L 9 KR 334/19

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 2048/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 334/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2019 wird aufgehoben.

 

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die weitere Vergütung einer stationären Behandlung, konkret, ob die Klägerin berechtigt war, mehrmals pro Tag die Prozedur OPS 8.522-90 zu berechnen.

 

Die Klägerin ist die Rechtsträgerin des  H Klinikum B-B, einem zugelassenen Krankenhaus der Maximalversorgung mit über 1.000 Betten.

 

Das Klinikum behandelte im Zeitraum vom 4. Mai bis zum 8. Mai 2015 den 1964  geborenen und bei der Beklagten versicherten (im Folgenden: der Versicherte). Er litt unter einem Weichgaumenkarzinom (Oropharynxkarzinom), lymphogen metastasierend und erhielt postoperativ (seit April 2015) eine Radiochemotherapie des Karzinoms. Die stationäre Aufnahme im Mai 2015 erfolgte zur Fortsetzung der (kombinierten) Radio-Chemotherapie des lokal fortgeschrittenen und lymphogen metastasierten Oropharynxkarzinoms. Das Klinikum setzte die Chemotherapie im Hinblick auf eine mögliche entzündlich bedingte Raumforderung des Beckens aus, führte eine CT-gesteuerte Biopsie sowie eine Punktion im Bereich des Beckens durch (vgl. Arztbrief vom 8. Mai 2015 in Patientenakte).

 

Außerdem führte die Klinik im Rahmen der stationären Behandlung eine Bestrahlung des Versicherten in Gestalt der intensitätsmodulierten Radiotherapie (= IMRT, OPS 8-522.9) einmal pro Tag durch. Diese moderne Strahlentherapie ermöglicht es, eine hohe Bestrahlungsdosis im Tumorzentrum zu platzieren, während das umgebende gesunde Gewebe geschont wird. Das häufigste Einsatzgebiet für die IMRT sind Tumore, die in der Nähe von besonders empfindlichen gesunden Organen lokalisiert sind (einige HNO-Tumore). Konkret wird die Menge und Intensität der Strahlung vom gegebenen Winkel des Strahlerkopfes an die Form und Größe des Tumors angepasst. Gleichzeitig werden die Risikoorgane, die sich in der Nähe bzw. in der Bestrahlungsregion befinden, durch das Zufahren von Lamellen im Strahlerkopf geschont. Grundlage für die individuelle Planvorbereitung in dieser Bestrahlungstechnik ist eine Computertomographie (CT in ein und derselben Sitzung). können so zwei oder mehr Zielregionen ohne Umlagerung des Patienten oder Tischverschiebung bestrahlt werden (sog. Modulation der Intensität des Bestrahlungsfeldes).

 

Im Fall des Versicherten wurden ausweislich des Radiotherapieberichts als „Zielvolumen“ Oropharynx sowie Os Sacrum (= Kreuzbein) definiert. Im Bestrahlungszeitraum 9.4. – 26.5.2015 war das Zielvolumen mit „PTV Oropharynx + LAW“ (= Lymphabflusswege), „GTV+1cm“ sowie „Boost GTV+0,5cm“ definiert, damit drei verschiedene Zielfelder und Strahlendosen. Als „Fraktionen“ wurden für alle drei genannten Teile jeweils 32 beschrieben. Die „Gesamtdosis Zielvolumen: Oropharynx“ wurde mit 70.40 Gy (= Gray - Kurzbezeichnung für die SI-Einheit der Energiedosis für ionisierende Strahlung) angegeben. Der Bestrahlungszeitraum für das Zielvolumen „oss.Meta.Os Sacrum“ (Kreuzbein) war der 18.5. – 22.5.2015 (Behandlungsdauer: 48 Tage, Radiotherapiebericht vom 22. Mai 2015).

 

Die Klägerin kodierte an jedem der fünf Behandlungstage je dreimal OPS 8-522.91 „Hochvoltstrahlentherapie: Linearbeschleuniger, Intensitätsmodulierte Radiotherapie mit bildgestützter Einstellung“ und stellte in ihrer Rechnung an die Beklagte die DRG D19Z „Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen des Ohres, der Nase, des Mundes und des Halses mehr als ein Behandlungstag, mehr als 10 Bestrahlungen“ in Rechnung. Sie forderte einen Gesamtbetrag in Höhe von 7.182,96 Euro.

 

Die Beklagte beglich zunächst den Rechnungsbetrag und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung zu der Fragestellung, ob die Mehrfachkodierungen der OPS 8-522.91 und 8-522.90 korrekt waren.

 

Der MDK gelangte unter Auswertung des Arztbriefs vom 8. Mai 2015, des Radiotherapieberichts vom 22. Mai 2015 sowie der Verlaufskurve für die Zeit der stationären Behandlung zu der Auffassung, dass die o.g. OPS Prozedur (8-522) für mehr als einmal täglich nicht belegt sei. Es hätte deshalb richtigerweise die DRG D20Z abgerechnet werden müssen (Gutachten vom 3. September 2015).

 

Die Beklagte bat die Klägerin unter Hinweis auf die Einschätzung des MDK um teilweise Stornierung der Rechnung in Höhe von 3.621,60 Euro und Rücküberweisung des Betrags und teilte der Klägerin am 18. August 2016 mit, den Erstattungsbetrag mit einer höheren Forderung aus der Behandlung einer namentlich benannten anderen Versicherten der Beklagten (Rechnungsbetrag insgesamt: 4.518,12 Euro) aufzurechnen und zahlte die Differenz an die Klägerin.

