L 6 SB 2152/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 573/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2152/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 4. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ (Ermäßigung der Rundfunkgebührenpflicht).

Er ist 1939 geboren. Von 1960 bis 1962 lebte er in Australien und hat dort Gelegenheitsarbeiten ausgeführt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er in wechselnden Tätigkeiten abhängig beschäftigt, davon 10 bis 12 Jahre als Kassierer in einer Spielbank. Seit seinem 52. Lebensjahr bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Kläger lebt mit seiner aus T stammenden Ehefrau zusammen und ist Vater einer erwachsenen Tochter (vgl. Sachverständigengutachten des K vom 24. Juli 1997).  

Auf seinen Antrag vom 24. April 1986 stellte das zum damaligen Zeitpunkt zuständige Versorgungsamt F, Außenstelle R, (VA) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) in Ausführung des außergerichtlichen Vergleichs vom 18. April und 18. Mai 1989 mit Bescheid vom 21. Juli 1989 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 seit Antragstellung fest. Als Behinderungen wurden eine Persönlichkeitsveränderung bei hirnorganischem Psychosyndrom, ein Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom sowie eine erektile Dysfunktion festgestellt.

Der Antrag vom 4. Mai 1989 auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und „RF“ blieb erfolglos (Bescheid vom 21. September 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 1990).

Das VA stellte auf den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 24. März 1992 den GdB ab Antragsstellung mit 80 und als Behinderungen Persönlichkeitsveränderungen bei hirnorganischem Psychosyndrom, ein Wirbelsäulensyndrom, eine erektile Dysfunktion, einen Bluthochdruck und Durchblutungsstörungen des Herzens, einen Leberschaden sowie eine Alkoholabhängigkeit fest (Bescheid vom 21. April 1992 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 10. September 1992).

Der Antrag des Klägers vom 11. November 1992 auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „G“ war wiederum erfolglos (Bescheid vom 26. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1993).

Auf den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 21. Mai 1996 stellte das VA mit Bescheid vom 11. Dezember 1996 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 20. August 1997 ab Antragstellung einen GdB von 100 und das Vorliegen der Behinderungen Persönlichkeitsveränderungen bei hirnorganischem Psychosyndrom, Zwanghaftigkeit, Wirbelsäulensyndrom, erektile Dysfunktion, Bluthochdruck und Durchblutungsstörungen des Herzens, Herzmuskelkrankheit, Leberschaden, Alkoholabhängigkeit, Verschleiß der Hüftgelenke, Krampfaderleiden der Beine, Operationsnarben, Schwellneigung und Hautveränderungen fest.

Den nochmaligen Antrag vom 16. April 1998 auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „G“ lehnte das VA durch Bescheid vom 28. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1998 ab. Die deswegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage (S 6 SB 1894/98) nahm der Kläger zurück.

Mit dem am 5. April 2001 gestellten Antrag auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche „G“ und „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) war der Kläger insoweit erfolgreich, als das VA mit Bescheid vom 5. Juli 2001 die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „G“ feststellte. Zugleich lehnte es jedoch die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „aG“ ab. Der hiergegen vom Kläger erhobene Widerspruch wurde zurück- (Widerspruchsbescheid vom 14. September 2001) und die beim SG erhobene Klage abgewiesen (S 6 SB 1931/01, Gerichtsbescheid vom 5. Juli 2002). Die beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung (L 8 SB 2995/02) nahm der Kläger zurück.

Auf den Antrag des Klägers vom 14. April 2014 auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „H“ (Hilflosigkeit) stellte das nunmehr zuständige Landratsamt K1 (LRA) mit Bescheid vom 8. Mai 2014 die gesundheitlichen Merkmale des Nachteilsausgleiches „B“ (Berechtigung für eine ständige Begleitung) fest, lehnte die entsprechende Feststellung hinsichtlich des Nachteilsausgleiches „H“ jedoch ab.

Am 1. September 2017 beantragte der Kläger die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche „aG“ und „H“. Der Antrag war zunächst erfolglos (Bescheid vom 13. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2014), in Ausführung des vor dem SG geschlossenen Vergleichs (S 6 SB 39/15) stellte das LRA mit Bescheid vom 16. Februar 2017 die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „H“ ab dem 1. April 2016 fest.

Den – vorliegend streitgegenständlichen – Antrag auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ stellte der Kläger am 5. November 2018. Zur Begründung des Antrags machte er Herzinfarkte (vier Stents), Schluckbeschwerden, einen Hauttumor (Operation) und einen grauen Star geltend. Ergänzend gab er an, dass der graue Star nicht medikamentös behandelt werden könne und zur gegebenen Zeit operiert werden müsse. Eine Operation habe bald erfolgen sollen, sei aber immer wieder verschoben worden. Sein Augenlicht sei mit 80 Jahren äußerst schlecht (Schreiben des Klägers vom 7. November 2018).

S und R1, Augenärztliche Gemeinschaftspraxis K1, berichteten von der erhobenen Diagnose Cataracta incipiens beidseits im Rahmen der letzten Vorstellung des Klägers am 23. Oktober 2018. Die beidseitige, leichte Visuseinschränkung auf 0,8 sei hierauf zurückzuführen. Eine Gesichtsfelduntersuchung sei nach zurückliegenden cerebralen Insulten noch nicht durchgeführt worden.

Zur Vorlage kam im Weiteren das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) vom 24. Oktober 2018, das aufgrund der Begutachtung des Klägers am 23. Oktober 2018 in dessen häuslichem Umfeld erstellt worden war. Es wurde bei den pflegebegründenden Diagnosen einer Herzkrankheit, nicht näher bezeichnet, (ICD-10 I51.9) und einer chronischen Niereninsuffizienz, nicht näher bezeichnet, (ICD-10 N18.9) der Pflegegrad 3, wie er bereits seit Januar 2017 festgestellt war, empfohlen. Vorbekannt gewesen sei ein Zustand nach zweimaligem Schlaganfall (2000/2014). Im Vordergrund habe eine Gangstörung bei Polyneuropathie beidseits und degenerativen Wirbelsäulenveränderung sowie eine seit Jahren bestehende terminale Niereninsuffizienz mit Dialysepflicht gestanden. Im Januar 2018 habe sich der Kläger in stationärer Behandlung befunden, bei einer koronaren Herzerkrankung seien Stents eingesetzt worden, außerdem habe er an einer Lungenentzündung gelitten. Nachvollziehbar hätten gegenüber dem Vorgutachten die allgemeinen Körperkräfte und die Belastbarkeit weiter nachgelassen. Die Ehefrau des Klägers habe alle erforderlichen Hilfen geleistet. Als Hilfsmittel seien eine Brille, eine Zahnprothese, Unterarmgehstützen, ein Gehstock, ein Rollator, Kompressionstrümpfe, Inkontinenzprodukte und ein Duschstuhl vorhanden gewesen. Der Kläger habe die Gutachterin bei ihrem Eintreffen am Rollator an der Wohnungstür stehend freundlich begrüßt. Er habe sich an die letzte Begutachtung erinnern können, sei vollständig zur Begutachtungssituation orientiert gewesen und habe prompt auf alle Fragen antworten können. Der Pflege- und Ernährungszustand (170 cm, 80 kg) seien gut gewesen. Der Kläger habe noch geringfügig Spontanurin gehabt, er habe den Harndrang gespürt und nachts eine Urinflasche benutzt. Gehstrecken seien am Rollator zurückgelegt worden, Stehen mit Festhalten und das Halten einer stabilen Sitzposition problemlos möglich gewesen. Der Kläger habe Gefühlsstörungen vor allem in den Beinen beschrieben, die Sturzgefahr sei deutlich erhöht gewesen. Die Sprache sei klar und deutlich, das Sehvermögen durch den grauen Star eingeschränkt bei vollständiger Orientierung zu Ort, Zeit und Person gewesen. Das Stimmungsbild habe gedrückt und der Antrieb reduziert gewirkt. Während der Dialyse sei es regelmäßig zu Angstzuständen gekommen, bei denen der Kläger die Unterstützung des Personals benötigt habe. Beim Verlassen der Wohnung benötige der Kläger ebenso wie bei der Fortbewegung außerhalb der Wohnung, dem Ein- und Aussteigen in ein Kraftfahrzeug und der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel fremde Hilfe. Auch bei der Teilnahme an kulturellen, religiösen und sportlichen Veranstaltungen sowie an sonstigen Aktivitäten mit anderen Menschen sei eine unterstützende Begleitperson notwendig.

