L 6 SB 1672/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 146/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1672/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.  

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 50.

Sie ist 1962 geboren. Nach Abschluss der Realschule hat sie eine Ausbildung zur Technischen Zeichnerin absolviert und war im Folgenden in diesem Beruf sowie als Projektassistentin bei der D beschäftigt. Seit dem 20. November 2017 war sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig und bezieht derzeit eine Berufsunfähigkeitsrente. Sie ist in zweiter Ehe verheiratet, Mutter von zwei, aus erster Ehe stammenden, erwachsenen Kindern und Großmutter eines Enkels. Die Trennung von ihrem ersten Ehemann erfolgte aufgrund häuslicher Gewalt. Sie verbringt gerne Zeit mit ihrem Enkel (vgl. ärztlicher Entlassungsbericht der V-Klink B, endgültiger Arztbrief der Charité, MKlinik mit Schwerpunkt Psychosomatik, Sachverständigengutachten des F und Sachverständigengutachten des J).

Am 8. November 2010 beantragte die Klägerin beim Landratsamt K (LRA) die Erstfeststellung des GdB und gab als zu berücksichtigende Gesundheitsstörungen Depressionen, Bandscheibenvorfälle an der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS), eine beiderseitige Arthrose der Schultergelenke, eine Arthrose im linken Sprunggelenk und ein cerviko-thorakales Syndrom an.

Aus dem ärztlichen Entlassungsbericht der V-Klinik B, F1klinik für Orthopädie, Rheumatologie und Psychosomatik, über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 27. September bis zum 30. Oktober 2010 ergab sich unter den Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode mit Somatisierung, V. a. Ilio-Sacral-Gelenk (ISG)-Reizung und Tinnitus ein arbeitstägliches Leistungsvermögen sowohl für den ausgeübten Beruf als Technische Zeichnerin als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt von sechs Stunden und mehr. Bei Aufnahme habe seit dem 12. April 2010 Arbeitsunfähigkeit bestanden, die Klägerin habe über Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Schmerzen im Bereich der HWS, ausstrahlende Schmerzen in die Extremitäten und Sensibilitätsstörungen geklagt. Im psychotherapeutischen Aufnahmegespräch habe sie von einem gegenwärtigen Grübeln, einer Unausgeglichenheit, Ein- und Durchschlafproblemen, einer Antriebsschwäche, einer Kurzatmigkeit, einem Tinnitus und ständigen starken Schmerzen im Bewegungsapparat berichtet. Die Symptomatik habe Ende 2006 mit Schwindel, Übelkeit, Pfeifen im Ohr und Sehproblemen (Verschwommenheit) begonnen. Sie sei im Alltag nicht mehr in der Lage, normale Hausarbeiten durchzuführen; es sei ihr alles zu viel. Auch fehle ihr die Motivation für Sport; von sozialen Kontakten habe sie sich zurückgezogen. Im beruflichen Bereich sei sie zusammen mit vier weiteren Kollegen im Jahr 2005 von K nach L versetzt worden. Eine ihrer Kolleginnen habe sich deshalb im April 2005 das Leben genommen. Deswegen habe sie weiterhin Schuldgefühle, weil sie den Suizid nicht verhindert habe, obwohl die Kollegin ihre Absicht angekündigt habe. Die Klägerin sei in einem guten Allgemein- und adipösen Ernährungszustand gewesen. Es habe sich ein flüssiges Gangbild gezeigt, die Beweglichkeit der Wirbelsäule (WS) habe frei gewirkt (HWS: Seitneigung 20-0-20°, Rotation 40-0-40°, Brustwirbelsäule [BWS]: Zeichen nach Ott 30/32 cm, LWS: Zeichen nach Schober 10/14 cm, Finger-Boden-Abstand [FBA] 12 cm). Über dem rechten ISG habe ein Druckschmerz ohne Vorlauf- oder Rücklaufphänomen oder Anzeichen einer Blockierung bestanden. Die Beweglichkeit der Schultergelenke habe hinsichtlich Vor-/Rückhebung beidseits 120-0-30°, Ab-/Adduktion beidseits 100-0-0° bei nicht durchführbarem Nacken- und Schürzengriff und gegen Widerstand abgeschwächten Bewegungen betragen. An den oberen und unteren Extremitäten hätten sich im Übrigen keine Auffälligkeiten gezeigt. Im psychischen Befund sei die Klägerin bewusstseinsklar, allseits orientiert und offen bei gleichbleibend gedrückter Stimmung, reduziertem Antrieb und angespannter Psychomotorik gewesen. Es habe sich eine Fixierung auf die Unzufriedenheit mit der Arbeitsplatzsituation gezeigt; Hinweise auf Zwänge, Sinnestäuschungen, eine Ich-Störung oder eine Suizidalität hätten sich nicht ergeben. Bei Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme habe ein gesteigertes körperliches Wohlbefinden vorgelegen. Die Klägerin sei mit der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung nicht einverstanden, sie sei mit ihrem Arbeitsplatz unzufrieden gewesen und habe sich nicht für eine Wiederaufnahme dieser Tätigkeit ausreichend stabilisiert gefühlt.

Aus dem Bericht des T vom 1. Oktober 2008 ergab sich eine Vorstellung der Klägerin wegen seit zwei Tagen bestehenden akuten cervikalen Beschwerden und als Befund eine massive Rotationseinschränkung der HWS mit starkem Bewegungsschmerz ohne neurologische Defizite. Als Diagnose habe er ein cerviko-thorakales Syndrom bei Blockaden gestellt.

Dem Bericht des B1, vom 6. November 2008 ließ sich die Diagnose dyshidrosoformes Fußekzem entnehmen.

Der P berichtete über die Vorstellung der Klägerin am 3. Juni 2009 und den hierbei erhobenen Diagnosen eines hyperreagiblen Bronchialsystems (laut Klägerin ED Februar 2009) und Durchschlafstörungen bei V. a. larvierte Depression (ED April 2008). Der Auskultationsbefund, die Sauerstoffsättigung und die Lungenfunktion hätten keine Pathologika aufgewiesen.

Zuletzt ergaben sich aus dem Bericht des R über die Vorstellung der Klägerin am 22. Juli 2010 die Diagnosen chronische Depression und Tinnitus beidseits. Anamnestisch habe die Klägerin unter Amitriptylin einen Rückgang der Kopfschmerzen berichtet. Sie fühle sich jedoch weiterhin anhaltend depressiv, arbeite immer noch in L und habe sich vorgestellt, weil ihre Krankenkasse eine fachärztliche Behandlung gefordert habe. Die Klägerin sei wach, orientiert, bewusstseinsklar, chronisch depressiv verstimmt mit Weinen bei einer weiterhin bestehenden schweren beruflichen Konfliktsituation gewesen. Es sei ihr alles schwergefallen, nichts habe mehr richtig funktioniert, sie habe sich nur noch über die Kinder freuen können. Zusammengelebt habe sie mit ihrem sich bereits im Ruhestand befindlichen Partner.

Versorgungsärztlich bewertete B2 den Gesamt-GdB mit 20 und berücksichtigte hierbei eine seelische Störung und Ohrgeräusche (Tinnitus) mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke mit einem Einzel-GdB von 10. Das hyperreagible Bronchialsystem sei nicht mit einem Einzel-GdB von mindestens 10 zu bewerten, eine Funktionsbehinderung der WS oder des linken Sprunggelenks sei nicht nachgewiesen.

T teilte die erhobenen Diagnosen eines Impingement beider Schultergelenke bei Schulter-OP rechts, den Verdacht auf eine erneute Tedinitis calcarea der rechten Schulter, eines chronischen Thorakal- und Lumbalsyndroms mit rezidivierenden Blockaden der BWS und beider ISG bei muskulärer Dysbalance sowie einer Chondromalazie beider Kniegelenke mit.

Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme des B2 habe der Gesamt-GdB auch unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Einzel-GdB von 10 für die Funktionsbehinderung der WS weiterhin 20 betragen. Die Veränderungen der Kniegelenke seien nicht mit einem Einzel-GdB von mindestens 10 zu bewerten.   

Das LRA stellte daraufhin durch Bescheid vom 31. Januar 2011 einen GdB von 20 seit dem 8. November 2010 fest.

Am 9. Juni 2017 beantragte die Klägerin die Neufeststellung des GdB und gab als zu berücksichtigende Gesundheitsstörungen eine occulte innere Retinopathie, eine somatisierende Depression, eine rezidivierende depressive Störung, eine Tendinitis calcarea der rechten und linken Schulter, einen Tinnitus mit Hörminderung, beidseitige Brustimplantate und Bandscheibenvorfälle L3/4 sowie L5/S1 an.

Sie legte den Entlassungsbericht des Ambulantes Zentrum für Rehabilitation K über die teilstationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 26. Juli bis zum 20. August 2004 vor, der als erhobene Diagnosen eine Tendinitis calcarea rechte Schulter, eine Schulteroperation rechts am 20. April 2004, ein lumbales Schmerzsyndrom bei stat. muskuläre Dysbalance ohne neurologisches Defizit und eine Adipositas aufführte.

Im Weiteren gab die Klägerin den Antrag vom 5. Juli 2007 bei der AXA Lebensversicherung AG auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit zu den Akten, den sie mit den seit circa Oktober 2006 bestehenden Erkrankungen Spannungskopfschmerz, verschwommenes Sehen, Übelkeit, Schwindel, Tinnitus, Einschlafstörungen und Durchschlafstörungen begründet hatte.

Der ärztliche Befundbericht zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe der Rentenversicherung der S und R1 vom 17. November 2017 führte als Diagnosen einen Tinnitus, eine Cephalgie, eine Neuralgie und eine Hörminderung auf. Der Tinnitus sei zermürbend, auch mit einem Masker sei kaum Schlaf möglich, am Morgen bestünden Kopfschmerzen.                            

