L 7 AS 589/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 AS 761/19
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 589/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein Ablehnungsbescheid wird nicht Streitgegenstand im Verfahren wegen Versagung der Leistungen mangels Mitwirkung.

 

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 01. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Versagung von SGB II-Leistungen sowie Anspruch auf Zahlung von SGB II-Leistungen für die Zeit ab 1.4.2019.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das von der 1954 geb. Klägerin selbst genutzte ca. 160 qm große Einfamilienhaus Vermögen darstellt, das die Hilfebedürftigkeit der Klägerin ausschließt (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 15.11.2018, L 7 AS 144/17, betreffend den Zeitraum vom 1.5.2013 bis 31.10.2014 und vom 1.9.2015 bis 31.8.2016). Die Klägerin bezieht seit 1.8.2020 eine Altersrente (Schreiben der Klägerin vom 6.8.2020).

Mit Schreiben vom 28.4.2019 beantragte die Klägerin für die Zeit ab 1.4.2019 SGB II-Leistungen beim Beklagten. Er forderte die Klägerin mit Schreiben vom 22.5.2019 auf, beim Rentenversicherungsträger eine Rentenauskunft einzuholen und dem Beklagten vorzulegen. Mit Schreiben vom 14.6.2019 wurde die Klägerin aufgefordert, den beigefügten Erhebungsbogen zur Verkehrsermittlung bei Haus- und Grundbesitz auszufüllen und zu unterschreiben und zusammen mit der aktuellen Rentenauskunft beim Beklagten bis zum 1.7.2019 einzureichen. Das Schreiben enthielt eine Belehrung darüber, dass Geldleistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung versagt werden können. Der Erhebungsbogen verlangte Angaben zum Grundbesitz sowie eine Einverständniserklärung zur Weitergabe der Angaben an das Katasteramt/den Gutachterausschuss zur Ermittlung des aktuellen Verkehrswertes. Mit Schreiben vom 5.7.2019 erinnerte der Beklagte an die Aufforderung zur Mitwirkung vom 14.6.2019 und setzte erneut Frist zur Erledigung bis zum 22.7.2019. Ein Termin zur Begutachtung könne erst nach Eingang des Erhebungsbogens vereinbart werden. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung über die Möglichkeit einer Versagung der Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung.

Mit Schreiben vom 24.6.2019 und vom 9.7 2019 teilte die Klägerin mit, dass sie ihren Mitwirkungspflichten bereits vollumfänglich nachgekommen sei. Aus der vorgelegten Rentenauskunft gehe hervor, dass sie die Regelaltersrente ab 1.8.2020 einreichen könne. Bezüglich des Hauses liege bereits ein Gutachten vor. Der Gutachter habe Mängel des Hauses ignoriert. Ausreichend wäre daher, nur die Mängel zu begutachten. Den Erhebungsbogen unterschreibe sie nur, wenn der Gutachterausschuss eine Besichtigung durchführe und die Mängel bestätige. Ohne Besichtigungstermin sei sie nicht bereit, ein Gutachten erstellen zu lassen.

Mit Bescheid vom 30.7.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2019 versagte der Beklagte die Leistungen ab 1.4.2019 ganz.

Hiergegen erhob die Klägerin am 13.11.2019 Klage zum Sozialgericht Landshut. Die Versagung sei rechtswidrig. Die SGB II-Leistungen seien ihr für die Zeit ab 1.4.2019 nachzuzahlen.

Mit Gerichtsbescheid vom 1.10.2020 hob das Sozialgericht den Versagungsbescheid auf und wies die Leistungsklage der Klägerin im Übrigen als unzulässig ab. Die Voraussetzungen für eine Versagung seien nicht erfüllt. Die Leistungsklage sei unzulässig, da statthafte Klageart bei einer Versagung allein die Anfechtungsklage sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 13.10.2020 Berufung beim Bay. Landessozialgericht ein. Da der Versagungsbescheid rechtswidrig sei, habe der Beklagte die SGB II-Leistungen nachzuzahlen.

Der Beklagte legte mit Schriftsatz vom 14.10.2020 gegen die Aufhebung des Versagungsbescheides Berufung ein, nahm diese jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 28.9.2021 zurück.

Mit Bescheid vom 22.6.2021 lehnte der Beklagte den Antrag für die Zeit ab 1.4.2019 mangels Hilfebedürftigkeit ab.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 1.10.2020 abzuändern und den Beklagten zur Gewährung von SGB II-Leistungen in gesetzlicher Höhe ab 1.4.2019 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und des Beklagten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin (§§ 143,144, 151 SGG) ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Leistungsklage als unzulässig abgewiesen.


Streitgegenständlich war im Klageverfahren der Versagungsbescheid vom 30.7.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2019, mit dem SGB II-Leistungen ab 1.4.2019 ganz versagt wurden. Nachdem das Sozialgericht den Versagungsbescheid zugunsten der Klägerin aufgehoben hat, ist im Berufungsverfahren allein über die von der Klägerin weiter verfolgte Leistungsklage zu entscheiden, mit der die Klägerin die Nachzahlung der versagten Leistungen ab 1.4.2019 geltend macht.

Demgegenüber ist der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 22.6.2021 nicht Gegenstand des Verfahrens gemäß § 96 SGG geworden, da dieser den Versagungsbescheid nicht abändert. Im Gegensatz zum Ablehnungsbescheid trifft der Versagungsbescheid keine inhaltliche Regelung zum materiell-rechtlichen Leistungsanspruch, sondern regelt allein die Folgen einer etwaigen Verletzung einer Mitwirkungspflicht (vgl. Bay. LSG vom 12.7.2018, L 18 SO 38/18).

Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist nicht zulässig.

Im gerichtlichen Verfahren ist zutreffende Klageart allein die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG, die im Falle der Leistungsversagung grundsätzlich nicht mit einer Leistungsklage verbunden werden kann, da eine Verwaltungsentscheidung über den Leistungsanspruch gerade noch nicht getroffen worden ist. Die Ablehnung eines Leistungsantrags wegen fehlender Mitwirkung führt nur zur Überprüfung der Versagungsvoraussetzungen nach § 66 SGB I, mangels einer Sachentscheidung der Behörde über das Leistungsbegehren, jedoch nicht zu einer Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen durch das Gericht. Unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie ist vom Bundessozialgericht auch in einem Versagensfall ausnahmsweise zusätzlich zu einer Anfechtungsklage auch eine unmittelbare Klage auf Leistungsgewährung als zulässig angesehen worden, wenn die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen behauptet wird oder zwischen den Beteiligten unstreitig ist (vgl. jurisPK-SGB I, § 66 Rn 73; BSG vom 25.2.2013, B 14 AS 133/12 B; BSG vom 1.7.2009, B 4 AS 78/08 R).

Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Denn zwischen den Beteiligten ist weiterhin streitig, ob das Vermögen der Klägerin deren Hilfebedürftigkeit ausschließt (vgl. L 7 AS 452/19 sowie das noch beim Sozialgericht anhängige Verfahren S 11 AS 534/19).
        
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision i.S.v. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

 

Rechtskraft
Aus
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