L 7 R 410/21 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 26 R 1145/18 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 410/21 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Nach Ausschöpfung aller im konkreten Einzelfall gebotenen Ermittlungen kommt in Konstellationen der Glaubhaftmachung des Zuflusses von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien die Glaubhaftmachung von Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes des einzelnen Beschäftigten in Betracht. Dies gilt nur für die Zeit von Juli 1968 bis Dezember 1982 und damit für die Planjahre von 1968 bis 1982.

Bemerkung

Zugehörigkeit zur Altersversorgung der wissenschaftlichen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes 

     
   
 

 

  1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 5. August 2021 abgeändert. Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 30. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2018, verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 21. November 2002 dahingehend abzuändern, dass für das Jahr 1983 ein weiteres Arbeitsentgelt wegen einer zu berücksichtigenden Jahresendprämienzahlung in Höhe von 245,37 Mark im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR festzustellen ist.

 

  1. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

  1. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu einem Zwanzigstel.

 

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Planjahre 1982 bis 1989 und damit für die Zuflussjahre 1983 bis 1990 in Form von Jahresendprämien festzustellen.

 

Dem 1952 geborenen Kläger wurde, nach erfolgreichem Abschluss eines Hochschulstudiums in der Fachrichtung Physik an der Technischen Universität (TU) A.... in der Zeit von September 1973 bis August 1978, mit Urkunde vom 28. Juli 1978 der akademische Grad „Diplomphysiker“ verliehen. Nach erfolgreichem Abschluss eines Forschungsstudiums in der Fachrichtung Physik an der TU A.... in der Zeit von September 1978 bis Februar 1982 wurde ihm mit Urkunde vom 3. November 1983 der akademische Grad eines „Doktors eines Wissenschaftszweiges“ verliehen. Er war vom 1. März 1982 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie Themenleiter im Zentralinstitut für Kernforschung  Y...., das der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu  X....  unterstand, beschäftigt. Er erhielt zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) keine Versorgungszusage und war nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Am 28. August 2002 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte eine Entgeltbescheinigung des Forschungszentrums  Y....  e.V. vom 16. Februar 1994 (für den Beschäftigungszeitraum vom 1. März 1982 bis 30. Juni 1990) vor. Mit Bescheid vom 21. November 2002 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. März 1982 bis 30. Juni 1990 als „nachgewiesene Zeiten“ der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (= Zusatzversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der Entgeltbescheinigung des Forschungszentrums  Y....  e.V. vom 16. Februar 1994, fest.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 1. September 2017 (Eingang bei der Beklagten am 4. September 2017) begehrte der Kläger die Berücksichtigung von Jahresendprämien der Planjahre 1982 bis 1989 in konkret bezifferter Höhe als weitere Entgelte. Zur Glaubhaftmachung legte er im Laufe des Verfahrens schriftliche Erklärungen der Zeugen Dr. D.... vom 20. August 2017 und vom 3. Januar 2018 sowie Dr. C.... vom 23. August 2017 und vom 9. Januar 2018 vor, in denen jeweils ausgeführt ist, dass an den Kläger – ebenso wie an alle anderen Mitarbeiter – jährlich Jahresendprämien in Höhe von etwa einem Monatsgehalt ausgezahlt worden seien.

 

Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Januar 2018 ab.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 6. Februar 2018 (Eingang bei der Beklagten am 8. Februar 2018) Widerspruch ein und begehrte weiterhin die Anerkennung von Jahresendprämien als festzustellende Arbeitsentgelte. Er legte im Widerspruchsverfahren eine Kopie einer Liste über Solidaritätsspenden von Jahresendprämien des Jahres 1981 vom 1. Mai 1982 sowie eine schriftliche Erklärung des Zeugen Dr. E.... vom 3. September 2017 vor, in der ausgeführt ist, dass an den Kläger – ebenso wie an alle anderen Mitarbeiter – jährlich Jahresendprämien in Höhe von etwa einem Monatsgehalt ausgezahlt worden seien.

 

Die Beklagte forderte im Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 8. März 2018 beim Hauptstaatsarchiv A.... eine Auskunft an. Das Hauptstaatsarchiv A.... teilte mit Schreiben vom 14. März 2018 mit, dass keine Unterlagen zu den vom Kläger im Betrieb bezogenen Jahresendprämien vorhanden sind.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss und die Höhe der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die Zeugenerklärungen enthielten keine konkreten Angaben zu den Jahresendprämien des Klägers und seien daher nicht ausreichend. Die Höhe der Jahresendprämien des Einzelnen sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der Prämien könne daher nicht erfolgen.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 13. August 2018 Klage zum Sozialgericht Dresden und begehrte weiterhin die Berücksichtigung von Jahresendprämien der Planjahre 1982 bis 1989 in konkret bezifferter Höhe als weitere Entgelte.

 

Das Sozialgericht Dresden hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. August 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Jahresendprämien seien kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt, da diese Prämien nach DDR-Recht steuer- und betragsfrei gewesen seien. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das die Jahresendprämien als AAÜG-relevantes Entgelt anerkenne, sei nicht zu folgen.

 

Gegen den am 10. August 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25. August 2021 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren nach Feststellung von Jahresendprämien der Planjahre 1982 bis 1989 (und damit der Zuflussjahre 1983 bis 1990) in konkret bezifferter Höhe weiterverfolgt. Das Sozialgericht habe zu Unrecht der Rechtsprechung des BSG widersprochen. Die streitgegenständlichen Jahresleistungsprämien (gemeint: Jahresendprämien) seien anzuerkennen. Die an ihn erfolgten Auszahlungen der Jahresendprämien habe er dem Grunde und der Höhe nach ausreichend substantiiert und einer Beweisaufnahme zugänglich dargestellt. Im Übrigen verweise er auf die Rechtsprechung des Senats zu den Jahresleistungsprämien (Hinweis auf die Entscheidung im Verfahren L 7 R 752/20 ZV).

 

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 5. August 2021 aufzuheben und die Beklagte, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 30. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2018, zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 21. November 2002 abzuändern und Jahresendprämien für die Planjahre 1982 bis 1989 und damit für die Zuflussjahre 1983 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten wie folgt zu fünf Sechsteln festzustellen:

Planjahr

Zuflussjahr

Betrag

1982

1983

900,00 Mark

1983

1984

1.050,00 Mark

1984

1985

1.100,00 Mark

1985

1986

1.100,00 Mark

1986

1987

1.200,00 Mark

1987

1988

1.250,00 Mark

1988

1989

1.250,00 Mark

1989

1990

1.300,00 Mark

 

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid im Ergebnis (Tenor) für zutreffend und führt ergänzend aus: Sie folge zwar der Rechtsprechung des BSG, im konkreten Fall führe die Bewertung des Sachverhaltes jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Denn dem beweisbelasteten Kläger sei es nicht gelungen, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, in welchen einzelnen Jahren des Anspruchszeitraums ihm in welcher konkreten Höhe Jahresendprämien zugeflossen seien. Im Übrigen sei auch die auf den industriellen Sektor der DDR-Wirtschaft bezogene „Mindest-JEP“-Rechtsprechung des 5. bzw. 7. Senats des BSG (gemeint: Sächsischen LSG) auf die hier in Rede stehende Fallkonstellation nicht übertragbar.

