L 9 KR 430/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 37 KR 401/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 430/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus

vom 30. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

 

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine festbetragsfreie Versorgung mit nicht zum Festbetrag verfügbaren Augentropfen (Xalacom®).

 

Der 1954 geborene Kläger ist versichertes Mitglied der Beklagten. Er leidet an einem Glaukom beidseitig, einer beginnenden Linsentrübung beidseitig und einer zentralen Netzhautnarbe rechts, die zu einer funktionalen Einäugigkeit führt.

 

Der Kläger übersandte der Beklagten am 20. Juni 2017 eine ärztliche Verordnung über die Augentropfen Xalacom® (Wirkstoffkombination aus Latanoprost + Timolol) und Dorzolamid (Hexal) jeweils zur Senkung des Augeninnendrucks. Der Facharzt für Augenheilkunde  bestätigte ergänzend, dass der Kläger nur die genannten Augentropfen vertrage.

 

Die Beklagte lehnte nach interner pharmazeutischer Beratung und Prüfung die Kostenübernahme für die genannten Präparate unter Berufung auf bestehende Rabattverträge (für Dorzolamid) und eine Festbetragsregelung, der Xalacom® unterliege, ab. Bei dem Präparat Tavu 50ug Latanoprost + 5 mg Timolol pro ml Augentropfen handele es sich um ein produktidentisches Autogenerikum zum Originalpräparat Xalacom®, das mehrkostenfrei erhältlich sei. Der Kläger erhob Widerspruch, da er die Zusatzkosten, die für Xalacom® entstünden (Festbetragsdifferenz), nicht tragen könne und übersandte eine Rechnung über die Festbetragsdifferenz in Höhe von 59,15 Euro (Halbjahresbedarf für das Arzneimittel Xalacom®). Die Beklagte bewilligte einmalig die begehrte Erstattung der o.g. Differenz im Rahmen einer Einzelfallentscheidung (30. Juni 2017) und wies mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2017 den Widerspruch zurück.

 

Der Kläger hat am 2. November 2017 Klage zum Sozialgericht Cottbus erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt, so von der Gemeinschaftspraxis für Allgemeinmedizin T und dem Augenarzt T (Nachfolger von Dipl. Med. K ) Frau Dipl. Med. T  hat mitgeteilt, dass gegen die Verabreichung der alternativen Augentropfen keine medizinischen Bedenken bestünden, Nebenwirkungen seien bisher nicht bekannt. Der Augenarzt  T hat mitgeteilt, die Praxis des Facharztes Dipl. Med. T seit April 2018 übernommen zu haben, bis Juli 2018 sei der Kläger einmal in Behandlung bei ihm gewesen. Er habe das Arzneimittel Cosopt 20mg/ml+5 mmg/ml (Wirkstoff: Dorzolamid hydrochlorid und Timolol hydrogenmaleat) verordnet.

Anschließend hat das Sozialgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Augenheilkunde Dr. U D eingeholt. Der Sachverständige hat sein Gutachten vom 26. Mai 2019 nach ambulanter Untersuchung des Klägers (am 26. Februar 2019) am 3. Juni 2019 erstattet. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten verwiesen.

 

Mit Urteil vom 30. Oktober 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine festbetragsfreie Arzneimittelversorgung mit Xalacom®. Soweit für ein Arzneimittel wirksam ein Festbetrag festgesetzt sei, trage die Krankenkasse – abgesehen von der Zuzahlung – die Kosten bis zur Höhe des Festbetrags. Für andere Arznei- oder Verbandmittel trage sie dagegen die vollen Kosten (abzüglich der Zuzahlung). Die behandelnden Ärzte müssten ihr Therapieverhalten an der Verpflichtung zur wirtschaftlichen Verordnung ausrichten und bei Verordnung eines festbetragsüberschreitenden Arzneimittels die Versicherten auf die sich darauf ergebende Pflicht zur Übernahme der Mehrkosten hinweisen. In einem atypischen Ausnahmefall, in dem aufgrund ungewöhnlicher Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich sei, greife die Beschränkung auf den Festbetrag nicht ein. Keine ausreichende Versorgung sei in diesem Sinne möglich, wenn die zum Festbetrag erhältlichen Arzneimittel unerwünschte Nebenwirkungen verursachten, die über bloße Unannehmlichkeiten oder Befindlichkeitsstörungen hinausgingen und damit selbst die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V entwickelten. Diese Voraussetzung müsse im Gerichtsverfahren grundsätzlich zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Lediglich für die zu prüfenden Kausalzusammenhänge zwischen dem Arzneimittel und den unerwünschten Nebenwirkungen genüge die überwiegende Wahrscheinlichkeit. Die Versicherten trügen hierfür die objektive Beweislast (Verweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Juli 2012 – B 1 KR 22/11 R Rdnr. 11, juris).

