L 6 VG 665/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 VG 87/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 665/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG) aufgrund eines behaupteten rassistischen Angriffs am 17. März 2016.

Er ist 1975 in der Türkei geboren und deutscher Staatsangehöriger. Er beantragte am 19. Juli 2019 bei dem Landratsamt R (LRA) die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Zur Tat gab er an, dass er ohne ersichtlichen Grund angegriffen, beleidigt und geschlagen worden sei. Der Täter habe gesagt, dass er sich in seiner Heimat benehmen solle. Infolge der Auseinandersetzung leide er an Kopf- und Nackenschmerzen sowie Schlafstörungen. Der Täter habe nicht ermittelt werden können.

Das LRA zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Mannheim – StA – (Az.: 630 UJs 6978/16) bei. Daraus ergab sich die Strafanzeige des Klägers vom 22. März 2016 gegen Unbekannt wegen Beleidigung, Bedrohung und Nötigung. Er führte aus, dass er am 17. März 2016 gegen 21 Uhr aus Richtung L kommend durch die Schiebetür des Hauptbahnhofs M in das Gebäude hineingelaufen sei, als ihm ein adrett gekleideter Mann (etwa Mitte 50 mit ostdeutschem Akzent) mittig gehend entgegengekommen sei, der ihn trotz seines Ausweichmanövers angerempelt habe. Er habe gesagt, dass er sich in seiner Heimat gefälligst benehmen solle. Als er sich umgedreht und den Mann fragend angeschaut habe, habe dieser gesagt „Du Arschloch, jetzt hau ich dir aufs Maul“. Der Mann habe seinen Trolley sowie seine Umhängetasche hingelegt und ihn am Kragen gepackt. Er habe ihn geschüttelt und angespuckt. Danach habe er von ihm – dem Kläger – abgelassen und sei Richtung Gleise weitergegangen. Mehrere Zeugen hätten dagestanden und den Vorfall unmittelbar beobachtet. Einen Herrn habe er angesprochen und ihn gefragt, ob er alles gesehen habe und dies bezeugen könne. Dieser habe einfach den Kopf geschüttelt, obwohl er während des Vorfalls stehen geblieben gewesen sei, um alles zu beobachten. Er sei dann dem Täter gefolgt, um ihn zur Rede zu stellen. Dieser sei einfach die Rolltreppe hochgegangen, als er ihn habe aufhalten wollen, seien weitere Personen, die an den Gleisen gewartet hätten, auf ihn zugekommen und hätten ihn geschubst. Nachdem er den Vorfall erläutert habe, seien Sprüche wie „ist ja auch unsere Heimat“ und „heutzutage kann man ja nicht mehr links wählen“ gekommen. Da sich alle gegen ihn gestellt hätten und er keine Chance gesehen habe, den Täter mit der rechten Gesinnung aufzuhalten, sei er wieder in den Bahnhof zurück. Als er auf der Rolltreppe im Bahnhof gewesen sei, seien drei Bundespolizisten hinterher ihm gestürmt und hätten gesagt, ein Bahnmitarbeiter habe angerufen. Er habe den Beamten den Vorfall erläutert und diese hätten gemeint, den Täter aufgreifen zu wollen. Weshalb die Bundespolizisten zu dritt direkt zu ihm gekommen seien und nicht wenigstens zu einer der besagten Personen, sei ihm nicht schlüssig und erinnere ihn etwas an den Fall Marwa Sherbini 2009 in Dresden. Die 90er Jahre seien eigentlich lange vorbei. In 2015 habe es noch vor den Vorfällen in der Silvesternacht und der Münchner U-Bahn einen Anstieg von mehr als 40 % an rassistischen Übergriffen gegeben. Seit dem Vorfall gehe er davon aus, dass die Dunkelziffer noch weit höher sei. Etwa 20 Minuten später sei er dann zur Dienststelle der Bundespolizei im Hauptbahnhof gegangen. Der Beamte, welcher davor auch mit dabei gewesen sei, habe gesagt, dass man auf dem Weg dahin über jemand anderen gestolpert sei und auf einen Afrikaner gedeutet, der im Eingangsbereich auf der Bank gesessen habe. Er habe zudem gesagt, dass er die Haltung des Klägers nicht nachvollziehen könne und er sich ganz andere Sachen anhören müsse. Dass er dafür ausgebildet sei und hierfür Gehalt beziehe, sei von dem Polizisten verkannt worden. Seinen Namen habe er nicht nennen wollen und habe für alles weitere, auch die Videoauswertung, auf den Revierleiter verwiesen, der nicht anwesend gewesen sei. Somit habe die Person mit der rechten Gesinnung einen Angriff verüben und unbehelligt davon ziehen können. Auf die vielen Zeugen habe er sich nicht verlassen und habe als Bürger zumindest erwartet, dass die Repräsentanten des Staates neutral seien und er sich bei Schwierigkeiten in Zukunft auf diese verlassen könne. Vor etwa 20 Jahren sei er in eine ähnliche Situation vor einer Telefonzelle gekommen, als ein Mann aus der Zelle gekommen sei und ihn aus dem Nichts heraus geschlagen habe. Ein Pärchen, das unmittelbar dabeigestanden und das Ganze beobachtet habe, habe nur ausgesagt, dass er den Mann geschlagen habe, deshalb habe er die Strafe zu tragen. Es stelle sich für ihn die Frage, was passiert wäre, wenn er sich gegen den Angreifer gewehrt hätte. Am nächsten Tag sei er nochmals zur Bundespolizei. Er habe dort das Ganze nochmal geschildert und von Herrn S die Auskunft erhalten, dass man unterbesetzt sei und viele Praktikanten habe, die nicht allein losziehen dürften. Deshalb müssten Prioritäten gesetzt werden. Die routinemäßige Personenkontrolle eines Afrikaners sei also wichtiger als die Ermittlung eines gewalttätigen Rassisten, Rechtsextremen oder wie auch immer man diesen betiteln möge, gewesen. Von einer Anzeige habe Herr S abgeraten, da in einem solchen Fall keine Videoauswertung vorgenommen werde, um die Person zu ermitteln, die Aussichten dafür seien schlecht. Die Videoauswertung sei für ihn die einzige Möglichkeit, die zur Aufklärung beitragen könne. Des Weiteren sei er verunsichert, wie er in Zukunft bei ähnlichen Situationen agieren solle. Er gehe Problemen stets aus dem Weg und mache einen großen Bogen um Personen, die durch einschlägige Symbole zu erkennen seien. Allerdings sei es schwierig, wenn diese Einstellung in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei und eine breite Akzeptanz finde.