Der H berichtete am 27. November 2018 von den erhobenen Diagnosen Folgen einer Apoplexia cerebri, Leberenzymerhöhung, Herzinsuffizienz, Hypertonie, koronare Ein-Gefäß-Erkrankung, chronische Nierenkrankheit, Stadium 4, renale Anämie, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, FEV1 größer gleich 35 % und weniger als 50 % des Sollwertes, Harninkontinenz, Hemiparese (nach Apoplex), Gangstörung, Vorhofflimmern, Arrhythmia absoluta und dialysepflichtige chronische Niereninsuffizienz. Zusätzlich bestehe ein Hautkrebs an der linken Schläfe, der vor vier Wochen operiert worden sei. Nach zwei Schlaganfällen sei das Sehvermögen nicht korrigierbar eingeschränkt. Der Kläger sei wegen der jederzeitigen Möglichkeit einer erneuten Erkrankung ängstlich, seit 15 Jahren konsumiere er keinen Alkohol mehr, die Gelenke seien altersentsprechend verschlissen. Gehen sei nur am Rollator möglich, an einigen Tagen auch nur unter Zuhilfenahme des Handstocks. Die Gehstrecke sei für das häusliche Umfeld ausreichend und auf wenige Meter außerhalb beschränkt, dann träten Gelenkschmerzen und eine subjektive Atemnot aufgrund der Anstrengung auf. Ergänzend legte der H den Erhebungsbogen zur Frage des Vorliegens von Hilflosigkeit nach § 33b Einkommenssteuergesetz (EStG) vor, aus dem sich unter anderem ergab, dass der Kläger mit gelegentlicher Hilfe kleinere Spaziergänge machen könne, nicht dauerhaft bettlägerig und nicht gehunfähig sei, er Urin und Stuhl halten könne, zeitlich und örtlich orientiert sei und keine dauerhafte Bereitschaft, z. B. wegen häufiger und plötzlich notwendiger Hilfe bei akuter Lebensgefahr, notwendig sei.    

Aus dem selbst vom Kläger ausgefüllten vorgenannten Erhebungsbogen ergab sich, dass ihm kleinere Spaziergänge nicht mehr möglich seien.

Im Weiteren kam zur Vorlage der Bericht des Gesundheitsverbund Landkreis K1 (GLKN) Klinikum K1 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 10. bis zum 20. Januar 2018 mit der Diagnose Cholangiosepsis bei Choledocholithiasis [Steine im Gallengang]. Als Vorerkrankungen führte der Bericht eine terminale Niereninsuffizienz, eine koronare Herzkrankheit, eine absolute Arrythmie bei Vorhofflimmern, eine Marcumartherapie, einen arteriellen Hypertonus, eine Leberzirrhose, einen Z. n. linkshirnigem Apoplex 2000/Juli 2004, eine Hyperurikämie und eine Cholezystolithiasis auf.

Der Herzkatheter-/Entlassungsbericht des Herz-Zentrum Bodensee über die stationäre Behandlung des Klägers vom 10. bis zum 14. August 2018 nannte als Diagnosen koronare Herzerkrankung/2-Gefäßerkrankung ED 10. August 2018, Myokardinfarkt (NSTEMI) 10. August 2018, 80 %-Stenose Rd zur PCI-Sanierung im Intervall, arterielle Hypertonie, hypertensive Herzerkrankung, erheblich reduzierte systolische LVEF um 33 %, Arrhytmia absoluta permanent, zerebraler ischämischer Insult links, Hemiparese rechts 2000, Thalamus-Infarkt (Marcumar-Pause), Parese 2014, Niereninsuffizienz G5A2 unbekannte Ursache, Dialysepflicht seit September 2015, Hyperurikämie, Z. n. Cholangitis und ERCP/Cholezystektomie (anamnestische Angabe).

Versorgungsärztlich bewertete M eine dialysepflichtige Nierenerkrankung mit einem Einzel-GdB von 100, eine Persönlichkeitsveränderung bei hirnorganischem Psychosyndrom, eine Zwanghaftigkeit, Gleichgewichtsstörungen und eine Alkoholkrankheit mit einem Einzel-GdB von 60, eine Herzleistungsminderung, einen Bluthochdruck, eine koronare Herzkrankheit und eine Stentimplantation mit einem Einzel-GdB von 50, Schlaganfallfolgen mit einem Einzel-GdB von 30, ein Wirbelsäulenschmerzsyndrom und eine Polyneuropathie mit einem Einzel-GdB von 30, ein Krampfaderleiden der Beine, Operationsnarben, eine Schwellneigung und Hautveränderungen mit einem Einzel-GdB von 20, einen Leberschaden mit einem weiteren Einzel-GdB von 20 und einen Verschleiß der Hüftgelenke sowie eine erektile Dysfunktion mit einem Einzel-GdB von jeweils 10. Die Sehminderung bei beginnendem grauen Star sei nicht mit einem Einzel-GdB von mindestens 10 zu bewerten. Der Gesamt-GdB betrage 100. Zum Hautkrebs an der linken Schläfe läge keine histologische Diagnose vor, eine weitere Sachverhaltsermittlung sei jedoch entbehrlich, da keine Auswirkung auf den Nachteilsausgleich „RF“, dessen Voraussetzungen nicht vorlägen, zu erwarten seien.

Das LRA lehnte daraufhin mit Bescheid vom 6. Dezember 2018 die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ ab. Die Prüfung habe ergeben, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zwar mit einem GdB von wenigstens 80 zu bewerten seien, der Besuch öffentlicher Veranstaltungen ihm jedoch möglich und zumutbar sei.

Deswegen erhob der Kläger Widerspruch und führte zu dessen Begründung aus, dass er unter einer Sehbehinderung leide, für die ein Einzel-GdB von 60 bestehe. Bei ihm seien ein Gesamt-GdB von 100 und unter anderem auch die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „H“ festgestellt. Er sei von allgemeinen öffentlichen Veranstaltungen dauerhaft ausgeschlossen, er könne nicht mehr in einem nennenswerten Umfang an diesen teilnehmen. Es möge ihm bewiesen werden, dass ihm die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen möglich und zumutbar sei, seine behandelnden Ärzte würden dies nicht bejahen. Die Aufgabe des LRA sei es, armen, hilflosen kranken Menschen zu helfen, und nicht ihr Anrecht auf soziale Hilfestellungen zu verwehren. Ergänzend legte der Kläger auszugsweise die Anamneseerhebung aus dem bereits aktenkundigen Gutachten des MDK vom 24. Oktober 2018 vor, die er insofern ergänzt hatte, als circa am 17. Juli 2014 ein zweiter Hirninfarkt aufgetreten sei, den die S1 und T1 festgestellt hätten. Ab circa dem 1. August 2014 sei Gehen nicht mehr möglich gewesen, beide Beine seien gelähmt, es bestehe eine Gehunsicherheit, das Gehen zu Hause am Rollator oder mit Stock sei sehr quälend, ebenso das Aufstehen und jede Bewegung.

Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme der E hätten Funktionsbehinderungen wie eine höhere Seh- oder Hörminderung, welche die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ begründen könnten, nicht vorgelegen. Auch eine Gehbehinderung sei kein geeignetes entsprechendes gesundheitliches Merkmal. Dem Kläger sei die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, gegebenenfalls auch im Rollstuhl und mit einer Begleitperson, zumutbar.

Durch Widerspruchsbescheid vom 1. März 2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die angefochtene Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Bei der Beurteilung, ob ein behinderter Mensch wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne, müsse ein objektiver Maßstab angelegt werden. Der GdB alleine vermöge die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ nicht zu begründen. Auch bei Vorliegen von Hilflosigkeit oder einer außergewöhnlichen Gehbehinderung dürfe nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der behinderte Mensch an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches „RF“ seien auch dann zu verneinen, wenn der behinderte Mensch Veranstaltungen mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (z. B. einem Rollstuhl) besuchen könne. Die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass der Kläger nicht ständig von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sei. Er sei nicht blind oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehindert. Die beidseitige leichte Visuseinschränkung von 0,8 bedinge keinen GdB. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei ihm mit einer Begleitperson in zumutbarer Weise möglich.                                       

Am 21. März 2019 hat der Kläger dagegen Klage beim SG erhoben.

