L 15 SO 142/18

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 184 SO 53/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 142/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juni 2018 wird zurückgewiesen.


Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt vom Beklagten, hilfsweise von der beigeladenen Krankenkasse, die Freistellung von Kosten in Höhe von 16.669,94 Euro durch Zahlung an den beigeladenen ambulanten Pflegedienst für von diesem erbrachte Assistenzleistungen während seines Krankenhausaufenthaltes vom 22. Januar 2013 bis zum 25. Februar 2013.

 

Der am  1987 geborene, nahezu vollständig bewegungsunfähige und auf eine ständige Maskenbeatmung angewiesene Kläger ist wegen einer Muskeldystrophie Duchenne mit Ateminsuffizienz und Tetraparese mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt. Ihm wurden die Merkzeichen „aG“, „H“ und „RF“ zuerkannt. Der vermögenslose Kläger lebte im streitgegenständlichen Zeitraum allein in einer knapp 70m2 großen Zweizimmerwohnung, wobei eines der Zimmer als Assistenzzimmer diente. Der Beklagte hatte die Kosten der Wohnung (Grundmiete: 389,00 Euro, Betriebskostenvorauszahlungen 120,00 Euro, Heizkostenvorauszahlungen: 130,00 Euro) vollständig als Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt. Der Kläger bezog laufenden Unterhalt von seinem Vater in Höhe von 419,26 Euro im Monat. Weiteres Einkommen erzielte der dauerhaft voll erwerbsgeminderte Kläger nicht. Er bezog aufgrund des Bescheides des Beklagten vom 27. November 2012 für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 30. April 2013 Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) in Höhe von 666,68 Euro monatlich.

 

Für den Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum die Pflegestufe III mit Härtefall anerkannt. Er erhielt von seiner Pflegekasse daher bis zu 1.918,00 Euro im Monat als Leistungen für häusliche Pflegehilfe. Die beigeladene Krankenkasse des Klägers hatte diesem häusliche Krankenpflege nach § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Form von mindestens 22 und höchstens 23 Stunden Behandlungspflege am Tag mit Beatmung abzüglich der Grundpflege bewilligt.

 

Der beigeladene ambulante Pflegedienst de.V., bei dem es sich um eine zugelassene Pflegeinrichtung nach § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) handelt, der jedoch über keinen Versorgungsvertrag nach § 132a SGB V für die Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V verfügt, hatte mit dem Beklagten, vertreten durch die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, eine Vereinbarung nach § 75 Absatz 3 SGB XII (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung <im Folgenden: a.F.>) unter anderem für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2013 über zeitlich umfangreiche Pflegen (Leistungskomplex <LK> 32) für den in der rahmenvertraglichen Vereinbarung nach § 79 Absatz 1 SGB XII (alt § 93 Bundessozialhilfegesetz <BSHG> vom 4. Oktober 1996) beschriebenen Personenkreis, der einen sozialhilferechtlichen Anspruch auf die Übernahme der Aufwendungen durch den zuständigen Sozialhilfeträger hat, zu einem Vergütungssatz von 21,83 Euro pro Stunde abgeschlossen. Für den Vertragszeitraum sollten die Rahmenbedingungen der rahmenvertraglichen Vereinbarung § 79 Absatz 1 SGB XII geltenden Fassung (alt § 93 BSHG vom 4. Oktober 1996) sowie die dazu gehörenden Beschlüsse der Berliner Vertragskommission Soziales gelten. Die Vertragspartner waren sich einig, dass Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen für zeitlich umfangreiche Pflegen durch die Regelungen des Berliner Rahmenvertrages (BRV) und deren Anlagen näher beschrieben werden.

 