Polizeihauptkommissar (PHK) B führte in seiner Formanzeige aus, dass ein unbekannter männlicher Täter den Kläger beleidigt, bedroht und geschubst habe. Die Angaben beruhten auf den Angaben des Klägers, Zeugen seien nicht vorhanden. Laut Bericht der eingesetzten Streife der Bundespolizei habe zunächst der Kläger im Verdacht gestanden, der Verursacher des Streits zu sein. Der Kontrahent habe nicht mehr ermittelt werden können, da er bereits mit dem Zug abgefahren gewesen sei. Der Kläger habe sich aufbrausend verhalten und den Beamten Ermittlungstätigkeiten vorschreiben wollen, die nicht möglich seien. Er sei gebeten worden, einen Tag später beim Revierleiter vorzusprechen. In diesem Gespräch sei erneut versucht worden, ihm die Aussichtslosigkeit einer Videoauswertung des Vorfalls zu verdeutlichen.

PHK N gab in seinem polizeilichen Bericht vom 27. April 2016 an, dass durch die 3-S-Zentrale im Hauptbahnhof M auf dem Bahnsteig 7 gemeldet worden sei, dass sich eine Streitigkeit zwischen zwei Personen ereignet habe. Beim Eintreffen der Streife sei der dort haltende Zug wieder abgefahren. Passanten hätten angedeutet, dass sich einer der beiden Kontrahenten im gerade abgefahrenen Zug befinde und der andere Richtung Hauptbahnhof unterwegs sei. Dabei habe es sich um einen sehr aggressiv auftretenden Mann gehandelt, der seinen Kontrahenten geschubst und lautstark beschimpft habe. Es sei beschrieben worden, dass der aggressive Mann einen auffälligen Rucksack trage. Aufgrund dessen habe ein Mann auf der Rolltreppe festgestellt werden können, auf den die Beschreibung zugetroffen habe. Hierbei habe es um den Kläger gehandelt. Diese sei während der Kontrolle aufgebracht und aggressiv gewesen, habe nur mit Mühe beruhigt werden können. Nach der Kontrolle habe der Kläger seinen Weg fortgesetzt, ein etwaiger Straftatverdacht habe sich nicht ergeben. Ein solcher sei von dem Kläger nicht geäußert worden, vielmehr sei der Eindruck entstanden, dass es sich bei diesem um den Urheber der Streitigkeit gehandelt habe. Da die Identität des Gegenübers nicht habe festgestellt werden können, habe man es bei der Kontrolle bewenden lassen. Wenige Zeit später sei der Kläger auf der Dienststelle vorstellig geworden und habe eine Videoauswertung des in Rede stehenden Vorfalls gefordert. Dabei habe er geäußert, von seinem Kontrahenten rassistisch beschimpft, am Kragen gepackt und geschubst worden zu sein. Dem Kläger sei erklärt worden, dass es sich bei der Videoanlage lediglich um bildgebende Aufzeichnungen handele, eine akustische Aufzeichnung nicht möglich sei. Ferner habe seine Schilderung des Vorfalls keinen Straftatverdacht im Sinne einer Körperverletzung ergeben, weswegen ihm deutlich gemacht worden sei, dass keine Videoauswertung durchgeführt werde. Der Kläger sei vehement bei seiner Forderung geblieben. Zu keinem Zeitpunkt habe er davon gesprochen, angespuckt oder geschüttelt worden zu sein. Vielmehr habe er sich darüber beschwert, dass sich die in der Wache befindlichen Beamten lieber mit einem Schwarzafrikaner beschäftigen würden, als sich um sein Anliegen als deutscher Staatsbürger zu kümmern. Er sei sichtlich erbost gewesen und habe die Namen sämtlicher Beamten genannt bekommen wollen, was ihm versagt worden sei. Da er nicht abgelassen habe, sei ihm vorgeschlagen worden, sich erst einmal zuhause zu beruhigen und am folgenden Tag beim Verantwortlichen für Revierangelegenheiten vorzusprechen. Daraufhin habe der Kläger die Wache verlassen.