Das SG hat durch die schriftliche Vernehmung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen Beweis erhoben.

Der B hat mitgeteilt, den Kläger von Mai 2006 bis Juni 2015 als Hausarzt behandelt zu haben. Seine Unterlagen habe er im Rahmen eines Arztwechsels am 14. Juli 2015 an den H übersandt. Es sei ihm nicht in Erinnerung, dass der Kläger gehörlos gewesen sei. Eine Unterhaltung mit ihm sei immer möglich, auffallend sei eine gewisse Bedächtigkeit gewesen. Da er den Kläger zuletzt im Jahr 2015 behandelt habe, könne er die Fragen zu dessen Gesundheitszustand ab November 2018 nicht beantworten.

H1, Internistische Gemeinschaftspraxis, Dialysezentrum, hat die Beweisfragen ebenso nicht beantworten können, da er den Kläger zuletzt am 5. Oktober 2014 gesehen habe.

Der H2 hat sich zur Beantwortung der Beweisfragen aufgrund der letzten Vorstellung des Klägers am 25. April 2014 ebenfalls nicht in der Lage gesehen. 

L, GLKN Klinikum K1, Zentrum für Innere Medizin, hat von Behandlungen des Klägers seit dem 25. September 2014 unter den Diagnosen chronische Niereninsuffizienz, Stadium G5 A2, unbekannter Ätiologie, Dialyse extracorporal, anamnestisch bekannte Leberzirrhose, bekanntes Fibrolipom der Leber, Cholelithiasis, Hyperurikämie, Z. n. Apoplex mit Hemiparese rechts circa 2000, 2014 Reapoplex mit beidseitiger Beinparese bei Marcumarpause wegen Shunt-OP, CT: frischer Thalamusinfarkt, 2007 stationär wegen Herzinsuffizienz und Pleuraerguss, arterielle Hypertonie, artherosklerotische Herzkrankheit und Januar 2018 Cholangitis bei Cholangiolithiasis mit Klebsiella Pneumonia in der Blutkultur berichtet. Seines Wissens nach sei der Kläger nicht gehörlos. Es bestehe eine Gehbehinderung nach einem Schlaganfall, der GdB betrage aufgrund der Nierenerkrankung 100. An öffentlichen Veranstaltungen könne der Kläger teilnehmen.

Aus der sachverständigen Zeugenaussage des P haben sich Behandlungen des Klägers vom 3. April 2014 bis zum 18. März 2016 wegen einer Distorsion des vorderen Kreuzbands rechts und einer Meißelfraktur im posteromedialen Tibiakopf rechts ergeben, eine Gehörlosigkeit habe nicht vorgelegen.

Der G hat eine seit Jahren erfolgende hausärztliche Behandlung des Klägers mitgeteilt. Als Diagnosen habe er Folgen einer Apoplexia cerebri, eine Leberenzymerhöhung, eine Herzinsuffizienz, eine Hypertonie, eine koronare Ein-Gefäß-Erkrankung, eine COPD, eine renale Anämie, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, eine Harninkontinenz, eine Immobilität, eine Gangstörung, ein Vorhofflimmern, eine Arrythmia absoluta und eine dialysepflichtige chronische Niereninsuffizienz erhoben. Die Dialyse erfolge dreimal wöchentlich. Seit Juli 2015 werde der Kläger von ihm wegen der Dialyse hausärztlich mitbehandelt, eine Vorstellung des Klägers sei nicht erfolgt, die notwendigen Untersuchungen würden im Rahmen der Dialyse oder bei anderen Fachärzten stattfinden. Zur Erstellung der sachverständigen Zeugenaussage habe eine telefonische Befundaufnahme stattgefunden. Der Kläger sei nicht gehörlos. Nach dessen telefonischer Auskunft habe sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, die Gehstrecke sei auf drei Meter limitiert. Der GdB betrage 100. Dem Kläger sei aufgrund der häufigen Dialysen, welche auch den Kreislauf belasteten, eine Teilnahme am öffentlichen Leben nicht möglich. Die Dialyse erfolge dreimal pro Woche und dauere circa 4,5 Stunden, danach und am Folgetag sei der Kläger sehr erschöpft. Unter Berücksichtigung der Gehstrecke von nur bis zu drei Metern, der notwendigen medizinischen Behandlungen und der vom Kläger beschriebenen Harn- und Stuhlinkontinenz sei die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen auch in geschlossenen Räumen nicht möglich.

Der Kläger hat ausgeführt, aufgrund seines Widerspruchs und der Auseinandersetzung mit dem Gutachten des MDK vom 24. Oktober 2018 sei der Pflegegrad 4 festgestellt worden. Er hat insofern den Abhilfebescheid der DAK-Gesundheit vom 9. Mai 2019 vorgelegt, wonach die Voraussetzungen des Pflegegrades 4 nach den Feststellungen des MDK im Gutachten vom 19. März 2019 weiterhin nicht erreicht würden. Aufgrund der festgestellten Punktzahl von 63,75 Punkten werde jedoch gleichwohl ab dem 1. Oktober 2018 der Pflegegrad 4 anerkannt. Aus dem entsprechenden Gutachten des MDK zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 19. März 2019 nach Aktenlage hat sich der Pflegegrad 3 seit dem 1. Januar 2017 ergeben. Die Art und der Umfang der Einschränkung der Selbständigkeit des Klägers habe sich wie im Vorgutachten dargestellt, nachvollziehbar seien die vermehrten körperlichen Einschränkungen im Vorgutachten berücksichtigt worden. Der Kläger habe mit dem Widerspruch auf mehrere Operationen hingewiesen, z. B. eine Herzoperation. Die Herzproblematik sei im Vorgutachten beschrieben worden. Zusätzlich habe der Kläger im Februar 2019 einen Höherstufungsantrag gestellt.  

Der Beklagte hat nach Auswertung der sachverständigen Zeugenaussagen und vorgelegten Befundunterlagen die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ auch weiterhin nicht als gegeben gesehen und auf die versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. Bossenmayer verwiesen. Demnach seien weder aufgrund der Seh- noch aufgrund einer Hörbehinderung die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches „RF“ erfüllt. Wegen der Erschöpfung des Klägers infolge der Dialyse ergäben sich ebenso nicht die entsprechenden Voraussetzungen. Eine Stuhlinkontinenz lasse sich nicht belegen, das MDK-Gutachten vom 19. März 2019 habe eine ständige Stuhlkontinenz ebenso wie der Erhebungsbogen zur Frage des Vorliegens von Hilflosigkeit bescheinigt. Auch der behandelnde Dialysearzt gehe von der Möglichkeit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen aus.

Der Kläger hat hierauf erwidert, sein behandelnder Dialysearzt kümmere sich nur um seine kaputten Nieren und habe keinen Einblick in die anderen bei ihm bestehenden Erkrankungen. Er könne deshalb die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches „RF“ nicht beurteilen. Meistens nach der Dialyse und der Einnahme verschiedener Tabletten komme es zu unhaltbaren Durchfällen, er sei stuhlinkontinent. Aber auch ohne die Stuhlinkontinenz könne er aufgrund seiner Krankheiten nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen.                          

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 4. Juni 2020 die Klage abgewiesen. Der Kläger erfülle nicht die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“. Nach der sachverständigen Zeugenaussage des G sei er durch die Dialyse nachvollziehbar belastet. Dieser sei unter Berücksichtigung der beschriebenen Harn- und Stuhlinkontinenz zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr teilnehmen könne. Eine eigene Untersuchung habe dieser Einschätzung jedoch nicht zugrunde gelegen, eine Vorstellung des Klägers in dessen Praxis habe nicht stattgefunden, die Befundaufnahme sei lediglich telefonisch erfolgt. Der Kläger habe zwar eine Inkontinenz behauptet, diese sei jedoch nicht nachgewiesen. Eine solche lasse sich nicht dem MDK-Gutachten vom 19. März 2019 entnehmen, wonach der Kläger ständig kontinent sei. Im Übrigen sei auf die Einschätzung des Dialysearztes L zu verweisen, der den Kläger für in der Lage halte, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.  