 

Der Kläger legte im Berufungsverfahren erneut die Kopie einer Liste über Solidaritätsspenden von Jahresendprämien des Jahres 1981 vom 1. Mai 1982 sowie Auszüge aus den Betriebskollektivverträgen des Zentralinstituts für Kernforschung  Y....  der Jahre 1982, 1987 und 1990 und Auszüge aus den betrieblichen Festlegungen zum jährlich abzuschließenden Betriebskollektivvertrag des Zentralinstituts für Kernforschung  Y....  vom 28. Januar 1981 und vom 31. Januar 1990 vor.

 

Das Gericht hat arbeitsvertragliche Unterlagen vom Kläger angefordert und schriftliche Auskünfte der Zeugen Dr. D.... vom 7. Oktober 2021, Dr. C.... vom 10. Oktober 2021 sowie Dr. E.... vom 24. Januar 2022 eingeholt.

 

Mit Schriftsätzen vom 20. August 2021 und 4. Februar 2022 (Kläger) sowie vom 28. Februar 2022 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage teilweise zu Unrecht abgewiesen hat. Denn der Kläger hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung eines zusätzlichen, ihm im Jahr 1983 zugeflossenen, weiteren Arbeitsentgeltes wegen einer zu berücksichtigenden Jahresendprämienzahlung für das Planjahr 1982 im Rahmen der bereits mit Bescheid vom 21. November 2002 festgestellten Zeiten der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR. Soweit der Kläger die Feststellung von Arbeitsentgelten im Hinblick auf einen höheren Jahresendprämienbetrag für das Zuflussjahr 1983 sowie im Hinblick auf Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1984 bis 1990 begehrt, ist die Berufung hingegen unbegründet.

 

Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 30. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2018 (§ 95 SGG) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil mit dem Feststellungsbescheid vom 21. November 2002 das Recht (teilweise) unrichtig angewandt bzw. von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich (teilweise) als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Deshalb waren der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 5. August 2021 (teilweise) abzuändern, der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 30. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 21. November 2002 dahingehend abzuändern, dass für das Zufussjahr 1983 ein weiteres Arbeitsentgelt wegen einer zu berücksichtigenden Jahresendprämienzahlung im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR, wie tenoriert, festzustellen ist. Soweit der Kläger ein höheres, als das tenorierte, Entgelt für das Zuflussjahr 1983 sowie weitere Entgelte für die Zuflussjahre 1984 bis 1990 wegen zu berücksichtigender Jahresendprämien begehrt, war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

 

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X, der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

 

Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 21. November 2002 ist teilweise rechtswidrig.

 

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 21. November 2002 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie jedoch zu Unrecht teilweise nicht berücksichtigt.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das „erzielte Arbeitsentgelt“ zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort „erzielt“ folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem „aufgrund“ seiner Beschäftigung „zugeflossen“, ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren „Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung“ (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [nachfolgend: DDR-AGB] vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I 1977, Nr. 18, S. 185]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 DDR-AGB). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 DDR-AGB bestand ein „Anspruch“ auf Jahresendprämie, wenn

  • die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, 
  • der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und 
  • der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war.

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 DDR-AGB erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.; dem folgend und diese Beweislast, unter Ablehnung einer Schätzungsmöglichkeit, betonend: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14).

 

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt, worden ist.

 

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

 

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 1.). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die zur Auszahlung an ihn gelangten, hat er zwar nicht nachgewiesen, zum Teil allerdings, und zwar für das Zuflussjahr 1983 in einer Mindesthöhe glaubhaft machen können; eine Schätzung – wie vom Kläger im Klageverfahren ursprünglich noch begehrt – hingegen ist nicht möglich (dazu nachfolgend unter 2.).

 

1.

Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter a), jedoch (für die begehrten Zuflussjahre 1983 bis 1990) glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter b):

 

a)

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst wiederholt ausführte. Sein wiederholter Hinweis, unter anderem in seinen Schriftsätzen vom 16. März 2018 sowie vom 28. September 2021, darauf, er habe persönliche handschriftliche Aufzeichnungen über die an ihn gezahlten Jahresendprämien besessen, diese allerdings anlässlich eines Umzuges im Jahr 2010 vernichtet, führt zu keiner anderen Bewertung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage, weil sich aus vernichteten Beweisunterlagen zwangsläufig keinerlei Beweiswert mehr ergibt.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien im Zentralinstitut für Kernforschung  Y....  liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus der von der Beklagten im Widerspruchsverfahren eingeholten Auskunft des Hauptstaatsarchivs A.... vom 14. März 2018 ergibt.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe und Institutionen der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV).

 

b)

Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall (für die Zuflussjahre 1983 bis 1990) glaubhaft gemacht.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die „gute Möglichkeit“ aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

 

Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 DDR-AGB) für den Bezug einer Jahresendprämie für die Zuflussjahre 1983 bis 1990 vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

 

aa)

Der Kläger war in den Jahren 1983 bis 1989 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des Zentralinstituts für Kernforschung  Y....  (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 DDR-AGB), wie sich aus seinen Arbeits- und Änderungsverträgen sowie aus den Eintragungen in seinen Ausweisen für Arbeit und Sozialversicherung ergibt.

 

Das Planjahr 1982, in dem der Kläger zum 1. März in den Betrieb erst eintrat, kann ebenfalls (anteilig) mitberücksichtigt werden. Gesetzlich geregelter Ausnahmetatbestand, der eine anteilige Jahresendprämie plausibel rechtfertigt, ist § 117 Abs. 2 Satz 1 Buchst. d) DDR-AGB. Nach dieser Norm bestand ein Anspruch auf anteilige Jahresendprämie bei Aufnahme eines Direktstudiums an einer Hoch- oder Fachschule sowie bei Aufnahme einer Tätigkeit nach Abschluss des Studiums. Sein Forschungshochschulstudium an der TU A.... hatte der Kläger (erst) am 3. November 1983 abgeschlossen, wie sich aus der Promotionsurkunde der TU A.... vom 3. November 1983 ergibt. Beendet war dieses Studium (jedoch bereits) zum 28. Februar 1982, wie sich aus der Eintragung im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung ergibt. Bereits am 1. März 1982 wurde der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und dem Zentralinstitut für Kernforschung  Y....  abgeschlossen. Die tatsächliche Arbeitsaufnahme erfolgte ebenfalls am 1. März 1982, wie sich dem Eintrag im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung sowie dem Arbeitszeugnis vom 21. Oktober 1991 entnehmen lässt. Damit steht fest, dass der Kläger seine Tätigkeit unmittelbar nach Abschluss des Forschungsstudiums, welches als Direktstudium durchgeführt wurde, aufgenommen hatte.