Das Verfahren wurde von der StA gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, da kein Täter habe ermittelt werden können.

Auf die Nachfrage des Klägers vom 30. April 2018 teilte die StA ihm dies mit. Daraufhin machte der Kläger geltend, dass das Ermittlungsverfahren vorweg als Körperverletzung zu führen sei. Es solle mitgeteilt werden, ob bei der Ermittlung des volksdeutschen Täters der Staatsschutz einbezogen bzw. der Tatbestand als politisch motiviert eingestuft worden sei. Die StA blieb dabei, dass keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze bestünden und Ermittlungen deshalb nicht geführt würden. Das gelte in Bezug auf alle Vorwürfe.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 2019 lehnte das LRA den Antrag ab, da die anspruchsgebegründenden Tatsachen nachgewiesen sein müssten. Durch die Akte der StA habe sich als Sachverhalt ergeben, dass es am 17. Juni 2016 am Bahnsteig 7 des Mer Hauptbahnhofs zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einem Unbekannten gekommen sei, wobei es nach Angaben von anwesenden Passanten zu gegenseitigen lautstarken Beschimpfungen und Schubsereien gekommen sei. Der genaue Ablauf des Geschehens habe nicht mehr genau rekonstruiert werden können. Die Passanten hätten ausgesagt, dass die Aggressionen wohl vom Kläger ausgegangen seien. Nach Einschätzung der herbeigerufenen Polizeistreife habe gegen keinen der Beteiligten ein Straftatverdacht bestanden. Es könne somit nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen und tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 OEG geworden sei. Im Übrigen sei der Kläger nach seinen Angaben lediglich geschubst worden. Selbst wenn ein Tatbestand im Sinne des § 1 OEG hierdurch erfüllt sei, sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass heute – über drei Jahre nach der Tat – keine gesundheitlichen Folgen dieses Angriffs mehr vorlägen.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, dass der Sachverhalt nach der Ermittlungsakte der StA nicht dem Tathergang entspräche. Da er aus unerklärlichen Gründen keine Anzeige bei der Bundespolizei habe erstatten können, verweise er auf die selbstverfasste Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft und den Schriftverkehr hierzu. Ein Security-Manager der DB habe kurz nach der Tat zu ihm gesagt, dass die Bundespolizei hier alles sehe und „den“ kriegen werde. Das Kontrollzentrum habe er selbst im Revier der Bundespolizei gesehen und sich auf dessen Videoaufzeichnung fest verlassen. Der heftige Schlag in den Nackenbereich und das anschließende kräftige Schütteln im Eingangsbereich des Hauptbahnhofs seien leicht erkennbar gewesen. Dies verursache bei ihm seitdem dauerhafte unerträgliche Kopfschmerzen. Aufzuklären werde noch sein, ob der Angreifer bereits bekannt sei oder ob dieser womöglich sogar ihn gekannt habe, weiter wieso die Videoaufzeichnung nicht ausgewertet worden sei. Seit diesem Vorfall sei er dreimal von demselben Bundespolizisten am Hauptbahnhof M abgepasst und kontrolliert worden, was weiterer Klärung bedürfe.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2019 zurück. An der getroffenen Entscheidung werde festgehalten. Zum Ablauf des Geschehens vom 17. März 2016 gebe es keine neuen Erkenntnisse. Nach den polizeilichen Ermittlungen sei nicht auszuschließen, dass die Streitigkeiten vom Kläger selbst ausgegangen seien. Zu keinem Zeitpunkt habe er am 17. März 2016 bei der Bahnhofspolizei davon gesprochen, angespuckt oder geschüttelt worden zu sein. Vielmehr habe er nur angegeben, am Kragen gepackt und geschubst worden zu sein.