Am 8. Juli 2020 hat der Kläger gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 10. Juni 2020 zugestellten Gerichtsbescheid des SG Berufung beim LSG eingelegt.

Zur Berufungsbegründung führt der Kläger aus, beim ihm seien ein GdB von 100 sowie die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche „G“, „B“ und „H“ festgestellt. Entgegen der Ansicht des Beklagten und des SG lägen auch die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ vor. Er sei aufgrund einer Vielzahl von schweren Erkrankungen nicht mehr in der Lage, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Insbesondere leide er an den Folgen zweier Schlaganfälle, an einer Gangstörung bei Polyneuropathie beidseits, an degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, an psychischen Erkrankungen, an einer Niereninsuffizienz mit Dialysepflicht und an einer koronaren Herzerkrankung. Im September 2018 habe er einen Herzinfarkt erlitten. Es liege eine Harn- und Stuhlinkontinenz vor, die zu einer Geruchsbelästigung führe, wegen der er an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen könne. Permanent sei er auf Hilfe und Pflege angewiesen. Das habe der G bestätigt, was das SG nicht beachtet habe. Soweit das SG bemängelt habe, dass die Befundaufnahme durch den G lediglich telefonisch erfolgt sein, habe es verkannt, dass das Gutachten des MDK vom 19. März 2019 auch lediglich nach Aktenlage erstellt worden sei. Die sachverständige Zeugenaussage des Dialysearztes L, wonach er an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne, sei nicht überzeugend. L sei ausschließlich für die Dialyse zuständig und könne keine Aussage über die Inkontinenz treffen, da ihm diese schlicht nicht bekannt sei. Ebenso seien die Feststellungen im MDK-Gutachen vom 19. März 2020, dass er ständig kontinent sei und keine unwillkürlichen Stuhlabgänge erfolgten, nicht nachvollziehbar. Bei ihm komme es zu unhaltbaren Durchfällen, was auch seine Ehefrau bezeugen könne. Wegen seiner gesundheitlichen Gesamtsituation liege im Weiteren eine ausgeprägte Antriebslosigkeit aufgrund eines seit Jahren bestehenden und sich verschlechternden depressiven Krankheitsbildes vor. Der Beklagte habe bereits im Jahr 1989 Persönlichkeitsveränderungen bei einem hirnorganischen Psychosyndrom als Behinderung anerkannt. Aufgrund seiner Behinderungen lebe er völlig zurückgezogen und sei so stark eingeschränkt, dass er an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen könne. Er werde vollumfänglich von seiner Ehefrau versorgt, außer zu dieser bestünden keine sozialen Kontakte. Verlassen werde das Haus nur in Begleitung zur dreimal wöchentlich erforderlichen Dialyse und zu zwingend notwendigen Arztbesuchen; eine wöchentliche Physiotherapie finde zu Hause statt. Bereits die dreimal wöchentlich stattfindende Dialyse führe bei ihm zu Erschöpfungszuständen, die es ihm nicht ermöglichten, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

Der Kläger beantragt – sinngemäß –,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 4. Juni 2020 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2019 zu verpflichten, seit dem 5. November 2018 die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung auch in Kenntnis der Berufungsbegründung für zutreffend.

Der Kläger hat Nachweise über die ärztliche Verordnung (MoliCare Premium Men Pants) und den Bezug von Inkontinenzprodukten (Einlagen mit Klebestreifen) vorgelegt.

Der Berichterstatter hat unter Bezugnahme auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ weder aufgrund einer Harn- oder Stuhlinkontinenz noch wegen der Erschöpfungszustände des Klägers nach der Dialysebehandlung erfüllt sein dürften, und die Rücknahme der Berufung angeregt (Verfügung vom 2. Dezember 2020).

Der Kläger war zur Rücknahme der Berufung nicht bereit. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen ihm nicht der Nachteilsausgleich „RF“ zuerkannt werde. Er sei nur noch in der Lage, zur Dialyse das Haus zu verlassen. Es bestünden nicht nur eine Harn- und Stuhlinkontinenz, sondern viele weitere schwerwiegende Erkrankungen wie z. B. eine Lähmung des rechten Fußes, wegen der das Einsteigen in Busse, Züge oder Taxis nicht mehr möglich sei. Auch vergesse er immer mehr, sein Kopf wolle nicht mehr denken, und zusätzlich setze seine Atmung immer wieder gefährlich aus, er habe das Gefühl zu ersticken. Weiter liege eine Polyneuropathie in beiden Füßen und eine Bewegungsunfähigkeit bedingt durch zwei Hirninfarkte vor, er gehe jetzt auf ein Alter von 90 Jahren zu. Die genannten Urteile könnten keine Vergleichsgrundlage bilden, da bei den dortigen Klägern nicht ein GdB von 100 und die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche „G“, „B“ und „H“ festgestellt gewesen seien. Auch habe er niemanden, der ihn mit dem Rollstuhl bewegen könne. Wenn er im Rollstuhl sitze, sei es für ihn auch unmöglich rechtzeitig eine Toilette zu erreichen.   

Der Beklagte hat auch weiterhin die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ als nicht gegeben gesehen. Der Ausschluss von der Teilnahme an einzelnen Veranstaltungen sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht ausreichend, es müsse praktisch eine dauerhafte Gebundenheit an das Haus vorliegen. Maßgeblich sei alleine die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Hilfsmitteln, wie z. B. einem Rollstuhl, und/oder einer Begleitperson.   

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat bei G, Hausärztliche Versorgung, Kardiologie, Diabetologie, Hypertensiologie, aufgrund der Untersuchung des Klägers im Rahmen eines Hausbesuchs am 11. Mai 2021, ein Sachverständigengutachten erhoben. W hat als Diagnosen eine koronare Herzerkrankung (2-Gefäß-Erkrankung, ED 10. August 2018, Myokardinfarkt (NSTEMI) 10. August 2018, PTCA und Stenteinbringung (DES) RIVP 10. August 2018, 80 %ige Stenose Ramus diagonalis 1 zur PCI-Sanierung im Intervall, hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion, EF 33 % August 2018), atherosklerotische Risikofaktoren (arterielle Hypertonie mit hypertensiver Herzerkrankung, leichtgradige Aorten- und mittelgradige Mitralklappeninsuffizienz [August 2018], aktuell nicht behandelte Fettstoffwechselstörung, Adipositas bei positiver Familienanamnese, 2014 Plaquenachweis beider Carotisgabeln ohne relevante Stenose), eine permanente absolute Arrhythmie mit Apoplex rechts 2000, einen Thalamus-lnfarkt (Marcumar-Pause) und eine Paraparese 2014, ältere lakunäre Läsionen im rechten Marklager bei innerer und äußerer Hirnatrophie und mikroangiopathischer Leukenzephalopathie, eine Verkalkung der basalen Hirngefäße, eine Polyneuropathie, einen rezidivierenden Schwindel mit Sturzneigung sowie ein hirnorganisches Psychosyndrom mit Perseverationstendenz, eine Merkschwäche und Gedächtnisstörung, eine vorbekannte Zwanghaftigkeit (1996), im Rahmen eines Sturzereignisses bei Schwindel 2016 eine Meißelfraktur Tibiakopf rechts, eine Antikoagulation, eine terminale Niereninsuffizienz mit Hämodialyse seit September 2015 auf dem Boden einer chronischen Glomerulonephritis (Shuntverschluss rechter Unterarm nach Cimino-Fistel Juli 2014, Shuntneuanlage rechte Ellenbeuge Januar 2015, Dezember 2016 Aneurysma spurium der Shuntvene rechter Oberarm, wandständig thrombosiert, Januar 2017 Aneurysmaresektion, Anlage PTFE-Interponat PTA Mündungsstenose Vena cephalica in die Vena subclavia, Hyperurikämie), eine Cholezystektomie bei Z. n. Cholangitis bei Cholezysto- und Choledocholithiasis mit Cholangiosepsis 2018, eine Leberzirrhose, eine Alkoholkrankheit, ein Leberfibrom, eine degenerative Wirbelsäulen-Erkrankung sowie eine Coxarthrose beiseits (1994), eine Humerusschaft-Trümmerfraktur rechts und einen Ausriss des Processus styloideus ulnae (1992), ein incipienter Katarakt beidseits (November 2018), eine primäre Varikosis mit chronisch venöser Insuffizienz Grad II beidseits (1998) (Status nach Crossektomie und Parvateilstripping circa 1982, distaler Magnaligatur circa 1990 rechts, einen Status nach Magnaligatur und -teilstripping 1994 [links]), eine Allergie auf polyamidhaltige Stoffe, anamnestisch die Entfernung eines Hauttumors, eine makrozytäre Anämie, eine Thrombozytopenie, eine Stuhl- und Harninkontinenz und eine erektile Dysfunktion erhoben.