 

Die Klägerin hat am 9. Oktober 2017 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben. Die Klage sei bereits deshalb begründet, weil die Aufrechnungserklärung der Beklagten nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Sie habe weder den Leistungsanspruch der Klägerin noch ihren Erstattungsanspruch genau i.S. der Vorgaben der Prüfvereinbarung (§§ 8,9 PrüfVV 2015) benannt.

 

Außerdem bestehe der Erstattungsanspruch nicht, weil die Klägerin den OPS-Kode 2012 zu 8-52 (Strahlentherapie) zu Recht mehrmals am Tag in Ansatz gebracht habe, da mehrere Fraktionen bestrahlt worden seien. Demnach werde eine Fraktion über das Zielvolumen bestimmt. Dieses werde u.a. über die Dosis und das Dosiszeitmuster definiert. Sollten daher in räumlich zusammenhängenden onkologischen Volumina unterschiedliche Energiedosen erreicht werden, so würden entsprechend unterschiedliche klinische Zielvolumina und entsprechende Planungs-Zielvolumina festgelegt, z.B. für den Primärtumor und für die nebenstehenden regionalen Lymphknoten oder für Teilvolumen innerhalb eines größeren Volumens. Mehrere Entscheidungen des Sozialgerichts Berlin bestätigten diese Auffassung. Auch bei der modernen Bestrahlungstechnik der intensitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT) würden neben dem Primärtumor auch die nebenstehenden Lymphabflusswege mit einer abweichenden Strahlendosis versorgt. Es lägen dann aber gerade mehrere Zielvolumina vor und damit in der Konsequenz auch mehrere zu kodierende Fraktionen i.S. des Hinweistextes zum OPS. Allein das Abstellen auf eine fehlende Tischverschiebung in einer Sitzung, in der mehrere Stellen bestrahlt würden, führe zu einer falschen Schlussfolgerung. Eine mehrfache Abrechnung der Prozedur sei keineswegs durch den Wortlaut ausgeschlossen. Auf diesen, den Wortlaut, und nicht auf den Aufwand komme an.

 

Mit Urteil vom 7. August 2019 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, den streitigen weiteren Betrag in Höhe von 3.618,37 € nebst Zinsen seit dem 7. September 2016 zu zahlen. Die Klägerin habe gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung. Die Beklagte habe gegen die Klägerin keinen Erstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gehabt, mit dem sie wirksam habe aufrechnen können. Maßgebend sei die Anwendung der für die Vergütung maßgebenden normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen. Diese seien nicht automatisiert und unterlägen als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbestimmung im Zusammenspiel mit den Vorgaben der zertifizierten Grouper, die die Fallgruppenzuorndung (DRG-Zuordnung) bestimmten, grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen einschließlich der hierzu vereinbarten Anwendungsregeln seien gleichwohl wegen ihrer Funktion, die zahlreichen Behandlungsfälle routinemäßig abzuwickeln, eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 19/17 R Rn. 32). Ausgehend davon habe die Klägerin die streitige Prozedur mehrmals täglich kodieren dürfen, auch wenn tatsächlich jeweils nur eine Bestrahlungssitzung täglich durchgeführt worden sei. Dies ergebe sich aus den Hinweisen in dem Operations- und Prozedurenschlüssel zu Ziff. 8-52 (Version 2015). Nach dem Text des OPS-Kodes sei Ausgangspunkt, dass eine Fraktion, die jeweils zu kodieren sei, sich über das Zielvolumen bestimme. Maßgebend für das Zielvolumen seien zwei Kriterien. Einerseits sei das Körpervolumen entscheidend, welches ohne die Patientenumlagerung oder eine Tischverschiebung erfasst und bestrahlt werden könne. Andererseits nenne der OPS-Kode als kumulative weitere zwingende Voraussetzung, dass das Körpervolumen mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden könne. Ein einziges Zielvolumen liege nur dann vor, wenn es sich um dieselbe Dosis handele, wenn also eine Körperregion mit einer Dosis bestrahlt werde. Entscheidend sei nicht, welche Dosis insgesamt abgegeben werde, sondern die Menge, die an der definierten Körperstelle ankomme. Unerheblich sei es hingegen nach dem Wortlaut, wie viele strahlentherapeutische Sitzungen bzw. Bestrahlungsvorgänge durchgeführt würden. Es könne daher nicht allein darauf abgestellt werden, ob bei der IMRT entweder eine Patientenumlagerung oder Tischverschiebung stattfinde. Dies zeige sich insbesondere auch daran, dass der OPS 8-52 im Jahr 2017 (gemeint: 2007) geändert worden sei. Es sei der Zusatz wie folgt aufgenommen worden: „und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster“. Diese Ergänzung wäre nicht zu erklären, wenn die entsprechende Einzeldosis ohne Bedeutung wäre. Nach dem Radiotherapiebericht für den Versicherten seien verschiedene Körpervolumina (Oropharynx und Lymphabflusswege) mit unterschiedlichen Einzeldosen bestrahlt worden, nämlich mit 1.7 Gy sowie mit 2.00 Gy und 2.20 Gy. Damit seien die Primärtumorregion und die umliegenden  Bereiche mit unterschiedlich festgelegten Dosen bestrahlt worden. Auf die Gesamtdosis komme es nicht an. Unerheblich sei, dass aufgrund fehlender Umlagerung oder einer Tischverschiebung kein erhöhter Aufwand bestehe. Dies möge zwar zutreffen, sei wegen der maßgebenden Wortlautauslegung aber unbeachtlich. Bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen seien in erster Linie die Vertragsparteien (des OPS-Kodes) dazu berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 9/15 R).

