L 15 U 303/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 271/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 303/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 36/99 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. September 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe von Verletztengeldansprüchen.

Der Kläger ist kraft Satzung als Unternehmer bei der Beklagten pflichtversichert. Auf seinen Antrag vom 09.11.1981 trat mit Wirkung vom folgenden Tage eine Zusatzversicherung von 36000,00 DM in Kraft. Nach der Umwandlung der Einzelhandelsfirma in eine Kommanditgesellschaft schloß er mit Wirkung vom 15.02.1986 eine Zusatzversicherung von 57000,00 DM ab. In beiden Fällen wies die Beklagte darauf hin, daß die Erhöhung nur für die Entschädigung von Arbeitsunfällen gelte, die sich nach Inkrafttreten der Zusatzversicherung ereigneten.

Vom 13.07.1995 an war der Kläger wegen der Folgen eines als Unternehmer erlittenen und von der Beklagten entschädigten Arbeitsunfalls vom 07.05.1980 arbeitsunfähig. Mit Bescheid vom 31.08.1996 bewilligte die Beklagte ihm als kalendertägliches Verletztengeld den 450. Teil des satzungsmäßigen Jahresarbeitsverdienstes von 33000,00 DM (73,33 DM). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, das Verletztengeld sei nicht nach der aktuellen Versicherungssumme berechnet worden. Der von der Beklagten angeführte § 49 der Satzung enthalte keine ausdrückliche Regelung zur Aktualisierung des Verletztengeldes bei einem Selbständigen. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.1996 mit der Begründung zurück, die nach dem Arbeitsunfall erfolgte Erhöhung der Versicherungssumme könne nach § 42 Abs. 2 i. V. m. §49 ihrer Satzung nicht berücksichtigt werden.

Der Kläger hat Klage erhoben und die Auffassung vertreten, die Beklagte dürfe ihn nicht schlechter stellen als einen abhängig Beschäftigten, bei dem die Höhe des Verletztengeldes im Falle der Wiedererkrankung von dem zuvor erzielten Verdienst abhänge. Die Handhabung der Beklagten führe zu einer Benachteiligung von Selbständigen, die nicht nur den Gestaltungsfreiraum von Unternehmern unangemessen einschränke ("Gedanke auch der Versicherungsfreiheit"), vielmehr auch grundgesetzwidrig sei (Verstoß gegen Art. 3, 12 Grundgesetz). Auch aus § 50 der Satzung ergebe sich ein Gebot der Gleichbehandlung von freiwillig versicherten Personen und gesetzlich Versicherten.

Die Beklagte ist auf ihren in den Bescheiden vertretenen Standpunkt verblieben.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 15.09.1998, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, abgewiesen.

Mit seiner Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen und betont: Verletztengeld habe sich nach den Verhältnissen zu richten, die aktuell vor dem Zeitpunkt der Erkrankung bestanden hätten. Entsprechend diesem unbestrittenen Grundsatz habe "man in der Praxis der früheren Zeit ausweislich offenbar von Schulungsbeispielen beim Verletztengeld auch eine zwischenzeitliche Anhebung der Versicherungssumme berücksichtigt". Der Unternehmer stelle seine Einkommensverhältnisse durch die gewählte Versicherungssumme dar. Die Beklagte wolle aus seiner früheren Unterversicherung Vorteile ziehen und ihn "gewissermaßen festnageln". Dabei dürfte die gegenwärtige Versicherungssumme der Einkommenssituation vor der Wiedererkrankung eher nahe kommen. Die Beklagte verstoße mit ihrer Satzung gegen Art. 3 des Grundgesetzes insofern, als sie es den Unternehmern verwehre, bei Wiedererkrankungen die aktuellen Verhältnisse zugrunde zu legen. Dies sei nicht die einzige Diskriminierung oder Schlechterstellung der Unternehmer in der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung. Für ihn mache die richtige Berechnung einen erheblichen Unterschied aus.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.09.1998 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 31.08.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.1996 zu verurteilen, der Berechnung des Verletztengeldes den Jahresarbeitsverdienst unter Berücksichtigung der aktuellen Zusatzversicherung zugrunde zu legen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die über den Kläger geführten Unfallakten (4 Bände) und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Dem Kläger steht weder nach den Vorschriften der RVO noch denen des SGB VII (zur Anwendbarkeit dieser Normen vgl. §§ 214, 217 SGB VII) ein höheres Verletztengeld zu. Nach § 561 Abs. 3 RVO bzw. § 47 Abs. 5 SGB VII beläuft sich das Verletztengeld für den als Unternehmer versicherten Kläger auf den 450. Teil des Jahresarbeitsverdienstes (JAV). Dieser beträgt hier nach § 41 Abs. 1 der Satzung der Beklagten vom 22.05.1975 in der Fassung des ersten bis neunten Nachtrags - Stand 01.01.1995 - 33000,00 DM. Diese Versicherungssumme ist vorliegend zugrunde zu legen. Zwar bestimmt § 574 RVO ebenso wie § 48 SGB VII, daß im Falle einer Wiedererkrankung für die Verletztengeldberechnung anstelle des Zeitpunktes der ersten Arbeitsunfähigkeit auf den der Wiedererkrankung abzustellen ist. Dies führt im Regelfall dazu, daß eine zwischen Arbeitsunfall und Wiedererkrankung abgeschlossene Zusatzversicherung zu berücksichtigen ist (BSG SozR 2200 § 574 Nr. 2). Dies gilt hier allerdings nicht, weil die Beklagte die Regelung zulässigerweise abbedrungen hat.