 

bb)

Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 DDR-AGB). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 DDR-AGB zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, „Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch“, 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 DDR-AGB in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 DDR-AGB die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die „Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972“ (nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) vom 12. Januar 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 70, S. 810) sowie in der Fassung der „Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe“ (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973) vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30, S. 293), mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden, sowie die „Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe“ (nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet wurden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

 

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, „Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?“, rv [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können. Im Übrigen ergibt sich aus den vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Auszügen aus den Betriebskollektivverträgen des Zentralinstituts für Kernforschung Y....  der Jahre 1982, 1987 und 1990 und den vorgelegten Auszügen aus den betrieblichen Festlegungen zum jährlich abzuschließenden Betriebskollektivvertrag des Zentralinstituts für Kernforschung Y....  vom 28. Januar 1981 und vom 31. Januar 1990, dass der Jahresendprämienanspruch des Betriebes in Betriebskollektivverträgen festgelegt war.

 

cc)

Ausgehend von den schriftlichen Auskünften der Zeugen Dr. D...., Dr. C.... und Dr. E.... sowie den sonstigen Hinweistatsachen ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 DDR-AGB).

 

Der Zeuge Dr. D...., der den Kläger seit Betriebseintritt am 1. März 1982 kannte und der, der für den Kläger zuständige Leiter der Abteilung Festkörpertheorie im Institut bis 1988 war, gab in seinen schriftlichen Zeugenauskünften vom 20. August 2017 und vom 3. Januar 2018 jeweils an, dass das Zentralinstitut für Kernforschung  Y....  jährlich Jahresendprämien an alle Mitarbeiter sowie an den Kläger auszahlte. Auf die schriftliche Nachfrage des Berufungsgerichts vom 21. September 2021 bestätigte der Zeuge in seiner schriftlichen Auskunft vom 7. Oktober 2021 diese Angaben und führte hierzu weitergehend aus: Für die Festlegung der Jahresendprämien an die Mitarbeiter einer Abteilung wurden den Abteilungsleitern von der übergeordneten Bereichsleitung Vorschlagslisten vorgelegt, in denen die Höhe der individuellen Jahresendprämien in der Regel erst einmal proportional zum Gehalt des Mitarbeiters berechnet war, sodass die zur Verfügung stehende Gesamtsumme ausgeschöpft war. Der Abteilungsleiter hatte dann die Möglichkeit diese Listen aufgrund seiner Leistungseinschätzungen zu verändern. Die endgültige Festlegung aller Jahresendprämien für die wissenschaftlichen Mitarbeiter des gesamten Bereichs erfolgte danach in einer gemeinsamen Sitzung aller Abteilungsleiter mit der Bereichsleitung; das letzte Wort hatten dabei der Bereichsleiter und sein Stellvertreter. Die endgültige Höhe der Jahresendprämien der Mitarbeiter wurde anschließend in einer Abteilungsbesprechung den Kollegen mitgeteilt und begründet. Die Auszahlung der Jahresendprämien für das abgelaufene Planjahr erfolgte in der Regel an einem Arbeitstag im nachfolgenden Februar oder März durch den Bereichsökonomen in bar; Überweisungen waren nach vorheriger Anmeldung möglich, kamen aber kaum vor. Vor dem Auszahlungszimmer saß dann immer der Kassierer der SED-Grundorganisation und hat von den SED-Mitgliedern, zu denen der Kläger nicht gehörte, gleich drei Prozent der Jahresendprämie als Mitgliedsbeitrag kassiert und dies im SED-Parteimitgliedsbuch quittiert. Der Kläger gehörte immer zu den Mitarbeitern der Abteilung des Zeugen, die sehr gute Arbeit geleistet hatten und bei denen sich der Zeuge für eine möglichst hohe Prämie einsetzte.

 

Der Zeuge Dr. C...., der mit dem Kläger im Zeitraum von März 1984 bis Dezember 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts in derselben Abteilung zusammenarbeitete, gab in seinen schriftlichen Zeugenauskünften vom 23. August 2017 und vom 9. Januar 2018 jeweils an, dass das Zentralinstitut für Kernforschung  Y....  jährlich Jahresendprämien an alle Mitarbeiter sowie an den Kläger auszahlte. Auf die schriftliche Nachfrage des Berufungsgerichts vom 21. September 2021 bestätigte der Zeuge in seiner schriftlichen Auskunft vom 10. Oktober 2021 diese Angaben und führte hierzu weitergehend aus: Die Jahresendprämien wurden vom Betrieb jährlich gezahlt. Der Höhe nach gab es dabei kleinere Abweichungen, je nach Leistung. Die Zahlungen erfolgten bar in einem Umschlag, auf dem der Name des jeweiligen Beschäftigten notiert war. Vor der Festlegung der Prämien erfolgte eine Diskussion in der Abteilung über den Vorschlag des Abteilungsleiters. Dabei wurden vor allem die Leistungen der jeweiligen Kollegen besprochen.

 

Der Zeuge Dr. E...., der den Kläger seit Betriebseintritt am 1. März 1982 kannte, der zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts in derselben Abteilung mit dem Kläger zusammenarbeitete und der, der für den Kläger zuständige Leiter der Abteilung Festkörpertheorie im Institut ab 1988 war, gab in seiner schriftlichen Zeugenauskunft vom 3. September 2017 ebenfalls an, dass das Zentralinstitut für Kernforschung  Y....  jährlich Jahresendprämien an alle Mitarbeiter sowie an den Kläger auszahlte. Auf die schriftliche Nachfrage des Berufungsgerichts vom 21. September 2021 bestätigte der Zeuge in seiner schriftlichen Auskunft vom 24. Januar 2022 diese Angaben und führte hierzu weitergehend aus: Die Jahresendprämien wurden leistungsbezogen gezahlt. Der Kläger arbeitete in einer jungen Abteilung, die international beachtliche wissenschaftliche Ergebnisse veröffentlichte und zwei weltweit beachtete Konferenzen organisierte. Der Kläger gehörte in der Abteilung zu den besten Wissenschaftlern, gemessen an internationalen Veröffentlichungen und Vorträgen. Die Jahresendprämien wurden an alle Beschäftigten regelmäßig in bar am Jahresanfang für das vorangegangene Jahr ausgezahlt.

 

Unzulänglichkeiten des Klägers, die gegebenenfalls eine Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämie zur Folge hätten haben können, ergeben sich auch nicht aus anderweitigen Indizien oder Hinweistatsachen. Im Gegenteil: Die Angaben der Zeugen Dr. D...., Dr. C.... und Dr. E.... sind vor dem Hintergrund der beigezogenen arbeitsvertraglichen Unterlagen und betrieblichen Leistungseinschätzungen plausibel und bestätigen die berechtigte Annahme, dass der Kläger die individuellen Leistungskennziffern konkret erfüllte:

 

Den Arbeitsänderungsverträgen ist zu entnehmen, dass der Kläger kontinuierliche Gehaltssteigerungen wegen seiner Leistungen erreichte.

