus engagiert, als sie die Leitungsfunktion wahrgenommen habe. Als Gruppenleiterin habe ihr die Aufsichtspflicht und damit eine besondere Verantwortung gegenüber den Eltern und Jugendlichen oblegen. Mit Bescheid vom 08.12.1993 lehnte die Beklagte entsprechend dem Anhörungsschreiben die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe für ihre Aufgabe eine finanzielle Vergünstigung erhalten, ihre Tätigkeit habe somit wirtschaftlichen Wert gehabt. In einer Bestätigung des Stammesvorsitzenden des Stammes St. A ... wurde dazu aus geführt, die Leiter des Stammes würden für die Teilnahme an solchen Freizeiten vom Stamm aus dadurch entlohnt, daß sie nur 25 % des Teilnehmerbeitrages zu tragen hätten. Die Klägerin habe dar über hinaus ein weiteres Entgelt in Höhe von 180 DM erhalten, da sie sonst nicht in der Lage gewesen wäre, an der Freizeit teilzunehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.1994 wies die Beklagte den Widerspruch aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück. Die im Schreiben des Stammesvorstandes genannte Vergünstigung stelle keine Entgelt, sondern lediglich eine Aufwandsentschädigung dar.
Mit ihrer am 27.05.1994 erhobenen Klage hat die Klägerin im wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und an ihrer Auffassung festgehalten, daß ihre Tätigkeit nicht Ausfluß ihrer Mitgliedschaft in der DPSG gewesen sei.
Das Sozialgericht hat nach Einholung einer Auskunft der DPSG zu der Freizeit den Leiter dieser Freizeit T ... K ... als Zeugen vernommen. Mit Urteil vom 05.09.1995 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, unter Anerkennung des Unfalles vom 09.08.1993 als Arbeitsunfall Entschädigungsleistungen zu erbringen. Es hat einen Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO bejaht. Die Klägerin habe die Freizeit nicht aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtungen geleitet, denn aus der Satzung ergebe sich eine solche Verpflichtung nicht und der Zeuge K ... habe bekundet, daß die Teilnahme an einer Freizeit freiwillig sei. Bei der Freizeitleitung handele es sich um eine Tätigkeit, die ansonsten von Personen verrichtet würden, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stünden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 22.09.1995 zugestellte Urteil am 02.10.1995 Berufung eingelegt. Sie meint unter Hinweis auf die Satzung und die "Ordnung" der DPSG, daß die Klägerin jedenfalls kraft allgemeiner Übung verpflichtet gewesen sei, Leitungsaufgaben im Rahmen einer Freizeit zu übernehmen. Bei den gewährten finanziellen Vergünstigungen handele es sich lediglich um eine Aufwandsentschädigung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05.09.1995 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Be klagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet, denn entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Beklagte zu Recht die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen des Unfalles vom 09.08.1993 abgelehnt.
Da die Klägerin den Unfall vor dem 01.01.1997 erlitten hat, sind für die Entscheidung noch die bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) maßgebend ( § 212 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 07.08.1996).
Die Klägerin hat keinen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten. Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet.
Aus § 539 Abs. 1 Ziff. 13 RVO läßt sich Versicherungsschutz nicht herleiten, denn die Klägerin hat kein Ehrenamt in der römisch- katholischen Kirche bzw. der Kirchengemeinde B ... bekleidet. Die DPSG ist zwar nach Ziff. 1 ihrer Satzung der Katholische Pfadfinderverband der Bundesrepublik, sie ist aber nicht Teil der römisch-katholischen Kirche, sondern ein nicht rechtsfähiger Verein (Ziff. 6, 7 der Satzung) und es bestehen lediglich organisatorische Verbindungen zur katholischen Kirche (Mitglied des Vorstandes der einzelnen Organisationseben ist jeweils ein Kurat, der Seelsorger ist; auf der Bundesebene wird der Bundeskurat von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragt, Ziff. 90 der Satzung). Die "Ordnung" der DPSG, die die Satzung ergänzt, führt lediglich aus, die DPSG habe ihren Platz in der katholischen Kirche (S. 13), hebt aber auf der anderen Seite den Charakter als Laienverband hervor (S. 15). Als Gruppenleiterin des Stammes St. A ... des DPSG hat die Klägerin auch keine ehren amtliche Tätigkeit in der katholischen Kirchengemeinde, in der der Stamm besteht, ausgeübt, denn auch der Stamm ist unabhängig von der Gemeinde (nach § 18 der Satzung kann ein Stamm auch für mehrere Pfarrgemeinden bestehen) und das Sommerlager ist in eigener Zuständigkeit und Verantwortung der DPSG durchgeführt worden.
Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO oder § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Ziff. 1 RVO bestand im Unfallzeitpunkt nicht, da die Klägerin bei der Betreuung der Pfadfindergruppe im Zeltlager in Erfüllung mitgliedschaftlicher Vereinspflichten gehandelt hat. Als Mitglied des Leitungsteams der Pfadfindergruppe war die Klägerin kraft Amtes Mitglied der DPSG (Ziff. 9, 34 der Satzung). Zwar schließt die Mitgliedschaft in einem - rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen - Verein die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO oder eine Tätigkeit wie ein Beschäftigter nach § 539 Abs. 2 RVO nicht von vornherein aus. Jedoch stehen Verrichtungen eines Vereinsmitgliedes, das im Rahmen der Vereinspflichten handelt, außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Unfallversicherung, wobei sich solche Pflichten aus Satzung, Organbeschlüssen oder allgemeiner Vereinsübung ergeben können (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG SozR 2200 § 539 Nrn. 81, 83, 101, 114, 123; SozR 3-2200 § 539 Nr. 18). Mangels entsprechen der Organbeschlüsse kommt hier nur eine Verpflichtung aufgrund Satzung oder allgemeiner Übung in Betracht. Der Senat kann offen lassen, ob sich bereits aus der Formulierung der Ziff. 16 der Satzung, wonach die Mitglieder zur Mitarbeit an Veranstaltungen berechtigt "und verpflichtet " sind, die Pflicht der Klägerin er gab, als Mitglied des Leitungsteams der Jugendgruppe jedenfalls dann an der Freizeit teilzunehmen, wenn dem keine zwingenden Gründe entgegenstanden. Jedenfalls bestand eine solche Verpflichtung aufgrund allgemeiner Übung.
Gegen die Annahme des Handelns aufgrund Vereinsübung spricht nicht von vornherein, daß die Leitung einer fast dreiwöchigen Freizeit eine Tätigkeit von erheblichem Umfang darstellt. Zwar hat das BSG zu den auf allgemeiner Übung beruhenden Mitgliedspflichten nur geringfügige Tätigkeiten gezählt, die ein Verein von jedem Mitglied erwarten könne (vgl. etwa BSGE 14, 1, 3; SozR 2200 § 539 Nrn. 101, 114, 123). In diesem Zusammenhang hat es etwa Arbeiten in einem Umfang von drei bis vier Stunden (SozR 2200 § 539 Nr. 123; Urteil vom 22.09.1988 - 2/9 b RU 78/87 -) oder sieben Stunden ( USK 8366) noch als geringfügig gewertet, während dies beispielsweise bei ganztägigen Einsätzen während eines Streiks von ungewisser Dauer (SozR 2200 § 539 Nr. 83), der Tätigkeit als Fluglehrer in einem Luftsportverein (SozR 2200 § 539 Nr. 81) oder als "Absetzer" während einer Ausbildungswoche eines Fallschirmsportclubs ( Urteil vom 29.4.1982 - 2 RU 83/80) verneint worden ist. Eine bestimmte zeitliche Obergrenze hat das BSG aber - soweit ersichtlich - nicht gezogen, es hat in anderem Zusammenhang vielmehr betont, die Zeitdauer der Verrichtung sei nicht allein auschlaggebend, viel mehr seien bei Tätigkeiten im Rahmen von mitgliedschaftlichen Verpflichtungen die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berück sichtigen (s. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 134; SozR 3-2200 § 539 Nr. 15). Die Geringfügigkeitsmarke ist dann überschritten, wenn sich die Tätigkeit des Mitgliedes erkennbar von dem Maß an vergleichbarer Aktivität abhebt, die die Vereinsmitglieder üblicher weise aufwenden (so BSG SozR 2200 § 539 Nr. 101). Dabei ist jedoch nicht erforderlich, daß alle Vereinsmitglieder die persönlichen oder fachliche Eignung für eine bestimmte Tätigkeit besitzen und zu solchen Tätigkeiten herangezogen werden. Es genügt, wenn der Verein erwarten kann, daß bestimmte Aufgaben von geeigneten Mitglieder wahrgenommen werden und regelmäßig auch Geeignete dieser Erwartung nachkommen (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 123; SozR 3-2200 § 539 Nr. 18). Von einer allgemeinen Übung wird allerdings nicht mehr gesprochen werden können, wenn nur einzelne Mitglieder sich in herausragender Weise engagieren, da diese Übung keine "allgemeine" mehr ist (so zutreffend Schlegel, in: Schulin, HS-UV, § 14 Rdnr. 56). Jedoch ist auch zu beachten, daß der Maßstab insoweit nicht für alle Vereinsmitglieder der gleiche ist und es etwa der hervorgehobenen Stellung von ehrenamtlichen Vereinsfunktionären entspricht, daß sie quantitativ und qualitativ andere Mitgliedspflichten treffen als einfache Vereinsmitglieder (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 18; zustimmend Schlegel, a.a.O., Rdnr. 55). Zudem muß berücksichtigt werden, ob die Tätigkeit gerade der Verwirklichung des Hauptzwecks des Vereins dient oder den Rahmen des gewöhnlichen Vereinszwecks überschreitet. In letzterem Fall wird man eher an nehmen müssen, daß die Heranziehung zu Arbeitsleistungen nicht mehr auf Vereinsübung beruht (s. etwa BSGE 14, 1, 3f; USK 8252). Somit steht die Tatsache, daß eine Tätigkeit größeren Umfangs verrichtet wird, nicht der Annahme entgegen, sie werde in Erfüllung sich aus allgemeiner Übung ergebender vereinsrechtlicher Pflichten erbracht, wenn mit der Tätigkeit unmittelbar der Vereinszweck verfolgt wird und solche Tätigkeiten von Vereinsmitgliedern in gleicher Funktion regelmäßig erbracht werden.