Am 9. Januar 2020 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Er verweise auf die nicht ausgewertete Videoaufzeichnung mit der der gesamte Tathergang dargelegt und die Ermittlung des rechtsextremen Angreifers mit völkisch-nationalem Gedankengut ein Einfaches gewesen wäre. Des Weiteren habe seitens der Bundespolizisten kein Interesse an einer detaillierten Umschreibung des Tathergangs und einer strafrechtlichen Ermittlung bestanden. Diese hätten stattdessen einen unbeteiligten Afrikaner kontrolliert. In einer sehr schlechten Verfassung und ohne jegliche Hilfe habe er die Strafanzeige selbst an die StA schreiben müssen.

Auf ausdrückliche Nachfrage des SG hat der Kläger angegeben, dass er unmittelbar nach dem Ereignis nicht in der Lage gewesen sei einen Arzt aufzusuchen, da er keinerlei Hilfe oder Unterstützung bekommen habe und mit letzter Kraft die Strafanzeige an die StA habe schreiben müssen. Zudem habe er danach versucht, solch ein Ereignis weitgehend auszublenden, was durch die wiederholten Kontrollen der Bundespolizei erschwert worden sei. Diese Verunsicherung nach der letzten Kontrolle habe ihn wiederum bewogen, ein weiteres Verfahren anzustoßen. Mitarbeiter der Stadt M/Jobcenter und zusammenhängende Stellen würden offensichtlich Interna rechtswidrig weitergeben. Nach der ersten Verhandlung beim SG (S 17 AS 2546/18) seien diverse Personen, die er zuvor noch nie gesehen habe, in das Fitnessstudio, in dem er regelmäßig trainiere, gekommen und hätten ihn beobachtet. Es seien Aufnahmen gemacht worden, die inszeniert worden seien, um durch öffentlich zugängliche Quellen an Bilddateien von ihm zu gelangen. Diese seien in diversen verketteten „rechten“ Chatgruppen wiederum öffentlich und über andere Kanäle ausgetauscht worden. Das Thekenpersonal an dem Tag, an dem die Aufnahmen gemacht worden seien, habe er seitdem nicht mehr gesehen. Dass einige vom Personal des Fitnessstudios darin verstrickt seien, sei unbestreitbar und der volle Umfang der Vernetzung werde noch zu klären sein. Hierzu werde auch auf das Verfahren L 7 AS 330/19 beim SG Bezug genommen. Ferner seien alle Feststellungen in Bezug auf mangelhaftes Kundenmanagement und den Rassismus bei der Stadt M bzw. dem Jobcenter mit diesem Sachverhalt erneut bestätigt worden. Dass der Angreifer seinerzeit in irgendeiner Weise mit der Stadt M oder anderen Stellen in Verbindung gestanden habe, sei zwar eine reine Vermutung, aber durchaus denkbar. Diese Diskriminierung diene offensichtlich der Einschüchterung und sei bereits mit großer Wahrscheinlichkeit auch bei anderen Personen geschehen. Der entstandene Gesamtschaden mit den Vorfällen und dem Verdienstausfall sei nicht wieder gut zu machen und mache zudem eine soziale Integration in M unmöglich. Aufgrund der aktuellen und sich wiederholenden Geschehnisse müsse die Einhaltung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oberste Priorität haben.

