L 15 U 143/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 104/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 143/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts D ... vom 12. Mai 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird um die Entschädigung des Ereignisses vom 16.09.1989 als Arbeitsunfall geführt. Der 1963 geborene Kläger wurde am 16.09.1989 gegen 04:35 Uhr nach dem Besuch der Gaststätte "S ..." in M ... in eine Schlägerei verwickelt, die aus einer Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen junger Leute aus M ..., bestehend aus dem Kläger, dem Gerüstbauer F ... S ... und der Verkäuferin C ... Z ..., und aus D ..., zu der der Schleifer S ... U ..., der Schlosser P ... M ..., der Maschinenschlosser R ... R ..., der Einzelhändler C ... S ... und die Auszubildende E ... K ... gehörten, resultierte. Der Kläger erlitt dabei unter anderem eine doppelte Schädelfraktur.

Die Kreispolizeibehörde in M ... vernahm zum Tathergang als Zeugen unter anderem den Kläger, F ... S ..., C ... Z ..., C ... S ..., E ... K ..., P ... M ..., R ... R ..., den Gastwirt L ... B ..., den Gebäudereiniger E ... I ... und den Stahlbauschlosser M ... U ... Vor dem Amtsgericht D ... wurden am 22.09.1989 die Beschuldigten U ... und M ... vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschriften Bezug genommen.

Das Landgericht D ... (Az.: ...) verurteilte am 29.06.1990 die Angeklagten U ... und M ... wegen gefährlicher Körperverletzung bzw. wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Die wegen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung angeklagten R ... und S ... wurden vom Amtsgericht L ... freigesprochen (Urteil v. 22. 11. 1991 - ...). Das Landgericht D ... ging im Tatbestand davon aus, dass es im Verlaufe eines Gaststättenbesuches im "S ..." zwischen den Angeklagten M ... und U ... und deren Begleitern sowie weiteren Gästen, die aus M ... stammten, zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen sei. Als der Wirt B ... auf die lautstark geführte Auseinandersetzung aufmerksam geworden sei, habe er sofort eingegriffen und mit Hilfe seines Türstehers, des Zeugen B ..., die Angeklagten und deren Begleiter des Lokals verwiesen. Nach Erhalt des Lokalverbots hätten die Angeklagten und ihre Begleiter die Zeche gezahlt und sich auf die Straße begeben. Dabei seien sie vom Wirt und dessen Türsteher begleitet worden, mit denen sie auch noch vor dem Lokal erregt über die Berechtigung ihres "Hinauswurfs" diskutiert hätten. Der Angeklagte U ...-G ... habe darauf insbesondere empört den Verdacht geäußert, dass sie nur deshalb aus dem Lokal hinausgewiesen worden seien, weil er Ausländer sei. In dieses Gespräch mit dem Wirt habe sich nunmehr auch der Kläger eingemischt. Infolge dessen sei es erneut zu einem Wortgefecht, an dem insbesondere der Kläger und der Zeuge S ... beteiligt gewesen seien, gekommen. In dessen Verlauf habe der Zeuge S ... den Kläger wiederholt zu einer Schlägerei herausgefordert, obwohl er ihm körperlich deutlich unterlegen gewesen sei. Als der Kläger sich nach einigem Zögern hierauf eingelassen habe, hätten sich die beiden von der Gruppe der vor dem Lokal Stehenden entfernt, um ihren Streit auszutragen. Dabei sei es dem Kläger gelungen, seinen Gegner mit mehreren Schlägen niederzustrecken. Durch den mit der Prügelei verbundenen Lärm aufmerksam geworden, habe nunmehr der Angeklagte M ... seinem Begleiter S ... zur Hilfe eilen wollen. Dies sei jedoch von dem Zeugen S ... unterbunden worden, der M ... in den "Schwitzkasten" genommen und ihm klargemacht habe, dass er sich in den Zweikampf nicht einzumischen habe. Als nunmehr die Umstehenden beschwichtigend auf S ... und den Kläger eingewirkt hätten, hätten diese sich sofort wieder vertragen, so dass der Wirt, der die Auseinandersetzung ebenfalls verfolgt habe, den Eindruck gewonnen habe, die Angelegenheit sei endgültig bereinigt. Der Angeklagte M ... habe sich in ein ab seits gelegenes Gebüsch begeben und dort einen circa 1,20 m langen und 5 cm starken Ast abgebrochen, um damit den Kläger und den Zeugen S ..., die sich zwischenzeitlich wieder in das Lokal begeben hätten, zu verprügeln. Als die beiden etwa eine viertel Stunde später in Begleitung der Zeugin Z ... das Lokal verlassen hätten, um sich auf den Heimweg zu begeben, sei ihnen der Angeklagte M ... mit dem von ihm ergriffenen Ast nachgelaufen. Möglicherweise sei dieser zuvor noch durch abfällige Bemerkungen des Klägers und des Zeugen S ... provoziert worden. Dem Angeklagten M ... seien die Mitangeklagten U ... und R ... gefolgt. Als der Angeklagte M ... den Zeugen S ... und dessen Begleiterin, die im Abstand von 5 bis 10 m hinter dem Kläger gegangen seien, eingeholt habe, habe er sofort mehrfach mit dem mitgeführten Ast nach dem Zeugen S ... geschlagen, um diesen zu verletzen. Die Schläge hätten aber ihr Ziel verfehlt. Lediglich die Zeugin Z ... sei von einem der Schläge am Bein getroffen worden. Als der Kläger die Auseinandersetzung bemerkt habe, sei er umgekehrt und auf die Beteiligten zugelaufen. Dabei sei er so heftig mit dem Angeklagten M ... und R ... zusammengeprallt, dass sie miteinander zu Boden gestürzt seien. Im Fallen habe der Angeklagte M ... den Ast verloren. Nach dem er wieder aufgestanden sei, habe er nunmehr unbewaffnet die begonnene Schlägerei mit dem Zeugen S ... fortgesetzt. Währenddessen habe der Kläger noch auf dem unter ihn zu liegen gekommenen Zeugen R ... gelegen. Dann habe der Angeklagte U ... den Ast, den der Mitangeklagte M ... verloren habe, ergriffen und mit ihm plötzlich wie von Sinnen mehrfach mit voller Wucht auf den Kläger eingeschlagen.