Der Zeuge K ... hat zwar die Teilnahme der Gruppenleiter an den Sommerlagern als freiwillig bezeichnet (wobei freilich seiner Meinung, aus der Satzung ergebe sich eine solche Verpflichtung nicht, keine entscheidende Bedeutung zukommt). Er hat aber gleichzeitig bekundet, es sei wegen des Zusammengehörigkeitsgefühls der Gruppe allgemein üblich, die Freizeiten mitzumachen, wenn nicht besondere Gründe im persönlichen Bereich vorlägen. Daß eine solche Erwartung an die Gruppenleiter bestand, läßt sich auch der" Ordnung" der DPSG entnehmen. Von zentraler Bedeutung für die DPSG ist die pfadfinderische Erziehung der Mitglieder. Diese setzt auf Lernen durch Erfahrung, durch gemeinsame Erlebnisse und deren Reflektion sollen den Gruppenmitgliedern neue Einsichten vermitteln und Verhaltensänderungen ermöglicht werden (s. insbesondere S. 10, 23 f. der Ordnung). In den nach Altersstufen gestaffelten Gruppen sollen die Mitglieder durch altersentsprechende Aktivitäten in einem zusammenhängenden Entwicklungsprozeß ihre Persönlichkeit entfalten und schrittweise eigene Verantwortung übernehmen. Dabei stellt die pfadfinderische Erziehung das Abenteuer, die Lust am Entdecken und spielerischen Tun in den Mittelpunkt. Durch "Entdecken, Ausprobieren, Wagnis und Unterwegs-sein" (S. 24 der Ordnung) sollen die Kinder und Jugendlichen "in neue Bereiche der Welt vordringen und das eigene Leben zunehmend selbst in die Hand nehmen" (S. 33 der Ordnung). Pfadfinderische Erziehung geht vom Erlebnis und der Aktion aus. Als Lebens- und Handlungsorte der Pfadfinder werden daher u.a. Fahrten und Erkundigungen sowie das Lager mit dem Leben unter freiem Himmel, das den Blick für Zusammenhänge in Natur und Umwelt schärft, genannt (S. 23 der Ordnung). Schon diese Hervorhebung des Zeltlagers zeigt seine Bedeutung für die pfadfinderische Erziehung. Entsprechend heißt es in der" Ordnung" auch für die Jahrgangsstufe der Jungpfadfinder, die abenteuerlichen Unternehmungen, bei denen die Jungpfadfinder über einen längeren Zeitraum zusammenlebten, seien eine Zeit dichter Erfahrung und eine besondere Chance für die Entwicklung des Jungpfadfindertrupps und des einzelnen (S. 35 der Ordnung). Die besondere Bedeutung des Sommerlagers für die pfadfinderische Erziehung hat auch der Zeuge K ...bestätigt, der es als Höhepunkt für die Gruppe bezeichnet hat. Ebenso wird in den "Anforderungen an Konzeption und Rahmenbedingungen einer pfadfindersichen Erholungsmaßnahme" (Bl. 47 GA) eingangs betont, ein wesentliches Element pfadfinderischer Erziehung gehe vom Erlebnis und Abenteuer aus, so daß jährliche Fahrten und Lager zentral zum pfadfinderischen Gruppenleben zählten. In gleicher Weise wird im Schreiben der DPSG- Diözesanleitung vom 22.06.1993 (Bl. 48 GA) der Stellenwert des Zeltlagers hervorgehoben, wenn dort das bevorstehende Sommerunternehmen ein wichtiges und bedeutsames Element pfadfinderischen Lebens und Erlebens für jede Gruppe des Verbandes genannt wird.