Mit Beschluss Nr. 6/2011 der Berliner Vertragskommission Soziales vom 13. September 2011 war die rahmenvertragliche Vereinbarung nach § 93 BSHG vom 4. Oktober 1996, geändert durch Beschluss Nr. 2/2001 in der mit dem Beschluss vom 13. September 2011 aktualisierten Fassung Bestandteil des BRV gemäß § 79 Absatz 1 SGB XII geworden. In der Anlage 2 zum Beschluss Nr. 6/2011 (ursprünglich Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Absatz 3 SGB XII <alt: § 93 Absatz 2 BSHG> über die Erbringung von Leistungen der Haushilfe und der Hauspflege nach §§ 27 Absatz 3, 61 ff., 70 SGB XII <alt: §§ 11 Absatz 3, 68 ff. 70 BSHG> vom 4. Oktober 1996) wird die persönliche Assistenz beschrieben als am individuellen Bedarf orientierte Hilfen bei den täglichen Verrichtungen, bestimmt durch die Lebensrealität der auf Assistenz angewiesenen Menschen, die eine kontinuierliche Arbeitstätigkeit erforderlich machten, deren Ausdifferenzierung in Einzelleistungen nicht sinnvoll sei, insbesondere weil nicht planbare pflegerische Leistungen im großen Umfang parallel zu anderen Leistungen anfielen. Persönliche Assistenz diene der eigenständigen Gestaltung des Alltags in der eigenen Wohnung bzw. in einer selbstgewählten Umgebung. Der LK 32 sei anzuwenden, wenn nach der Art des Hilfebedarfs eine zeitlich bestimmte Anwesenheit eines Assistenten bzw. einer Assistentin von in der Regel mindestens fünf Stunden pro Tag erforderlich sei und Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI vorliege. Dabei sei davon auszugehen, dass in Zeiten, in denen persönliche Assistenz geleistet werde, zeitlich parallel kein weiterer Bedarf zu decken sei, da die Persönliche Assistenz den individuellen Hilfebedarf des Alltags nicht nur pflegerisch, sondern umfassend abdecke.

 

Der beigeladene Pflegedienst und der Kläger schlossen im April 2011 einen Assistenzvertrag. Leistungsart und -umfang ab dem 10. Juli 2008 sollten sich aus der „Anlage 1 zum Assistenzvertrag: Leistungsvereinbarung“ ergeben. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 vereinbarten der beigeladene Pflegedienst und der Kläger unter der Überschrift „Anlage 1 zum Assistenzvertrag vom 1. April 2011 Leistungsvereinbarung nach SGB XI“ am 21. Januar 2013 die Erbringung des LK 32 Persönliche Assistenz im Umfang von 24 Stunden am Tag zu einem Preis je Stunde von 21,83 Euro zuzüglich Investitionskosten nach § 82 SGB XI von 2,5 Prozent des Rechnungsbetrages. Im Assistenzvertrag verpflichtete sich der Kläger gegenüber dem beigeladenen Pflegedienst, die Kosten für erbrachte Leistungen auf der Grundlage der jeweils geltenden Vergütungsvereinbarungen selbst zu tragen, wenn kein Kostenträger die Kostenübernahme erklärt.

 

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII in Form von ambulanter Hilfe zur Pflege durch den beigeladenen Pflegedienst für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2013. Art und Umfang der gewährten Leistungen seien „LK 32 = 7 x wöchentlich für 24 Stunden zuzüglich der Grundpflege à 5,26 Euro pro Stunde“. Diese Hilfe werde abzüglich der Sachleistungen der Pflegeversicherung gemäß Pflegestufe III H und der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V gewährt. Ein Eigenanteil aus Einkommen und Vermögen sei nicht zu leisten. Nach der Rechtsbehelfsbelehrung unter der Überschrift „Bitte beachten Sie folgende Hinweise“ enthielt der Bescheid die Aufforderung, vorübergehende Abwesenheiten aus dem Haushalt (z.B. Krankenhausaufenthalt, Reise usw.) unverzüglich mitzuteilen, da für diese Zeit grundsätzlich kein Anspruch bestehe.

 

Darüber hinaus bewilligte der Beklagte dem Kläger mit weiterem Bescheid vom 16. Oktober 2012 ein Restpflegegeld nach § 64 Absatz 3 SGB XII a.F. in Höhe von 233,31 Euro im Monat.

 

Der beigeladene Pflegedienst zeigte am 23. Januar 2013 im Auftrag des Klägers gegenüber dem Beklagten an, dass dieser am 22. Januar 2013 wegen hohen Fiebers und schwacher körperlicher Verfassung auf Veranlassung eines Notarztes um 23 Uhr zunächst im Klinikum, , stationär aufgenommen worden sei und sich seit dem 23. Januar 2013 in der C Centrum für Innere Medizin und Dermatologie in stationärer Krankenhausbehandlung befinde. Im Krankenhaus sei Assistenz durch vertraute Assistenten im Sinne einer ausreichenden Versorgung besonders wichtig, da der Kläger rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen sei und selbst keinen Notrufknopf bedienen könne, um sich bemerkbar zu machen. Insoweit werde auf eine nachzureichende Stellungnahme des Krankenhauses verwiesen. Es werde davon ausgegangen, dass die Kosten der Assistenz für täglich 24 Stunden für die Dauer des Krankenhausaufenthaltes in entsprechender Anwendung von § 63 Satz 4 SGB XII vom Beklagten übernommen würden.