Der Bericht des R über die Vorstellung der Klägerin am 18. Januar 2011 nannte als Diagnosen eine Depression mit somatischem Syndrom, eine chronische depressive Verstimmung und einen Tinnitus beidseits. Die Klägerin sei immer noch krankgeschrieben, sie habe eine Umsetzung und eine Umschulung für einen anderen Arbeitsplatz beantragt, fühle sich unter Entlastung wohler. Sie sei auf der Suche nach einer geeigneten ambulanten psychotherapeutischen Betreuung. Weiterhin habe eine chronische depressive Verstimmung bestanden, wenngleich unter Medikamentation etwas in den Hintergrund getreten, und eine deutlich verminderte Belastbarkeit, insbesondere durch das gestörte Verhältnis am Arbeitsplatz. Die Lebensfreude sei vermindert gewesen, als somatoformes Syndrom hätten weiterhin Kopfschmerzen vorgelegen.

Über die Vorstellung am 19. April 2011 berichtete R, dass die chronische Depression mit einem organisch nicht erklärlichen Kopfschmerz weiterhin bestünde, im Moment seien die Kopfschmerzen etwas schlimmer. Die Stimmungslage und der Antrieb seien etwas gebessert gewesen, die Klägerin habe im Haushalt ein bisschen mehr arbeiten können. Die Vormittage seien meist ganz gut, ab einer bestimmten Uhrzeit sei sie erschöpft und leistungsunfähig. Zum September werde die Klägerin ausgesteuert, sie werde sich gegebenenfalls um einen anderen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber bemühen, nach L gehe sie auf keinen Fall mehr.

Aus dem vorläufigen Arztbrief des Uklinikum H über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 3. bis zum 11. Juli 2014 ergab sich diagnostisch eine ausgeprägte Kapselfibrose beidseits Baker III links, IV rechts und als Therapie am 3. Juli 2014 einen Implantatwechsel mit kleineren Prothesen.

Der vorläufige Bericht der Universitätsmedizin M1 vom 17. Januar 2017 führte als Diagnosen einen V. a. occulte innere Retinopathie rechtes und linkes Auge, z. B. AIR, CAR, infekt-assoziiert, Refsum noch nicht ausgeschlossen und einen V. a. Überempfindlichkeit gegen Benzal-koniumchlorid in Augentropfen auf. Anamnestisch habe die Klägerin von einem Schleiersehen und vom Übersehen von Objekten (Flugzeug am Himmel) berichtet. Der Visus habe rechts 0,6 und links 0,8 bei hyperopem Astigmatismus rechts mehr als links betragen. Die Gesichtsfelduntersuchung habe eine kinetisch mäßiggradige konzentrische Konstriktion, statisch 85° subtotaler Defekt und statisch 30° Perizentral- bis Intermediärskotome ergeben.      

K1, berichtete aufgrund der Vorstellung der Klägerin am 23. März 2017 über die erhobenen Diagnosen eines Astigmatismus, einer Glasköpertrübung und Nachtsehstörungen. Der Fernvisus habe rechts 0,6 und links 0,7 betragen. Die Klägerin habe angegeben, seit ein paar Jahren schwarze Streifen zu sehen, seit Oktober/November 2017 Flächen, die sich bewegten. Sie fahre kein Auto mehr, da das Sehen im Dunkel schwierig sei. Bei der Untersuchung habe sich eine deutliche Glaskörpertrübung und eine unauffällige Netzhaut beidseits gezeigt. Einen sicheren Hinweis auf eine Netzhautdystrophie habe sich nicht ergeben.

Aus den Berichten der M2 und Dr. Westkott aus den Jahren 2006 und 2007 ergab sich ein Visus von rechts 0,5 und links 0,63 und im Gesichtsfeld beidseits bogenförmige Ausfälle im 30° Bereich.

Die Klägerin legte das Tonaudiogramm vom 25. Januar 2017 vor und führte aus, der Tinnitus bestehe seit 10 Jahren und mache sie mürbe.

Versorgungsärztlich bewertete B2 eine seelische Störung und Ohrgeräusche (Tinnitus) mit einem Einzel-GdB von 20 und eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, eine Funktionsbehinderung der WS sowie eine Sehminderung beidseitig mit Glaskörpertrübungen jeweils mit einem Einzel-GdB von 10. Die Hörminderung und die Brustimplantate beidseits sowie der Implantatwechsel seien nicht mit einem Einzel-GdB von mindestens 10 zu bewerten, Bandscheibenvorfälle seien nicht nachgewiesen. Der Gesamt-GdB betrage weiterhin 20.

Hierauf gestützt lehnte das LRA durch Bescheid vom 29. Juni 2017 die Höherbewertung des GdB ab.

Deswegen erhob die Klägerin Widerspruch und führte aus, sie könne nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen ihre beiderseitige Sehfeldeinschränkung nicht berücksichtigt werde. Sie befinde sich seit Monaten bei verschiedenen Ärzten in Behandlung und keiner habe die Ursache hierfür finden können. Am 24. August 2017 habe sie einen Termin in der A1klinik der Charité. Zwischenzeitlich habe sie auch große Probleme mit ihrem Arbeitgeber, da sie die geforderte Qualität und Quantität nicht mehr erbringen könne.

Aus dem Bericht der A1klinik der Charité über die ambulante Vorstellung der Klägerin am 24. August 2017 ließen sich als Diagnosen am rechten und linken Auge ein Astigmatismus, Glaskörpertrübungen (Mouches volantes), eine Nachtsehstörung und der V. a. eine funktionelle Sehstörung entnehmen. Der Visus habe rechts 0,6 und links 0,8 betragen. Es habe sich beidseits ein morphologischer ophtalmologischer Normalbefund bei konzentrischer Gesichtsfeldeinschränkung in der Perimetrie ergeben. Bei dem V. a. eine funktionelle Sehstörung war die Vorstellung in der Neurologie/Psychosomatik zur weiteren Abklärung und Therapie empfohlen worden.

Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme des G seien die angegebenen konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkungen ohne ein organisches Korrelat gewesen, es habe deshalb von einer psychogenen Sehstörung ausgegangen werden müssen. Er bewertete eine seelische Störung, Ohrgeräusche (Tinnitus) sowie eine funktionelle Sehstörung mit einem Einzel-GdB von 30 und eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, eine Funktionsbehinderung der WS und eine Sehminderung beidseitig mit Glaskörpertrübungen mit einem Einzel-GdB von jeweils 10. Hieraus bildete er einen Gesamt-GdB von 30.

Das LRA stellte daraufhin durch Teil-Abhilfebescheid vom 26. September 2017 einen GdB von 30 seit dem 9. Juni 2017 fest. Die Klägerin erklärte hierauf den weitergehenden Widerspruch für erledigt. 

Den – vorliegend streitgegenständlichen – Neufeststellungsantrag vom 6. Februar 2018 begründete die Klägerin mit einer schwergradigen depressiven Episode. Sie legte den endgültigen Arztbrief der Charité, MKlinik mit Schwerpunkt Psychosomatik, über ihren stationären Aufenthalt vom 5. Dezember 2017 bis zum 16. Januar 2018 vor. Die Aufnahme sei aufgrund einer anhaltenden schwergradigen depressiven Episode mit Suizidgedanken erfolgt. Als Diagnosen seien eine dissoziative Sehstörung, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, ein Lumbago und eine Adipositas Grad I erhoben worden. Die Klägerin habe soziale Kontakte gepflegt und gerne Zeit mit ihrem vierjährigen Enkel verbracht. Der psychische Befund bei Aufnahme habe keine quantitativen oder qualitativen Bewusstseinsänderungen, anamnestisch eine Konzentrationsstörung, eine zeitliche, örtliche, situative sowie personelle Orientierung, keine Wahrnehmungsveränderungen, eine Grübelneigung, ein Gedankenkreisen, eine Anhedonie, einen sozialen Rückzug, eine verminderte Schwingungsfähigkeit, eine Antriebsstörung und keine akute Suizidalität bei der Äußerung von Suizidgedanken ergeben. Aufgrund eines Rentenwunsches sei eine Beratung durch eine Sozialarbeiterin erfolgt. Während der Rehabilitation habe die Motivation für eine ambulante Psychotherapie gesteigert werden können, die Bemühungen der Klägerin um einen Therapieplatz seien erfolgreich gewesen.

Aus der versorgungsärztlichen Stellungnahme des B2 ergab sich die Bewertung einer seelischen Störung, Ohrengeräuschen (Tinnitus) und einer funktionellen Sehstörung mit einem Einzel-GdB von 30. Die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, die Funktionsbehinderung der WS und die beiderseitige Sehminderung mit Glaskörpertrübung wurden mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 bewertet. Der Gesamt-GdB habe 30 betragen.

Das LRA lehnte durch Bescheid vom 21. März 2018 den Antrag auf Neufeststellung des GdB ab. Die Prüfung der vorliegenden aktuellen medizinischen Unterlagen bzw. der erhobenen medizinischen Befunde habe ergeben, dass eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustands der Klägerin und der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht eingetreten sei.

Mit dem deswegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands vorliege. Der letztmaligen Feststellung des GdB habe eine mittelschwere Depression zugrunde gelegen, nunmehr leide sie an einer schwergradigen, wegen der eine siebenwöchige stationäre Behandlung in der Charité erforderlich gewesen sei.

Die Klägerin legte das ärztliche Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) nach § 51 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vom 22. Februar 2018 vor, aus dem sich aufgrund der Diagnosen einer dissoziativen Sehstörung, einer schweren Depression und einer Lumbago die Empfehlung zu einer psychosomatischen medizinischen Rehabilitation und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ergaben.

S1 legte versorgungsärztlich dar, dass eine Änderung nicht eingetreten und neue ärztliche Befunde nicht vorgelegt worden seien. Nach derzeitigem Sachstand seien alle Funktionsbehinderungen zutreffend bewertet, es sei deshalb an der bisherigen Stellungnahme festzuhalten.