 

Gegen das ihr am 15. August 2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. September 2019 Berufung eingelegt. Entscheidend sei, nach welchen Maßstäben die Identität des bestrahlten Körpervolumens zu bestimmen sei. Aus der Systematik der Hinweise zum Abschnitt 8-52 (OPS 2015) ergebe sich, dass nur die Bestrahlung mehrerer Körpervolumina das Vorliegen mehrerer Zielvolumina begründen könne, was wiederum die Anzahl der für die Kodierung maßgebenden Fraktionen bestimme. Finde eine Patientenumlagerung oder Tischverschiebung nicht statt, werde auch kein weiteres Körpervolumen bestrahlt und sei keine weitere Fraktion abrechnungsfähig. Im Rahmen der IMRT würden entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht mehrere Dosen i.S. des OPS-Kodes verwendet. Allein die gleichzeitige Verwendung von unterschiedlich hohen Strahlendosen für verschiedene Körperregionen führe nicht zur Annahme mehrerer Fraktionen i.S. des OPS-Kodes. Festgelegte Dosis/das festgelegte Dosiszeitmuster i.S. der Bestimmung bezögen sich auf das Körpervolumen, welches Ziel der Bestrahlung sei, dagegen sei nicht zwingend eine über alle Bereiche identisch hochbleibende Dosis gemeint. Der Begriff stehe vielmehr für eine einmal festgelegte Bestrahlungsintensität. Damit liege im Fall der IMRT lediglich eine „festgelegte Dosis“ vor. Diese sei im Vorfeld des Bestrahlungsvorgangs von Anfang an festgelegt i.S. einer unterschiedlich hohen Intensität, mit der die Körperregionen bestrahlt worden, nämlich die Oropharynx; mit GTV + 1cm und die Lymphabflusswege mit Boost GRV+0,5 cm. Für den Vorzug dieser Wortlautauslegung spreche auch Satz 2 der Hinweise, wonach eine Fraktion mehrere Einstellungen und Bestrahlungsfelder umfassen könne. Insoweit habe der OPS-Code den medizinischen Fortschritt in der Strahlentherapie berücksichtigt. Dies entspreche nicht zuletzt der Auffassung des 1. Senates des LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 29. August 2019, auf die sie explizit Bezug nehme (L 1 KR 176/18).

 

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sämtliche rechtskräftige Entscheidungen der Instanzgerichte stützten die klägerische Auffassung. Es sei bereits nicht zutreffend, dass das Vorliegen einer Bestrahlung einer weiteren Körperregion eine Patientenumlagerung oder Tischverschiebung voraussetze. Zutreffend sei lediglich, dass jede Patientenumlagerung oder Tischverschiebung eine neue Fraktion begründe, der Umkehrschluss werde aber nicht von dem Wortlaut des Hinweistextes zum OPS-Code gestützt. Auch ein vom Sozialgericht Frankfurt (Oder) im Jahr 2019 eingeholtes Sachverständigengutachten des Direktors der Strahlenklinik Prof. Dr. bestätige die klägerische Auslegung. Dieses führe aus, dass der OPS-Kode mehrfach (an einem Tag) angewendet werden könne, wenn in ein und derselben Sitzung unterschiedliche Körperregionen mit unterschiedlich hohen Intensitäten bestrahlt würden. Es lägen dann unterschiedliche „Bestrahlungsdosen“ vor. Die abweichende Interpretation sei medizinwissenschaftlich nicht durchzuhalten und führe in anderen Fallkonstellationen zu fehlerhaften Ergebnissen. So sei unzutreffend, dass bei der IMRT nicht mehrere Dosen verwandt würden. Maßgebend sei die Menge (an Energie), die an einer Körperstelle ankomme. Es sei davon auszugehen, dass der OPS 8-52 den medizinischen Fortschritt in der Strahlentherapie nicht vor Augen habe. Das zeige die 2017 erfolgte Änderung der DRG, in die der streitige OPS-Kode führe. Es sei mit ihr die Zahl der Fraktionen als Maß verlassen und der Behandlungstag als Maß eingeführt worden. Dieses Verständnis der „Dosis“ entspreche auch der einschlägigen DIN Norm 6814-8 (Strahlentherapie). Schließlich sei ein 2017 eingebrachter Änderungsantrag zum streitigen OPS-Kode damit begründet worden, dass dieser eine mehrfache Kodierung in einer Sitzung zulasse, der Aufwand jedoch eher mit der Bestrahlung eines Zielvolumens vergleichbar sei. Die GoÄ habe eine entsprechende Definition der Bestrahlungsfraktion, kenne jedoch die Tischverschiebung als Merkmal nicht.

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten und der Patientenakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage der Klägerin zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Vergütung für stationäre Krankenhausleistungen.

 

Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im bestehenden Gleichordnungsverhältnis zur Beklagten zulässig, aber unbegründet. Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung von Krankenhausbehandlung einer anderen Versicherten erlosch in Höhe von 3.621,60 Euro, weil die Beklagte wirksam in dieser Höhe mit einem Erstattungsanspruch aufrechnete.