 

Der Kläger schloss am 23. Januar 2013 einen Behandlungsvertrag mit der beigeladenen , Körperschaft des Öffentlichen Rechts (im Folgenden: C), einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus, über stationäre Krankenhausbehandlung, mit dem sich das Universitätsklinikum verpflichtete, die notwendigen und zweckmäßigen Behandlungsleistungen zu erbringen, und der Kläger für den Fall einer nicht vollständig kostendeckenden Kostenübernahmeerklärung seiner Krankenkasse die Kosten aller in Anspruch genommenen Leistungen als Selbstzahler zu tragen.

 

Mit Schreiben vom 14. März 2013 teilte der in der Cals Oberarzt tätige Dr. Z mit, dass der Kläger vom 22. Januar 2013 bis 25. Februar 2013 stationär in der C gewesen sei. Aufgrund seiner Behinderung habe der Kläger persönliche Assistenz im Umfang von 24 Stunden am Tag benötigt, die durch den beigeladenen Pflegedienst erbracht worden sei. Diese sei erforderlich gewesen zur Abdeckung zeitlich nicht planbarer Hilfen und zur Verrichtung aller grundpflegerischen Tätigkeiten. Der Kläger habe keine ausreichende Kraft in seinen Fingern, um sich per Klingelknopf bemerkbar zu machen. Es bestehe immer die Möglichkeit des Eintritts von Notfällen.

 

Die von den Assistenten des Klägers erbrachten Hilfen (insbesondere Lagerungen und Mikrolagerungen, Anreichen von Essen und Trinken, Unterstützung bei der Ausscheidung und beim Abhusten, Waschen und Eincremen, Beruhigen bei Panikattacken, Anwärmen von Kissen, Information des Krankenhauspersonals, Erledigung von Besorgungen, Unterstützung beim Fernsehen und Telefonieren) zwischen dem 22. Januar 2013 um 23:30 Uhr und dem 25. Februar 2013 um 10:00 Uhr ergeben sich aus der Pflegedokumentation für diesen Zeitraum, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Der beigeladene Pflegedienst stellte dem Kläger für aus den Leistungsnachweisen für die Zeit vom 22. Januar 2013 um 23:00 Uhr bis zum 25. Februar 2013 um 10:00 Uhr ersichtliche Assistenzleistungen (745 Stunden) insgesamt 16.669,94 Euro in Rechnung (Rechnungen von 12. Februar 2013 und 13. März 2013). Wegen der Einzelheiten wird sowohl auf die Leistungsnachweise als auch auf die Rechnungen Bezug genommen. Zwischen dem Kläger und dem beigeladenen Pflegedienst wurde die Stundung der Rechnungsforderungen vereinbart.

 

Für den stationären Krankenhausaufenthalt in der beigeladenen C vom 23. Januar 2013 bis zum 25. Februar 2013 vergütete die beigeladene Krankenkasse des Klägers dem Krankenhaus einen pauschalierten Betrag von 39.195,51 Euro. Mit Bescheid vom 26. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2018 lehnte die Krankenkasse des Klägers dessen Antrag vom 20. September 2018 auf Kostenübernahme für die durch den beigeladenen Pflegedienst erbrachten Assistenzleistungen unter anderem für den hier streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalt mit der Begründung ab, Leistungsanträge für diesen Zeitraum seien verjährt. Dagegen ist seit dem 21. Januar 2019 vor dem SG Berlin unter dem Aktenzeichen S 73 KR 165/19 ein Klageverfahren gegen die Krankenkasse des Klägers anhängig, zu dem der hiesige Beklagte, die Pflegekasse des Klägers und die C beigeladen sind.
 