 

Die genannten Voraussetzungen habe die Kammer im Fall des Klägers nicht feststellen können. Der Sachverständige Dr. D habe eine allergische Reaktion des Klägers in Übereinstimmung mit der allgemeinmedizinischen Hausarztpraxis T ausgeschlossen, zumal alle fraglichen Medikamente denselben Rohstoff aufwiesen. Darüber hinaus fehle es – so implizit das Gutachten Dr. D – an einem ausreichenden Heilversuch. Bei Krankheiten von behandlungsbedürftigem Ausmaß als Folgen unerwünschter Arzneimittelwirkungen bestehe nicht bereits dann ein dauerhafter Anspruch auf ein nicht zum Festbetrag erhältliches Arzneimittel, wenn alle Festbetragsarzneimittel im konkret-individuellen Behandlungsfall des Versicherten nachweisbar gleichermaßen nebenwirkungsbehaftet seien. Vielmehr bestehe der Anspruch nur während eines Heilversuchs im Rahmen eines aussagekräftigen indikationsbezogenen Therapiezeitraums. In diesem müsse der Wegfall oder deutliche Rückgang der nebenwirkungsbedingten behandlungsbedürftigen Krankheit vollbeweislich gesichert sein. Zugleich dürften keine anderen, ähnlich belastenden neuen Nebenwirkungen wie bei den bisher angewendeten Festbetragsarzneimitteln auftreten. Im Fall des Klägers seien nicht alle festbetragsfreien Arzneimittel einem Heilversuch unterworfen worden. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht mehr mitzuteilen vermocht, welches Medikament wann die von ihm vorgetragenen Nebenwirkungen hervorgerufen habe. Es sei mit dem Sachverständigen Dr. D festzuhalten, dass auch dann entweder LatonoTim-Vision oder Latanoprost ratiopharm als Arzneimittel zum Festbetrag zur Verfügung stünden.

 

Der Kläger hat gegen das ihm am 11. November 2019 zugestellte Urteil am 6. Dezember 2019 Berufung eingelegt. Es sei nicht geklärt, ob ein Medikament, das jahrelang verordnet und bezahlt worden sei, plötzlich durch Änderung der Rabattverträge mit einer Festbetragsdifferenz belegt werden könne. Ein anderes Medikament sei versucht  worden, habe aber nicht gepasst. Nicht geklärt sei, was ein Patient ertragen müsse und was zumutbar sei, im Termin vor dem Sozialgericht sei kein Mediziner anwesend gewesen. 2017 sei Latanoprost ratiopharm zum Einsatz gekommen, was zu einer Unverträglichkeitsreaktion in Gestalt von Augenbrennen und Rötung geführt habe. Danach sei ein Umstieg auf Cosopt® erfolgt. Sein Augenarzt K und Dr. D hätten jeweils bestätigt, dass er nur Xalacom® vertrage. Der Streitgegenstand sei vom Sozialgericht zudem nicht umfassend ermittelt, das Gutachten Dr.  D sei mangelhaft. Es müsse von diesem zumindest eine weitere Stellungnahme eingeholt werden, denn er habe die Beweisfragen nicht erschöpfend behandelt, so u.a. zur Frage der Nebenwirkungen der Arzneimittel, die zum Festbetrag erhältlich seien (Frage 4. des Sozialgerichts in seiner Beweisanordnung). Es könne nicht sein, dass der Kläger nach jeder Änderung der Rabattverträge die Medikation wechseln müsse. Außerdem habe die Beklagte in der Vergangenheit bereits eine Entscheidung zu seinen Gunsten getroffen und die Festbetragsdifferenz übernommen. Nach dem Grundsatz der Selbstbindung wirke eine solche positive Entscheidung fort. Zumindest liege in der späteren Ablehnung ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 30. Oktober 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Behandlung mit Xalacom® ab Dezember 2017 zu übernehmen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr.  D sowie eine Stellungnahme und einen Befundbericht des behandelnden Augenarztes  T eingeholt.

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war. 

 

II.

 

Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten vorher angehört worden sind.

 

Die Berufung ist zulässig, bleibt aber ohne Erfolg.

 

Es lässt sich für den Senat nicht feststellen, dass der Kläger nur durch die Nutzung des begehrten Arzneimittels Xalacom®, das nicht zuzahlungsfrei erhältlich ist,   wirksam behandelt werden kann. Das gilt sowohl, soweit der Kläger eine Erstattung der Differenzkosten bereits seit Dezember 2017 als auch eine laufende Übernahme der Mehrkosten für die Behandlung mit Xalacom® begehrt. Sowohl eine Erstattung bereits verauslagter Kosten für die Beschaffung in der Vergangenheit nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als auch der Übernahme in Gegenwart und zukünftig erfordern jeweils, dass der Versicherte grundsätzlich einen Sachleistungsanspruch auf die Versorgung gerade mit dem beschafften bzw. begehrten Arzneimittel hat (vgl. für § 13 SGB V: Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 13 SGB V [Stand: 20.12.2021], Rn. 52).