Die Ziele der pfadfinderischen Erziehung können nur erreicht werden, wenn Erwachsene die Leitung einer Gruppe übernehmen. Die erwachsenen Leiterinnen und Leiter begleiten und unterstützen den Prozeß der Kinder und Jugendlichen (S. 9, 25 der Ordnung). Die Gruppenmitglieder sollen am Vorbild der Erwachsenen lernen, diese sollen Orientierung und durch ihr Verhalten ein Beispiel pfadfinderischer Lebenshaltung geben (so konkret zur Funktion der Leitung der Jungpfadfinderstufe S. 37 der Ordnung). Unter Berücksichtigung dieser Aufgabe der Leiterinnen und Leiter muß angesichts der dar gelegten Bedeutung des Sommerlagers von einem Mitglied des Leitungsteams erwartet werden können, daß es - wenn nicht persönliche Gründe entgegenstehen - bereit ist, an Freizeiten teilzunehmen. Ein längeres Zusammensein im Rahmen eines Lagers mit seinen "abenteuerlichen Unternehmungen" fördert in besonderer Weise sowohl die Gruppen- wie die persönlichen Entwicklungsprozesse. Die Mitglieder des Leitungsteams, die (wie die Ordnung S. 37 formuliert) "gemeinsam mit den Jungpfadfindern unterwegs sind", lernen die Gruppenmitglieder besser kennen, erfahren, was diese bewegt, und können Hilfestellung, Anregung und Orientierung geben; ihre Vorbildfunktion kommt in besonderem Maße zum Tragen. Ein Leitungsmitglied, das regelmäßig die Teilnahme an den Freizeiten - den Höhepunkten des Gruppenlebens - ablehnen würde, dürfte auf Dauer kaum in der Lage sein, seine Leitungsfunktion, die ihm nach der dargestellten Ordnung des Verbandes obliegt, wahrzunehmen. Tatsächlich entsprechen die Gruppenleiter nach der Bekundung des Zeugen K ... auch regelmäßig dieser Erwartung, denn ist es üblich, an den Sommerfreizeiten teilzunehmen, sofern nicht wichtige persönliche Gründe vorliegen. Auch die Klägerin hat es offenbar als selbstverständlich angesehen, daß sie im Rahmen ihrer Leitungsfunktionen auch an Freizeiten teilnimmt. Nachdem sie im Herbst 1991 in das Leitungsteam der Gruppe eingetreten war, hatte sie im Frühjahr 1992 eine Schulungsmaßnahme für Betreuer besucht, die Voraussetzung für die Mitleitung der Sommerfreizeit war. Lediglich aus persönlichen Gründen hat sie 1992 nicht am Zeltlager ihrer Gruppe teilgenommen. Auch 1993 hatte sie zunächst nicht wegen des Zeitaufwandes, sondern allein aus finanziellen Gründen beabsichtigt, nicht mitzufahren. Nach Beseitigung der Hinderungsgründe hat sie dann ebenso wie die anderen Mitglieder des Leitungsteams die Gruppe ins Sommerlager begleitet. Mit der Betreuung der Pfadfindergruppe im Zeltlager hat die Klägerin in Erfüllung ihrer Leitungsfunktion gehandelt, ihre Aktivität ging nicht über das hinaus, was andere Gruppenleiter in der Regel auch leisten und was die DPSG von den Mitgliedern der Leitungsteams erwarten muß, wenn sie ihre Ziele erreichen will. Da somit ein Tätigwerden der Klägerin aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtung vorgelegen hat,
ist auch Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO bzw. § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Ziff. 1 RVO zu verneinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat der Frage, ob auch eine zeitlich umfangreichere Tätigkeit noch in Erfüllung mitgliedschaftlicher Vereinspflichten aufgrund allgemeiner Übung verrichtet werden kann, grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten hat.
Die 1967 geborene Klägerin arbeitete seit Herbst 1991 in dem Leitungsteam der Jungpfadfinderstufe (Altersgruppe 11 bis 13 Jahre) des Stammes St. A ... der Deutschen Pfadfinderschaft St. G (DPSG) mit. Zusammen mit drei männlichen Betreuern leitete sie eine von der DPSG getragene Freizeit ihrer Gruppe (Sommerlager), die vom 31.07. bis 19.08.1993 am B ... stattfand. Da unter den 11 Gruppenmitgliedern auch drei Mädchen waren, war eine weibliche Betreuerin erforderlich. Leiterinnen anderer Gruppen des Stammes standen nicht zur Verfügung. Die Klägerin hatte zunächst aus finanziellen Gründen davon absehen wollen, nicht an der Freizeit teilzunehmen. Um ihr die Teilnahme zu ermöglichen, wurden ihr jedoch vom Stammesvorstand die üblicherweise auch von den Betreuern zu tragenden Verpflegungskosten in Höhe von 180 DM erlassen. Eine Vergütung erhalten die Betreuer solcher Freizeitmaßnahmen nicht.
Am 09.08.1993 verunglückte die Klägerin bei einem Fahrradunfall während eines Ausflugs der Gruppe. Aus ungeklärter Ursache stürzte sie auf einer abschüssigen Strecke und zog sich dabei eine BWK 6- Berstungsfraktur mit 50-prozentiger Einengung des Spinalkanals, ein Schädel-Hirn-Trauma mit Capsula interna-Blutung rechts und Einblutung in das Hinterhorn des linken Seitenventrikels und eine Clavikulafraktur links zu. Die BWK-Fraktur konnte operativ stabilisiert werden. Als Folge des Schädel-Hirn-Traumas besteht noch eine Hemiparese links.