Der Kläger könne aufgrund seiner Leiden an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen. Der GdB betrage 100. Unter Berücksichtigung der dem GdB zugrunde liegenden Funktionsstörungen wäre die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen durch den Kläger mit der Hilfe seiner ihn pflegenden Ehefrau und unter Zuhilfenahme eines Rollstuhls mit erheblicher Erschwernis und Beeinträchtigung der Teilnahme – dem Kläger seien anamnestisch maximal 2 Stunden Zeit pro Tag außerhalb des Bettes möglich, wobei hiervon noch die Zeiten für Köperpflege, Nahrungsaufnahme usw. abzuziehen seien – zumindest denkbar. Allerdings sei ein Krankentransportdienst notwendig. Es bestehe jedoch, wie seit dem Jahr 2014 aktenkundig, eine Harninkontinenz Grad 3 und eine Stuhlinkontinenz Grad 2. Die Nutzung einer Windel werde vom Kläger abgelehnt und sei wegen der Nebenwirkungen des Windeltragens nicht zumutbar. Die bedarfsweise oder dauerhafte Versorgung mit einem Blasenkatheter gehe mit gesundheitlichen Risiken (z. B. aufsteigenden Infekten) einher, die bedarfsweise oder dauerhafte Versorgung mit einem Stuhlableitsystem (z. B. Darmrohr) sei nicht zumutbar. Außerdem sei die Geräusch- und Geruchsbelästigung, die Verfärbung der Kleider durch Fäkalien und vor allem auch die psychische Belastung durch den unwillkürlichen Abgang von Urin und Stuhl bei der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht zumutbar. Selbstverständlich werde diese Behinderung auf die Umgebung abstoßend wirken. Eine überwiegende Bindung an die Wohnung bestehe, sehe man von den dreimal wöchentlich erfolgenden Krankentransporten zur Dialyse ab, bestehe diese ständig. Im Rahmen des komplexen Krankheitsgeschehens mit selbstverständlich auch reaktiven psychischen Veränderungen könne der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr teilnehmen, selbst wenn das körperliche Bild nicht in dem geschilderten Grad beeinträchtigend und die Teilnahme verbietend ausfiele. Da sich der Zustand chronisch progredient darstelle, werde nach seiner internistischen Einschätzung eine antidepressive Gesprächs- oder medikamentöse Behandlung nicht zielführend sein, weil sich die Auslöser der reaktiven psychischen Veränderungen und damit das Zustandsbild nicht therapieren ließen.    

Der Kläger habe bei der gutachterlichen Untersuchung im Sessel gesessen, was ihm anamnestisch täglich für circa zwei Stunden möglich sei. Im Übrigen verbringe er den Tag meist im Bett. Er habe sämtliche sozialen Kontakte bis auf die zu seiner Ehefrau und Tochter abgebrochen, was möglicherweise auch durch die Corona-Pandemie bedingt gewesen sein könnte. Die Teilnahme am Außenleben finde lediglich über die Pflege- und Ärzteschaft bei der Dialyse und über Radio und Fernsehen statt. Die Fahrten zur Dialyse erfolgten mittels Krankentransportwagen im Tragestuhl. Der Kläger sei wach, bewusstseinsklar und voll orientiert gewesen. Er habe reaktiv depressiv gewirkt, bei der Schilderung seiner persönlichen Situation weinend, ohne Vertrauen in die Zukunft und reaktiv angstbesetzt hinsichtlich seiner Belastbarkeit. Die Sehschärfe sei mit einer Brille ausgeglichen gewesen. Es hätten an der Halswirbelsäule (HWS) eine leichtgradige Einschränkung der Rotation beidseits, ein muskulärer Nackenhartspann beidseits, erhebliche Myogelosen im Hals-Schultergürtel beidseits und eine Überstreckung vorgelegen. An der Brustwirbelsäule (BWS) hätten massive Myogelosen beidseits paravertebral mit fehlender Rotationsfähigkeit in beide Richtungen, eine erheblich eingeschränkte Beugung und Streckung und eine Fehlhaltung mit verstärkter Brustkyphose nach dem Sitzen beim kurzen Stehen an der Hand bestanden. Die Lendenwirbelsäule (LWS) habe eine Fehlhaltung, eine erhebliche Myogelosenbildung des gesamten thorakolumbalen Übergangs sowie paravertebral beidseits und eine eingeschränkte Rotationsfähigkeit in beide Richtungen gezeigt, soweit dies nach circa einer Stunde im Sitzen und bei erheblichem Schwindel nach dem kurzen Aufstehen und Stehen an der Hand prüfbar gewesen sei. Am rechten Ober- und Unterschenkel sei die Kraft erheblich gemindert gewesen, auch mit einer Gehhilfe (Stock) habe bei einer Gehstrecke von ein bis zwei Metern eine Stand- und Gangunsicherheit bestanden. Das Genital sei atrophiert gewesen, beim Aufstehen sei es zu einem minimalen Urinabgang aus dem Penis (circa 10 bis 20 ml) gekommen, am Fingerling habe sich wenig Stuhl gezeigt.

Die koronare Herzerkrankung führe zur Einschränkung der Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit mit eingeschränkter Belastbarkeit, rezidivierender Luftnot sowie erheblicher Angst des Klägers vor einem erneuten Herzinfarkt. Wegen der terminalen Niereninsuffizienz bestehe bis zum Lebensende eine Dialysepflicht. Aufgrund der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung und der beiderseitigen Coxarthrose (Diagnose 1994) bestünden dauerhafte Schmerzen mit einer Gangunsicherheit. Die Mobilität und Mobilisierbarkeit des Klägers seien erheblich erschwert. Der beidseitige Katarakt sei incipient (Stand November 2018), anamnestisch sei seitdem keine neue augenärztliche Vorstellung erfolgt. Entgegen der Darstellung im Erhebungsbogen zur Frage des Vorliegens von Hilflosigkeit nach § 33b EStG (Anfrage vom 6. November 2018), in dem die Frage nach dem Haltenkönnen von Urin und Stuhl bejaht worden sei, habe der H am 27. November 2018 eine gesicherte Harninkontinenz bescheinigt. Im Gutachten des MDK vom 9. April 2014 sei bereits in der Anamnese festgestellt worden, dass eine inkomplette Blaseninkontinenz bestehe, vor allem nachts. Damals sei auch ausgeführt worden, dass es circa zweimal monatlich zu einem unwillkürlichen Stuhlabgang komme. Im Erhebungsbogen zur Frage des Vorliegens von Hilflosigkeit nach § 33b EStG (Anfrage vom 16. April 2014) sei eine Urin- und Stuhlkontinenz bescheinigt worden. Nachdem also mindestens seit 2014 eine attestierte inkomplette Stuhl- und Urininkontinenz vorliege, handele es sich um ein chronisches Leiden ohne Aussicht auf Besserung. Aktuell bestehe bei dreimal pro Woche durchgeführter Dialyse anamnestisch eine Restausscheidung von circa 150 ml/d, bei vollständiger Inkontinenz komme es weniger beim Sitzen, vor allem aber beim Lagewechsel – auch bei Wechsel der Sitzposition – zum unwillkürlichen Abgang von kleinen Urinmengen. Es würden Windeln benutzt, allerdings nicht dauerhaft, da diese nicht gern getragen würden und häufig zu Feuchte und Rötungen des Genitalbereichs und der Leiste führten. Der Urin laufe somit beim unwillkürlichen Abgang an den Beinen hinab. Weiterhin träten an den meisten Tagen der Woche mehrfache dünne Stühle auf, weshalb Lopedium mehrfach in der Woche eingenommen werde. Ein Stuhldrang werde etwa in der Hälfte der Fälle bemerkt, wenn er bemerkt werde, werde auch unter Inanspruchnahme der pflegerischen Hilfe regelmäßig nicht rasch genug die Toilette erreicht, so dass nahezu grundsätzlich der Stuhlgang in die Kleidung abgehe und am Tag mehrfach die komplette Kleidung des Unterkörpers gewechselt werden müsse.