Der Bericht des SRH Klinikum K2, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 17. Juli bis zum 18. September 2018 nannte als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, und eine dissoziative Sehstörung. Beim Aufnahmegespräch habe die Klägerin von einer starken Einschränkung durch ihre Sehstörung berichtet. Ihr Sehfeld sei deutlich limitiert, weshalb die Qualität und Quantität ihr Arbeitsleistung nachgelassen habe. Die Sehstörung wirke sich auch auf ihre Stimmungslage aus, sie sei freudlos, habe das Gefühl, dass „die Umwelt immer weiter von ihr abrücke“, und leide unter Antriebs- und Motivationslosigkeit. Es falle ihr alles sehr schwer, sie benötige Antrieb und Motivation durch ihren Ehemann, damit sie sich zu bestimmten Tätigkeiten und Verpflichtungen zwingen könne. Sie grüble den ganzen Tag über ihre Familie, die ungewisse Zukunft und ihren Arbeitsplatz. Phasenweise bestünden lebensmüde Gedanken ohne Suizidalität. Zwischenzeitlich sei sie konzernintern auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt worden. An diesem Arbeitsplatz sei sie gemobbt worden, die Kollegen hätten sie ausgegrenzt und beleidigt; sie habe das Gefühl gehabt, dass man sie loswerden wolle. Die Klägerin sei offen und auskunftsbereit bei intakter Orientierung zur Person, Zeit, Ort und Situation gewesen. Es habe eine Konzentrationsstörung vorgelegen, das formale Denken sei eingeengt auf die Sehstörung und die damit verbundenen Arbeitsplatzprobleme gewesen. Im Affekt sei die Klägerin depressiv ausgelenkt bei gleichwohl bestehender Schwingungsfähigkeit, innerer Unruhe und Anspannung gewesen. Es habe ein Gefühl der Gefühllosigkeit, eine Freudlosigkeit, Insuffizienzgefühle, Störungen der Vitalgefühle, eine Antriebsarmut, Einschlafstörungen, eine Verkürzung der Schlafdauer, ein sozialer Rückzug und phasenweise ein Lebensüberdruss ohne akute Suizidalität bestanden. Aus dem test-/neuropsychologischen Aufnahmebefund habe sich ein heterogenes Leistungsprofil ergeben. Insgesamt habe die Klägerin einer durchgehenden kognitiven Belastung von 90 Minuten standhalten können, Belastungseinschränkungen seien hierbei nicht beobachtet oder geltend gemacht worden. Der Kopf sei frei beweglich gewesen, eine Skoliose habe nicht vorgelegen, die Stand- und Gangproben hätten sicher durchgeführt werden können. Es habe eine konzentrative Gesichtsfeldeinengung beidseits bestanden. Die Entlassung sei als nicht arbeitsfähig erfolgt, da die Teilnahme am arbeitstherapeutischen Belastungstraining bereits nach zwei Wochen aufgrund fehlender Belastbarkeit habe abgebrochen werden müssen. 

Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme des G seien eine seelische Störung und eine dissoziative Sehstörung (intermittierend) mit einem Einzel-GdB von 30 und die weiteren Funktionsbehinderungen (Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Funktionsbehinderung der WS, Sehminderung beidseits mit Glaskörpertrübungen und Ohrgeräuschen [Tinnitus]) mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 zu bewerten gewesen. Der Gesamt-GdB habe 30 betragen. Die seelische Störung sei mit einen Einzel-GdB von 30 weiterhin ausreichend bewertet gewesen. Der psychische Befund bei der Aufnahme zur stationären Rehabilitation im Juli 2018 habe nur mäßige Auffälligkeiten gezeigt. Der Citalopram-Spiegel sei nicht ausreichend gewesen. Die Klägerin habe auch im Hinblick auf die Sehstörung einen 90-minütigen neuropsychologischen Test bewältigen und Fragebögen von psychometrischen Test ausfüllen können. In den psychotherapeutischen Sitzungen habe sie eine tiefere Bearbeitung vermieden und eine Arbeitstherapie wegen Somatisierung bei Belastung abgebrochen. Die Sehstörung sei auch im Entlassungsbericht kaum thematisiert worden. Die Klägerin habe an der Ergo- und Bewegungstherapie sowie am Sport ohne die beschriebenen Einschränkungen teilnehmen können. Sie lebe in einer unterstützenden Partnerschaft und habe gute Kontakte zu ihren Kindern und ihrem Enkelkind. Maßgeblich für die Beurteilung seien nicht die (abrechnungsrelevanten) Diagnosen, sondern der klinische Befund und die psychosozialen Auswirkungen. Letztere beschränkten sich im Wesentlichen auf die Arbeitsunfähigkeit, es bestehe ein Rentenwunsch.

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2018 zurück. Die angefochtene Entscheidung sei unter Würdigung des Vorbringens der Klägerin sowie einer erneuten versorgungsärztlichen Stellungnahme überprüft worden. Hierbei seien auch das Gutachten des MDK vom 26. Februar 2018 sowie der Befundbericht des SRH Klinikum K2 vom 18. September 2018 ausgewertet worden. Danach sei die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Eine wesentliche Verschlimmerung, wegen der der letztmals mit Teil-Abhilfebescheid vom 26. September 2017 festgestellte GdB zu erhöhen wäre, sei nicht eingetreten. Die psychische Situation sei mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend bewertet, was bereits einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entspreche. Familiäre Kontakte bestünden und würden als unterstützend und gut beschrieben. Die im Weiteren bestehenden Funktionsstörungen seien mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 zu bewerten, sie führten nicht zur wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und damit zu keinem höheren Gesamt-GdB.             

Mit der am 9. Januar 2019 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin die Feststellung eines GdB von mindestens 50 verfolgt.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ihre behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen angehört.

Der B3 hat von Behandlungen der Klägerin in den Jahren 2007 bis 2010 und 2016 bis 2017 berichtet; die letzte Vorstellung sei am 1. August 2017 erfolgt. Als Diagnosen habe er eine Hyperopie, ein Astigmatismus, eine Presbyopie, einen Gesichtsfeldausfall, eine Exophorie und eine Aderhautsklerose gestellt. Der Schwergrad der Gesichtsfeldausfälle und der Minderung der Sehschärfe sei jeweils mäßig. Bei der Schätzung des GdB sei bislang lediglich die Minderung der Sehschärfe berücksichtigt worden, zusätzlich seien aber die Gesichtsfeldausfälle mit einer Einengung doppelseitig auf 30° vom Zentrum mit einem Einzel-GdB von 35 zu bewerten. B3 fügte seiner sachverständigen Zeugenaussage die Ergebnisse der von ihm durchgeführten Untersuchungen sowie die bereits im Verwaltungsverfahren zur Vorlage gekommenen Berichte des K1 und der Universitätsmedizin M1 bei.

S2, hat eine einmalige Vorstellung der Klägerin am 30. November 2018 mitgeteilt. Die Klägerin habe über eine Stimmungsbeeinträchtigung, eine Konzentrationsstörung, eine Antriebsschwäche, einen Tinnitus, Schuld- und Schamgefühle und ein Verschwommensehen geklagt. Sie sei wach, orientiert, im Kontakt zugänglich bei geordnetem formalen Gedankengang, affektiver Niedergestimmtheit, Labilität und Ambivalenz gewesen. Es hätten synthyme Schuld- und Schamgefühle, ein Tinnitus aurium sowie eine Sehstörung bestanden. Die Sehstörung sei nach Ausschluss einer somatischen Genese bei einem Z. n. sexueller Traumatisierung am ehesten als dissoziativ einzuordnen gewesen. Diagnostisch habe eine dissoziative Empfindungsstörung, eine schwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung, teilremittiert, ein Tinnitus aurium und ein Z. n. sexueller Traumatisierung vorgelegen. Die Klägerin habe ihm die Behandlungsberichte der Charité und des Klinikum K2 vorgelegt, die er seiner sachverständigen Zeugenaussage beifüge. Er gehe aufgrund des Verlaufs von einer Chronifizierung aus, könne zur Höhe des GdB wegen des lediglich einmaligen Kontakts jedoch keine Angaben machen. Im Rahmen des einmaligen Kontakts hätten sich keine Anhaltspunkte für ein Abweichen von der versorgungsärztlichen Stellungnahme ergeben. Eine Abweichung wäre allenfalls vom Schwergrad der dissoziativen Sehstörung abhängig zu machen, der sich leider schwer einschätzen lasse.

Aus der sachverständigen Zeugenaussage des (IGA H) H1 hat sich die Erstvorstellung der Klägerin am 12. Oktober 2018 und nach Genehmigung von 24 Sitzungen eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie im kombinierten Setting, überwiegend in Gruppentherapie, ergeben. Die erste Gruppensitzung habe am 13. November 2018 stattgefunden, die Klägern nehme regelmäßig an den wöchentlichen Sitzungen teil. Zwischenzeitlich sei die Umwandlung in eine Langzeittherapie genehmigt worden. Die letzte Einzelsitzung sei am 10. Mai 2019 gewesen, die Gruppensitzungen seien fortlaufend wöchentlich. Im Erstgespräch habe die Klägerin depressive Beschwerden angegeben, die sich seit Ende 2016 schleichend entwickelt hätten. Sie habe sich auf ihre Arbeit nicht mehr konzentrieren können, sei hin und her geschubst worden. Es hätten eine Unruhe und Anspannung bei gedrückter und gereizter Stimmung mit teilweise lebensmüden Gedanken bei glaubhafter Distanzierung von einer akuten Suizidalität vorgelegen. Im Verlauf habe sich eine Sehstörung manifestiert, die Klägerin habe alles wie in einem Tunnel wahrgenommen und habe sich gefühlt, wie wenn sie im Nebel stehe. Als Diagnosen seien eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige depressive Episode, eine dissoziative Sehstörung, eine depressive Neurosenstruktur, eine vorherrschende Konfliktkonstellation nach OPD II Individuation versus Abhängigkeit, vorrangig passiver Modus, und ein gering bis mäßig integriertes Strukturniveau gestellt worden. Die Klägerin habe sich langsam psychisch etwas stabilisieren können; sie sei anfangs noch von ihrem Partner zu den Sitzungen gefahren worden, mittlerweile könne sie selbständig kommen. Es bestünden mittlere bis schwere Beeinträchtigungen in der sozialen Anpassungsfähigkeit und in der Flexibilität in sozialen Situationen, hieraus resultierten mittlere bis schwere Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am sozialen Leben. Sowohl die depressive Störung und deren Auswirkungen als auch die Beeinträchtigungen durch die Sehstörung müssten als chronifiziert angesehen werden. Die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes werde nicht geteilt, für die seelische Störung sei in Anbetracht der beschriebenen Befunde und Funktionseinschränkungen ein Einzel-GdB von 50 angemessen. Die versorgungsärztliche Stellungnahme gehe nicht auf die psychosozialen Behinderungen ein, die das Leben der Klägerin auch außerhalb ihrer familiären Bezüge schwer beeinträchtigten.