 

a) Versicherte erhalten grundsätzlich die krankheitsbedingt notwendigen, nicht der Eigenverantwortung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zugeordneten Arzneimittel (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V) aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgrund vertragsärztlicher Verordnung. Ist für ein Arzneimittel wirksam ein Festbetrag festgesetzt, trägt die Krankenkasse grundsätzlich - abgesehen von der Zuzahlung (§ 31 Abs. 3 SGB V i.d.F. GKV-Modernisierungsgesetzes <GMG> vom 14.11.2003, BGBl I 2190) - die Kosten bis zur Höhe dieses Betrags. Für andere Arznei- oder Verbandmittel trägt die Krankenkasse dagegen regelmäßig die vollen Kosten abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung (§ 31 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB V). Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Abs. 1, 3a und 3b (§ 31 Abs. 2 Satz 2 SGB V).

Ist für eine Leistung - wie hier für Xalacom® - (wirksam) ein Festbetrag festgesetzt (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19. Mai 2016, Tragende Gründe, S. 12 unter 2. „Eckpunkte der Entscheidung“ für die Wirkstoffgruppe Latanoprost + Timolol), erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten regelmäßig mit dem Festbetrag (§ 12 Abs. 2 SGB V).

 

Die Festbetragsregelung ist Ausdruck des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V). Arzneimittel, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen oder unwirtschaftlich sind, weil sie gegenüber gleich geeigneten, ausreichenden und erforderlichen Mitteln teurer sind, sind aus dem Leistungskatalog der GKV grundsätzlich ausgeschlossen. Die Reichweite des Wirtschaftlichkeitsgebots begrenzt zugleich die Wirkkraft der Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel. Die Versicherten haben unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots Anspruch auf eine in der Qualität gesicherte Vollversorgung durch Sachleistungen und müssen sich nicht mit einer Teilkostenerstattung zufrieden geben. Hingegen entspricht es dem Wirtschaftlichkeitsgebot, bei gleicher Eignung im individuellen Fall den Anspruch auf ein anderes, nicht unter die Festbetragsregelung fallendes, preisgünstigeres Arzneimittel zu beschränken.

 

Die gesetzlich vorgegebenen Kriterien der Festbetragsfestsetzung sind nicht an den individuellen Verhältnissen des einzelnen Patienten ausgerichtet, sondern orientieren sich in generalisierender Weise an allen Versicherten. Dementsprechend sind die Festbeträge so festzusetzen, dass sie lediglich "im Allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten (§ 35 Abs. 5 Satz 1 SGB V). Geht es dagegen um einen atypischen Ausnahmefall, in dem - trotz Gewährleistung einer ausreichenden Arzneimittelversorgung durch die Festbetragsfestsetzung im Allgemeinen - aufgrund der ungewöhnlichen Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich ist, greift die Leistungsbeschränkung auf den Festbetrag nicht ein. Nach allgemeinen Grundsätzen tragen die Versicherten hierfür die objektive Beweislast (vgl. näher die Urteilsgründe des Sozialgerichts).

Der Anspruch eines Versicherten auf eigenanteilsfreie Versorgung mit einem nur oberhalb des Festbetrags erhältlichen Festbetragsarzneimittel hängt deshalb – wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat – davon ab, dass bei ihm zumindest objektiv nachweisbar

- eine zusätzliche behandlungsbedürftige Krankheit oder eine behandlungsbedürftige Verschlimmerung einer bereits vorliegenden Krankheit nach indikationsgerechter Nutzung aller anwendbaren, preislich den Festbetrag unterschreitenden Arzneimittel eintritt,

 

- dass die zusätzliche Erkrankung/Krankheitsverschlimmerung zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jeweils wesentlich durch die Anwendung der den Festbetrag im Preis unterschreitenden Arzneimittel bedingt ist

 

- und dass die Anwendung des nicht zum Festbetrag verfügbaren Festbetragsarzneimittels ohne Nebenwirkungen im Ausmaß einer behandlungsbedürftigen Krankheit bleibt und in diesem Sinne alternativlos ist (vgl. zum Ganzen Beschluss des Senats vom 21. Januar 2013 – L 9 KR 333/12 B ER – Rdnr. 7-12, zitiert nach juris).