 

1. Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlung i.S. des § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) einer anderen Versicherten der Beklagten zunächst Anspruch auf die volle abgerechnete Vergütung hatte. Eine nähere Prüfung dieses Anspruchs erübrigt sich (zu diesem Vorgehen vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017, B 1 KR 19/17 R Rn. 7, juris).

2. Dieser (andere) Vergütungsanspruch erlosch in Höhe eines Teilbetrags von 3.618,37 Euro dadurch, dass die Beklagte mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch für die Krankenhausbehandlung des Versicherten T  spätestens am 18. August 2016 die Aufrechnung erklärte (§§ 389, 387 f. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). In Höhe der Differenz, also eines weiteren Betrags erlosch der Vergütungsanspruch durch Erfüllung, nämlich durch die Zahlung (§ 362 Abs. 1 BGB).

 

a. Die Beklagte hat die Aufrechnung wirksam erklärt. Die Erklärung erfolgt als empfangsbedürftige einseitige Willenserklärung nach § 388 Abs. 1 BGB gegenüber dem anderen Teil und muss nach allgemeinen Grundsätzen hinreichend bestimmt die Haupt- und Gegenforderung bezeichnen. Die Aufrechnung muss nicht ausdrücklich abgegeben werden, es genügt, wenn der Aufrechnungswille (ggf. durch Auslegung zu ermitteln) erkennbar ist. § 9 Satz 2 der zum 1. September 2014 zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft vereinbarten Prüfvereinbarung (PrüfVV) begründet im Vergleich dazu keine höheren Anforderungen. Er bestimmt für die Aufrechnung: „Dabei sind der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen“. Die Beklagte hat die Klägerin zunächst mehrfach um Erstattung des streitigen Betrags gebeten und dabei die Rechnungsnummer und den Behandlungszeitraum mit dem Versicherten jeweils angegeben. Am 18. August 2016 benannte sie die Forderung, gegen die sie aufrechnete, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Aufrechnungserklärung vorlag (zur Maßgeblichkeit des Zahlungsavis Sammelrechnung als Aufrechnung, vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 9/16 R, Rn. 29/30, juris).

 

b. Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs, der Erstattungsforderung, waren erfüllt. Die Beklagte hatte der Klägerin in dieser Höhe Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund geleistet, weil der Klägerin in dieser Höhe für die zugunsten des Versicherten (erbrachte Leistung kein Vergütungsanspruch in der in Rechnung gestellten Höhe zustand. Dabei ist die Zahlungsverpflichtung der Beklagten dem Grunde nach nicht streitig. Sie entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch Versicherte kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in einem gemäß § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird.

 

Die Voraussetzungen für eine Abrechnung der DRG D19Z für die im Mai 2015 erbrachten Krankenhausleistungen lagen nicht vor. Dabei ist zwischen den Beteiligen nicht streitig, dass allein die mehrfache Kodierung des OPS-Kodes 8-52 - „Strahlenbehandlung“ im vorliegenden Fall dazu führt, dass die DRG D19Z angesteuert wird (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen des Ohres, der Nase, des Mundes und des Halses, mehr als ein Belegungstag, mehr als 10 Bestrahlungen). War die tägliche Mehrfachkodierung während des stationären hingegen nicht zutreffend, wird die DRG D20Z angesteuert (Andere Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen des Ohres, der Nase, des Mundes und des Halses, mehr als ein Belegungstag) und ergibt sich ein um 3.618,37 € niedrigerer Vergütungsanspruch.

 

Im Ergebnis durfte die Klägerin den OPS-Kode nicht mehrfach in Ansatz bringen, denn die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor.

 

Der OPS Kode 8-52 (2015) „Strahlentherapie“ enthält die folgenden Anwendungshinweise:

 

„Die Strahlentherapie beinhaltet die regelmäßige Dokumentation mit geeigneten Systemen (Film, Portal-Imaging-System).

Jede Fraktion ist einzeln zu kodieren. Eine Fraktion umfasst alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder für die Bestrahlung eines Zielvolumens. Ein Zielvolumen ist das Körpervolumen, welches ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige Feldanordnungen erfasst und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann.

Die Bestrahlungssimulation (8-528 ff.) und die Bestrahlungsplanung (8-529 ff.) sind gesondert zu kodieren.“

 

Die Klägerin war nicht berechtigt, diesen Kode während der stationären Behandlung des Versicherten mehrfach pro Tag in Ansatz zu bringen, obwohl jeweils nur eine Bestrahlung des Versicherten an einem Behandlungstag durchgeführt wurde.