Die Beigeladene erkannte mit Bescheid vom 11.08.1992 reizlose Gesichtsschädelnarben und einen verheilten Schädeldachbruch als Folgen einer Schädigung gemäß § 1 Abs. 1 des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) an, lehnte aber die Gewährung von Leistungen mit der Begründung ab, eine rentenberechtigende MdE liege nicht vor, die Ansprüche des Klägers auf Heilbehandlung ruhten, weil er Leistungen gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen könne. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger gegen die Beigeladene Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (Az.: ...). Das Sozialgericht hat im Termin zur Beweisaufnahme am 03.11.1994 den Kläger angehört und die Zeugin C ... Z ... sowie den Zeugen F ... S ... vernommen. Auf die Terminsniederschrift wird Bezug genommen.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14.10.1996 einen Entschädigungsanspruch des Klägers mit der Begründung ab, nach dem bisherigem Ermittlungsergebnis könne nicht von einer Hilfeleistung im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a Reichsversicherungsordnung (RVO) gesprochen werden. Der Kläger sei nicht im Interesse seines Freundes tätig geworden, sondern vielmehr selbst das Opfer der tätlichen Auseinandersetzung. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 16.04.1997).

Mit der Klage zum Sozialgericht Düsseldorf hat der Kläger vorgetragen, er sei nach Verlassen der Gaststätte von der Zeugin Z ... gerufen worden und habe dann gesehen, dass diese und der Zeuge S ... von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen worden seien, von denen einer versucht habe, mit dem Ast auf die beiden Personen einzuschlagen. Er habe den beiden zu Hilfe eilen wollen und sei dabei auf den Boden geworfen und selbst verletzt worden.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 12.05.1999 die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger sei im Wesentlichen nicht tätig geworden, um andere aus Lebensgefahr oder gegenwärtiger Gefahr für Körper und Gesundheit zu retten. Die Schlägerei, bei der er schwer verletzt worden sei, sei die Fortsetzung der vorangegangenen Auseinandersetzung gewesen. Der gewalttätige Angriff habe insbesondere ihm gegolten. Dies ergebe sich aus seinen eigenen Angaben bei der polizeilichen Vernehmung sowie aus den Angaben der Zeugen Sc ..., S ... und K ...