Der W1 hat von der letzten Behandlung der Klägerin am 7. April 2017 wegen Schmerzen im Lumbalbereich nach einem Verhebetrauma berichtet. Neurologische Defizite hätten nicht festgestellt werden können, jedoch eine Blockierung des linken ISG, welche chirotherapeutisch behandelt worden sei.

Nach Auswertung der sachverständigen Zeugenaussagen hat der Beklagte vergleichsweise angeboten, ab dem 6. Februar 2018 einen GdB von 40 und die dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festzustellen. Dem Vergleichsangebot hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des K3 zugrunde gelegen, wonach nunmehr eine seelische Störung, Ohrgeräusche (Tinnitus) und eine funktionelle Sehstörung mit einem Einzel-GdB von 40 statt 30 bewertet worden waren. Die von H1 vorgeschlagene Bewertung mit einem Einzel-GdB von 50 werde nicht von dessen Ausführungen und den vorliegenden Informationen gestützt. Im Rahmen der Bewertung der seelischen Störung seien der geltend gemachte Tinnitus und die damit verbundenen psychischen Symptome ebenso wie die durchaus deutlichen Auswirkungen der dissoziativen Sehstörung berücksichtigt. Die von B3 mitgeteilten Ergebnisse der Gesichtsfeldbestimmung seien für die Beurteilung der dissoziativen Sehstörung ungeeignet, diesbezüglich seien die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), Teil B, Nr. 3.7 zur Beurteilung heranzuziehen. Der augenärztliche Vorschlag zur Einstufung der Sehstörung sei mit dem morphologischen Befund der Augen nicht zu vereinbaren. Hinsichtlich der Bewertung der Beschwerden an der WS und der Schulterbeschwerden ergäben sich aus den sachverständigen Zeugenaussagen keine Anhaltspunkte für eine Änderung.

Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen.

Das SG hat angeregt, den Rechtsstreit durch Vergleich dahingehend zu beenden, dass der Beklagte seit dem 6. Februar 2018 einen GdB von 50 feststellt. Es hat diesen Gesamt-GdB aus einem Einzel-GdB von 40 für die seelische Störung, den Tinnitus und die dissoziative Sehstörung und einem Einzel-GdB von 30 für eine Gesichtsfeldeinengung beidseits, eine Sehminderung beidseits und Glaskörpertrübungen gebildet. Die Funktionsbeeinträchtigungen der WS und der Schultergelenke beidseits hat das SG mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 bewertet. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Beeinträchtigungen aufgrund der Gesichtsfeldeinschränkungen nicht unter das Funktionsgebiet „Nervensystem und Psyche“ (gemeint wohl „Gehirn einschließlich Psyche“) zu subsumieren sein dürfte, sondern nach den VG, Teil B, Nr. 4.5 eigenständig zu bewerten seien, weil sich aus der sachverständigen Zeugenaussage des B3 zumindest für die Gesichtsfeldeinschränkung ein organisches Korrelat ergeben dürfte.

Die Klägerin hat dem Vergleichsvorschlag zugestimmt. Der Beklagte hat dem Vergleichsvorschlag nicht nähertreten können und hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des W2 vorgelegt. Demnach sei die von B3 angegebene beidseitige Gesichtsfeldeinschränkung auf 30° Abstand von Zentrum objektiv nicht sicher nachzuweisen gewesen. Ein eindeutiges organisches Korrelat habe nicht bestanden. Die bestehenden Glaskörpertrübungen verursachten beim Sehen schwarze Punkte, Flecken oder faserartige Strukturen, jedoch keine Gesichtsfeldeinschränkung. Hinzu komme, dass nach den VG, Teil B, Nr. 4 zur Feststellung von Gesichtsfeldausfällen nur Ergebnisse der manuellkinetischen Perimetrie entsprechend der Marke Goldmann III/4e verwertet werden dürften. Es liege zwar eine Goldmann-Perimetrie vor, jedoch keine Angaben, welche Gesichtsfeldmarke hierbei angewandt worden sei, was für das Ausmaß der Gesichtsfeldeinschränkung entscheidend sei.     

Daraufhin hat das SG das augenärztliche Sachverständigengutachten des A aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 9. Dezember 2019 erhoben. Dieser hat den Einzel-GdB auf augenärztlichem Fachgebiet mit 10 bewertet. Es habe beidseits eine Weit-, Stab- und Alterssichtigkeit, ein beginnender grauer Star, eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung, die Wahrnehmung von Doppelbildern im gesamten Gebrauchsblickfeld, ein herabgesetztes Stereo- und Dämmerungssehen sowie eine erhöhte Blendempfindlichkeit vorgelegen. Zusätzlich habe am rechten Auge ein manifestes Außenschielen für die Ferne und Nähe bestanden. Der Visus habe beidseits mit Korrektur 0,6 betragen, hinsichtlich der Gesichtsfeldeinschränkung beidseits habe sich im Spiralgesichtsfeld eine Spirale mit bester Marke bei circa 20° darstellen lassen. Beidseits sei die anatomische Struktur der Netzhaut normal und die Hornhaut glatt, klar und spiegelnd gewesen. Die Linsen hätten beidseits eine beginnende Trübung des Kerns und der Rinde gezeigt, ebenso hätten die Glaskörperräume Trübungen aufgewiesen. Die Motilität sei beidseits in alle Richtungen frei gewesen, im gesamten Gebrauchsblickfeld seien beidäugige Doppelbilder wahrgenommen worden, die einem Prismenausgleich zugänglich gewesen seien.

Der Beklagte hat mitgeteilt, dass das von ihm abgegebene Vergleichsangebot aufrechterhalten bleibe, es werde durch das augenärztliche Sachverständigengutachten gestützt.

Die Klägerin hat das Gutachten des MDK zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) aufgrund ihrer Begutachtung im häuslichen Wohnumfeld am 29. Januar 2020 vorgelegt, aus dem sich der empfohlene Pflegerad 1 seit dem 3. Juli 2019 ergeben hat. Anamnestisch habe die Klägerin von einer erstmals im Jahr 2010 festgestellten Depression berichtet, die nach einem stationären Aufenthalt habe stabilisiert werden können. Nach Mobbing im Berufsleben habe sich vor drei Jahren erneut eine depressive Störung entwickelt, seitdem bestehe eine Grübelneigung, eine Antriebsminderung und ein Freudverlust mit Anleitungsbedarf zur Verrichtung. Stellenweise sei die Grundpflege und Tagesstrukturierung durch ihren Ehemann sowie regelmäßig und ganzheitlich die Haushaltsführung notwendig. Seit drei Jahren sei sie medikamentös eingestellt, wöchentlich erfolge eine Psychotherapie, vorübergehende Suizidgedanken bestünden aktuell nicht. Die Klägerin selbst habe die Eingangstür geöffnet, sie sei über den Grund des Hausbesuchs informiert gewesen. Sie habe sich am Gespräch beteiligt und jederzeit adäquate sowie korrekte Angaben gemacht. Es habe keine relevante Bewegungseinschränkung der oberen und unteren Extremitäten bestanden, freies Gehen und Stehen sowie Treppensteigen sei bei durch Türschwellen und Teppiche eingeschränkter Mobilität innerhalb des Hauses möglich gewesen. Die Klägerin sei allseits orientiert, bewusstseinsklar und geistig rege gewesen. Im Rahmen der rezidivierenden depressiven Störung habe schon seit längerem eine Antriebsminderung mit Anleitungsbedarf zur Steuerung von Handlungsabläufen, der Haushaltsführung sowie dem Einhalten von Tagesstrukturen bestanden. Es habe sich eine uneingeschränkte Auffassungsgabe, ein leicht gemindertes Konzentrationsvermögen und eine insgesamt schnelle geistige Ermüdung gezeigt. Die Stimmung sei häufig gedrückt, Beschäftigung sei zum Teil nur nach Motivation und Anleitung erfolgt, die Beteiligung am Gespräch sei aber uneingeschränkt möglich gewesen. In der Kontaktpflege sei die Klägerin eingeschränkt selbständig gewesen. Der Visusausgleich sei mit Brille erfolgt, bestanden habe eine Sehfeldeinschränkung und eine Glaskörpertrübung beidseits. Das Hörvermögen sei nicht eingeschränkt gewesen. Als pflegebegründende Diagnose habe eine depressive Episode, nicht näher bezeichnet, vorgelegen. In den Modulen Mobilität und kognitive und kommunikative Fähigkeiten hätten keine Einschränkungen bestanden und im Modul Verhaltensweisen und psychische Problemlage habe lediglich ein häufiger Unterstützungsbedarf wegen einer Antriebslosigkeit bei einer depressiven Stimmungslage vorgelegen. Auch sei die Klägerin selbständig bzw. überwiegend selbständig zur Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte sowie zur Haushaltsführung und selbständig zur Fortbewegung im außerhäuslichen Bereich in der Lage gewesen; für die Teilnahme an kulturellen, religiösen oder sportlichen Veranstaltungen habe es einer unterstützenden Begleitung bedurft.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 3. Mai 2020 den Bescheid vom 21. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2018 abgeändert, den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 40 seit dem 6. Februar 2018 festzustellen und hat im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Beeinträchtigungen der Klägerin auf psychischem Fachgebiet bedingten einen Einzel-GdB von 40. Diese leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, welche nach der sachverständigen Zeugenaussage des H1 zuletzt noch als mittelgradige Episode zu diagnostizieren gewesen sei. Es bestünden jedoch keine mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, wegen denen eine Bewertung mit einem höheren Einzel-GdB angezeigt wäre, solche seien insbesondere nicht dem Entlassungsbericht des SRH Klinikum K2 zu entnehmen. Im Funktionssystem „Sehorgan“ (gemeint wohl Augen) betrage der Einzel-GdB 10. Die Klägerin leide im Wesentlichen unter einer Weitsichtigkeit beidseits sowie unter einer beiderseitigen konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung. Ausweislich des Sachverständigengutachtens des L1 (gemeint wohl A) betrage die korrigierte Sehschärfe rechts 0,6 und links 0,5. Die nach der Marke Goldmann III/4e erhobene Gesichtsfeldeinschränkung befinde sich hauptsächlich auf mehr als 10° Abstand vom Zentrum. Die von B3 vorgelegten Befunde beruhten auf computergesteuerten Perimetern und könnten deshalb nicht verwertet werden. Weitere Gesundheitsstörungen, die mit einen Einzel-GdB von 10 zu bewerten seien, lägen nicht vor. Der Tinnitus und die damit verbundenen psychischen Symptome seien im Rahmen der Einstufung der seelischen Störung miterfasst. Anhaltspunkte dafür, dass eine GdB-relevante Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Schultergelenks bestehe, ergäben sich nicht; eine fachärztliche Behandlung finde derzeit nicht statt. Die zuletzt im Entlassungsbericht der Charité aufgeführten Muskelverhärtungen im Bereich der HWS führten zu keinen geringen funktionellen Auswirkungen und seien demnach nicht mit einem Einzel-GdB von mindestens 10 zu bewerten.   