Der Beklagte ist dem Sachverständigengutachten des W entgegengetreten, hat darauf hingewiesen, dass der Dialysearzt L den Kläger durchaus für in der Lage gehalten habe, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, und hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des W1 vorgelegt. Demnach sei eine Harninkontinenz grundsätzlich kein Kriterium für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale des Nachteilsausgleiches „RF“. Nach der Rechtsprechung des BSG sei das Tragen einer Windelhose zumutbar und es könnten damit öffentliche Veranstaltungen besucht werden, ohne dass es zur Geruchsbelästigung käme. Anders wäre dies bei einer Stuhlinkontinenz, von der W ausgehe. Das Vorliegen einer Stuhlinkontinenz sei aber aufgrund der bestehenden unterschiedlichen Angaben nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Die Verordnung von Inkontinenzartikeln belege keine Stuhlinkontinenz, die Verordnung dieser Artikel wäre auch bei einer alleinigen Harninkontinenz zu begründen.        

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143144 SGG), auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 4. Juni 2020, mit dem das SG die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) des Klägers auf Verpflichtung des Beklagten, unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2019 (§ 95 SGG) die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ seit dem 5. November 2018 festzustellen, abgewiesen hat. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der vorliegenden Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 R –, juris, Rz. 26; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung, demnach der 13. Januar 2022.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 6. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Kläger hat auch zur Überzeugung des Senats keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ seit dem 5. November 2018. Das Sachverständigengutachten des W und die erstinstanzliche sachverständige Zeugenaussage des G, wonach die entsprechenden gesundheitlichen Merkmale vorliegen sollen, haben den Senat nicht überzeugen können. Zu Recht hat demnach auch das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 4. Juni 2020 abgewiesen. 

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 152 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Demnach treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach § 152 Abs. 1 SGB IX. Nach § 152 Abs. 5 SGB IX i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) ist im Schwerbehindertenausweis auf der Rückseite das Merkzeichen „RF“ einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt.

Seit dem 1. Januar 2013 sind diese Voraussetzungen im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. Dezember 2010 geregelt, der in Baden-Württemberg durch das Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18. Oktober 2011 zum 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt worden ist. Nach § 4 Abs. 2 RBStV wird bei gesundheitlichen Einschränkungen keine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht mehr gewährt, es werden lediglich die Rundfunkbeiträge auf ein Drittel für die in § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 RBStV genannten natürlichen Personen ermäßigt. Die Voraussetzungen für die Beitragsermäßigung erfüllen blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung (Nr. 1), hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, (Nr. 2) oder  behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können (Nr. 3).

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 RBStV nicht.

Er ist nicht blind oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehindert mit einem GdB von wenigstens 60 allein für die Sehbehinderung (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 RBStV). Der Senat entnimmt dem im Verwaltungsverfahren zur Vorlage gekommenen Bericht der S und des R1, Augenärztliche Gemeinschaftspraxis K1, den er im Wege des Urkundsbeweises verwertetet (§ 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]), dass der Kläger an einer Cataracta incipiens beidseits leidet, die zu einer beiderseitigen leichten Visusverschlechterung auf 0,8 führt. Nach der Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), dort Teil B, Nr. 4.3, führt eine beidseitige Visusverschlechterung, wobei für die Beurteilung die korrigierte Sehschärfe maßgeblich ist, auf 0,8 zu einem Einzel-GdB von 0. Auch W hat gutachterlich ausgeführt, dass die Sehschärfe des Klägers mit einer Brille korrigiert ist und keine durch die Verschlechterung der Sehschärfe bedingten Funktionsbeeinträchtigungen beschrieben. Der H hat in seinem, vom Senat urkundsbeweislich verwerteten, Bericht vom 27. November 2018 im Verwaltungsverfahren ebenso lediglich von einer nicht korrigierbaren Einschränkung des Sehvermögens des Klägers nach zwei stattgehabten Schlaganfällen berichtet, woraus sich ebenso nicht eine Einschränkung des Sehvermögens, die mit einem GdB von wenigstens 60 zu bewerten ist, ergibt. Zuletzt lässt sich auch dem urkundsbeweislich verwerteten MDK-Gutachten vom 24. Oktober 2018, das aufgrund des Hausbesuchs beim Kläger am 23. Oktober 2018 erstellt worden ist, keine Einschränkung des Sehvermögens entnehmen, wegen der die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs „RF“ erfüllt wären.   

Der Kläger zählt auch nicht zum Kreis der in § 4 Abs. 2 Nr. 2 RBStV genannten hörgeschädigten Menschen. Er ist weder gehörlos noch ist ihm eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich. Hierfür ergeben sich aus dem Ergebnis der erst- und zweitinstanzlichen Beweisaufnahme sowie aus den im Verwaltungsverfahren zur Vorlage gekommenen ärztlichen Meinungsäußerungen und Unterlagen keine Anhaltspunkte.

Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV liegen beim Kläger zur Überzeugung des Senats ebenso nicht vor. Der bei ihm zuletzt festgestellte GdB beträgt zwar 100 seit dem 21. Mai 1996 (Bescheid vom 11. Dezember 1996 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 20. August 1997), ihm ist aber die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht ständig unmöglich.

Öffentliche Veranstaltungen sind Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art, die länger als 30 Minuten dauern (vgl. BSG, Urteil vom 10. August 1993 – 9/9a RVs 7/91 –, juris, Rz. 12). Dazu gehören nicht nur Theater-, Oper-, Konzert- und Kinovorstellungen, sondern auch Veranstaltungen wie etwa Ausstellungen, Messen, Museen, Märkte, Gottesdienste, Volksfeste, Sportveranstaltungen, Tier- und Pflanzengärten sowie letztlich auch öffentliche Gerichtsverhandlungen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juni 2019 – L 21 SB 347/16 –, juris, Rz. 32, 47). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, damit allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist; also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 1997 – 9 RVs 2/69 –, juris, Rz. 11; Bayerisches LSG, Urteil vom 14. November 2018 – L 18 SB 84/18 –, juris, Rz. 19). Maßgeblich ist dabei allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Hilfsmitteln, z. B. einem Rollstuhl, und/oder mit Hilfe einer Begleitperson (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 1997 – 9 RVs 2/96 –, juris, Rz. 12; Bayerisches LSG, Urteil vom 14. November 2018 – L 18 SB 84/18 –, juris, Rz. 19).

Gemessen an diesen Vorgaben ist dem Kläger die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen aus behinderungsbedingten Gründen nicht ständig unmöglich. Er leidet neben der Cataracta incipiens beidseits (siehe oben), wie der Senat insbesondere den sachverständigen Zeugenaussagen des L und des G sowie dem Sachverständigengutachten des W entnimmt, an einer chronischen Niereninsuffizienz, wegen der dreimal wöchentlich eine Dialyse erforderlich ist, an einer Leberzirrhose, an einem Firbolipom der Leber, an einer Cholethiasis, an einer Hyperurikämie, an einer arteriellen Hypertonie, an einer Herzkrankheit, an einer rezidivierenden depressiven Störung, an einer degenerativen Wirbelsäulenerkrankung, an einer Coxarthrose beidseits, an einer Polyneuropathie, an einer erektilen Dysfunktion, an einer primären Varikosis mit chronischer Venöser Insuffizienz Grad II beidseits, an einer Allergie auf polyamidhaltige Stoffe und an einer Harninkontinenz. Es besteht ein Zustand nach mehreren Schlaganfällen, nach Entfernung eines Hauttumors und einem Myokardinfarkt. Eine vollständige Stuhlinkontinenz ist zur Überzeugung des Senats indessen nicht belegt. Diese würde aber auch bei deren Nachweis zur Überzeugung des Senats den Kläger zusammen mit den Auswirkungen seiner für den GdB von 100 maßgeblichen Gesundheitsstörungen bei der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen zwar einschränken, ihm die Teilnahme aber nicht ständig unmöglich machen.