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, die Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Zeugen S ... sei geschlichtet und endgültig bereinigt worden. Er habe sich mit dem Zeugen S ... wieder vertragen. Nach dem Verlassen der Gaststätte sei M ... mit einem circa 1,20 m langen und 5 cm starken Ast hinter ihm, dem Zeugen S ... und der Zeugin Z ..., die in einem Abstand von circa 5 bis 10 Meter hinter ihm gegangen seien, hergelaufen. M ... habe mehrfach mit dem Ast nach dem Zeugen S ... geschlagen, um diesen zu verletzen und dabei auch die Zeugin Z ... am Bein getroffen. Der Zeuge S ... habe ihn gerufen. Er habe sich daraufhin umgedreht und gesehen, dass der Zeuge S ... vom Zeugen M ... mit einem gefährlichem Werkzeug angegriffen worden sei. Er habe dem Zeugen S ... zu Hilfe eilen wollen und sei dabei von U ... verletzt worden. Er sei tätig geworden, um einem anderen zu helfen und eine gegenwärtige Gefahr für diesen zu beseitigen. Dies ergebe sich insbesondere auch aus den Urteilen des Landgerichts D ... und des Amtsgericht L ...

Der Kläger beantragt schriftlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts D ... vom 12. Mai 1999 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.1997 zu verurteilen, das Ereignis vom 16.09.1989 als Arbeitsunfall nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für rechtens und vertritt die Auffassung, der tätliche Angriff habe in erster Linie dem Kläger gegolten, was sich auch aus den Angaben des Klägers im Verfahren ... ergebe.

Das beigeladene Land hat sich der Auffassung des Klägers angeschlossen.

Das Berufungsgericht hat im Termin zur Beweisaufnahme am 27.10.2000 die Zeugen F ... S ... und C ... S ... sowie die Zeugin C ... Z ... uneidlich vernommen und in einem weiteren Termin zur Beweisaufnahme am 06.03.2001 die Zeugin E ... K ... und die Zeugen K ... B ... und L ... B ... uneidlich gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Terminsniederschriften, wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes im Einzelnen auf den Inhalt der Streitakten, der Akten der Beklagten und der beigezogenen Akten der Beigeladenen, der Staatsanwaltschaft D ... 111 Js 616/89 und des Sozialgerichts D ... S 30 Vs 92/94 und S 30 V 369/92 Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Einverstndnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Ansprüche des Klägers bestimmen sich noch nach den Vorschriften der RVO. Das am 01.01.1997 in Kraft getretene Siebte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) findet keine Anwendung, weil der geltend gemachte Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 liegt (Artikel 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).

Das Ereignis vom 16.09.1989 ist nicht als Arbeitsunfall zu entschädigen. Denn der Kläger war nicht versichert, als er sich die Verletzungen zuzog. Die Voraussetzungen für den allein in Betracht kommenden Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a oder c RVO sind nicht erfüllt. Nach diesen Vorschriften sind Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus gegenwärtiger Lebensgefahr oder erheblicher gegenwärtiger Gefahr für Körper oder Gesundheit zu retten unternehmen oder die sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist, oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen. Zwar waren der Zeuge S ... und die Zeugin Z ... einen solchen widerrechtlichen Angriff ausgesetzt. Es bestand auch erhebliche gegenwärtige Gefahr für ihre Gesundheit. Es steht fest, dass der Täter M ... mit einem Knüppel bewaffnet auf die Zeugin Z ... und den Zeugen S ... losging und zumindest die Zeugin Z ... auch von einem Schlag getroffen wurde. Es lässt sich aber nicht mit dem dafür erforderlichen an Sicherheit grenzenden Grad der Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass das Eingreifen des Klägers im inneren Zusammenhang mit Schutz und Rettung der beiden Personen steht. Es ist nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen, dass die Handlungstendenz des Klägers wesentlich allein auf Rettung und Schutz der eigenen Person gerichtet war oder auch darauf, gemeinsam mit dem Zeugen S ... die Auseinandersetzung mit der G ... Gruppe in der Weise fortzusetzen, wie er sie bereits mit dem Zeugen S ... geführt hatte.