 

Im betrieblichen Arbeitszeugnis vom 21. Oktober 1991, welches über die gesamte Beschäftigungszeit des Klägers im Betrieb seit 1. März 1982 Auskunft gibt, ist ausgeführt, dass der Kläger

  • die ihm übertragenen Aufgaben mit viel Eigeninitiative zur vollsten Zufriedenheit erledigte,
  • fachlich kompetent, kreativ und zuverlässig arbeitete,
  • besonders erfolgreich mit theoretischen Arbeiten, die auf Interpretationen experimenteller Ergebnisse basierten, und mit Vorschlägen für neuartige Experimente agierte,
  • Mitarbeiter zielgerichtet motivieren konnte,
  • ein begehrter Partner für experimentelle Grundlagenuntersuchungen war,
  • international beachtete Publikationen in Fachzeitschriften veröffentlichte und
  • persönliches Format hatte, das er voll bei der Leitung einer Wissenschaftlergruppe zur Geltung bringen konnte.

 

Unterstrichen wird diese vorbildliche und weder zu Kritik noch Tadel Anlass gebende Arbeitsweise des Klägers im Übrigen durch die ihm von seinem Beschäftigungsbetrieb mit Urkunde vom 23. April 1987 verliehene Auszeichnung als „Aktivist der sozialistischen Arbeit“. Mit dieser Auszeichnung wurden unter anderem hervorragende und beispielgebende Arbeitsleistungen gewürdigt (vgl. dazu: § 1 der „Ordnung über die Verleihung des Ehrentitels ‚Aktivist der sozialistischen Arbeit‘“, die Bestandteil der „Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen“ vom 28. Juni 1978 [DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war). Darüber hinaus spricht für seine vorbildliche Arbeit auch die ihm von seinem Beschäftigungsbetrieb in den Jahren 1982 bis 1984 verliehenen Auszeichnungen jeweils als Mitglied eines „Kollektivs der sozialistischen Arbeit“. Mit diesen Auszeichnungen wurden jeweils unter anderem beispielgebende Arbeitsleistungen des Kollektivs und jedes einzelnen Mitglieds des Kollektivs im sozialistischen Wettbewerb, also konkret auch des Klägers, gewürdigt (vgl. dazu: § 1 der „Ordnung über die Verleihung und Bestätigung der erfolgreichen Verteidigung des Ehrentitels ‚Kollektiv der sozialistischen Arbeit‘“, die Bestandteil der „Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen“ vom 28. Juni 1978 [DDR-GBl. Sonderdruck Nr. 952, S. 1 ff.] war).

 

Zudem erhielt der Kläger

  • für eine im Bereichswettbewerb 1987 um die besten Forschungsergebnisse vorgelegte Arbeit „Quasikristalle“ mit Urkunde vom 29. Januar 1988 den 1. Preis des Bereichs KF der Kategorie 1 verliehen,
  • für die Arbeit „Amorphization of Metals by Ionen – Implantation and Ion Beam Mixing“ mit Urkunde vom 16. Mai 1988 den Institutspreis des Jahres 1987 für die beste wissenschaftliche bzw. wissenschaftlich-technische Arbeit zuerkannt,
  • in Anerkennung beispielhafter wissenschaftlicher Leistungen für die „Theoretischen Untersuchungen zur Kurzzeittemperung“ mit Urkunde vom 20. Oktober 1988 den Preis der Gewerkschaft Wissenschaft für hervorragende Leistungen junger Wissenschaftler verliehen,
  • aufgrund seiner gezeigten fachlichen und gesellschaftlichen Leistungen mit Urkunde vom 7. Oktober 1989 eine Belobigung, verbunden mit einer Anerkennungsprämie in Höhe von 200,00 Mark, ausgesprochen sowie
  • für eine im Bereichswettbewerb 1989 um die besten Forschungsergebnisse vorgelegte Arbeit „Ionenstrahlinduzierte epitaktische Kristallisation von Silicium“ mit Urkunde vom 28. Februar 1990 den Bereichspreis verliehen.

 

Zusammenfassend wird dem Kläger damit insgesamt bescheinigt, dass er die ihm übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an der Erfüllung der vorgegebenen Leistungskriterien aufdrängen.

 

2.

Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1982 bis 1989) in den Zuflussjahren 1983 bis 1990 zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte er nicht nachweisen (dazu nachfolgend unter a) und lediglich für das Zuflussjahr 1983 zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter b). Die Höhe einer dem Grunde nach lediglich glaubhaft gemachten Jahresendprämie darf – entgegen der früheren Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts – auch nicht geschätzt werden (dazu nachfolgend unter c).

 

a)

Die dem Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1982 bis 1989) in den Jahren 1983 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach nicht nachgewiesen:

 

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst wiederholt ausführte. Sein wiederholter Hinweis, unter anderem in seinen Schriftsätzen vom 16. März 2018 sowie vom 28. September 2021, darauf, er habe persönliche handschriftliche Aufzeichnungen über die an ihn gezahlten Jahresendprämien besessen, diese allerdings anlässlich eines Umzuges im Jahr 2010 vernichtet, führt zu keiner anderen Bewertung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage, weil sich aus vernichteten Beweisunterlagen zwangsläufig keinerlei Beweiswert mehr ergibt.

 

Unterlagen über die Auszahlung von Jahresendprämien im Zentralinstitut für Kernforschung  Y....  liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus der von der Beklagten im Widerspruchsverfahren eingeholten Auskunft des Hauptstaatsarchivs A.... vom 14. März 2018 ergibt.

 

Auszahlungs- bzw. Quittierungslisten oder Anerkennungsschreiben der Abteilung des Betriebes konnten auch die Zeugen Dr. D...., Dr. C.... und Dr. E.... nicht vorlegen. Aus der vom Kläger wiederholt vorgelegten Kopie einer Liste über Solidaritätsspenden von Jahresendprämien des Jahres 1981 vom 1. Mai 1982 ergibt sich gleichfalls nichts Verwertbares für das vorliegende Verfahren, weil der Kläger in dieser Liste nicht aufgeführt ist.

 

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch im Übrigen nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe und Institutionen der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 SGB IV). Von einer Anfrage an das Bundesarchiv wurde im vorliegenden Verfahren abgesehen, da dort – wie aus entsprechenden Anfragen in anderen Verfahren gerichtsbekannt wurde – lediglich statistische Durchschnittwerte der in den Kombinaten gezahlten durchschnittlichen Jahresendprämienbeträge pro Vollbeschäftigteneinheit aus verschiedenen Jahren vorhanden sind, die keinerlei Rückschluss auf die individuelle Höhe der an die Kläger in einem konkreten Betrieb gezahlten Jahresendprämienhöhe erlauben.