 

OPS-Kodes sind Teil des auf der Grundlage von § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. §§  7, 17 Krankenhausentgeltgesetz zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft vereinbarten Vergütungssystems für stationäre Krankenhausbehandlungen. Die OPS-Kodes verschlüsseln nach dem Gegenstand und den prägenden Merkmalen gemäß einem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Kode eine durchgeführte Behandlung. Dazu beschließen die o.g. Vertragspartner Kodierrichtlinien (DKR), die jährlich überprüft und ggf. angepasst werden. Aus der Kodierung ergibt sich nach bestimmten (vom Krankenhaus nicht beeinflussbaren) Kriterien die Zuordnung zu einer Fallpauschale, die sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert und jährlich weiterzuentwickeln und ggf. anzupassen ist. Aus der Zuordnung zu einer DRG errechnet sich wiederum nach Maßgabe eines zu vereinbarenden Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die zu zahlende Vergütung (BSG, Urteil vom 18. September 2018 – B 3 KR 15/07 R Rn. 16, juris). Die Anwendung von DKR und der Fallpauschalen-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des OPS erfolgen streng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen. Bewertungen und Bewertungsrelationen blieben außer Betracht (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 34/13 R). Zur Auslegung der in den Abrechnungsbestimmungen verwendeten Begriffe kann nicht nur auf allgemeine und medizinische Wörterbücher zurückgegriffen werden. Der üblicherweise einem Wort innerhalb eines bestimmten Fachgebietes (hier der Medizin) zugemessene Sinngehalt erschließt sich daneben auch über fachspezifische Zusammenhänge, in denen das Wort mit einer bestimmten Bedeutung Verwendung findet (BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 6/12 R).

 

Ausgehend davon weist das Sozialgericht zutreffend darauf hin, dass Satz 2 der Anwendungshinweise  des OPS-Kodes 8-52 (2015) eine Mehrfachkodierung ausdrücklich vorsieht. Satz 2 bestimmt, dass jede Fraktion zwingend einzeln zu kodieren ist. Wenn mehrere Fraktionen i.S. der Anwendungshinweise vorliegen, muss jede einzeln in Ansatz gebracht werden und kommt der Kode in entsprechender Anzahl zur Anwendung. Maßgebend sind mithin Voraussetzungen und Inhalt einer einzelnen Fraktion. Der nachfolgende Satz 3 konkretisiert oder definiert diesen Begriff nicht. Dagegen lautet der Wortlaut „umfasst“ im Unterschied zum nachfolgenden Satz 4, der das Zielvolumen definiert („Zielvolumen ist…“). Fraktion ist ein strahlenmedizinisch feststehender Fachbegriff. In dem fachspezifisch strahlenmedizinischen Zusammenhang bedeutet „Fraktion“, dass eine patientenindividuell festgelegte Gesamtdosis in mehreren Portionen über einen Behandlungszeitraum aufgeteilt (d.h. fraktioniert) wird. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dem gesunden Gewebe der Patient*innen in den Pausen die Möglichkeit zu geben, sich zu erholen (vgl. Tallen, www.kinderkrebsinfo.de). Bereits dieser (medizinische) Hintergrund legt nahe, dass zwischen einzelnen Fraktionen i.S. einer Verabreichung von Strahlendosen eine Zeitspanne liegt und mehrere Fraktionen grundsätzlich nicht in einer Bestrahlungssituation erfolgen.

 

Setzt der OPS Kode 8-52 Satz 3 den medizinischen Begriff grundsätzlich voraus, so bestimmt er mit dem Begriff „umfasst“ kodierrechtlich seine Grenzen, stellt also klar, was sachlich i.S. der Kodierung noch zur einzelnen Fraktion gehört. Dazu benennt Satz 3 alle technischen Einstellungen, und Bestrahlungsfelder, die für die Bestrahlung des Zielvolumens nötig sind. Mit dem Begriff Einstellungen ist umgangssprachlich im Zusammenhang mit technischen Geräten „in bestimmter Weise stellen“ oder „regulieren“, z.B. „ein Fernglas scharfstellen“ gemeint (vgl. www.duden.de). Der Begriff Bestrahlungsfeld wird im  allgemeinen Sprachverständnis vor allem im Zusammenhang mit einem (strahlen-)medizinischen Einsatz benutzt und ist auch hier so gemeint. Er bezeichnet ein „begrenztes, auf der Haut des Patienten gekennzeichnetes Stück, das bestrahlt werden soll“ (www.duden.de). Die Einstellungen und Bestrahlungsfelder des Satzes 3 stehen in funktionaler Beziehung zur Bestrahlung des Zielvolumens. Das wird aus der Verwendung des Wortes „für“ deutlich. Sie grenzen für den Vorgang der Bestrahlung die (einzelne) Fraktion i.S. des Satzes 2 ab und wirken gleichzeitig konkretisierend. Aus Satz 3 lässt sich, setzt man ihn in Beziehung zu Satz 2, entnehmen, dass weder eine Aufteilung einzelner erforderlicher (technischer) Regulierungen am Strahlengerät noch eine Unterteilung von mehreren Bestrahlungsfeldern begrifflich „mehrere Fraktionen“ i.S. von Satz 2 sein können. Gleichzeitig ergibt sich daraus, dass das Zielvolumen des Satzes 4 grundsätzlich aus mehreren Bestrahlungsfeldern bestehen kann.

 

Das im folgenden Satz 4 abschließend definierte Zielvolumen nutzt zwar strahlenmedizinische Begriffe, ist mit diesen aber nicht deckungsgleich. Satz 4 schafft vielmehr einen eigenständigen und spezifisch kodierrechtlichen Begriff des Zielvolumens (vgl. seine Formulierung „Zielvolumen ist….“). 