Am 27. Mai 2020 hat die Klägerin gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 9. Mai 2020 zugestellten Gerichtsbescheid des SG Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.

Die Klägerin hat das von F, aufgrund ihrer ambulanten Untersuchung am 13. September 2019 im Auftrag der Knappschaft-Bahn-See erstellte neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten vorgelegt. Bei der Klägerin hätten eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode, und eine dissoziative Sehstörung vorgelegen. Trotz umfassender augenärztlicher Diagnostik habe die subjektiv empfundene Sehstörung auf keine objektivierbare pathologische Ursache zurückgeführt werden können. Das Leistungsvermögen sei sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als technische Zeichnerin als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden herabgesetzt gewesen.

Die Klägerin habe angegeben, einmal wöchentlich an einer ambulanten tiefenpsychologischen Gruppentherapie teilzunehmen und zusätzlich wöchentlich eine psychotherapeutische Einzelsitzung zu haben. Die Beziehung zu ihrem Ehemann sei harmonisch. Ihre Sehfähigkeit habe sich zwischenzeitlich so verschlechtert, dass sie nur noch Konturen, Lichtkontraste und stärkere Farbkontraste wahrnehmen könne; sie sei nur noch mit einer beleuchteten Lupe in der Lage zu lesen. Deswegen sei sie auch bei der Erledigung von Aufgaben des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen; was ihr Ehemann nicht leisten könne, übernehme eine in der Nachbarschaft wohnende Altenpflegerin. Die Sehstörung quäle sie emotional sehr, sie habe bereits große Mengen Schlaftabletten gehortet, um sich im Falle einer weiteren Verschlechterung das Leben nehmen zu können. Sie sei traurig, niedergeschlagen, hoffnungslos und pessimistisch. Lebensfreude empfinde sie keine mehr, auch weil sie ihren früheren Interessen und Hobbys nicht mehr nachgehen könne und eine soziale Isolierung eingetreten sei. Die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen sei ihr nicht mehr möglich, ebenso keine Partizipation am gesellschaftlichen Leben. Seit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit spiele sich ihr Leben im Wesentlichen nur noch innerhalb der Wohnung ab. Auch habe sie die Befürchtung, dass sich ihr Ehemann von ihr aufgrund ihrer Erkrankungen trennen könnte. Aufgrund der Sehstörung sei ihre Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt. Sie fühle sich überflüssig, von der Gesellschaft ausgestoßen und als Belastung für ihre Umgebung. Aus Rücksichtnahme auf ihren Ehemann und ihre Kinder sei ein Suizid nur der letzte Ausweg.

Im psychiatrischen Befund habe bei vollständiger Orientierung zu Zeit, Ort, Situation und Person keine Bewusstseinsstörung vorgelegen. Das intellektuelle Leistungsvermögen und Auffassungsvermögen seien ungestört, die Konzentration und Aufmerksamkeit defizitär gewesen und hätten während der Untersuchung deutlich nachgelassen. Es hätten sich ein stark reduzierter Antrieb und eine stark reduzierte Psychomotorik bei tief depressiv niedergestimmter Affektlage und kaum vorhandener Schwingungsfähigkeit gezeigt. Die Klägerin habe Lebensüberdruss- und Suizidgedanken, ohne akute suizidale Absichten, geäußert. Neurologische hätten sich die Bewegungsmuster unauffällig gezeigt, eine Gehbehinderung habe nicht vorgelegen. Die Klägerin habe eine beidseitige hochgradige Visusminderung angegeben, sie habe von ihrer Begleiterin in der Wartezone in das Untersuchungszimmer geführt werden müssen und habe sich durch Tasten an der Wand, am Türausschnitt und an der Bestuhlung orientiert.

Aus dem ebenso von der Klägerin zur Gerichtsakte gereichten Bericht des R1, ergab sich ihre erstmalige Vorstellung im Jahr 2007 wegen Ohrengeräuschen. Im Weiteren sei eine Borreliose diagnostiziert worden. Die Therapie habe bis ins Jahr 2008 Infusionen, Akupunktur, eine Neuraltherapie und eine Bioresonanzbehandlung umfasst. Kurzfristig sei eine Remission zu erreichen gewesen, im Verlauf habe die Geräuschbelastung jedoch sogar noch zugenommen. 

Der Beklagte hat die versorgungsärztliche Stellungnahme der B4 vorgelegt, wonach die dissoziative Sehstörung im Einzel-GdB von 40 für das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ mitberücksichtigt sei. Unabhängig hiervon seien die Angaben der Klägerin zum Ausprägungsgrad der Sehstörung sehr wechselhaft. Nach dem Entlassungsbericht des SRH Klinikum K2 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme von Juli bis September 2018 habe die Klägerin angegeben, unter einem deutlich eingeschränkten Sehfeld zu leiden und dadurch ihrer Arbeit nicht angemessen nachgehen zu können. Einschränkung in der Ergo- und Bewegungstherapie sowie bei der Sporttherapie seien jedoch nicht berichtet worden. Im Pflegegutachten des MDK, welches auf eine Begutachtung vom 29. Januar 2020 beruhe, habe die Klägerin von einem Tunnelblick berichtet. Sie sei in der Lage gewesen, selbständig die Wohnung zu verlassen, sich selbständig außerhalb der Wohnung fortzubewegen und ohne Begleitung öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Bei der Begutachtung durch F am 16. September 2019, also vor der Begutachtung durch den MDK, habe die Klägerin von ihrer Begleitperson in das Untersuchungszimmer geführt werden müssen und habe sich nur durch Tasten an der Wand, am Türausschnitt und der Bestuhlung orientieren können. Die objektiven Einschränkungen durch die dissoziative Sehstörung seien im Komplex des psychiatrischen Leidens mit einem Einzel-GdB von 40 sachgerecht bewertet. Auf rein augenärztlichem Fachgebiet bestehe nach dem Sachverständigengutachten des A ein Einzel-GdB von 10. Eine über die bisherige Bewertung hinausgehende Beeinträchtigung durch den Tinnitus könne der Stellungnahme des R1 nicht entnommen werden.  

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat bei J, Facharzt für Augenheilkunde, aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 18. Dezember 2020 ein augenärztliches Sachverständigengutachten erhoben. Dieser hat als Diagnosen einen beginnenden grauen Star, eine konzentrische Gesichtsfeldeinengung, eine Doppelbildwahrnehmung, ein manifestes Außenschielen und ein herabgesetztes Stereosehen gestellt. Wegen der schlechten Sehleistung sei eine Teilnahme am autorisierten Straßenverkehr nicht möglich, die Lesefähigkeit sei aufgrund der Nahsehleistung von 30 % deutlich eingeschränkt und die Orientierung im Raum sollte aufgrund der konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung deutlich reduziert sein. Bis auf die Doppelbildwahrnehmung und das Außenschielen habe es für die festgestellten Gesundheitsstörungen kein organisches Korrelat gegeben, es sei eine Störung im psychologischen-psychiatrischen Bereich zu vermuten. Diese Funktionsstörungen sollten dort bewertet werden. Aufgrund der mit einer Prismenkorrektur gut kompensierbaren Doppelbildwahrnehmung habe der Einzel-GdB 10 betragen. Auffallend sei gewesen, dass sich die Klägerin trotz der starken konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung im Untersuchungszimmer und auch beim Ausweichen vor Hindernissen (Stuhl) sicher bewegt habe.     

Die Klägerin habe angegeben Schleier zu sehen, weshalb sie ihre Umwelt nicht vollständig wahrnehmen könne. Das schlechte Sehen habe sich in den letzten Jahren schleichend entwickelt. Die Sehschärfe habe mit Korrektur für das rechte Auge 20 % und für das linke Auge 32 % betragen. Es habe eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung am rechten Auge oben auf 10°, nasal auf 20°, unten auf 10° und temporal auf 25° und am linken Auge oben auf 15°, nasal auf 20°, unten auf 15° und temporal auf 25° vorgelegen. Mit einer Prismenbrille habe sowohl für die Ferne als auch für die Nähe eine gut kompensierbare Exophorie bestanden. Die Motilität beider Augen sei regelgerecht gewesen, rechts habe sowohl für die Ferne als auch für die Nähe ein manifestes Außenschielen vorgelegen. Beidseits sei die Hornhaut glatt, klar und spiegelnd, die Linsen altersentsprechend nicht mehr ganz klar im Sinne einer sehr beginnenden Cataracta incipiens gewesen. Vereinzelt hätten sich beidseits Glaskörpertrübungen im Sinne einer altersentsprechenden Glaskörperdestruktion gezeigt.