Auf die Anhörung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Kläger geltend gemacht, dass für das Verfahren ein öffentliches Interesse bestehe, das weit über die R1 hinausreiche. Der Gesamtsachverhalt dürfe sich in der heutigen Zeit nicht von A bis Z wie das Alphabet des Rassismus lesen und sei eines Rechtsstaats nicht würdig. Des Weiteren sei der Informationsfluss bis hin zu diversen Leuten, die ihn mehrmals ausgespäht hätten, wiederholt bestätigt worden. Anfang Mai sei ein mehrfach gefalteter Flyer, welcher höchstwahrscheinlich nur für ihn erstellt worden sei, eingeworfen worden. Vertraulicher Inhalt von Schreiben, die für das Gericht und Behörden bestimmt seien, dürften nicht weitergereicht werden. Der Informationsfluss zu einem der Lecks bzw. zu den Auftraggebern lasse sich mit Sicherheit vom Filmenden, wie im Schreiben vom 26. März 2020 beschrieben, zurückverfolgen. Durch die Strahlkraft dieser Aufnahmen werde er seitdem von vielen gemieden oder bedrohlich angestarrt. Hierbei greife zudem auch das Kunsturhebergesetz. Nach dem letzten Anschlag in H im Februar müsse der Gesamtgesellschaft verdeutlich werden, dass Rassismus keine Art Spaß sei und ernst genommen werden müsse. Hierfür müssten vor allem Gerichte zügig und konsequent geltendes Recht durchsetzen.

Den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das SG mit Beschluss vom 17. September 2020 abgelehnt.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 1 OEG seien nicht erfüllt, da sich die Kammer jedenfalls nicht davon habe überzeugen können, dass der Kläger eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe. Es fehle an einer ärztlichen Feststellung eines Gesundheitsschadens des Klägers unmittelbar nach dem Ereignis vom 17. März 2016. Vielmehr habe sich der Kläger wegen seiner Kopfschmerzen nach seinen eigenen Angaben erst im Jahr 2018 in ärztliche Behandlung begeben. Es könne heute daher nicht mehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, ob die vom Kläger behaupteten Kopfschmerzen vom streitgegenständlichen Ereignis herrührten. Geeignete Möglichkeiten dies zu ermitteln, stünden nicht zur Verfügung.

Am 21. Januar 2021 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Januar 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2019 Beschädigtenversorgung aufgrund des Ereignisses vom 17. März 2016 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung. Anhand der vorliegenden Ermittlungsakte lasse sich nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass der Kläger Opfer eines Angriffs im Sinne des § 1 OEG geworden sei. Es sei lediglich bekannt, dass es am 17. März 2016 zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einem Unbekannten auf dem Bahnsteig 7 des Mer Hauptbahnhofs gekommen sei. Nach Angaben von Passanten hätten gegenseitige Beschimpfungen und Schubsereien stattgefunden, wobei die Aggressionen in erster Linie vom Kläger ausgegangen seien. Der genaue Geschehensablauf habe nicht rekonstruiert werden können. Darüber hinaus könne aufgrund der vorliegenden Unterlagen keine gesundheitliche Schädigung auf das geltend gemachte Ereignis zurückgeführt werden. Bezüglich der erwähnten Kopfschmerzen habe eine Behandlung erst im Jahr 2018 stattgefunden, sodass nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass die Kopfschmerzen vom streitgegenständlichen Ereignis herrührten.