 

b)

Die konkrete Höhe der an den Kläger für die dem Grunde nach glaubhaft gemachten Planjahre (1982 bis 1989) in den Jahren 1983 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter aa). Lediglich der für das Planjahr 1982 im Zuflussjahr 1983 ausgezahlte Jahresendprämienbetrag ist zumindest zum Teil, nämlich in Form eines Mindestbetrages, glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bb):

 

aa)

Den Angaben des Klägers sowie der Zeugen Dr. D...., Dr. C.... und Dr. E.... kann lediglich entnommen werden, dass sich die Jahresendprämie am Monatsgehalt des jeweiligen Werktätigen orientierte.

 

Der Kläger selbst bezifferte zwar die konkreten Höhen seiner Jahresendprämienbeträge. Nachvollziehbare Hinweise, woraus sich genau diese von ihm aufgeführten konkreten Beträge ergeben sollen, konnte er aber nicht liefern. Weder aus der vorgelegten Kopie einer Liste über Solidaritätsspenden von Jahresendprämien des Jahres 1981 vom 1. Mai 1982, nach aus den vorgelegten Auszügen aus den Betriebskollektivverträgen des Zentralinstituts für Kernforschung  Y....  der Jahre 1982, 1987 und 1990 oder den vorgelegten Auszügen aus den betrieblichen Festlegungen zum jährlich abzuschließenden Betriebskollektivvertrag des Zentralinstituts für Kernforschung  Y....  vom 28. Januar 1981 und vom 31. Januar 1990 ergibt sich, dass der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst des einzelnen Beschäftigten die individuelle Prämienhöhe determinierte. Der Kläger missachtet mit seinen, aus den vorgelegten Unterlagen geschlussfolgerten Behauptungen, dass die Höhe der Jahresendprämien einer individuell-leistungsbezogenen, wettbewerbsorientierten und von Leistungseinschätzungen abhängigen Betrachtungsweise folgte.

 

Auch die Zeugen Dr. D...., Dr. C.... und Dr. bestätigten im Ergebnis lediglich das grundsätzliche Prozedere zur Jahresendprämienbemessung und führten aus, dass Basis der Berechnung der jeweils einzelnen individuellen Jahresendprämien das Monatsgehalt des jeweiligen Beschäftigten war und die Prämienbeträge auf der Grundlage der Leistungseinschätzung des Vorgesetzten berechnet wurden. Sie führten zudem auf die konkreten Nachfragen des Berufungsgerichts jeweils aus, zu den Höhen der Jahresendprämienbeträge des Klägers keine konkreten Angaben mehr tätigen zu können. Die individuelle Festlegung erfolgte leistungsabhängig durch die Betriebsleitung (in Abstimmung mit der Gewerkschaftsleitung), ausgerichtet nach dem Betriebsergebnis und differenziert im Einzelnen. Eine weitergehende Präzisierung erbrachten die Zeugenbefragungen nicht. Soweit die Zeugen Dr. D...., Dr. C.... und Dr. in ihren schriftlichen Auskünften vom 20. August 2017, vom 23. August 2017, vom 3. Januar 2018, vom 9. Januar 2018 und vom 3. September 2017 wiederholt ausführten, die jährlich ausgeschütteten Jahresendprämien hätten „etwa einem Monatsgehalt“ entsprochen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Angabe jeglicher Tatsachenbasis entbehrt, da weder dargelegt noch nachvollziehbar erläutert wird, aus welchen konkreten Kennziffern und Berechnungselementen sich dieser Durchschnittsbetrag ergibt. Die Glaubhaftmachung einer bestimmten Höhe ist mit solchen „in der Regel“-, „circa“-, „zwischen“-, „etwa“- oder „ungefähr“-Angaben nicht verbunden, denn es handelt sich bei ihnen um eine reine Mutmaßung, die im Ergebnis auf eine – vom BSG inzwischen abschließend als nicht möglich dargelegte (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.) – Schätzung hinausläuft, die nicht zu Grunde gelegt werden kann. Konkretere oder präzisierende Angaben konnten nämlich gerade weder von den Zeugen noch vom Kläger getätigt werden. Die im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden schriftlichen Erklärungen der Zeugen Dr. D...., Dr. C.... und Dr. E….vom 7. Oktober 2021, vom 10. Oktober 2021 und vom 24. Januar 2022 belegen dies nachdrücklich, in dem die Zeugen jeweils ausführten, sich an konkrete Beträge – naturgemäß – nicht erinnern zu können und lediglich spekulative Hypothesen aus der eigenen Erinnerung oder aus rückgerechneten eigenen Jahresendprämienbeträgen, mit einer Schwankungsbreite von immerhin 15 Prozent (zwischen 86 Prozent und 101 Prozent), darlegten.

 

In der anzustellenden Gesamtbetrachtung sind die Angaben des Klägers sowie der Zeugen Dr. D...., Dr. C.... und Dr. E…. zur Höhe der an den Kläger geflossenen Jahresendprämienbeträge insgesamt zum einen vage und beruhen zum anderen allein auf dem menschlichen Erinnerungsvermögen, das mit der Länge des Zeitablaufs immer mehr verblasst und deshalb insbesondere in Bezug auf konkrete, jährlich differierende Beträge kaum einen geeigneten Beurteilungsmaßstab im Sinne einer „guten Möglichkeit“ gerade des vom Kläger oder den Zeugen angegebenen Prozentsatzes eines Bruttomonatslohns abzugeben geeignet ist.

 

Darüber hinaus ist zu beachten, dass es im Ergebnis grundsätzlich (zu den Ausnahmen nachfolgend unter bb) an einem geeigneten Maßstab fehlt, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämien beurteilt werden kann und der vom Kläger und den Zeugen behauptete Maßstab, nämlich der durchschnittliche Bruttomonatslohn, nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs-  oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war:

 

Nicht der Durchschnittslohn des Werktätigen war Ausgangsbasis für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämie, sondern die Erfüllung der konkreten Leistungs- und Planzielvorgaben (vgl. dazu deutlich: Eckhardt u.a., „Lohn und Prämie – Erläuterungen zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR“ [Heft 4 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 1989, S. 112; Langanke, „Wirksame Leistungsstimulierung durch Jahresendprämie“, NJ 1984, 43, 44). Aus diesem Grund zählte zu den betriebsbezogenen, in einem Betriebskollektivvertrag festgelegten Regelungen über die Bedingungen der Gewährung einer Jahresendprämie auch die Festlegung und Beschreibung der Berechnungsmethoden, aus denen dann individuelle Kennziffern für den einzelnen Werktätigen zur Berechnung der Jahresendprämie abgeleitet werden konnten.