Mit Schreiben vom 06.09.1993 meldete die Barmer Ersatzkasse, bei der die Klägerin versichert ist, einen Erstattungsanspruch bei der Beklagten an und bat um Prüfung, ob ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vorliege. Auf Anfrage der Beklagten teilte die katholische Kirchengemeinde St. A ... mit, bei der Freizeit habe es sich um eine Veranstaltung der DPSG gehandelt, ein Zusammenhang mit der Kirchengemeinde bestehe nicht. Die Beklagte hörte die Klägerin zur beabsichtigten Ablehnung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall an und führte insoweit aus, die Leitung der Freizeit sei Ausfluß der Mitgliedschaft der Klägerin in der DPSG gewesen. Die Gruppenleiter übernähmen ihre Leiter- und Betreuungsfunktion nicht als Außenstehende, sondern weil sie als Erwachsene Mitglied des Vereines seien und Leiterfunktion übernommen hätten. Die Klägerin wies demgegenüber in ihrer Stellungnahme darauf hin, sie sei während ihrer Tätigkeit als Gruppenleiterin "durchaus" an die Weisungen des Stammesvorstandes gebunden gewesen, sie habe sich über die normale Mitgliedspflicht hinaus engagiert, als sie die Leitungsfunktion wahrgenommen habe. Als Gruppenleiterin habe ihr die Aufsichtspflicht und damit eine besondere Verantwortung gegenüber den Eltern und Jugendlichen oblegen. Mit Bescheid vom 08.12.1993 lehnte die Beklagte entsprechend dem Anhörungsschreiben die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe für ihre Aufgabe eine finanzielle Vergünstigung erhalten, ihre Tätigkeit habe somit wirtschaftlichen Wert gehabt. In einer Bestätigung des Stammesvorsitzenden des Stammes St. A ... wurde dazu aus geführt, die Leiter des Stammes würden für die Teilnahme an solchen Freizeiten vom Stamm aus dadurch entlohnt, daß sie nur 25 % des Teilnehmerbeitrages zu tragen hätten. Die Klägerin habe dar über hinaus ein weiteres Entgelt in Höhe von 180 DM erhalten, da sie sonst nicht in der Lage gewesen wäre, an der Freizeit teilzunehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.1994 wies die Beklagte den Widerspruch aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück. Die im Schreiben des Stammesvorstandes genannte Vergünstigung stelle keine Entgelt, sondern lediglich eine Aufwandsentschädigung dar.
Mit ihrer am 27.05.1994 erhobenen Klage hat die Klägerin im wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und an ihrer Auffassung festgehalten, daß ihre Tätigkeit nicht Ausfluß ihrer Mitgliedschaft in der DPSG gewesen sei.
Das Sozialgericht hat nach Einholung einer Auskunft der DPSG zu der Freizeit den Leiter dieser Freizeit T ... K ... als Zeugen vernommen. Mit Urteil vom 05.09.1995 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, unter Anerkennung des Unfalles vom 09.08.1993 als Arbeitsunfall Entschädigungsleistungen zu erbringen. Es hat einen Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO bejaht. Die Klägerin habe die Freizeit nicht aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtungen geleitet, denn aus der Satzung ergebe sich eine solche Verpflichtung nicht und der Zeuge K ... habe bekundet, daß die Teilnahme an einer Freizeit freiwillig sei. Bei der Freizeitleitung handele es sich um eine Tätigkeit, die ansonsten von Personen verrichtet würden, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stünden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 22.09.1995 zugestellte Urteil am 02.10.1995 Berufung eingelegt. Sie meint unter Hinweis auf die Satzung und die "Ordnung" der DPSG, daß die Klägerin jedenfalls kraft allgemeiner Übung verpflichtet gewesen sei, Leitungsaufgaben im Rahmen einer Freizeit zu übernehmen. Bei den gewährten finanziellen Vergünstigungen handele es sich lediglich um eine Aufwandsentschädigung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05.09.1995 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Be klagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet, denn entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Beklagte zu Recht die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen des Unfalles vom 09.08.1993 abgelehnt.
Da die Klägerin den Unfall vor dem 01.01.1997 erlitten hat, sind für die Entscheidung noch die bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) maßgebend ( § 212 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 07.08.1996).
Die Klägerin hat keinen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten. Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet.