Den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat der Senat mit Beschluss vom 14. Dezember 2021 abgelehnt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 21. Januar 2021, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Gewährung von Beschädigtenversorgung unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 11. Dezember 2019 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 2. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats kann er die Gewährung von Beschädigtenversorgung nicht beanspruchen, da die Anspruchsvoraussetzungen nicht wenigstens glaubhaft gemacht sind.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit <MdE> bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2014 – L 6 VS 413/13 –, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).

Für einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 1/12 R –, BSGE 113, 205 <208 ff.>):

Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 VG 1/08 R –, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person („wer"), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind. In Altfällen, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Inkrafttreten des OEG am 16. Mai 1976 (BGBl I S. 1181), müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß § 10 Satz 2 OEG in Verbindung mit § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die in diesem Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach § 31 Abs. 2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes „vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VG 2/10 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer – jedenfalls versuchten – vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 – B 9 VG 1/09 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VG 2/10 R –, SozR 4 3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 23 ff.).

Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.

Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 35/09 R –, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).

Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein „deutliches“ Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.

Bei dem „Glaubhafterscheinen“ im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3 3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend – seit Juli 2004 – den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, juris, Rz. 17).

Nach diesen Maßstäben ist ein schädigendes Ereignis auch zur Überzeugung des Senats im Sinne des § 1 OEG schon nicht wenigstens glaubhaft gemacht.

Für den Vorfall konnten keine Zeugen ermittelt werden, wie der Kläger selbst einräumt, so dass der Senat ebenso wie das SG und der Beklagte nur auf den polizeilichen Ermittlungsbericht zurückgreifen konnte. Diesem, der im Wege des Urkundsbeweises verwertet (§ 118 Abs. 1 i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) wurde, entnimmt der Senat, dass die Bundespolizei von der Sicherheitszentrale der Bahn an dem Tattag wegen eines Vorfalls an Gleis 7 des Mer Hauptbahnhofs verständigt worden ist. Bei Eintreffen am Gleis konnten die dort anwesenden Passanten nur eine Streitigkeit zwischen zwei Personen beschreiben, wobei einer der beiden bereits mit dem abgefahrenen Zug den Bahnhof verlassen hatte. Die andere Person, die von den Anwesenden als aggressiv beschrieben wurde, trug einen auffälligen Rucksack. Deswegen, und nicht etwa unerklärlicherweise, wie der Kläger meint, ist er auf der Rolltreppe angehalten und kontrolliert worden, da die Personenbeschreibung offensichtlich auf ihn zutraf. Während der Kontrolle war der Kläger, so der Polizeibericht weiter, aufgebracht und aggressiv, ein Straftatverdacht ergab sich jedoch nicht. Daraus folgt, dass der Kläger gegenüber den Polizeibeamten keine Angaben gemacht hat, die auf eine Straftat hindeuteten und die Mitteilungen der Passanten zur Aggressivität durch die Wahrnehmungen der Polizeibeamten untermauert werden.

Vor diesem Hintergrund ist es als gesteigertes Vorbringen zu werten und damit schon unglaubhaft, wenn der Kläger 20 Minuten später auf der Polizeiwache behauptet hat, rassistisch beschimpft, was für sich schon keinen tätlichen, sondern nur einen verbalen Angriff darstellt, sowie am Kragen gepackt und geschüttelt worden zu sein. Das behauptete Schubsen hingegen soll nach seiner eigenen schriftlichen Anzeige von Dritten auf dem Bahnsteig begangen worden sein. Das steht allerdings im Übrigen im Widerspruch zu den Angaben der Passanten am Bahnsteig, wonach die Aggressionen vom Kläger ausgegangen sind, dazu passend sein unmittelbar danach geschilderte aufbrausende und fordernde Verhalten bei der Polizeizentrale am Hauptbahnhof. Dass er angespuckt oder geschüttelt worden sei, wie er in seiner späteren Strafanzeige behauptet, hat er zunächst nach dem Polizeibericht ebenfalls nicht erzählt, so dass insofern ebenfalls eine weitere Steigerung des Vorbringens und die mangelnde Konsistenz seiner Angaben belegt wird.