 

Dies verdeutlichen auch sonstige rechtliche Regelungen unterhalb des DDR-AGB: So legten die Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 und in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973 sowie die Prämienfond-VO 1982 fest, wie die Jahresendprämie wirksamer zur Erfüllung und Übererfüllung der betrieblichen Leistungsziele beitragen konnte (§ 7 Prämienfond-VO 1972, § 9 Prämienfond-VO 1982). Danach waren den Arbeitskollektiven und einzelnen Werktätigen Leistungskennziffern vorzugeben, die vom Plan abgeleitet und beeinflussbar waren, die mit den Schwerpunkten des sozialistischen Wettbewerbs übereinstimmten und über das Haushaltsbuch oder durch andere bewährte Methoden zu kontrollieren und abzurechnen waren (§ 7 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Prämienfond-VO 1982). Die durchschnittliche Jahresendprämie je Beschäftigten war in der Regel in der gleichen Höhe wie im Vorjahr festzulegen, wenn der Betrieb mit der Erfüllung und Übererfüllung seiner Leistungsziele die erforderlichen Prämienmittel erarbeitet hatte; für den Betrieb war dieser Durchschnittsbetrag grundsätzlich beizubehalten (§ 9 Abs. 2 Prämienfond-VO 1982). Hervorzuheben ist dabei, dass der Werktätige und sein Kollektiv die ihnen vorgegebenen Leistungskriterien jeweils erfüllt haben mussten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972), die Leistungskriterien kontrollfähig und abrechenbar zu gestalten waren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der „Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972“ [nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1972] vom 24. Mai 1972 [DDR-GBl. II 1972, Nr. 34, S. 379]) und bei der Differenzierung der Höhe der Jahresendprämie von den unterschiedlichen Leistungsanforderungen an die Abteilungen und Bereiche im betrieblichen Reproduktionsprozess auszugehen war (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972). Außerdem war geregelt, dass die Jahresendprämien für Arbeitskollektive und einzelne Werktätige nach der Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren waren (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982), wobei hinsichtlich der Kriterien für die Zulässigkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Jahresendprämie im Betrieb konkrete Festlegungen nach Maßgabe des § 6 der „Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe“ (nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 598) in der Fassung der „Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe“ (nachfolgend: 2. DB zur Prämienfond-VO 1982) vom 3. Februar 1986 (DDR-GBl. I 1986, Nr. 6, S. 50) zu treffen waren. Danach spielte zum Beispiel der Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader in den Betrieben und deren „wesentliche Erhöhung“ sowie die „Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit“ eine Rolle (§ 6 Abs. 2 Satz 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die konkreten Festlegungen erfolgten in betrieblichen Vereinbarungen (§ 6 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die endgültige Festlegung der Mittel zur Jahresendprämierung für die einzelnen Bereiche und Produktionsabschnitte einschließlich ihrer Leiter erfolgte nach Vorliegen der Bilanz- und Ergebnisrechnung durch die Direktoren der Betriebe mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitungen, die entsprechend der im Betriebskollektivvertrag getroffenen Vereinbarung abhängig vom tatsächlich erwirtschafteten Prämienfonds durch den Betrieb und von der Erfüllung der den Bereichen und Produktionsabschnitten vorgegebenen Bedingungen war (§ 8 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 5 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982).

 

Weder zu den individuellen Leistungskennziffern des Klägers noch zu den sonstigen, die Bestimmung der Jahresendprämienhöhe maßgeblichen Faktoren konnten der Kläger oder die Zeugen nachvollziehbare Angaben tätigen.

 

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall nicht erfüllt. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen Jahresendprämien berücksichtigt worden sind – etwa, weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten –, genügen nicht, um den Zufluss von Jahresendprämien in einer bestimmten oder berechenbaren Höhe konkret an den Kläger glaubhaft zu machen. Denn hierfür wäre – wie ausgeführt – erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des vom Kläger geltend gemachten Zeitraumes eine entsprechende Jahresendprämie nachgewiesen worden wäre, und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitraumes, sondern auch hinsichtlich der Erfüllung der individuellen Leistungskennziffern, um eine konkrete Höhe als berechenbar erscheinen zu lassen.

 

bb)

Allerdings kommt für die Zeiträume der Geltung

  • der "Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1968) vom 26. Juni 1968 (DDR-GBl. II 1968, Nr. 67, S. 490) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Bildung und Verwendung des Prämienfonds in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, volkseigenen Kombinaten, den VVB (Zentrale) und Einrichtungen für die Jahre 1969 und 1970" (nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1968) vom 10. Dezember 1969 (DDR-GBl. II 1969, Nr. 98, S. 626),
  • der "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für das Jahr 1971" (nachfolgend: Prämienfond-VO 1971) vom 20. Januar 1971 (DDR-GBl. II 1971, Nr. 16, S. 105) und
  • der Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. November 1972 sowie in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973, mit denen die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 über das Jahr 1972 hinaus angeordnet wurden,

von Juli 1968 bis Dezember 1982 (also bis zum Inkrafttreten der Prämienfond-VO 1982 am 1. Januar 1983) eine Glaubhaftmachung der Höhe von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in einer Mindesthöhe in Betracht.

 

Für diese Zeiträume legten

  • § 9 Abs. 7 Prämienfond-VO 1968,
  • § 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971 und
  • § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Prämienfond-VO 1972