Aus § 539 Abs. 1 Ziff. 13 RVO läßt sich Versicherungsschutz nicht herleiten, denn die Klägerin hat kein Ehrenamt in der römisch- katholischen Kirche bzw. der Kirchengemeinde B ... bekleidet. Die DPSG ist zwar nach Ziff. 1 ihrer Satzung der Katholische Pfadfinderverband der Bundesrepublik, sie ist aber nicht Teil der römisch-katholischen Kirche, sondern ein nicht rechtsfähiger Verein (Ziff. 6, 7 der Satzung) und es bestehen lediglich organisatorische Verbindungen zur katholischen Kirche (Mitglied des Vorstandes der einzelnen Organisationseben ist jeweils ein Kurat, der Seelsorger ist; auf der Bundesebene wird der Bundeskurat von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragt, Ziff. 90 der Satzung). Die "Ordnung" der DPSG, die die Satzung ergänzt, führt lediglich aus, die DPSG habe ihren Platz in der katholischen Kirche (S. 13), hebt aber auf der anderen Seite den Charakter als Laienverband hervor (S. 15). Als Gruppenleiterin des Stammes St. A ... des DPSG hat die Klägerin auch keine ehren amtliche Tätigkeit in der katholischen Kirchengemeinde, in der der Stamm besteht, ausgeübt, denn auch der Stamm ist unabhängig von der Gemeinde (nach § 18 der Satzung kann ein Stamm auch für mehrere Pfarrgemeinden bestehen) und das Sommerlager ist in eigener Zuständigkeit und Verantwortung der DPSG durchgeführt worden.
Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO oder § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Ziff. 1 RVO bestand im Unfallzeitpunkt nicht, da die Klägerin bei der Betreuung der Pfadfindergruppe im Zeltlager in Erfüllung mitgliedschaftlicher Vereinspflichten gehandelt hat. Als Mitglied des Leitungsteams der Pfadfindergruppe war die Klägerin kraft Amtes Mitglied der DPSG (Ziff. 9, 34 der Satzung). Zwar schließt die Mitgliedschaft in einem - rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen - Verein die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO oder eine Tätigkeit wie ein Beschäftigter nach § 539 Abs. 2 RVO nicht von vornherein aus. Jedoch stehen Verrichtungen eines Vereinsmitgliedes, das im Rahmen der Vereinspflichten handelt, außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Unfallversicherung, wobei sich solche Pflichten aus Satzung, Organbeschlüssen oder allgemeiner Vereinsübung ergeben können (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG SozR 2200 § 539 Nrn. 81, 83, 101, 114, 123; SozR 3-2200 § 539 Nr. 18). Mangels entsprechen der Organbeschlüsse kommt hier nur eine Verpflichtung aufgrund Satzung oder allgemeiner Übung in Betracht. Der Senat kann offen lassen, ob sich bereits aus der Formulierung der Ziff. 16 der Satzung, wonach die Mitglieder zur Mitarbeit an Veranstaltungen berechtigt "und verpflichtet " sind, die Pflicht der Klägerin er gab, als Mitglied des Leitungsteams der Jugendgruppe jedenfalls dann an der Freizeit teilzunehmen, wenn dem keine zwingenden Gründe entgegenstanden. Jedenfalls bestand eine solche Verpflichtung aufgrund allgemeiner Übung.
Gegen die Annahme des Handelns aufgrund Vereinsübung spricht nicht von vornherein, daß die Leitung einer fast dreiwöchigen Freizeit eine Tätigkeit von erheblichem Umfang darstellt. Zwar hat das BSG zu den auf allgemeiner Übung beruhenden Mitgliedspflichten nur geringfügige Tätigkeiten gezählt, die ein Verein von jedem Mitglied erwarten könne (vgl. etwa BSGE 14, 1, 3; SozR 2200 § 539 Nrn. 101, 114, 123). In diesem Zusammenhang hat es etwa Arbeiten in einem Umfang von drei bis vier Stunden (SozR 2200 § 539 Nr. 123; Urteil vom 22.09.1988 - 2/9 b RU 78/87 -) oder sieben Stunden ( USK 8366) noch als geringfügig gewertet, während dies beispielsweise bei ganztägigen Einsätzen während eines Streiks von ungewisser Dauer (SozR 2200 § 539 Nr. 83), der Tätigkeit als Fluglehrer in einem Luftsportverein (SozR 2200 § 539 Nr. 81) oder als "Absetzer" während einer Ausbildungswoche eines Fallschirmsportclubs ( Urteil vom 29.4.1982 - 2 RU 83/80) verneint worden ist. Eine bestimmte zeitliche Obergrenze hat das BSG aber - soweit ersichtlich - nicht gezogen, es hat in anderem Zusammenhang vielmehr betont, die Zeitdauer der Verrichtung sei nicht allein auschlaggebend, viel mehr seien bei Tätigkeiten im Rahmen von mitgliedschaftlichen Verpflichtungen die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berück sichtigen (s. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 134; SozR 3-2200 § 539 Nr. 15). Die Geringfügigkeitsmarke ist dann überschritten, wenn sich die Tätigkeit des Mitgliedes erkennbar von dem Maß an vergleichbarer Aktivität abhebt, die die Vereinsmitglieder üblicher weise aufwenden (so BSG SozR 2200 § 539 Nr. 101). Dabei ist jedoch nicht erforderlich, daß alle Vereinsmitglieder die persönlichen oder fachliche Eignung für eine bestimmte Tätigkeit besitzen und zu solchen Tätigkeiten herangezogen werden. Es genügt, wenn der Verein erwarten kann, daß bestimmte Aufgaben von geeigneten Mitglieder wahrgenommen werden und regelmäßig auch Geeignete dieser Erwartung nachkommen (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 123; SozR 3-2200 § 539 Nr. 18). Von einer allgemeinen Übung wird allerdings nicht mehr gesprochen werden können, wenn nur einzelne Mitglieder sich in herausragender Weise engagieren, da diese Übung keine "allgemeine" mehr ist (so zutreffend Schlegel, in: Schulin, HS-UV, § 14 Rdnr. 56). Jedoch ist auch zu beachten, daß der Maßstab insoweit nicht für alle Vereinsmitglieder der gleiche ist und es etwa der hervorgehobenen Stellung von ehrenamtlichen Vereinsfunktionären entspricht, daß sie quantitativ und qualitativ andere Mitgliedspflichten treffen als einfache Vereinsmitglieder (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 18; zustimmend Schlegel, a.a.O., Rdnr. 55). Zudem muß berücksichtigt werden, ob die Tätigkeit gerade der Verwirklichung des Hauptzwecks des Vereins dient oder den Rahmen des gewöhnlichen Vereinszwecks überschreitet. In letzterem Fall wird man eher an nehmen müssen, daß die Heranziehung zu Arbeitsleistungen nicht mehr auf Vereinsübung beruht (s. etwa BSGE 14, 1, 3f; USK 8252). Somit steht die Tatsache, daß eine Tätigkeit größeren Umfangs verrichtet wird, nicht der Annahme entgegen, sie werde in Erfüllung sich aus allgemeiner Übung ergebender vereinsrechtlicher Pflichten erbracht, wenn mit der Tätigkeit unmittelbar der Vereinszweck verfolgt wird und solche Tätigkeiten von Vereinsmitgliedern in gleicher Funktion regelmäßig erbracht werden.
Der Zeuge K ... hat zwar die Teilnahme der Gruppenleiter an den Sommerlagern als freiwillig bezeichnet (wobei freilich seiner Meinung, aus der Satzung ergebe sich eine solche Verpflichtung nicht, keine entscheidende Bedeutung zukommt). Er hat aber gleichzeitig bekundet, es sei wegen des Zusammengehörigkeitsgefühls der Gruppe allgemein üblich, die Freizeiten mitzumachen, wenn nicht besondere Gründe im persönlichen Bereich vorlägen. Daß eine solche Erwartung an die Gruppenleiter bestand, läßt sich auch der" Ordnung" der DPSG entnehmen. Von zentraler Bedeutung für die DPSG ist die pfadfinderische Erziehung der Mitglieder. Diese setzt auf Lernen durch Erfahrung, durch gemeinsame Erlebnisse und deren Reflektion sollen den Gruppenmitgliedern neue Einsichten vermitteln und Verhaltensänderungen ermöglicht werden (s. insbesondere S. 10, 23 f. der Ordnung). In den nach Altersstufen gestaffelten Gruppen sollen die Mitglieder durch altersentsprechende Aktivitäten in einem zusammenhängenden Entwicklungsprozeß ihre Persönlichkeit entfalten und schrittweise eigene Verantwortung übernehmen. Dabei stellt die pfadfinderische Erziehung das Abenteuer, die Lust am Entdecken und spielerischen Tun in den Mittelpunkt. Durch "Entdecken, Ausprobieren, Wagnis und Unterwegs-sein" (S. 24 der Ordnung) sollen die Kinder und Jugendlichen "in neue Bereiche der Welt vordringen und das eigene Leben zunehmend selbst in die Hand nehmen" (S. 33 der Ordnung). Pfadfinderische Erziehung geht vom Erlebnis und der Aktion aus. Als Lebens- und Handlungsorte der Pfadfinder werden daher u.a. Fahrten und Erkundigungen sowie das Lager mit dem Leben unter freiem Himmel, das den Blick für Zusammenhänge in Natur und Umwelt schärft, genannt (S. 23 der Ordnung). Schon diese Hervorhebung des Zeltlagers zeigt seine Bedeutung für die pfadfinderische Erziehung. Entsprechend heißt es in der" Ordnung" auch für die Jahrgangsstufe der Jungpfadfinder, die abenteuerlichen Unternehmungen, bei denen die Jungpfadfinder über einen längeren Zeitraum zusammenlebten, seien eine Zeit dichter Erfahrung und eine besondere Chance für die Entwicklung des Jungpfadfindertrupps und des einzelnen (S. 35 der Ordnung). Die besondere Bedeutung des Sommerlagers für die pfadfinderische Erziehung hat auch der Zeuge K ...bestätigt, der es als Höhepunkt für die Gruppe bezeichnet hat. Ebenso wird in den "Anforderungen an Konzeption und Rahmenbedingungen einer pfadfindersichen Erholungsmaßnahme" (Bl. 47 GA) eingangs betont, ein wesentliches Element pfadfinderischer Erziehung gehe vom Erlebnis und Abenteuer aus, so daß jährliche Fahrten und Lager zentral zum pfadfinderischen Gruppenleben zählten. In gleicher Weise wird im Schreiben der DPSG- Diözesanleitung vom 22.06.1993 (Bl. 48 GA) der Stellenwert des Zeltlagers hervorgehoben, wenn dort das bevorstehende Sommerunternehmen ein wichtiges und bedeutsames Element pfadfinderischen Lebens und Erlebens für jede Gruppe des Verbandes genannt wird.