Die Vorgeschichte der tätlichen Auseinandersetzung kann dabei nicht unberücksichtigt bleiben. Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme sieht es der Senat als erwiesen an, dass es in der Gaststätte "S ..." zunächst zu verbalen Auseinandersetzungen kam, die darin gipfelten, dass U ..., M ..., R ..., S ... und K ... vom Wirt, dem Zeugen B ..., aus dem Lokal gewiesen wurden. Draußen entwickelte sich eine tätliche Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Zeugen S ..., die der körperlich überlegene Kläger für sich entscheiden konnte (so der Zeuge S ... bei der Erstattung der Strafanzeige vor der Polizei und bei seiner polizeilichen Vernehmung am 21.09.1989). Der Kläger schlug den Zeugen S ... nach seinen eigenen Angaben bei der Vernehmung vor der Polizei am 02.11.1989 zu Boden. Im Termin zur Erörterung und Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht hat der Kläger vorgetragen, es habe sich um eine Auseinandersetzung mit Worten aber auch um eine Schubserei gehandelt. Er habe einmal "zugelangt", daraufhin sei der Zeuge S ... zu Boden gegangen. Dieser gab vor der Polizei an, er habe Prellungen im Kieferbereich erlitten, wegen der er er sich in ärztliche Behandlung habe begeben müssen.

Dieser Streit war zumindest für die unmittelbar Beteiligten, den Kläger und den Zeugen S ..., beigelegt. Sie hatten sich wieder vertragen. Insoweit stimmen die Angaben des Klägers und die Aussagen der Zeugen K ..., S ... und S ... überein. Für die beiden Täter U ... und M ... war die Angelegenheit aber damit noch nicht bereinigt. M ... besorgte sich einen abgebrochenen Ast als Knüppel. Dann warteten beide auf den Kläger und den Zeugen S ..., um sich - so die Bekundungen des R ... R ... vor der Polizei - mit diesen zu prügeln. Das maßgebende Motiv dafür war, die Niederlage des Zeugen S ... zu rächen. Dies ergibt sich aus der Aussage des M ... U ... vor der Polizei, der die Gaststätte vor dem Kläger, dem Zeugen S ... und der Zeugin Z ... verlassen hatte:

"Als ich draußen den blonden G ... sah, fragte ich ihn, ob er auf mich warten würde. Er sagte zu mir: Du hast meinen Freund zusammengeschlagen. Dabei griff er nach einem Knüppel, der an einer Hauswand von dem Sportwarengeschäft lehnte. Daraufhin sagte ein Mädchen: Nein der war das nicht, der muss noch drinnen sein, lass den gehen."

Der Kläger, der Zeuge S ... und die Zeugin Z ... verließen etwa eine viertel bis eine halbe Stunde später die Gaststätte, um sich auf den Heimweg zu begeben. Der Kläger ging voran, der Zeuge S ... und die Zeugin Z ... folgten wenige Meter dahinter.

Ob sie beim Verlassen der Gaststätte die G ... Gruppe gesehen haben (so der Zeuge S ... bei seiner Strafanzeige vom 16.09.1989 und die Zeugin Z ... bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 26.09.1989) oder nicht (so der Kläger und der Zeuge S ... bei ihren polizeilichen Vernehmungen am 21.09.1989 bzw. 02.11.1989) und ob sie diese gar durch abfällige Bemerkungen (so Aussage M ... vor der Polizei am 21.09.1989) oder durch Lachen (so K ... vor der Polizei am 21.09.1989) provoziert haben, lässt sich nicht mehr feststellen. Auf jeden Fall liefen U ..., M ... und R ... dem Kläger und seinen Begleitern nach. M ... schlug mit dem Knüppel auf den Zeugen S ... und die Zeugin Z ... ein.