Mit Bescheid vom 9. April 2015 lehnte der Beklagte gegenüber dem Kläger die Übernahme der Kosten der Assistenzpflege für täglich 24 Stunden während des Krankenhausaufenthaltes vom 22. Januar 2013 bis zum 25. Februar 2013 mit der Begründung ab, während eines kurzfristigen Krankenhausaufenthaltes entfalle nach § 63 Satz 3 SGB XII a.F. der Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege. Der LK 32 sei im Krankenhaus nicht zu gewähren. Etwas anderes gelte nur bei Sicherstellung der Pflege durch selbst beschäftigte besondere Pflegekräfte (so genanntes Arbeitgebermodell). Dagegen legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 28. April 2015 Widerspruch ein, mit dem er geltend machte, dass der Ablehnungsbescheid rechtswidrig sei, weil er einen Anspruch auf Kostenübernahme habe. Der Kläger verwies zur Begründung darauf, dass der vom Beklagten herangezogene Leistungsausschluss nicht anwendbar sei und dass das Krankenhaus schriftlich bestätigt habe, nicht zur Sicherstellung der Pflege im beantragten Umfang in der Lage gewesen zu sein. Des Weiteren sei jedenfalls eine Gleichbehandlung mit den Leistungsberechtigten geboten, die ihre Pflege mit dem Arbeitgebermodell sicherstellten. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2015 mit der Begründung zurück, es sei davon auszugehen, dass die notwendige pflegerische Versorgung durch das Krankenhaus habe erbracht werden können, weil die Pflege und Betreuung des Klägers während des stationären Aufenthaltes dort dessen Aufgabe sei. Gegebenenfalls hätte eine Verlegung auf die intensivmedizinische Station vorgenommen werden müssen, um eine durchgehende Beaufsichtigung und den Pflegeumfang sicherzustellen, den der Krankheitszustand des Klägers notwendig mache. Eine Ausnahme sei vom Gesetz nur für die im Arbeitgebermodell sichergestellte Assistenzpflege vorgesehen.

 

Der weiterhin durch seinen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger hat am 13. Januar 2016 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhoben, mit dem ausdrücklich formulierten Antrag, den Beklagten zu verurteilen, durch Zahlung an den beigeladenen Pflegedienst ihn von 16.669,94 Euro für die Zeit vom 22. Januar 2013 bis zum 25. Februar 2013 aufgrund von geleisteter Hilfe zur Pflege im Krankenhaus freizustellen. Die Weigerung des Beklagten, den Kläger von der geforderten Summe freizustellen, sei rechtswidrig. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, dass sich bereits aus dem Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 2012 diesem gegenüber ein Anspruch auf die begehrte Freistellung durch Zahlung an den beigeladenen Pflegedienst ergebe. Diesen Bescheid habe der Beklagte nicht aufgehoben. Hilfsweise werde auf die Begründung aus dem Widerspruch vom 28. April 2015 verwiesen. Der LK 32 sehe Assistenz auch außerhalb der eigenen Häuslichkeit vor und umfasse sowohl Bereitschaftszeiten als auch Kommunikationshilfen.

 

Der Beklagte ist dem Begehren mit der Begründung entgegengetreten, der Bewilligungsbescheid vom 16. Oktober 2012 beziehe sich auf Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege. Während des Krankenhausaufenthaltes ruhe der Anspruch auf häusliche Pflege. Selbst wenn der Kläger mit dem Pflegedienst die Erbringung persönlicher Assistenz im Krankenhaus vereinbart haben sollte, sei dazu kein Schuldbeitritt durch den Beklagten erfolgt.

 

Das SG hat mit Beschluss vom 31. Januar 2017 den ambulanten Pflegedienst (Beigeladener zu 1>), die Krankenkasse des Klägers (Beigeladene zu 2>) sowie die C (Beigeladene zu 3>) nach § 75 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen. Sachanträge haben die drei Beigeladenen erstinstanzlich nicht gestellt.

 

Die beigeladene Krankenkasse, der der Beiladungsbeschluss – ebenso wie dem beigeladenen Pflegedienst – am 11. Februar 2017 zugestellt worden ist, hat darauf hingewiesen, dass bei einer Krankenhausbehandlung die umfassende Versorgung des Patienten durch das Krankenhaus erfolge, so dass weitergehende Ansprüche nach dem SGB V über die übernommene Vergütung für die erbrachte Sachleistung hinaus nicht in Betracht kämen. Die aus der vorliegenden Pflegedokumentation ersichtlichen Verrichtungen unterfielen zudem ausnahmslos der vom Krankenhaus zu erbringenden Krankenpflege, für die dieses vergütet worden sei.