J hat im Weiteren mitgeteilt, er habe die Klägerin am 2. Februar 2021 erneut zu einer manuellen Goldmann-Gesichtsfeld-Untersuchung einbestellt. Es habe wiederum beidseits ein deutlich eingeschränktes Gesichtsfeld bestanden, jedoch hätten die Außengrenzen im Vergleich zum Vorbefund vom 18. Dezember 2020 differiert. Ein organisches Korrelat habe sich nicht ergeben. Wie schon in seinem Sachverständigengutachten beschrieben, korrelierten die erhobenen Befunde und subjektiven Angaben der Klägerin bis auf die Doppelbildwahrnehmungen in keinem Fall mit dem organischen Befund, so dass der GdB im psychologisch-psychiatrischen Bereich maßgebend sein sollte.  

Zur Berufungsbegründung führt die Klägerin aus, dass SG habe zwar die bei ihr bestehende rezidivierende depressive Störung zutreffend mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet, es habe bei dieser Bewertung aber die dissoziative Sehstörung und den Tinnitus nicht berücksichtigt. Der Sachverständige A habe sich nicht zur Frage geäußert, ob die Sehstörung eine organische Ursache habe. Wenn aber unstreitig eine dissoziative Sehstörung bestehe und sich der Sachverständige hierzu nicht geäußert habe, sei diese Sehstörung dem Funktionsgebiet „Nervensystem und Psyche“ (gemeint wohl „Gehirn einschließlich Psyche“) zuzuordnen und wirke sich steigernd aus. Nichts Anderes gelte für den Tinnitus, auch dieser wirke sich erhöhend auf den Einzel-GdB aus. Der von A angenommene Einzel-GdB von 10 sei zu niedrig, wenn man von einer organischen Ursache ausgehe. Sie leide unter einer Glaskörpertrübung und einer Gesichtsfeldeinschränkung, die jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten seien. Der Tinnitus sei ebenso höher mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Nicht nachvollziehbar sei im Weiteren, aus welchen Gründen das SG nichts zu ihren Funktionsbehinderungen an der WS ausgeführt habe. Sie leide unter tauben Fingern und habe sich in den zwei Jahren vor der Klageerhebung mehrmals im Monat das ISG ausgerenkt, die damit verbundenen Schmerzen und Ischialgien seien mit Spritzen behandelt worden.  

Die Klägerin beantragt – sinngemäß –,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2020 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2018 zu verpflichten, unter teilweiser Aufhebung des Teil-Abhilfebescheides vom 26. September 2017 ab dem 6. Februar 2018 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist auf die versorgungsärztliche Stellungnahme der B4 und die Sachverständigengutachten des A und des J. Der Einzel-GdB von 40 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ berücksichtige bereits die dissoziative Sehstörung. Das SG habe im Gerichtsbescheid mit der Erhöhung dieses Einzel-GdB von 30 auf 40 eine klare Abgrenzung zu dem rein augenärztlichen Einzel-GdB von 10 gezogen. Im Weiteren sei zu berücksichtigen, dass er die Funktionsbeeinträchtigungen einerseits mit „seelische Störung, Ohrgeräusche (Tinnitus), funktionelle Sehstörung" und andererseits mit „Sehminderung beidseitig, Glaskörpertrübungen" bezeichnet habe und das SG lediglich über eine Verschlimmerung habe entscheiden müssen.  

Der Berichterstatter hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass das Sachverständigengutachten des J das Berufungsbegehren nicht stützen dürfte, und angeregt, die Fortführung des Berufungsverfahrens zu überdenken (Verfügung vom 9. März 2021). Die Klägerin hat hierauf ausgeführt, das Sachverständigengutachten des J stütze im Gegenteil ihr Berufungsbegehren. J habe festgestellt, dass es für die Doppelbildwahrnehmung (gemeint wohl für die Störung des Sehvermögens bis auf die Doppelbildwahrnehmung und das Außenschielen) kein organisches Korrelat gebe, dementsprechend sei die Sehstörung im Funktionsgebiet „Nervensystem und Psyche“ (gemeint wohl „Gehirn einschließlich Psyche“) zu berücksichtigen. Dem erstinstanzlichen Gerichtsbescheid sei eine solche Berücksichtigung in diesem Funktionssystem nicht zu entnehmen. Unter Berücksichtigung der VG, Teil B, Nr. 4.4 und 4.5 ergebe sich ein Einzel-GdB von mindestens 20, wonach der vom SG angenommene Einzel-GdB von 40 auf 50 zu erhöhen sei.   

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 3. Mai 2020, mit dem das SG der kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) der Klägerin auf Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2018 (§ 95 SGG) und auf Verpflichtung des Beklagten, unter teilweiser Aufhebung des Teil-Abhilfebescheides vom 26. September 2017 ab dem 6. Februar 2018 einen GdB von mindestens 50 festzustellen, lediglich insoweit entsprochen hat, als es den Beklagten – sinngemäß – unter Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2018 verpflichtet hat, unter teilweiser Aufhebung des Teil-Abhilfebescheides vom 26. September 2017 einen GdB von 40 ab dem 6. Februar 2018 festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen hat. Im Berufungsverfahren ist, da der Beklagte selbst weder Berufung noch Anschlussberufung erhoben hat, nicht streitgegenständlich, ob das SG den Beklagten zu Recht unter Abänderung des vorgenannten Bescheides verpflichtet hat, einen GdB von 40 ab dem 6. Februar 2018 festzustellen. Der Gerichtsbescheid des SG vom 3. Mai 2020 ist insoweit rechtskräftig geworden (§§ 105 Abs. 3, 141 SGG). 

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der vorliegenden Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 R –, juris, Rz. 26; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung, demnach der 13. Januar 2022.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage in dem im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Umfang. Der Bescheid vom 21. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2018 ist lediglich insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG), wie der Beklagte nicht ab dem 6. Februar 2018, dem Zeitpunkt der Stellung des Verschlimmerungsantrags, unter teilweiser Aufhebung des Teil-Abhilfebescheides vom 26. September 2017 einen GdB von 40 festgestellt hat, wie sich aus dem insoweit rechtskräftigen (vgl. oben) Gerichtsbescheid des SG vom 3. Mai 2020 ergibt. Die Klägerin hat hingegen keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50 ab diesem Zeitpunkt. Zu Recht hat demnach das SG die weitergehende Klage durch Gerichtsbescheid vom 3. Mai 2020 abgewiesen. Der Senat hat sich ebenso wie das SG nicht davon überzeugen können, dass der festgestellte GdB von 40 unterbewertet ist. Hierfür ergeben sich nach der im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren durchgeführten medizinischen Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren zur Vorlage gekommenen ärztlichen Unterlagen und Meinungsäußerungen keine überzeugenden Gründe. Die abweichenden Ausführungen des sachverständigen Zeugen B3, wonach im Funktionssystem „Augen“ aufgrund der beiderseitigen Gesichtsfeldausfälle ein weiterer Einzel-GdB von 35 vorliegen soll, und die des sachverständigen Zeugen H1, der die im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ bestehenden Funktionsstörungen mit einen Einzel-GdB von 50 bewertet hat, waren für den Senat nicht schlüssig und nachvollziehbar, haben deshalb nicht überzeugen können.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist auszugehen, wenn aus dieser eine Veränderung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend zur Überzeugung des Senats im Hinblick auf den im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Teil des Begehrens der Klägerin, der weiteren Erhöhung des Gesamt-GdB von 40 – zu der Feststellung eines Gesamt-GdB in dieser Höhe hat das SG den Beklagten rechtskräftig durch Gerichtsbescheid vom 3. Mai 2020 verpflichtet (siehe oben) – auf 50, nicht erfüllt. In der dem maßgeblichen Vergleichsbescheid, dem Teil-Abhilfebescheid vom 26. September 2017 zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage ist keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten, wegen der ein Gesamt-GdB von mindestens 50 erreicht wird. Nicht zu entscheiden hatte der Senat, weil im Berufungsverfahren nicht streitgegenständlich, ob in den im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ vorliegenden Funktionsstörungen eine im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist, die eine Erhöhung des Gesamt-GdB von 30 auf 40 gerechtfertigt hat.    

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind nach § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX).

Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung ­­– VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2, c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2, e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (VG, Teil A, Nr. 3, a).

Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG, Teil A, Nr. 3, c). Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG, Teil A, Nr. 3, d).

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Einzel- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 – B 9 SB 17/97 R –, juris, Rz. 13). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Einzel-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats, wie auch des SG fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin ab dem 6. Februar 2018, dem Zeitpunkt des Neufeststellungsantrags, nicht mit einem höheren Gesamt-GdB als 40 zu bewerten sind. Die Schwerbehinderteneigenschaft wird demnach auch zur Überzeugung des Senats nicht erreicht.

Führend sind die bei der Klägerin im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ bestehende Funktionsstörungen, die zur Überzeugung des Senats mit einem Einzel-GdB von 40 ausreichend bewertet sind, wobei insofern eine rezidivierende depressive Störung, eine dissoziative Sehstörung und ein Tinnitus zu berücksichtigen sind.  

Die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung und einer dissoziativen Sehstörung entnimmt der Senat dem endgültigen Arztbrief der Charité, MKlinik mit Schwerpunkt Psychosomatik, dem Bericht des SRH Klinikum K2, dem MDK-Gutachten und dem Sachverständigengutachten des F, die er jeweils im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet. Im Weiteren stützt sich der Senat auf die erstinstanzlichen sachverständigen Zeugenaussagen des S2 und des H1 sowie das im Berufungsverfahren bei J erhobene Sachverständigengutachten.

Für die bestehende Sehstörung, wegen der das Sehvermögen der Klägerin herabgesetzt und das Gesichtsfeld eingeschränkt ist, besteht, wie sich für den Senat aus den Sachverständigengutachten des F und des J ergibt, kein organisches Korrelat. Nach dem urkundsbeweislich verwerteten Bericht der Charité, A1klinik, über die Vorstellung der Klägerin am 24. August 2017 hat beidseits ein morphologischer ophtalmologischer Normalbefund vorgelegen, womit die Sehstörung im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ und nicht im Funktionssystem „Augen“ zu berücksichtigen ist. Entgegen den Ausführungen des SG im Hinblick auf die von ihm im erstinstanzlichen Verfahren angeregte vergleichsweise Beendigung des Verfahrens hat B3 als sachverständiger Zeuge für die beiderseitigen Gesichtsfeldausfälle keine organische Ursache genannt. Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem im erstinstanzlichen Verfahren bei A erhobenen Sachverständigengutachten.