nämlich verbindlich fest, dass der Prämienfond (auch) bei leistungsgerechter Differenzierung der Jahresendprämie ermöglichen musste, dass die Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen ein Drittel seines (durchschnittlichen) Monatsverdienstes betrug. Diese Mindesthöhe der an den einzelnen Werktätigen zu zahlenden Jahresendprämie durfte nach § 12 Nr. 6 Satz 2 Prämienfond-VO 1971 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 nur dann unterschritten werden, wenn der Werktätige nicht während des gesamten Planjahres im Betrieb tätig war und einer der Ausnahmefälle des § 5 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 vorlag. Diese Regelungen bestätigen damit, insbesondere durch die Formulierung, dass die für „diese Werktätigen zu zahlende … Jahresendprämie … die Mindesthöhe von einem Drittel eines monatlichen Durchschnittsverdienstes“ nur in Ausnahmefällen unterschreiten konnte, dass die Vorschriften an eine individuelle und nicht an eine generelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages des einzelnen Werktätigen anknüpften. Diese maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen sind im hier vorliegenden Zusammenhang der Jahresendprämienhöhe des einzelnen Werktätigen daher als „generelle Anknüpfungstatsachen“ bzw. als „generelle Tatsachen“ heranzuziehen (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19 sowie BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.) und bestätigen – im Zeitraum ihrer Geltung – zumindest eine individuelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrages jedes einzelnen Werktätigen, der die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllte. Soweit die Beklagte meint, bei dem in den vorbenannten Vorschriften enthaltenen Mindestbetrag der Jahresendprämie habe es sich lediglich um einen statistischen Wert bzw. um eine betriebliche Kennziffer gehandelt, die keine auf den einzelnen Werktätigen bezogene Individualisierung beinhaltet habe, trifft dies ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Regelungen, des systematischen Zusammenhangs der Vorschriften sowie des Sinnes und Zwecks der Normen nicht zu. Denn die Regelungen knüpfen nicht an einen „durchschnittlichen Monatsverdienst“ bzw. an einen „monatlichen Durchschnittsverdienst“ aller Beschäftigten des Betriebes sondern an den „durchschnittlichen Monatsverdienst“ bzw. „monatlichen Durchschnittsverdienst“ des, also des einzelnen, Werktätigen an (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Prämienfond-VO 1972) bzw. regeln ausdrücklich, dass „die Mindesthöhe der Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen“ ein Drittel des, also des einzelnen, monatlichen Durchschnittsverdientes zu betragen hatte (§ 12 Nr. 6 Satz 1 Prämienfond-VO 1971). Der durchschnittliche Monatsverdienst bzw. der monatliche Durchschnittsverdienst – der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der „Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung“ (nachfolgend: 1. Durchschnittsentgelt-VO) vom 21. Dezember 1961 (DDR-GBl. II 1961, Nr. 83, S. 551, berichtigt in DDR-GBl. II 1962, Nr. 2, S. 11) in der Fassung der „Zweiten Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung“ (nachfolgend: 2. Durchschnittsentgelt-VO) vom 27. Juli 1967 (DDR-GBl. II 1967, Nr. 73, S. 511, berichtigt in DDR-GBl. II 1967, Nr. 118, S. 836) richtete – war stets eine individuelle und gerade keine generelle (etwa alle Beschäftigten in ihrer Gesamtheit erfassende) Bezugsgröße. Zutreffend ist zwar, wie auch die Beklagte vorträgt, dass ein grundsätzlicher Rechtsanspruch des einzelnen Werktätigen auf eine Prämierung in Form von Jahresendprämie nur dann bestanden hat, wenn es der Prämienfonds ermöglichte, mindestens ein Drittel eines durchschnittlichen Monatsverdienstes für diese Form der materiellen Interessiertheit zur Verfügung zu stellen. Zutreffend ist auch, wie die Beklagte weiterhin vorträgt, dass Voraussetzung dafür war, dass Werktätige einen Rechtsanspruch auf die Leistungsprämienart „Jahresendprämie“ dem Grunde nach hatten, dass der Betrieb erarbeitete Prämienmittel zumindest in diesem Umfang für die Jahresendprämie bereitstellte. Dass der konkrete betriebliche Prämienfond des Beschäftigungsbetriebes des Klägers in den betroffenen Jahresendprämienjahren diese Voraussetzungen konkret erfüllte, ist im konkreten Fall aber hinreichend tatsächlich glaubhaft gemacht worden, weil der Kläger sämtliche konkrete Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Jahresendprämie in den streitgegenständlichen Jahresendprämienjahren erfüllte. Die Beklagte verwischt mit ihrer Argumentation, dass die Anspruchsvoraussetzungen im konkreten Einzelfall dem Grunde nach vollständig glaubhaft gemacht worden sind, wenn sie meint, eine Glaubhaftmachung der Höhe nach von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes käme nicht in Betracht, weil unklar geblieben sei, ob der Prämienfond den Mindestbetrag in der Mindesthöhe überhaupt zur Verfügung gestellt habe bzw. ob der Betrieb erarbeitete Prämienmittel im Mindestumfang überhaupt für die Jahresendprämie bereitgestellt habe, mithin, ob der Kläger dem Grunde nach überhaupt Anspruch auf Jahresendprämien gehabt habe. Deshalb beinhaltet die Argumentation der Beklagten einen unzulässigen, und deshalb unbeachtlichen, Zirkelschluss (sog. petitio principii).

 

Für den Zeitraum ab dem Planjahr 1983 unter Geltung der am 1. Januar 1983 in Kraft getretenen Prämienfond-VO 1982 kann ein derartiges oder ähnliches Ergebnis im Hinblick auf einen individuellen Mindestbetrag einer Jahresendprämie nicht mehr festgestellt werden. Die Prämienfond-VO 1982 legte einen Mindestbetrag oder eine berechenbare Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen nicht mehr fest. § 9 Abs. 3 Satz 5 Prämienfond-VO 1982 bestimmte vielmehr nur noch, dass die einzelnen Werktätigen (bei Erfüllung der für sie festgelegten Leistungskriterien und bei Erfüllung und Übererfüllung der für den einzelnen Betrieb festgelegten Leistungsziele) eine Jahresendprämie annähernd in gleicher Höhe wie im Vorjahr erhalten sollten. Damit wurde in der Prämienfond-VO 1982 abweichend von den bisherigen Regelungen der Prämienfond-VO’en 1968, 1971 und 1972 weder eine Mindesthöhe noch eine zwingende Mindestvorgabe festgeschrieben. Insbesondere die Verwendung des Verbs „sollen“ in der vorbezeichneten Vorschrift verdeutlicht, dass zwingende oder aus bundesrechtlicher Sicht „justiziable“ Mindestbeträge nicht vorgegeben waren, die als generelle Anknüpfungstatsachen gewertet werden könnten. Auch eine „statische Fortschreibung“ der zuletzt im Planjahr 1982 unter der Geltung der Prämienfond-VO 1972 ausgezahlten Jahresendprämie des Einzelnen war damit nicht verbunden.

 

Soweit die Beklagte im vorliegenden konkreten Verfahren mit Schriftsatz vom 13. September 2021 zudem ausführte, die auf den industriellen Sektor der DDR-Wirtschaft bezogene „Mindest-JEP“-Rechtsprechung des 5. bzw. 7. Senats des BSG (gemeint: Sächsischen LSG) sei auf die hier in Rede stehende Fallkonstellation nicht übertragbar, vermag dem der Senat nicht näherzutreten. Die Prämienverordnungen können auch im konkreten Fall des Klägers, der im Zentralinstitut für Kernforschung  Y....  beschäftigt war, herangezogen werden (vgl. zu einer derartigen Konstellation bereits: Sächsisches LSG, Urteil vom 12. März 2020 - L 7 R 615/19 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 82). Denn die – im vorliegenden Einzelfall maßgebliche – Prämienfond-VO 1972 galt nach § 1 Prämienfond-VO 1972 nicht nur für volkseigene sondern auch für diesen gleichgestellte Betriebe. Den volkseigenen Betriebe gleichgestellte Betriebe waren unter anderem auch wissenschaftliche Institute und Forschungsinstitute, wie sich unter anderem aus § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (DDR-GBl. 1951, Nr. 62, S. 487) sowie aus § 1 Abs. 2 der Dritten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verbesserung der Entlohnung der Arbeiter und Angestellten in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (DDR-GBl. 1951, Nr. 62, S. 488) ergibt. Das der Deutschen Akademie der Wissenschaft zu  X....  unterstehende Zentralinstitut für Kernforschung  Y....  war eine wissenschaftliche Einrichtung für alle Fragen der Kernphysik, Radiochemie und Kernenergetik und ein Zentralinstitut der Kernforschung in der DDR (vgl. Borchert, Lexikon der Wirtschaft [der DDR] – Band „Industrie“, 1970, S. 892 zum Stichwort „Zentralinstitut für Kernforschung“). Es löste als Forschungseinrichtung der Akademie der Wissenschaften zu  X....  komplexe Forschungsaufgaben und schloss mit seinen Partnern in der DDR die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Wirtschaftsverträge ab (vgl. §§ 14 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 4 der Verordnung über das Statut der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu  X....  vom 20. Mai 1969 [DDR-GBl. II 1969, Nr. 49, S. 317]). Es arbeitete damit auch auf der Grundlage der wirtschaftlichen Rechnungsführung, sodass auch insoweit die Prämienfond-VO 1972 herangezogen werden kann. Im Übrigen ergibt sich im konkreten Fall aus dem vom Kläger vorgelegten Auszug aus den betrieblichen Festlegungen zum jährlich abzuschließenden Betriebskollektivvertrag des Zentralinstituts für Kernforschung  Y....  vom 28. Januar 1981, dass die betrieblichen Festlegungen insoweit der Prämienfond-VO 1972 entsprachen. Denn dort ist unter dem Gliederungspunkt 2.1.2.4. zu den Jahresendprämien inhaltlich identisch festgelegt, dass diese in Höhe „von mindestens einem Drittel eines durchschnittlichen Monatsbruttoverdienstes je Beschäftigten“ zu zahlen sind, wenn der Prämienfonds die Zahlung von Jahresendprämien sowie eine leistungsgerechte Differenzierung ermöglicht.