 

Das beigeladene Krankenhaus, dem der Beiladungsbeschluss am 13. Februar 2017 zugestellt worden ist, hat demgegenüber vorgetragen, dass die besonderen Bedürfnisse des Klägers durch die von seinem Pflegepersonal erbrachte Grund- und Behandlungspflege nicht ausreichend abgedeckt worden sei, weil eine 24stündige Anwesenheit von Pflegepersonal auf der Station für außerklinisch beatmete Patienten, auf der der Kläger behandelt worden sei, weder vorgesehen noch möglich sei. Die auf der Station vorhandene Besetzung mit Pflegepersonal könne die notwendige Häufigkeit der Assistenz nicht gewährleisten. Zusätzliche Sitzwachen, die keine Pflegekräfte seien, dürften weder Essen oder Trinken anreichen noch die Atemmaske anpassen und könnten auch keine Mikrolagerungen vornehmen.

 

Erstmals in der mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2018 – an der der beigeladene Pflegedienst nicht teilgenommen hat – hat der Kläger bezogen auf die hier streitgegenständliche Krankenhausbehandlung sein Freistellungsbegehren hilfsweise auch gegenüber der beigeladenen Krankenkasse geltend gemacht.

 

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. Juni 2018 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei als isolierte Leistungsklage nach § 54 Absatz 5 SGG gerichtet auf Freistellung sowohl mit ihrem Hauptantrag gegenüber dem Beklagten als auch mit ihrem Hilfsantrag gegenüber der beigeladenen Krankenkasse zulässig, aber unbegründet. Aus dem Bescheid vom 16. Oktober 2012 ergebe sich keine rechtliche Grundlage für eine Kostenübernahme während des stationären Krankenhausaufenthaltes. Durch die Bezugnahme auf den LK 32 in dem Bescheid sei vielmehr geregelt, dass die Assistenz in der eigenen Wohnung bzw. in einer selbstgewählten Umgebung zu erbringen sei. Dazu zähle ein Krankenhaus nicht. Zudem enthalte der Bescheid einen Hinweis auf das Ruhen des Anspruchs während eines Krankenhausaufenthaltes. Auch im Übrigen bestehe keine Verpflichtung des Beklagten zu einem Schuldbeitritt, da jedenfalls nach § 63 Satz 3 SGB XII a.F. keine Leistungen der häuslichen Pflege während eines stationären Krankenhausaufenthaltes in Betracht kämen. Die erfolgte gesetzgeberische Entscheidung zugunsten des Arbeitgebermodells schließe eine teleologische Reduktion des Ausschlusstatbestandes ebenso mangels Vorhandenseins einer Regelungslücke aus wie eine Analogie des Ausnahmetatbestandes. Das Ziel der Aufrechterhaltung des selbstorganisierten Pflegesystems stelle einen sachlichen Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung dar. Auch gegenüber der Krankenkasse bestehe kein Anspruch, weil diese die Kosten für die Krankenhausbehandlung des Klägers getragen habe. Das Krankenhaus sei zur Sicherstellung von umfassender Pflege zugunsten des Klägers verpflichtet gewesen. Gegebenenfalls habe dies über abrechenbare Zusatzentgelte zu erfolgen. Schließlich habe der Kläger sich vor der Inanspruchnahme der Leistung auch nicht an seine Krankenkasse gewandt.

 