 

b) Das Vorliegen der o.g. Voraussetzungen lässt sich für den Kläger auch im Ergebnis des Berufungsverfahrens nicht feststellen. Dass die Anwendung der Augentropfen von Xalakom® für den Kläger alternativlos ist und nur dieses Arzneimittel nebenwirkungsfrei ist, dagegen die Generika Nebenwirkungen auslösen, ist nicht nachgewiesen (aa). Vielmehr haben die Ermittlungen des Senats ergeben, dass die Anwendung von Xalacom® im Fall des Klägers sogar kontraindiziert war und ist (bb).

 

aa) Zum Festbetrag erhältliche Generika stellen Latanoprost plus Timolol (STADA 50, so onmeda.de, recherchiert am 27. Dezember 2021) und LATANOTIM-Vision 50 μg/ml + 5 mg/ml dar (so Gutachten Dr.  vom 23. Mai 2019). Der vom Sozialgericht beauftragte Sachverständige Dr.  hat bereits in seinem Gutachten vom 23. Mai 2019 auf die Frage des Sozialgerichts ausgeführt, die vom Kläger erst mit einem zeitlichen Abstand zur Anwendung des (weiteren) Generikums Latanoprost rationpharm comp. (Wirkstoffe: Timolol + Latanoprost) geschilderten Beschwerden in Gestalt von Augenschmerzen, brennenden Augen und Kopfschmerzen könnten keine allergischen Beschwerden sein, da diese zeitlich unmittelbar auftreten müssten (Antwort auf Frage 4.) Diese Einschätzung hat der Gutachter auf Nachfrage des Senats am 12. Januar 2021 dergestalt präzisiert, dass die vom Kläger geklagten Beschwerden, selbst wenn sie – wie in der Berufung vorgetragen – gleich nach der Anwendung aufgetreten sind, so insbesondere Kopfschmerzen, dem Generikum nicht zugeordnet werden könnten. Es ist nach der fachkundigen Einschätzung des Augenarztes nicht überzeugend, dass diese Beschwerden auf einem Generikum beruhen, das die gleichen Wirkstoffe wie das Original Xalacom® enthält. Die geschilderten spezifischen Beschwerden müssen vielmehr, so der Gutachter, eine andere Ursache haben, z.B. Prozesse in den Nasennebenhöhlen.

 

bb) Die vom Senat erbetenen Ausführungen des den Kläger behandelnden Augenarztes  T bestätigen die Sicht des Klägers nicht, ganz im Gegenteil: Denn der Arzt hat Xalacom® schon nicht verordnet, außerdem begründete er jüngst sogar eine Kontraindikation für diese Augentropfen und hat sie zwischenzeitlich abgesetzt. So verordnete er seit April 2018 (wohl neben dem beim Kläger seinerzeit noch vorhandenen und dann selbst beschafften Xalacom®) in Fortsetzung der kombinierten Anwendung die Augentropfen von Cosopt® neben Xalacom®, das erstere enthält eine Wirkstoffkombination von Dorzelamid und Timolol. Seit Oktober 2020 stellte der Arzt dann aber die Versorgung des Klägers allein auf Trusopt® um, was nur noch den Wirkstoff Dorzolamid enthält. Zeitgleich beendete er die ergänzende Anwendung der Wirkstoffkombination Xalacom® (vgl. dazu zunächst seine knappe Auskunft vom Januar 2021). Er begründete diesen Schritt in seinem Befundbericht vom 18. Februar 2021 damit, dass der Einsatz von Xalacom® die Grunderkrankung des Klägers verschlimmert habe und Trusopt® (dreimal beidseits pro Tag) ausreichend sei. Vor allem mit Blick auf diesen Hintergrund ist ein Anspruch auf eine festbetragsfreie Versorgung mit Xalacom® ab Oktober 2020 wie auch im Zeitraum davor zur Überzeugung des Senats ausgeschlossen. Es kann deshalb auch offen bleiben, ob bei dem Kläger überhaupt alle der Festbetragsgruppe zugeordneten Arzneimittel zur Anwendung gekommen sind.

 

c) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte ihm den Differenzbetrag für Xalacom® ein einziges Mal bewilligt hat, nämlich mit Bescheid vom 30. Juni 2017. Darin liegt weder eine Selbstbindung für die Zukunft noch beinhaltet die weitergehende Ablehnung einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung. Der Bescheid vom 30. Juni 2017 ist nach seinem Inhalt ganz klar und unmissverständlich als Einzelfallentscheidung ohne einen darüber hinaus reichenden Rechtsbindungswillen gefasst. Er war schon deshalb nicht geeignet weitergehende Rechte oder zumindest ein schützenswertes Vertrauen dahingehend zu begründen, dass weitere gleichlautende Entscheidungen noch ergehen würden.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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