Dies ergibt sich aus § 42 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 49 Satz 2 ihrer insofern durch die Nachträge nicht geänderten Satzung vom 22.05.1975. Danach fallen Wiedererkrankungen aus Anlaß von Unfällen, die sich vor Eintritt der Zusatzversicherung ereignet haben, nicht unter diese Versicherung. So liegt der Sachverhalt hier. Der Kläger hat die erste Erhöhung seiner Versicherung nach Eintritt des Wegeunfalls vom 07.05.1980 abgeschlossen. Insofern enthalten die Satzungsbestimmungen eine Sonderregelung zur Bestimmung des § 43 und des vom Kläger für seine Auffassung angeführten, freiwillig versicherte Personen betreffende § 50, denen zufolge die Unternehmer grundsätzlich dieselben Ansprüche nach den §§ 546 ff. RVO haben wie die gesetzlich Versicherten.

Diese den Kläger belastenden Bestimmungen verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Die Beklagte hat sich vielmehr bei ihrem Erlaß im Rahmen ihrer Satzungsautonomie bewegt. § 632 RVO räumte der Beklagten die Befugnis ein, den Unternehmern eine Zusatzversicherung anzubieten. Sie war hierzu allerdings weder verpflichtet noch gehalten, eine höhere Versicherung einschränkungslos zur Verfügung zu stellen. Denn gem. § 632 RVO "kann" die Satzung bestimmen, "daß und unter welchen Voraussetzungen" eine höhere Versicherung abgeschlossen werden kann. Daraus ist zu folgern, daß sie die Zusatzversicherung auch unter der hier gewählten Modifikation anbieten konnte. Die vorgenommene Beschränkung der Geltung der Zusatzversicherung auf spätere Versicherungsfälle ist auch sachgerecht. Die grundsätzlich maßgebliche Versicherungssumme (ohne die Zusatzversicherung) kann, wird allerdings in der Regel nur selten dem tatsächlichen Arbeitseinkommen entsprechen. Dies gilt in gleicher Weise für die durch eine Zusatzversicherung aufgestockte Gesamtversicherungssumme. Anders als bei abhängig Beschäftigten, bei denen im Falle einer (Wieder-) Erkrankung ein konkreter Schaden zu kompensieren ist, ist bei einem Unternehmer eine Korrelation zwischen dem tatsächlichen Einkommensverlust und der Höhe des nach der gewählten Versicherungssumme bemessenen Verletztengeldes eher zufällig. Diese strukturellen Unterschiede bei der Bemessungsgrundlage rechtfertigen die vorgenommene Beschränkung der Wirksamkeit einer Zusatzversicherung. Sie machen zugleich deutlich, daß darin eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nach Art. 3 Grundgesetz nicht zu sehen ist. Dies gilt auch deshalb, weil die vom Kläger repräsentierte Personengruppe nur kraft Satzung und nicht kraft Gesetzes versichert ist wie die von ihm zu Vergleichszwecken herangezogene Gruppe der abhängig Beschäftigten. Ein Verstoß gegen Art. 12 Grundgesetz ist ebensowenig ersichtlich wie ein "Gedanke der Versicherungsfreiheit", der zu einer anderen Beurteilung führen könnte. Eher erscheint es unangemessen, daß sich der Vorteil, eine Versicherungssumme losgelöst von den tatsächlichen Einkommensverhältnissen zu wählen, auch auf Sachverhalte der vor liegenden Art erstrecken soll. Der Kläger könnte auch keine Rechte daraus herleiten, daß "man in der Praxis der früheren Zeit aus weislich von Schulungsbeispielen beim Verletztengeld" anders verfahren haben soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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