Das Vorliegen eines Tinnitus entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenaussage des S2 und dem urkundsbeweislich verwerteten Bericht des HNO-Arztes R1. Der Tinnitus hat Auswirkungen im psychischen Bereich, die Klägerin hat ihn als „zermürbend“ beschrieben, wie sich dem urkundsbeweislich verwerteten ärztlichen Befundbericht zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe der Rentenversicherung der S und R1 vom 17. November 2017 entnehmen lässt. Insofern sind die sich aus dem Tinnitus ergebenden Funktionsbehinderungen ebenso im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ zu berücksichtigen (vgl. Wendler/Schillings, Versorgungsmedizinische Grundsätze, Kommentar, 10. Aufl. 2020, VG, Teil B, Nr. 5.3, S. 210).  

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 bedingen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach ICD-10 F30.- oder F40.- handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das BSG in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztliche Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Gemessen an diesen Vorgaben hält der Senat die Bewertung der im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 40 für angemessen und ausreichend. Er geht demnach vom Vorliegen einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) aus und schöpft den diesbezüglichen Bewertungsrahmen (GdB 30 bis 40) aus. Eine schwere Störung (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die mit einen GdB von 50 bis 70 zu bewerten wäre, wie ihn H1 als sachverständiger Zeuge vertreten hat, liegt zur Überzeugung des Senats, auch unter Berücksichtigung der dissoziativen Sehstörung und des Tinnitus, nicht vor.

Gegen das Vorliegen einer schweren Störung (z. B. eine schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, bei denen, wie sich aus den VG, Teil B, Nr. 3.5.1 ergibt, die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung (z. B. einen Integrationshelfer als Eingliederungshilfe) möglich ist, spricht der bei der Klägerin erhobenen psychische Befund, aus dem sich nicht ein entsprechender Schweregrad der psychischen Funktionsstörungen ergibt. Nach dem Bericht des SRH Klinikum K2 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 17. Juli bis zum 18. September 2018, dem sich die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, und einer dissoziativen Sehstörung entnehmen lassen, war die Klägerin offen und auskunftsbereit bei intakter Orientierung zur Person, Zeit, Ort und Situation. Es hat eine Konzentrationsstörung vorgelegen, das formale Denken war auf die Sehstörung und die damit verbundenen Arbeitsplatzprobleme eingeengt. Im Affekt war die Klägerin depressiv ausgelenkt, aber gleichwohl schwingungsfähig, innerlich unruhig und angespannt. Es haben die Empfindung der Gefühllosigkeit, eine Freudlosigkeit, Insuffizienzgefühle, Störungen der Vitalgefühle, eine Antriebsarmut, Einschlafstörungen, eine Verkürzung der Schlafdauer, ein sozialer Rückzug und phasenweise ein Lebensüberdruss ohne akute Suizidalität bestanden. Ein hiervon wesentlich abweichender psychischer Befund ergibt sich auch nicht aus dem Arztbrief der Charité, MKlinik mit Schwerpunkt Psychosomatik, über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 5. Dezember 2017 bis zum 16. Januar 2018 oder aus den erstinstanzlichen sachverständigen Zeugenaussagen des S2 oder des H1. S2 hat keine Anhaltspunkte gesehen, wegen denen von der versorgungsärztlichen Bewertung abzuweichen wäre. H1 hat darüber hinaus im Laufe der Behandlung eine psychische Stabilisierung der Klägerin festgestellt. Die Klägerin kann demnach, nachdem sie anfangs noch von ihrem Ehemann zu den Sitzungen gefahren worden ist, zwischenzeitlich selbständig zu den psychotherapeutischen Sitzungen kommen.

Diese von H1 beschriebene zwischenzeitlich eingetretene Verbesserung des Gesundheitszustands der Klägerin ist für den Senat insbesondere auch deshalb nachvollziehbar, da die psychische Erkrankung der Klägerin, wie der Senat dem – urkundsbeweislich verwerteten – im Erstantragsverfahren zur Vorlage gekommenen ärztlichen Entlassungsbericht der V Klinik B über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 27. September bis zum 30. Oktober 2010 und dem Bericht des SRH Klinikum K2 entnimmt, maßgeblich ihre Ursache in einem Arbeitsplatzkonflikt hat. Die Klägerin war von K entgegen ihrem Wunsch nach L versetzt worden, eine Kollegin hat sich in diesem Zusammenhang das Leben genommen und auch bei der nachfolgenden konzerninternen Umsetzung ist die Klägerin gemobbt worden. Zwischenzeitlich bezieht die Klägerin eine Berufsunfähigkeitsrente, womit der Arbeitsplatzkonflikt seine Erledigung gefunden und damit die wesentliche Ursache für die psychische Erkrankung weggefallen ist.             

Versorgungsärztlich hat G unter Auswertung des Berichts des SRH Klinikum K2 im Weiteren zutreffend darauf hingewiesen, dass gegen das Vorliegen einer schweren Störung im Sinne der VG, Teil B, Nr. 3.7 der niedrige Citalopram-Spiegel (10,53 ng/ml [Ref.-Bereich 15,0 bis 80,0 ng/ml]) spricht und dass demnach die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft waren, was einem entsprechenden Leidensdruck entgegensteht, der bei einer schweren Störung zu erwarten wäre. Darüber hinaus war die Klägerin, worauf G ebenso zutreffend hingewiesen hat, in der Lage, durchgehend einer 90-minütigen kognitiven Belastung standhalten zu können, ohne dass hierbei eine Belastungseinschränkung geltend gemacht oder beobachtet worden wäre, woraus der Senat ebenso auf eine nicht im Umfang einer schweren Störung bestehende Funktionsbeeinträchtigung schließt.

Darüber hinaus spricht gegen das Vorliegen von mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, dass die Klägerin durchaus über erhaltene soziale Kontakte verfügt, auch wenn sie gegenüber F im Rahmen dessen gutachterlichen Untersuchung einen sozialen Rückzug in der Form, dass ihr die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen und die Partizipation am gesellschaftlichen Leben nicht mehr möglich ist, beschrieben hat. Denn die Klägerin lebt in einer intakten Beziehung, sie hat gegenüber F die Ehe als harmonisch beschrieben, auch wenn sie Ängste geäußert hat, dass sich ihr Ehemann wegen ihrer Erkrankungen von ihr trennen könnten, wofür sich aber für den Senat keine Anhaltspunkte ergeben. Auch hat die Klägerin weitere soziale Kontakte, insbesondere zu ihren Kindern und ihrem Enkel, mit dem sie gerne Zeit verbringt, wie der Senat dem Arztbrief der Charité entnimmt. Hiermit korrespondierend ergeben sich aus dem Gutachten des MDK unbeeinträchtigte kognitive und kommunikative Fähigkeiten der Klägerin. Bis auf eine häufige (zwei- bis mehrmals wöchentliche) Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage bestehen keine auffälligen Verhaltensweisen oder psychische Problemlagen, eine selbständige Interaktion mit Personen mit direktem Kontakt sowie eine selbständige Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds sind der Klägerin möglich.

Auch wenn die Klägerin Lebensüberdrussgedanken und Suizidabsichten geäußert und gegenüber F im Rahmen dessen gutachterlichen Untersuchung angegeben hat, Schaftabletten zu horten, um sich bei einer weiteren Verschlechterung das Leben nehmen zu können, ist auch deswegen eine höhere Bewertung des Einzel-GdB zur Überzeugung des Senats nicht angezeigt. F hat eine akute Suizidalität nicht feststellen können, eine solche ergibt sich auch nicht aus den weiteren medizinischen Befunden oder ärztlichen Meinungsäußerungen, insbesondere auch nicht aus dem Bericht der Charité, M Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik, in der die Aufnahme aufgrund einer anhaltenden schwergradigen depressiven Episode mit Suizidgedanken erfolgt war.   

Eine höhere Bewertung des im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ bestehenden Einzel-GdB von 40 ist auch nicht aufgrund des Tinnitus und der dissoziativen Sehstörungen angezeigt, wie es im Hinblick auf die Sehstörung die Klägerin zuletzt im Berufungsverfahren geltend gemacht hat.

Entsprechende Funktionsstörungen wegen des Tinnitus kann der Senat dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme nicht entnehmen. Lediglich aus dem ärztlichen Befundbericht zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe der Rentenversicherung der S und R1 ergibt sich eine Beschreibung der Klägerin desselben als zermürbend. Sie hat im Weiteren ausgeführt, dass wegen des Tinniutus auch mit einem Masker Schlaf kaum möglich sei und dass sie deshalb am Morgen unter Kopfschmerzen leide. Dem von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht des R1 und dem im vorhergehenden Verwaltungsverfahren zur Vorlage gekommen Bericht des R lassen sich neben der Diagnose eines Tinnitus keine weitergehenden Funktionsbehinderungen entnehmen. Gegen eine den Einzel-GdB-erhöhenden Auswirkung des Tinnitus spricht im Weiteren auch, dass sich aus den ärztlichen Berichten über die stationären Aufenthalte der Klägerin in der Charité, MKlinik mit Schwerpunkt Psychosomatik, im SRH Klinikum K2 und auch in der V-Klinik B keine diesbezüglichen vorwiegend durch den Tinnitus bedingten Funktionsbehinderungen ergeben, insbesondere nicht die bei den behaupteten Schlafstörungen zu erwartende Konzentrationsschwierigkeiten oder eine auffallende Müdigkeit.