Der körperlichen Schwäche und Erschöpfung des Klägers, die insbesondere aus der dreimal wöchentlich notwendigen Dialyse und aus der Herzerkrankung resultiert, kann durch die zumutbare Verwendung eines Rollstuhls und der Hilfeleistung durch eine Begleitperson beim Besuch einer öffentlichen Veranstaltung wirksam begegnet werden (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 1997 – 9 RVs 2/96 –, juris, Rz. 12; Bayerisches LSG, Urteil vom 14. November 2018 – L 18 SB 84/18 –,  juris, Rz. 19). Es ist rechtlich unerheblich, ob dem Kläger tatsächlich eine entsprechende unentgeltliche Begleitperson zur Verfügung steht; es kommt alleine darauf an, ob er unter Zuhilfenahme einer Begleitperson öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. September 2013 – L 8 SB 858/12 –, juris, Rz. 33). Die Verwendung eines Rollstuhls bei der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung ist dem Kläger auch möglich. Er hat anamnestisch gegenüber W angegeben, täglich circa zwei Stunden in einem Sessel selbständig sitzen zu können. Demnach kann der Kläger auch unter Berücksichtigung des von W genannten Zeitbedarfs für die Nahrungsaufnahme und Körperhygiene, die nach den Ausführungen des W ebenso in einer sitzenden Position erfolgen müssen, an einer öffentlichen Veranstaltung mit einer Mindestdauer von 30 Minuten teilnehmen (vgl. BSG, Urteil vom 10. August 1993 – 9/9a RVs 7/91 –, juris, Rz. 12). Im Übrigen können nach Ansicht des Senats die notwendigen Verrichtungen zur Köperhygiene auch teilweise in einer liegenden Position durchgeführt werden. Darüber hinaus kann in einem entsprechenden Rollstuhl und unter Zuhilfenahme einer Begleitperson die Sitzposition in dem Rollstuhl so gestaltet werden, dass der Kläger während der Dauer der öffentlichen Veranstaltung nicht (ständig) aufrecht sitzen muss. Denn die Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung ist auch in einer geneigteren Sitzposition möglich, durch die der Kläger weniger körperlich beansprucht wird (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 2021 – L 6 SB 4112/19 –, n. v.). Insofern hat der Dialysearzt L als sachverständiger Zeugen für den Senat überzeugend dargelegt, dass der Kläger von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen wegen der dreimal wöchentlich notwendigen Dialyse und der damit einhergehenden körperlichen Schwäche nicht ständig ausgeschlossen ist. Auch W hat gutachterlich ausgeführt, dass dem Kläger unabhängig von der Harn- und Stuhlinkontinenz die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen unter Verwendung eines Rollstuhls und mit einer Begleitperson, wenn auch unter erheblichen Erschwernissen, wie z. B. einem Krankentransport, möglich ist. Den Ausführungen des G, wonach der Kläger bereits wegen der Dialyse-Behandlung dauerhaft nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können soll, konnte sich der Senat somit nicht anschließen, sie sind nicht überzeugend, zumal der insofern fachkundigere Facharzt für Dialyse dies gerade anders bewertet hat.

Die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ werden auch nicht aufgrund einer Harn- und Stuhlinkontinenz erfüllt. Eine vollständige Stuhlinkontinenz ist bereits nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Die sachverständige Zeugenaussage des G, wonach wegen einer Harn- und auch Stuhlinkontinenz die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht möglich sein soll, beruht, worauf bereits das SG hingewiesen hat, nicht auf persönlichen Untersuchungen des Klägers bei dem G und damit nicht auf dessen eigener Befunderhebung. So ist zur Erstellung der sachverständigen Zeugenaussage lediglich eine telefonische Befunderhebung von dem G durchgeführt worden. Deshalb hat er als von ihm erhobene Diagnose nur eine Harn- und gerade keine Stuhlinkontinenz mitgeteilt. Die Stuhlinkontinenz hat ihm der Kläger nur telefonisch beschrieben. Ebenso ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten des W keine vollständige Stuhlinkontinenz. Er hat lediglich auf dem Fingerling eine kleine Stuhlmenge bemerkt, diese ist also nicht unwillkürlich abgegangen. Anzeichen für die behaupteten, mehrfach dünnen Stühle, die regelmäßig in die Wäsche abgehen sollen, noch nicht einmal in Form von Hautrötungen oder Feuchte im Genitalbereich etc. (so der Sachverständige selbst), konnten während der Untersuchung nicht verifiziert werden, so dass es bei den Behauptungen bleibt. Nach den Berichten sollen somit an den meisten Tagen der Woche mehrfach dünne Stühle auftreten, die etwa in der Hälfte der Fälle nicht bemerkt werden, und auch in den Fällen, in denen sie bemerkt werden, regelmäßig nicht rasch genug die Toilette erreicht werden kann. Das belegt eine vollständige Stuhlinkontinenz nicht, den gutachterlichen Ausführungen kann der Senat das nicht entnehmen. Aus dem Sachverständigengutachten des W ergibt sich im Weiteren nur, dass wegen der Durchfälle eine medikamentöse Behandlung mit Lopedium, einem Mittel gegen akute Durchfälle, erfolgt, nicht aber inwiefern hierdurch eine Besserung eingetreten ist oder inwiefern – zumutbare – weitere medikamentöse Behandlungsversuche erfolgt sind. Der Nachweis einer vollständigen Stuhlinkontinenz ergibt sich darüber hinaus nicht aus der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Verordnung und dem Bezug von Inkontinenzprodukten. Der Bezug von Einlagen mit Klebestreifen ist, worauf auch der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, wegen der bestehenden Harninkontinenz notwendig. Der Verunreinigung der Kleidung infolge der Durchfälle kann durch die Einlagen mit Klebestreifen nicht entgegengewirkt werden. Die ärztlich verordneten MoliCare Premium Men Pants sind ein medizinisches Hilfsmittel bei Harn- und nicht bei Stuhlinkontinenz (vgl. www.molicare.com).