 

Aufgrund des Wortlauts, aber auch des strahlenmedizinischen Zusammenhanges ist noch hinreichend klar, dass das Zielvolumen gegenständlich auf ein (zu bestrahlendes) Körpervolumen bezogen ist. Die dann folgende nähere Eingrenzung macht deutlich, dass nur die Bestrahlung mehrerer der im Folgenden näher definierten Körpervolumina mehrere Zielvolumina sein können (so auch Urteil des 1. Senats des LSG Berlin-Brandenburg vom 29. August 2019 – L 1 KR 176/18 Rn. 25 juris). Dabei geht Satz 4, 2. Halbsatz (Relativsatz) mit seiner näheren Umschreibung des Zielvolumens von einem bestimmten bestrahlungstechnischen Vorgang aus. Zielvolumen ist danach das Körpervolumen, das mit dem definierten strahlentechnischen Vorgang grundsätzlich (technisch) erreichbar ist, nicht aber stets tatsächlich immer erreicht wird. Bereits aus dem Wortlaut folgt, dass es sich um zwei Voraussetzungen, dargelegt in zwei Satzteilen, handelt, die kumulativ und nicht im Sinne einer bloßen Wahlfeststellung vorliegen müssen (so auch zutreffend das Sozialgericht). Die Verbindung wird angezeigt durch das Wort „und“. Maßgebend soll nach dem Wortlaut das Körpervolumen sein, das (1.) ohne (äußere) Veränderung der Lage der Patienten/Patientinnen im Raum bzw. im Verhältnis zur Bestrahlungsquelle (Gerät oder Strahlerkopf) strahlentechnisch in einem Vorgang erreicht wird. Bereits dies berücksichtigt notwendigerweise ein planvolles Vorgehen, wie es jedem Bestrahlungsvorgang strukturell innewohnt. Das ergibt sich aus dem Auftrag, wonach das Körpervolumen, verstanden als der körperliche Gegenstand der Bestrahlung, über „zweckmäßige Feldanordnungen“ erfasst werden muss. Eine Vorausplanung der jeweiligen Bestrahlungsfelder bzw. ihrer Festlegung ist dabei mitgedacht. Damit endet die Beschreibung aber nicht. Bestimmend ist zudem nur das Körpervolumen, welches (2.) unter Berücksichtigung o.g. Einstellungen mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann. Diese beiden zuletzt umschriebenen Prozedere stehen ihrerseits nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden eine Einheit. Die festgelegte Dosis meint eine fest stehende Größe der Strahlendosis, verstanden als Energiemenge, während das Dosiszeitmuster schon nach dem Wortlaut den Abstand des Dosiseintrags umfasst. Daraus ergibt sich, dass nach dem Wortlaut eine Bestrahlung, die ohne jegliche räumliche Veränderung der Patienten während des Vorganges erfolgen kann, z.B. weil ein beweglicher Strahlerkopf das nicht erfordert, ein einheitliches Zielvolumen nicht darstellen kann. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass mehrere Zielvolumen dann gegeben sind, wenn zwar ein Körpervolumen ohne räumliche Verlagerung über eine bestimmte Feldanordnung noch erfasst werden kann, es aber nicht mit einer festgelegten Dosis oder einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann. Denkbar wäre das in der Ausgangssituation, in der der Strahlerkopf das erfassbare Feld (ohne räumliche Änderung der Lage von Patienten/Patientinnen im Raum) nicht erreicht. Muss ein Patienten oder eine Patientin z.B. nicht für die Erfassung, aber für die Bestrahlung (den Strahleneintrag) des einzelnen Bestrahlungsfeldes oder des gesamte Körpervolumens umgelagert werden, liegt demgemäß nicht mehr nur ein Zielvolumen (und eine Fraktion) vor. Im Umkehrschluss folgt daraus, muss gar keine Umlagerung/Tischverschiebung stattfinden, liegt nur ein Zielvolumen vor und wäre keine mehrfache Kodierung möglich.

 

Noch nicht abschließend geklärt ist damit, ob mehrere Zielvolumina i.S. des OPS-Kodes 8-52 auch dann vorliegen, wenn zwar ohne Umlagerung/Tischverschiebung eine Bestrahlung erfolgen kann, in dieser aber unterschiedlich hohe Strahlendosen entweder gleichzeitig oder zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedenen Körperregionen zur Anwendung kommen. Dieses neuere Geschehen ist vor allem Ergebnis der technischen Entwicklung in der Strahlentherapie, wozu auch gerade die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) gehört. Sie kommt deshalb u.a. ohne notwendige räumliche Verlagerung von Patient*innen in einer Bestrahlungssitzung aus, weil sie mittels bildgestützter (CT-Aufnahmen) und Computerberechnung den einzelnen Bestrahlungsvorgang zuvor aufwändig plant und in der Bestrahlung selbst moderne Strahlengeräte eine intensitätsmodulierte d.h. Bestrahlung unterschiedlicher Körperregionen (Zielfelder) in unterschiedlichen Dosen mittels nur einer Strahlenquelle liefern (so u.a., weil der Strahlerkopf mit Lamellen ausgerüstet ist, die eine räumlich differenzierte und „intelligente“ Strahlung bzw. einen Strahleneintrag ermöglichen. Der Senat geht insoweit aber – wie bereits der 1. Senat in seinem Urteil vom 29. August 2019 – davon aus, dass allein die Anwendung einer solchen Methode noch nicht die Verabreichung mehrerer festgelegter Dosen in mehreren bestimmten Dosiszeitmustern i.S. des OPS-Kodes darstellt. Zum einen ergibt sich aus dem Begriff „einer festgelegten Dosis“ nicht zwingend, dass sich damit ein Zielvolumen nur mit zahlenmäßig einer Dosismenge bestimmt und sobald eine differenzierte Dosis verabreicht wird, bereits deshalb ein anderes/weiteres Zielvolumen vorliegt. Eine solche Interpretation würde allein darauf abheben, dass in dem in Satz 4 verwendeten Wort „einer“ (festgelegten Dosis) ein Zahlwort steckt, die andere genauso mögliche Interpretation kommt hingegen dazu, dass der Begriff ein unbestimmter Artikel ist. Gegen das Zahlwort spricht dabei, dass die nachfolgenden einzelnen OPS-Kodes (8-520 ff.) jeweils arabische Ziffern verwenden, um die Menge anzuzeigen, hingegen keine Zahlwörter. Außerdem meint „eine Dosis“ umgangssprachlich gerade nicht eine über alle Bereiche identisch hohe Dosis. Schließlich schickt gerade Satz 3 dem Satz 4 voraus, dass alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder von einer Fraktion erfasst sein sollen, das spricht für eine gesamthafte Betrachtung des technischen Geschehens (vgl. Urteil des 1. Senates, aaO, Rn. 26).