Die Ziele der pfadfinderischen Erziehung können nur erreicht werden, wenn Erwachsene die Leitung einer Gruppe übernehmen. Die erwachsenen Leiterinnen und Leiter begleiten und unterstützen den Prozeß der Kinder und Jugendlichen (S. 9, 25 der Ordnung). Die Gruppenmitglieder sollen am Vorbild der Erwachsenen lernen, diese sollen Orientierung und durch ihr Verhalten ein Beispiel pfadfinderischer Lebenshaltung geben (so konkret zur Funktion der Leitung der Jungpfadfinderstufe S. 37 der Ordnung). Unter Berücksichtigung dieser Aufgabe der Leiterinnen und Leiter muß angesichts der dar gelegten Bedeutung des Sommerlagers von einem Mitglied des Leitungsteams erwartet werden können, daß es - wenn nicht persönliche Gründe entgegenstehen - bereit ist, an Freizeiten teilzunehmen. Ein längeres Zusammensein im Rahmen eines Lagers mit seinen "abenteuerlichen Unternehmungen" fördert in besonderer Weise sowohl die Gruppen- wie die persönlichen Entwicklungsprozesse. Die Mitglieder des Leitungsteams, die (wie die Ordnung S. 37 formuliert) "gemeinsam mit den Jungpfadfindern unterwegs sind", lernen die Gruppenmitglieder besser kennen, erfahren, was diese bewegt, und können Hilfestellung, Anregung und Orientierung geben; ihre Vorbildfunktion kommt in besonderem Maße zum Tragen. Ein Leitungsmitglied, das regelmäßig die Teilnahme an den Freizeiten - den Höhepunkten des Gruppenlebens - ablehnen würde, dürfte auf Dauer kaum in der Lage sein, seine Leitungsfunktion, die ihm nach der dargestellten Ordnung des Verbandes obliegt, wahrzunehmen. Tatsächlich entsprechen die Gruppenleiter nach der Bekundung des Zeugen K ... auch regelmäßig dieser Erwartung, denn ist es üblich, an den Sommerfreizeiten teilzunehmen, sofern nicht wichtige persönliche Gründe vorliegen. Auch die Klägerin hat es offenbar als selbstverständlich angesehen, daß sie im Rahmen ihrer Leitungsfunktionen auch an Freizeiten teilnimmt. Nachdem sie im Herbst 1991 in das Leitungsteam der Gruppe eingetreten war, hatte sie im Frühjahr 1992 eine Schulungsmaßnahme für Betreuer besucht, die Voraussetzung für die Mitleitung der Sommerfreizeit war. Lediglich aus persönlichen Gründen hat sie 1992 nicht am Zeltlager ihrer Gruppe teilgenommen. Auch 1993 hatte sie zunächst nicht wegen des Zeitaufwandes, sondern allein aus finanziellen Gründen beabsichtigt, nicht mitzufahren. Nach Beseitigung der Hinderungsgründe hat sie dann ebenso wie die anderen Mitglieder des Leitungsteams die Gruppe ins Sommerlager begleitet. Mit der Betreuung der Pfadfindergruppe im Zeltlager hat die Klägerin in Erfüllung ihrer Leitungsfunktion gehandelt, ihre Aktivität ging nicht über das hinaus, was andere Gruppenleiter in der Regel auch leisten und was die DPSG von den Mitgliedern der Leitungsteams erwarten muß, wenn sie ihre Ziele erreichen will. Da somit ein Tätigwerden der Klägerin aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtung vorgelegen hat,
ist auch Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO bzw. § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Ziff. 1 RVO zu verneinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat der Frage, ob auch eine zeitlich umfangreichere Tätigkeit noch in Erfüllung mitgliedschaftlicher Vereinspflichten aufgrund allgemeiner Übung verrichtet werden kann, grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG).
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