Aber auch bei Vorliegen einer Harn- und Stuhlinkontinenz sind die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs „RF“ nicht erfüllt. Die Verwendungen einer Windelhose ist dem Kläger bei der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen zumutbar (vgl. BSG, Beschluss vom 17. August 2010 – B 9 SB 32/10 B –, juris, Rz. 8; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. März 2012 – L 11 SB 105/09 –, juris, Rz. 42). Der Zumutbarkeit des Tragens einer Windelhose steht – entgegen den gutachterliche Ausführrungen des W – nicht entgegen, dass der Kläger die Nutzung einer Windelhose ablehnt. Für die Ablehnung des Tragens einer Windelhose ergeben sich für den Senat keine nachvollziehbaren, insbesondere keine medizinischen Gründe. So entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des W im Gegenteil, dass Windelhosen durchaus sogar gelegentlich benutzt werden. Die hierbei auftretende Feuchte und Rötung im Genital- und Leistenbereich lassen zur Überzeugung des Senats und entgegen den insoweit nicht nachvollziehbaren gutachterlichen Ausführungen des W das Tragen einer Windelhose nicht als unzumutbar erscheinen. Dem Auftreten einer Rötung kann durch geeignete medizinische Mittel, wie etwas Salben oder Cremes, vorgebeugt werden. Auch das Bestehen einer Feuchte kann durch den Einsatz passender Inkontinenzprodukte minimiert werden. Im Weiteren treffen den Kläger auch Mitwirkungslasten, wozu neben der Benutzung eines Rollstuhls und der Hilfe einer Begleitperson bei der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen auch das Tragen einer Windelhose gehören. Der Kläger ist gehalten, aktiv im Rahmen des Zumutbaren an seiner Eingliederung mitzuwirken und subjektive wie objektive Hindernisse an der Teilnahme öffentlicher Veranstaltungen, soweit es ihm möglich und zumutbar ist, abzustellen (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 11. Oktober 2016 – L 15 SB 207/15 –, juris, Rz. 71). Soweit der Kläger vorbringt, auch bei der Verwendung einer Windelhose gehe von ihm eine Geruchsbelästigung aus, die den anderen Veranstaltungsteilnehmern nicht zumutbar sei, so ist diese Befürchtung des Klägers zwar nachvollziehbar, sie führt jedoch nicht zur Erfüllung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“. Denn es darf grundsätzlich nicht darauf ankommen, inwieweit sich Teilnehmer an öffentlichen Veranstaltungen durch Behinderte gestört fühlen. Der Nachteilsausgleich „RF“ kann nicht allein mit dem Ziel zuerkannt werden, besonderen Empfindlichkeiten der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen. Der auf gesellschaftliche Teilhabe gerichtete Zweck dieses Nachteilsausgleiches würde sonst in sein Gegenteil verkehrt. Deshalb steht der Nachteilsausgleich „RF“ andererseits besonders empfindsamen Behinderten auch nicht allein deshalb zu, weil sie die Öffentlichkeit um ihrer Mitmenschen willen meiden (vgl. BSG, Beschluss vom 9. November 2017 – B 9 SB 35/17 B –, juris, Rz. 11). Auch sind nicht alle öffentliche Veranstaltungen so geartet, dass eine gegebenenfalls vom Kläger ausgehende Geruchbelästigung objektiv für die anderen Veranstaltungsteilnehmer unzumutbar störend ist. Nicht alle öffentlichen Veranstaltungen finden in engen geschlossenen Räumen statt. Vielfach werden öffentliche Veranstaltungen – wie etwa Sportveranstaltungen, Messen oder Märkte – im Freien durchgeführt (vgl. BSG, Urteil vom 10. August 1993 – 9/9a RVs 7/19 –, juris, Rz. 19). Dem Kläger ist es im Weiteren zumutbar – sofern bei Besuch der konkreten öffentlichen Veranstaltungen die Möglichkeit besteht – bei Bedarf die Windelhose zu erneuern und hierdurch einer Geruchsbelästigung beziehungsweise einem Auslaufen der Windelhose vorzubeugen (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 7. Februar 2017 – L 3 SB 19/16 –, juris, Rz. 31).

Der Kläger ist auch wegen seiner psychischen Funktionseinschränkungen nicht ständig von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen. Soweit der Feststellung des GdB von 100 durch Bescheid vom 1. Dezember 1996 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 20. August 1997 eine Persönlichkeitsveränderung mit hirnorganischem Psychosyndrom sowie eine Zwanghaftigkeit zugrunde gelegen hat und nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme der M im Verwaltungsverfahren zu dem vorliegenden Antrag auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ zusammen mit Gleichgewichtsstörungen und einer Alkoholkrankheit mit einem Einzel-GdB von 60 bewertet worden ist, stehen diese Funktionseinschränkungen einer Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht ständig entgegen. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren sowie im Verwaltungsverfahren ergeben sich zur Überzeugung des Senats hierfür keine Anhaltspunkte. Nach dem MDK-Gutachten vom 24. Oktober 2018 hat der Kläger die Gutachterin freundlich begrüßt, er konnte sich an die letzte Begutachtung erinnern – es hat demnach keine Gedächtnisstörung bestanden –, war zur Begutachtungssituation vollständig orientiert und hat alle Fragen vollständig beantworten können. Allein wegen des gedrückten Stimmungsbildes, des reduzierten Antriebs und der bei der Dialyse regelmäßig auftretenden Angstzustände ist der Kläger nicht ständig von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen. Ein wesentlich hiervon abweichender psychischer Befund, wegen dem sich eine ständige Bindung des Klägers an dessen Wohnung und damit das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ ergeben könnte, ergibt sich auch nicht aus dem Sachverständigengutachten des W. Der Kläger war bei der Begutachtung wach, bewusstseinsklar und voll orientiert. Er hat reaktiv depressiv gewirkt, hat bei der Schilderung seiner Situation geweint, war ohne Vertrauen in die Zukunft und reaktiv angstbesetzt hinsichtlich seiner Belastbarkeit. Soziale Kontakte haben zwar nur noch zu seiner Ehefrau und seiner Tochter bestanden, W hat aber nachvollziehbar insofern die Vermutung geäußert, dass die Einschränkung der sozialen Kontakte auch der Corana-Pandemie geschuldet sein kann.        

Die Fähigkeit zur Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ist auch nicht so zu verstehen, dass dem Kläger die Teilnahme an jeglicher Art von öffentlicher Veranstaltung möglich sein muss. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die Teilnahmefähigkeit an einer nennenswerten Anzahl von öffentlichen Veranstaltungen, die nicht zwangsläufig Massenveranstaltungen sein müssen. Der Schwerbehinderte muss wegen seiner Leiden „allgemein“ und „umfassend“ von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sein (vgl. BSG, Urteil vom 3. Juni 1987 – 9a RVs 27/85 –, juris, Rz. 10). Insofern obliegt es ihm, die Art der öffentlichen Veranstaltungen so auszuwählen, dass er körperlich und geistig in der Lage ist, diesen Veranstaltungen weitestgehend folgen zu können. Seine persönlichen Vorlieben, Bedürfnisse, Neigungen oder Interessen sind insoweit nicht entscheidend (vgl. BSG, Urteil vom 10. August 1993 – 9/9a RVs 7/91 –, juris, Rz. 20; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juni 2019 – L 21 SB 347/16 –, juris, Rz. 32).

Darüber hinaus meint das „Teilnehmen“ im Sinne des Nachteilsausgleiches „RF“ neben der körperlichen Anwesenheit nicht auch die geistige Aufnahmefähigkeit. Selbst wenn von gebührenrechtlichen Bedenken gegen eine derart erweiternde Auslegung abgesehen wird, wird sie von § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) deshalb nicht getragen, weil die Befreiung von bzw. die Ermäßigung der Rundfunkgebührenpflicht zur sozialen Eingliederung, dem übergeordneten Ziel des Schwerbehindertenrechts (vgl. § 10 SGB I), derartig Behinderter weder erforderlich noch geeignet ist. Der kostenlose bzw. gebührenermäßigte Rundfunk- und Fernsehempfang ermöglicht oder erleichtert die durch die verminderte geistige Aufnahmefähigkeit beeinträchtigte Teilnahme am Gemeinschaftsleben nicht. Denn die Beeinträchtigung der geistigen Aufnahmefähigkeit wirkt sich bei öffentlichen Veranstaltungen und beim häuslichen Rundfunkempfang in gleicher Weise aus. Der Rundfunk kann insoweit keinen Ersatz für nicht mehr erreichbare öffentliche Veranstaltungen bieten. Dass auch Blinde und Hörgeschädigte von der Gebührenpflicht befreit werden (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 und 2 RBStV), obwohl sich hier die Behinderung bei öffentlichen Veranstaltungen und dem häuslichen Rundfunkempfang ebenfalls in gleicher Weise auswirkt, betrifft einen Sonderfall. Die darin liegende mögliche Begünstigung beruht auf der herkömmlichen besonderen Bewertung dieser Behinderungen und kann deshalb nicht verallgemeinert werden (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 1991 – 9a/9 RVs 15/89 –, juris, Rz. 12 ff.).

Zuletzt ergeben sich auch aus dem festgestellten GdB von 100 und der Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche „G“, „B“ und „H“ nicht das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Die für die Feststellung des GdB und auch die für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der beim Kläger festgestellten Nachteilsausgleiche maßgeblichen rechtlichen Vorgaben unterscheiden sich von denen für den Nachteilsausgleich „RF“, so dass allein der GdB von 100 und die festgestellten Nachteilsausgleiche nicht zugleich die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „RF“ begründen. 

Weiterer Ermittlungsbedarf hat nicht bestanden. Die vorliegenden medizinischen Unterlagen und ärztliche Meinungsäußerungen haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Grundlagen vermittelt. Bei weiteren (medizinischen) Ermittlungen, würde es sich um Ermittlungen ins Blaue hinein und um eine Ausforschung des Sachverhaltes handeln, zu der der Senat nicht verpflichtet ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – B 9 V 20/18 B –, juris, Rz. 19).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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