 

Für die vorliegende Sachverhaltskonstellation haben die erläuterten Regelungen damit lediglich für das dem Grunde nach glaubhaft gemachte Planjahr 1982 und damit für das Zuflussjahr 1983 Bedeutung, weil der Kläger in diesem Jahr den Zufluss von Jahresendprämien, und damit das Vorliegen der Zahlungsvoraussetzungen, dem Grunde nach glaubhaft gemacht hat. Die Mindesthöhe ist auch konkret berechenbar, weil sich der durchschnittliche Monatsverdienst des Klägers, ausgehend von dem im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 21. November 2002 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelten (Entgeltbescheinigung des Forschungszentrums  Y....  e.V. vom 16. Februar 1994), hinreichend individualisiert ermitteln lässt. Etwaigen Ungenauigkeiten bei der so zu Grunde gelegten Bestimmung des durchschnittlichen Monatsverdienstes bzw. des monatlichen Durchschnittsverdienstes, der sich nach § 5 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972 nach der 1. Durchschnittsentgelt-VO in der Fassung der 2. Durchschnittsentgelt-VO richtete, trägt die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG hinreichend Rechnung, nach der glaubhaft gemachte Entgelte nur zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen sind. Mit dieser Regelung sind Schwankungen die sich aus dem Durchschnittsentgelt nach Maßgabe der vorbenannten Durchschnittsentgeltverordnungen ergeben könnten, hinreichend aufgefangen, zumal diese Verordnungen sowohl für die Berechnung des Brutto- als auch des Nettodurchschnittsverdienstes galten (§ 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO) und der Berechnung des Durchschnittsverdienstes alle Lohn- und Ausgleichszahlungen zu Grunde lagen (§ 3 Abs. 1 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), mit Ausnahme von ganz besonderen Zahlungen (§ 3 Abs. 2 der 1. Durchschnittsentgelt-VO), die ohnehin nicht Grundlage des bescheinigten Bruttoarbeitsentgelts waren (unter anderem Überstundenzuschläge, zusätzliche Belohnungen, besondere Lohnzuschläge, bestimmte lohnsteuerfreie Prämien, Untertageprämien, Ausgleichszahlungen bei Teilnahme an Lehrgängen über 14 Kalendertagen, Ausgleichszahlungen infolge ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Entschädigungen). Anhaltspunkte dafür, dass derartige besondere Zuschläge und Prämien Bestandteil der im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 21. November 2002 enthaltenen und auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle basierenden Entgelte (Entgeltbescheinigung des Forschungszentrums  Y....  e.V. vom 16. Februar 1994) sind, ergeben sich aus keinem zu berücksichtigenden Blickwinkel.

 

Dies zu Grunde gelegt, ist für den Kläger eine anteilige Jahresendprämienzahlung für die im Planjahr 1982 erwirtschaftete und im Zuflussjahr 1983 ausgezahlte Jahresendprämie wie folgt zu berücksichtigen:

 

JEP-An-spruchsjahr

(anteilig)

Jahresarbeits-verdienst

Monatsdurch-schnittsverdienst

(bezogen aufs Jahr)

JEP-Mindest-betrag (= 1/3)

davon 5/6

(exakt)

JEP-Zuflussjahr

03-12/1982

10.600,00 M

883,33 M

294,44 M

245,37 M

1983

  

c)

Weil der Kläger den Bezug (irgend-)einer Jahresendprämie für die Planjahre 1982 bis 1989 in den Zuflussjahren 1983 bis 1990 dem Grunde nach nur glaubhaft gemacht hat, deren Höhe aber weder nachweisen noch – über die Mindesthöhe hinaus konkret – glaubhaft machen konnte, kommt eine Schätzung der Höhe dieser Prämienbeträge nicht in Betracht (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 16 ff.). Denn eine weitere Verminderung des Beweismaßstabes im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 AAÜG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nur die Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat. Auch aus § 6 Abs. 5 AAÜG in Verbindung mit § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO, die nach § 202 Satz 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und „entsprechend“ anzuwenden ist, greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 Abs. 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs. 6 AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene Schätzung scheidet damit aus. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter ausgestalten und festlegen müssen, ob und gegebenenfalls wie mit dem Abschlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung in § 6 Abs. 6 AAÜG als geschlossenes Regelungskonzept (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Eine Schätzung ist deshalb nur bei dem Grunde nach nachgewiesenen Zahlungen möglich (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17).

 

3.

Die (in der Mindesthöhe im Jahr 1983 glaubhaft gemachte) zugeflossene Jahresendprämie als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG war auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33-41, ebenso nunmehr: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 13). Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

 

4.

Soweit sich der Kläger in seinem Berufungsschriftsatz vom 20. August 2021 zudem auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den Jahresleistungsprämien (vgl. dazu: Sächsisches LSG, Urteil vom 22. April 2021 - L 7 R 752/20 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 34-87) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass diese im konkreten Fall nicht zur Anwendung gelangen kann, sodass sich aus diesem Hinweis des Klägers keine andere Bewertung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage ergibt. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich auf den Hochschulbereich, in dem der Kläger vorliegend nicht tätig war. Das vom Kläger in Bezug genommene Urteil des Senats betraf einen als Lektor bei der Technischen Universität A.... beschäftigten Diplomingenieur. Für den Bereich der Hochschulen der DDR galten andere Prämienregelungen als an der Akademie der Wissenschaften der DDR.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Verfahrens. Das Obsiegen des Klägers im Verfahren ist lediglich geringfügig, sodass auch lediglich eine geringfügige Kostenquote zu Gunsten des Klägers gerechtfertigt ist.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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