Die infolge der dissoziativen Sehstörung bestehenden Funktionsstörungen, der Minderung der beiderseitigen Sehfähigkeit und der beiderseitigen Einschränkung des Gesichtsfelds, zwingen ebenso nicht zur Bewertung der im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ vorliegenden Funktionsstörungen mit einem höheren Einzel-GdB als 40. Eine in diesem Umfang bestehende Sehstörung ist zur Überzeugung des Senats nicht objektiviert und damit die Teilhabfähigkeit der Klägerin am gesellschaftlichen Leben nicht in einem derart hohen Maße eingeschränkt. Versorgungsärztlich hat G für den Senat insofern nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass im Bericht des SRH Klinikum K2 die dissoziative Sehstörung kaum thematisiert worden ist. Die Klägerin hat an der Ergo- und Bewegungstherapie teilgenommen, ohne dass sie hierbei aufgrund der dissoziativen Sehstörung eingeschränkt gewesen ist. Darüber hinaus hat H1 mitgeteilt, dass die Klägerin zwischenzeitlich selbständig zu den psychotherapeutischen Sitzungen kommen kann und ihr Ehemann sie nicht mehr wie zu Beginn zu den Sitzungen bringen muss. Demnach kann die Klägerin trotz der dissoziativen Sehstörungen selbst außerhäusliche Wege zurücklegen, was gegen eine höhergradige Einschränkung und gegen die von der Klägerin gegenüber F angegebene Bindung an ihre Wohnung spricht. Auch aus dem Gutachten des MDK, das aufgrund des Hausbesuchs bei der Klägerin am 29. Januar 2020 erstellt worden ist, ergeben sich keine durch die dissoziative Sehstörung bedingte Funktionsbehinderungen, wegen denen der Einzel-GdB mit mehr als 40 zu bewerten wäre. Die Klägerin hat demnach selbständig das Haus verlassen, sich außerhalb des Hauses selbständig fortbewegen und selbständig öffentliche Verkehrsmittel im Nahverkehr benutzen können. Hierdurch werden die Ausführungen der Klägerin bei der Begutachtung durch F am 13. September 2019, wonach sie nur noch Konturen, Lichtkontraste und stärkere Farbkontraste wahrnehmen kann und sie nur noch mit einer beleuchteten Lupe in der Lage ist zu lesen, weswegen sie auch bei der Erledigung von Aufgaben des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen ist, und teilweise auch von einer in der Nachbarschaft lebenden Altenpflegerin unterstützt wird, ebenso relativiert. Ebenso zu sehen sind die bei F infolge der dissoziativen Sehstörung dargebotenen Einschränkungen, wonach die Klägerin von der Wartezone von ihrer Begleitperson in das Untersuchungszimmer geführt werden und sich durch Tasten an der Wand, am Türrahmen und an der Bestuhlung orientieren musste. Gegen eine derartige, einer Blindheit gleichkommenden Sehstörung sprechen auch die Beobachtung des J bei dessen gutachterlichen Untersuchung am 18. Dezember 2020, wonach auffallend gewesen ist, dass sich die Klägerin trotz der starken konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung im Untersuchungszimmer und beim Ausweichen vor Hindernissen (Stuhl) sicher hat bewegen können. Auch haben bei der weiteren Gesichtsfelduntersuchung der Klägerin am 2. Februar 2021 durch J die Außengrenzen deutlich divergiert, was zusätzlich gegen eine aufgrund der dissoziativen Sehstörung durchgängig bestehenden Funktionsstörung in dem von der Klägerin beschriebenen Schweregrad spricht.  

Im Funktionssystem „Augen“ sind die bei der Klägerin organisch bedingten Funktionsstörungen Doppelbildwahrnehmung, Glaskörpertrübungen und Außenschielen nach den VG, Teil B, Nr. 4 nach übereinstimmender gutachterlicher Einschätzung nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 zu bewerten. Die Doppelbildwahrnehmung ist durch eine Prismenkorrektur gut kompensierbar und auch das Außenschielen sowie die Glaskörpertrübungen führen zu keinen wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen. Der Senat stützt sich insoweit auf die Sachverständigengutachten des A und des J, die den Einzel-GdB in dieser Höhe bewertet haben. Ergänzend greift der Senat auf den urkundsbeweislich verwerteten Bericht der Charité, A1klinik, über die ambulante Vorstellung der Klägerin am 24. August 2017 zurück, aus dem sich ein morphologisch ophtalmologischer Normalbefund ergeben hat. Mangels eines für die beiderseitige Sehminderung und Gesichtsfeldeinschränkung bestehenden organischen Korrelats (vgl. oben) hat sich der Senat der sachverständigen Zeugenaussage des B3, der den diesbezüglichen Einzel-GdB mit 35 bewertet hat, nicht anschließen können.

Den beiderseitigen Tinnitus hat der Senat im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ berücksichtigt, so dass er nicht zusätzlich im Funktionssystem „Ohren“ zu bewerten ist. In diesem Funktionssystem wird nach den VG, Teil B, Nr. 5 kein Einzel-GdB von mindestens 10 erreicht. Nach dem Gutachten des MDK hat eine Hörminderung nicht bestanden. Eine, einen Einzel-GdB von mindestens 10 bedingende Hörminderung ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht des R1 oder aus dem ärztlichen Befundbericht der S und R1 zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe der Rentenversicherung vom 17. November 2017.                                      

Im Funktionssystem „Rumpf“ beträgt zur Überzeugung des Senats der Einzel-GdB nicht mehr als 10. Der Senat entnimmt dem urkundsbeweislich verwerteten Bericht des T aus dem Erstfeststellungsverfahren, dass die Klägerin in diesem Funktionssystem an einem chronischen Thorakal- und Lumbalsyndrom mit rezidivierenden Blockaden der BWS und beider ISG bei muskulärer Dysbalance leidet.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicher Weise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen. Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der WS (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit Bild gebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der WS (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen.

Der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.

Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Einzel-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der WS; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Zur Überzeugung des Senats wird entsprechend diesen Vorgaben ein Einzel-GdB von mehr als 10 im Funktionssystem „Rumpf“ nicht erreicht. Aus den Bewegungsmaßen der HWS und der Rumpfwirbelsäule, die der Senat dem ärztlichen Entlassungsbericht der V-Klinik B über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 27. September bis zum 30. Oktober 2010 entnimmt, ergeben sich keine mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome), die mit einem Einzel-GdB von mindestens 20 zu bewerten wären. Die Beweglichkeit der WS war frei (HWS: Seitneigung 20-0-20°, Rotation 40-0-40°, BWS: Zeichen nach Ott 30/32 cm, LWS: Zeichen nach Schober 10/14 cm, FBA 12 cm). Über dem rechten ISG hat ein Druckschmerz ohne Vorlauf- oder Rücklaufphänomen oder Anzeichen einer Blockierung bestanden. Die von T in seinem Bericht vom 1. Oktober 2008 beschriebene massive Rotationseinschränkung der HWS mit starken Bewegungsschmerzen hat demnach nicht mehr bestanden. Ebenso ergibt sich aus dem Bericht des SRH Klinikum K2 eine freie Beweglichkeit des Kopfes, keine Skoliose und die sichere Durchführbarkeit der Stand- und Gangproben. Auch aus der erstinstanzlichen sachverständigen Zeugenaussage des W1 folgen lediglich eine Blockierung des linken ISG und keine neurologischen Defizite. Weitergehenden Funktionsbeeinträchtigungen, die im Funktionssystem „Rumpf“ einen höheren Einzel-GdB als 10 begründen könnten, kann der Senat zuletzt auch nicht dem Gutachten des MDK entnehmen. Die bei der Klägerin aufgrund der Funktionsstörung des ISG bestehenden Schmerzen, die, wie sie zur Begründung der Berufung ausgeführt hat, eine Behandlung mit Spritzen erforderlich gemacht haben, und die Taubheit der Finger sind bei der Bewertung mit einem Einzel-GdB von 10 mitberücksichtigt (VG, Teil A, Nr. 2, j) und Teil B, Nr. 18.1).

Im Funktionssystem „Arme“ liegt ebenso kein höherer Einzel-GdB als 10 vor, wie ihn der Beklagte bereits berücksichtigt hat. Die bei der Klägerin an beiden Schultergelenken bestehenden Funktionsstörungen, Impingement-Syndrom beidseits und Tendinitis calcaera der rechten Schulter, die der Senat dem Bericht des T im Erstfeststellungsverfahren und dem Entlassungsbericht des Ambulantes Zentrum für Rehabilitation K, die er jeweils urkundsbeweislich verwertet, entnimmt, sind nach den VG, Teil B, Nr. 18.13 nicht mit einem Einzel-GdB von mehr als 10 zu bewerten. Eine hierfür erforderliche Bewegungseinschränkung der Schultergelenke mit einer Armhebung von nur bis zu 90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit liegt nicht vor. Aus dem ärztlichen Entlassungsbericht der V-Klink B aus dem Jahr 2010 ergibt sich eine beiderseitige Beweglichkeit der Schultergelenke bei nicht durchführbarem Nacken- und Schürzengriff und gegen Widerstand abgeschwächte Bewegungen von Vor-/Rückhebung 120-0-30° und Ab-/Adduktion 100-0-0°. Das zeitlich später erstellte Gutachten des MDK aufgrund des Hausbesuchs bei der Klägerin am 29. Januar 2020 hat ebenso keine relevanten Bewegungseinschränkungen der oberen Extremitäten beschrieben.   

Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen, ärztlichen Meinungsäußerungen, sachverständigen Zeugenaussagen und die erhobenen Sachverständigengutachten haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Grundlagen vermittelt. Weitere Sachverhaltsermittlungen waren nicht vorzunehmen. Bei diesen würde es sich um Ermittlungen ins Blaue hinein handeln und um eine Ausforschung des Sachverhaltes, zu der der Senat nicht verpflichtet ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – B 9 V 20/18 B –, juris, Rz. 19).

Aus den vorliegenden Einzel-GdB-Werten von 40 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ und jeweils 10 in den Funktionssystemen „Rumpf“, „Augen“ und „Arme“ ist kein höherer Gesamt-GdB als 40 zu bilden. Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere Einzel-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3, a) sowie grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, und es auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG, Teil A, Nr. 3, d, ee), wird ein Gesamt-GdB von mehr als 40 nicht erreicht.

Nach alledem ist der Gerichtsbescheid des SG vom 3. Mai 2020 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2018 und auf die Verpflichtung des Beklagten, unter teilweiser Aufhebung des Teil-Abhilfebescheides vom 26. September 2017 einen GdB von mindestens 50 ab dem 6. Februar 2018 festzustellen. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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