 

Aus der strahlenmedizinischen Verwendung des Begriffs des Zielvolumens oder der Begriffe Dosis oder Dosiszeitmuster lässt sich kein feststehendes Verständnis ableiten, wie es die Klägerin in Anspruch nimmt. Strahlenmedizinisch werden „klinische Volumina“ unterschieden. Das sind Volumina, die im Rahmen einer Bestrahlungsplanung festgelegt werden. Sie sind in 5 Volumen unterteilt, darunter (1) das makroskopische Tumorvolumen (Gross Tumor Volume – GTV), das bezeichnet das durch Diagnostik sichtbare Tumor-Volumen. Davon grenzt sich (2) das klinische Zielvolumen (Clinical Target Volume - CTV) ab. Dieses meint einen zusammenhängenden Bereich, der zusätzlich zum makroskopischen Tumorvolumen Bereiche mit einbezieht, in denen proliferierende Tumorzellen vermutet werden (Tumorausbreitungsgebiet). Schließlich gibt es das (3) Planungs-Zielvolumen (Planning Target Volume – PTV), welches in der Regel durch Zugabe eines Sicherheitssaumes räumliche Lageverschiebungen des klinischen Zielvolumens  berücksichtigt, z. B. durch Atmung oder Peristaltik, aber auch die beschränkte Genauigkeit in der Reproduzierung der Lagerung des Patienten/der Patientin bei fraktionierter Strahlentherapie. Die beiden weiteren Volumen sind (4) das behandelte Volumen (Treated Volume - TV), d.h., das Volumen, das von einer festgelegten Isodosenfläche begrenzt wird, auf der die Energiedosis als ausreichend für das Erreichen des Behandlungsziels angesehen wird und schließlich (5) das bestrahlte Volumen (Irradiated Volume - IV), das meint die als Nebenprodukt der Strahlentherapie ungewollt ebenfalls der Strahlung ausgesetzte Körperregion (www.wikipedia.de; https://www.springermedizin.de/klinisches-zielvolumen/15831380). Der OPS Kode 8-52 dürfte insoweit zwar mit dem Begriff des Zielvolumens Elemente der klinischen Volumen 1 bis 3 und ggf. noch 4 aufgreifen (vgl. den Radiotherapiebericht), ist aber mit der gewählten Umschreibung gerade nicht deckungsgleich.

 

Keine andere Beurteilung rechtfertigen die Ausführungen des Direktors der Strahlenmedizin Prof. Dr. F in seinem Gutachten für das Sozialgericht Frankfurt (Oder) vom 12. August 2019. Vergleichbar dem von ihm begutachteten Fall kann unterstellt werden, dass auch bei dem Versicherten der Beklagten während einer Bestrahlung unterschiedliche Dosislevel zur Anwendung kamen und verschiedene Bestrahlungsfelder (Oropharynxkarzinom und LAW) bestrahlt wurden. Allerdings tragen weder die von ihm beschriebenen hohen Kosten der technischen Ausstattung noch der Aufwand für die Bestrahlungsplanung eine mehrfache Anwendung des eng gefassten OPS Kodes. Die Auslegung der OPS sowie die damit gesteuerte Einordnung in eine DRG sind Gegenstand rechtlicher Subsumtion und nicht das Ergebnis einer vor allem fachmedizinischen Betrachtung.

 

Dass die Definition des Zielvolumens im OPS Kode 8-52 in der Fassung 2007 gerade hinsichtlich des Begriffs der „Dosis“ eine Ergänzung erfahren hat, kann ebenfalls nicht als zwingender Beleg für die klägerische Auffassung herangezogen werden. Die noch 2006 geltende Fassung des Satz 4 wurde dabei wie folgt ergänzt: „Ein Zielvolumen ist das Körpervolumen, welches ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige Feldanordnungen [Beginn Neueinschub] erfasst und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster [Ende Einschub] bestrahlt werden kann.“ Die Ergänzung (Einschub) hat zur Folge, dass auch der Fall, in dem zwar nicht die Bestrahlung selbst, aber die Erfassung des Bestrahlungsfeldes eine Umlagerung/Tischverschiebung erforderte, ein neues Zielvolumen begründete. Eine Bedeutungsänderung im Übrigen lässt sich dem nicht entnehmen.