Somit ist plausibel, weshalb die Polizeibeamten und ihnen folgend die StA keinen Straftatbestand zu seinen Lasten verwirklicht gesehen haben. sodass es eine bloße Mutmaßung des Klägers darstellt, dass sich die Polizeibeamten lieber mit einem Schwarzafrikaner beschäftigt hätten, als mit seinem Anliegen. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass seitens der Polizeibeamten zu Recht darauf hingewiesen worden ist, dass sich die Auswertung einer reinen Videoaufzeichnung als untauglich zum Nachweis vermeintlich verbaler Beleidigungen erweist.

Ebenso schlüssig ist es, weshalb aufgrund der Angaben des Klägers von den Polizeibeamten keine Veranlassung gesehen worden ist, weitere Schritte einzuleiten, zumal diese sofort an dem Tatort waren. Dennoch konnten sie nur feststellen, dass die andere Person den Hauptbahnhof bereits in dem ausgefahrenen Zug verlassen hatte. Dies gilt umso mehr, als keine Anhaltspunkte für Straftaten, insbesondere nicht auf eine Körperverletzung, bestanden, der Kläger selbständig den Tatort verlassen hatte und unverletzt wirkte sowie kurz danach die Dienststelle aufsuchen konnte, um seinen Vorstellungen von der nun zu entfaltenden Tätigkeit der Polizei Nachdruck zu verleihen. Schon von daher waren weitere Ermittlungen im Hauptbahnhof nicht veranlasst.

Darüber hinaus ist zeitnah ein Gesundheitserstschaden nicht nachgewiesen, auch nicht wenigstens glaubhaft gemacht. Tatsache ist nämlich, dass der Kläger weder bei der Kontrolle noch nachfolgend auf dem Polizeirevier irgendwelche Angaben zu einer gesundheitlichen Schädigung gemacht hat. Ärztliche Hilfe hat er in Folge weder eingefordert noch tatsächlich in Anspruch genommen. Die beschriebene ärztliche Vorstellung mehr als zwei Jahre nach dem Unfall ändert hieran nichts. Somit ist schon nicht ansatzweise ersichtlich, welcher Gesundheitserstschaden überhaupt eingetreten sein soll und ein solcher ist weder medizinisch gesichert, noch glaubhaft. Soweit der Kläger die Nichtinanspruchnahme ärztlicher Behandlung auf die ausdrückliche Nachfrage des SG damit zu erklären versucht, dass er keine Hilfe erhalten und mit letzter Kraft die Strafanzeige selbst geschrieben habe, überzeugt auch dies nicht. Zum einen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ärztliche Hilfe überhaupt notwendig gewesen oder vom Kläger gegenüber den Polizeibeamten beansprucht worden ist. Zum anderen datiert die Strafanzeige erst vom 22. März 2016 und ist am 27. März 2016 bei der StA eingegangen. Welche gesundheitlichen Umstände den Kläger in diesen mindestens vier Tagen gehindert haben sollten, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist ebenso wenig erkennbar wie die Gesundheitsstörungen, die ärztlicher Hilfe überhaupt bedurft hätten. Soweit der Kläger nunmehr von einem Schlag in den Nacken berichtet, den er erlitten haben will, ist auch dies nicht glaubhaft und ebenfalls als gesteigertes Vorbringen zu werten.

Es kann daher dahinstehen, dass das SG zu Recht ausgeführt hat, dass mehr als drei Jahre nach dem Vorfall keine verbliebenen Gesundheitsschäden zu erwarten stehen, die eine Versorgungsberechtigung begründen, denn dies setzt erhebliche bleibende Funktionsstörungen voraus.

Seine Erwägungen zu einem rassistischen Hintergrund sind allgemeinpolitischer Art, deswegen ebenso wenig entscheidungsrelevant, wie seine Mutmaßungen dazu, verfolgt zu werden und bedürfen deshalb keiner Erörterung. Ebenso ist nicht entscheidungserheblich, dass der Kläger behauptet, bereits vor 20 Jahren in einer Telefonzelle angegriffen und zu Unrecht von einer Zeugin als Täter beschuldigt worden zu sein. Letztlich bedarf keiner Klärung, ob überhaupt und wenn ja weshalb der Kläger erneut von der Bundespolizei im Hauptbahnhof kontrolliert worden ist.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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