Der Zeuge S ... hat dann den Kläger gerufen. Im Termin zur Beweisaufnahme hat er sich an den genauen Wortlaut dieses Rufes nicht mehr erinnert. Bei seiner zeitnahesten Aussage in der Strafanzeige noch am Tage der Auseinandersetzung hat er angegeben, er habe dem Kläger zugerufen: "Die wollen Ärger." Danach mischte sich der Kläger in die Schlägerei ein, die den im Urteil des Landgerichts D ... beschriebenen Verlauf nahm.

Der Senat folgt im Wesentlichen den glaubhaften Aussagen der Zeugen S ... und S ..., der Zeugin Z ... und den eigenen Angaben des Klägers. Angesichts des langen Zeitablaufs bis zur Vernehmung der Zeugen im vorliegenden Verfahren wird wegen der Einzelheiten auf die im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Aussagen der Zeugen vor der Polizei zurückgegriffen.

Danach steht fest, dass der Angriff der G ... Gruppe in erster Linie dem Kläger galt, weil er den Zeugen S ... niedergeschlagen hatte. Allerdings sollte auch der Zeuge S ... in die Prügelei mit einbezogen werden. Dass die Angreifen den zunächst auf den Zeugen S ... und die Zeugin Z ... stießen, war reiner Zufall. Es liegt von daher nahe, dass der Kläger die folgende tätliche Auseinandersetzung mit der G ... Gruppe in erster Linie als seine eigene Angelegenheit ansah; das es im Vordergrund der Schutz seiner eigenen Person stand. Dies schließt zwar für sich allein genommen den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a oder c RVO noch nicht von vornherein aus. Insofern reicht es, wenn die Schutz- und Rettungsleistung für dritte Personen die Handlungstendenz wesentlich mitbestimmt (BSGE 44, 22, 24). Aber auch dies lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass eine gewisse, möglicherweise auch durch Alkoholeinfluss - der Kläger gab bei seiner Vernehmung vor der Polizei den Genuss von 15 Glas Bier an - bedingte Rauflust die Handlungstendenz des Klägers maßgebend beeinflusste. Dafür gibt es durchaus gewichtige Anhaltspunkte. Die vorangegangene Schlägerei mit dem Zeugen S ... zeigt den Kläger als einen Mann, der einer tätlichen Auseinandersetzung nicht aus dem Wege geht. Dies wird besonders deutlich aus seiner ersten unbefangenen Schilderung des Ablaufs bei seiner polizeilichen Vernehmung am 02.11.1989:

"Dabei standen dann die G ... vor der Tür und der kleinste von ihnen machte mich an. Er sagte irgendetwas, das mir nicht gefiel, ich weiß nicht mehr, was es war. Ich sagte zu ihm sinngemäß: Hör mal das bringt nichts, lass es lieber sein. Er hat mich immer wieder getrietzt. Es war ein längeres Gespräch über einige Minuten. Daraufhin sagte ich: Ok, bringen wir es hinter uns. Wir gingen um die Ecke, er stellte sich wie ein Karatekämpfer vor mich. Daraufhin habe ich ihm zwei gegeben, da lag er auf dem Boden. Ich sagte zu ihm: Siehste, das hast du jetzt davon, hören wir auf, jetzt ist es gut. Daraufhin hat er sich bei mir entschuldigt. Da war die Sache für mich erledigt. Ich sagte noch zu ihm: Wehe, du linkst mich."

Einen weiteren Hinweis darauf, dass es dem Kläger und dem Zeugen S ... nicht so sehr um gegenseitige Schutz- und Hilfeleistung als um die Fortsetzung der bisherigen Auseinandersetzung ging, gibt auch die Wortwahl, mit der der Zeuge S ... den Kläger herbeigerufen hat: "Die wollen Ärger". Insgesamt gesehen ist eine auf Hilfe und Rettung Dritter gerichtete Handlungstendenz des Klägers nicht bewiesen. Den sich daraus ergebenden Rechtsnachteil hat er nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetz (SGG). Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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