 

Die von der Klägerin ins Feld geführte weitere Änderung der maßgeblichen DRG-Bestimmungen, die nicht mehr auf die Zahl der Fraktionen abstellen, kann dagegen nicht zu einer veränderten Betrachtung der im Wortlaut unveränderten OPS-Kodes führen, zumal die Eingabe der OPS der DRG im Grouper-Vorgang „vorgelagert“ ist, die DRG jeweils ansteuert.

 

Es gibt schließlich keine eindeutigen Belege dafür, dass der OPS Kode 8-52 in der seither unverändert geltenden Fassung den skizzierten medizinischen Fortschritt nicht vor Augen hat und deshalb die o.g. Anwendungshinweise veraltet sind. Dagegen spricht 8-522.9, der konkret den Linearbeschleuniger, intensitätsmodulierte Radiotherapie, damit moderne Strahlentherapie, beinhaltet. Die Einstellung des Isozentrums unter Kontrolle des Zielvolumens durch CT/MRT ist expliziert in die Ziffer inkludiert. Einer im Übrigen unzureichenden vergütungsmäßigen Berücksichtigung der aufwändigen vorherigen Planung lässt sich entgegen halten, dass OPS 8-528 ff. und -529 ff. für einige Bestrahlungsarten die Bestrahlungssimulation wie auch –planung  als eigenständige Kodes abbilden. Dazu bestimmt OPS 8-52 in Satz 5 ausdrücklich, dass diese Leistungen gesondert zu kodieren sind. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass Planungsleistungen zwingend unvergütet bleiben, wenn der OPS-Kode 8-522 für die Bestrahlung selbst nur einmal zur Anwendung gelangt.

 

Schließlich hielt der  Schlichtungsausschuss zum OPS-Kode 8-52 in seiner Empfehlung vom 11. November 2020 zur Bestrahlung des Mammakarzinom mit simultan integriertem Boost (SIB als Form der IMRT), d.h., dass der Drüsenkörper eine unterschiedliche Dosis während der Bestrahlung erhält, nämlich eine höhere im „Boostgebiet“ und die Patientin einmal gelagert wird, eine Kodierung mit dem Kode 8-522.91 für zutreffend, wie sie der die Empfehlungen der sozialmedizinischen Expertengruppe "Vergütung und Abrechnung" (SEG 4) enthielt. Zur Begründung führt er aus, der Boost sei in diesem Fall nicht gesondert zu kodieren, da der Aufwand pro Bestrahlungssitzung dem bei der Bestrahlung eines Zielvolumens entspreche (www. https://foka.medizincontroller.de/index.php/KDE-562).

 

Für den Bereich der ambulanten Versorgung erfolgte demgegenüber durch den Bewertungsausschuss im EBM-Ä im September 2020 eine zum 1.1.2021 in Kraft getretene Änderung der Ziff. 4 und 5 der Präambel 25.1 EBM-Ä in Gestalt einer eigenen Definition des Zielvolumens und Abrechnungsdetails auch unter Berücksichtigung der modernen Bestrahlungstechnik. Er bestimmt seither:

 

„4. Das Zielvolumen ist …definiert als das Volumen, in dem ein definiertes Behandlungsziel (Gesamtdosis) unter Anwendung einer einheitlichen Bestrahlungstechnik und Energiedosis erreicht werden soll. Sollen in räumlich zusammenhängenden, unmittelbar nebeneinanderliegenden oder sich überlappenden Zielvolumina unterschiedliche Energiedosen appliziert werden, so werden entsprechend unterschiedliche klinische Zielvolumina festgelegt. Zielvolumina sind z. B. Primärtumor, Tumorloge, Primärtumorregion, Metastasen oder regionale Lymphabflusswege. Ein Zielvolumen kann auch ein Teilvolumen innerhalb eines größeren Volumens sein (simultan integrierter Boost). Primärtumor bzw. Primärtumorregion und Lymphabflusswege stellen grundsätzlich zwei Zielvolumina dar.

5. Eine Bestrahlungssitzung umfasst eine oder mehrere Bestrahlungen, die in engem zeitlichen Zusammenhang (kleiner sechs Stunden) durchgeführt werden…..Je Bestrahlungssitzung sind höchstens drei Zielvolumina, je Behandlungstag höchstens zwei Bestrahlungssitzungen mit einem zeitlichen Intervall von mindestens sechs Stunden berechnungsfähig.“

 

Eine vergleichbare Änderung und Ausdifferenzierung des Behandlungskomplexes ist im OPS-Kode nicht erfolgt. Dies spricht dafür, dass dieser weiter eine nur einmalige Kodierung der im EBM-Ä beschriebenen Behandlungsvarianten zulässt.

 

Werden im Ergebnis unterschiedliche Vergütungen für die gleiche Leistung erzeugt, je nachdem, ob sie ambulant oder stationär erbracht wird, ist das im Verhältnis der unterschiedlichen Vergütungssystem nicht ungewöhnlich. Die Rechtsprechung ist nicht ermächtigt, die vertraglichen Vergütungsbestimmungen zu modifizieren. Soll für die moderne Bestrahlung auch im stationären Bereich eine Mehrfachkodierung eröffnet werden, ist eine dem EBM-Ä entsprechende Neufassung des OPS-Kodes erforderlich. Aufgerufen dazu sind die Vertragsparteien der Fallpauschalen und Kodierbestimmungen (dazu allgemein bereits oben).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Die Revision war mangels Vorliegen der hierfür erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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