Der Kläger hat am 13. Juli 2018 Berufung gegen das ihm am 4. Juli 2018 zugestellte Urteil beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingelegt, mit der er sein Freistellungsbegehren weiter verfolgt. Der Kläger hat seine Berufung unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens erstmals am 21. Januar 2019 begründet und zugleich den Bescheid der beigeladenen Krankenkasse vom 26. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2018 übersandt. Sein Hauptantrag sei aus dem Bescheid vom 16. Oktober 2012 begründet. Das Aufsuchen des Krankenhauses sei seinem Willen überlassen geblieben, stelle also tatsächlich eine selbstgewählte Umgebung dar. Darüber hinaus sei der Leistungsausschluss des § 63 Satz 3 SGB XII a.F. verfassungswidrig bzw. verfassungskonform auszulegen. Dieser führe zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung, weil auch bei Einschaltung eines Pflegedienstes die Organisation der Pflege „mühsam“ sei. Der Gesetzgeber habe das Pflegedefizit im Krankenhaus erkannt und nur aus finanziellen Gründen nicht für alle Assistenznehmer gleich geregelt. Die UN-Behindertenrechtskonvention verlange die diskriminierungsfreie Versorgung von Menschen mit Behinderungen im Gesundheitsbereich. Ohne eine lückenlose Rund-um-die-Uhr-Betreuung könne er jedoch kein Krankenhaus stationär aufsuchen. Etwaige Ansprüche gegenüber der Krankenkasse oder dem Krankenhaus stellten jedenfalls keine bereiten Mittel dar, mit denen er seinen Bedarf habe decken können, wobei die für ihn erforderlichen Hilfebedarfe bereits nicht von der vom Krankenhaus geschuldeten Krankenpflege umfasst seien. Eine Pflegebereitschaft im erforderlichen Umfang sei allenfalls auf einer Intensivstation vorhanden, wo er sich jedoch nicht aufgehalten habe. Damit liege ein Verstoß gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz vor, weshalb der Leistungsausschluss einschränkend auszulegen sei. Sein ständiger Bedarf an einer 24-Stunden-Begleitung sei durch den Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 2012 unstreitig festgestellt.

 

Der Kläger beantragt,

 

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juni 2018 zu verurteilen, ihn von Kosten in Höhe von 16.669,94 Euro durch Zahlung an den Beigeladene zu 1) für geleistete persönliche Assistenz im Krankenhaus in der Zeit vom 22. Januar 2013 bis zum 25. Februar 2013 freizustellen,

 

hilfsweise die Beigeladene zu 2) unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juni 2018 und des Bescheides der Beigeladenen zu 2) vom 26. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2018 zu verurteilen, ihn von Kosten in Höhe von 16.669,94 Euro durch Zahlung an den Beigeladenen zu 1) für geleistete persönliche Assistenz im Krankenhaus in der Zeit vom 22. Januar 2013 bis zum 25. Februar 2013 freizustellen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Die Beigeladenen haben auch im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt.

 

Der Beigeladene zu 1) hat sich der Rechtsauffassung des Klägers angeschlossen.

 

Die Beigeladene zu 2) hat darauf hingewiesen, dass es das Wesen einer Fallpauschale bedinge, dass ein Krankenhaus – gegebenenfalls über zu beauftragende Dritte – einen Mehraufwand leisten müsse. Ebenso sei die jeweilige Pauschale aber auch bei tatsächlich geringerem Aufwand zugrunde zu legen.

 

Die Beigeladene zu 3) hat darauf verwiesen, dass die im Verhältnis zur Krankenkasse nach der Fallpauschalenvereinbarung 2013 abrechenbaren, hier jedoch nicht in Rechnung gestellten Zusatzentgelte ZE-130.01 (1.110,00 Euro) bzw. ZE-130.02 (2.229,00 Euro) belegten, dass der Aufwand für hochaufwändige Pflegegrade nicht adäquat in die Fallpauschalen eingegangen sei. Bezogen auf den vorliegend streitgegenständlichen Rechnungsbetrag werde ein eklatantes Missverhältnis deutlich. Eine Vereinbarung über das Zusatzentgelt ZE2013-36 „Versorgung von Schwerstbehinderten“ zwischen der Beigeladenen zu 3) und den Krankenkassenverbänden habe nicht vorgelegen. Da Vergütungsgerechtigkeit im System der Fallpauschalen nicht erreichbar sei, liege ein Systemversagen vor. Bezogen auf das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3) erhebe diese vorsorglich die Einrede der Verjährung.

 

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, auf die wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen wird, sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die nach § 143 in Verbindung mit § 144 Absatz 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung des Klägers ist weder mit ihrem Hauptantrag noch mit ihrem Hilfsantrag begründet.

 

Das SG hat die isolierte allgemeine Leistungsklage (§ 54 Absatz 5 SGG) des Klägers gegen den Beklagten gerichtet auf Freistellung von Kosten in Höhe von 16.669,94 Euro durch Zahlung an den beigeladenen Pflegedienst im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen.

 

Soweit der Kläger diesen Anspruch aus dem Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 2012 ableitet, besteht für die Klage trotz des aus Sicht des Klägers bereits vorliegenden Schuldbeitritts des Beklagten auch für Assistenzleistungen im Krankenhaus, der den beigeladenen Pflegedienst berechtigen würde, seinen Zahlungsanspruch vor den Zivilgerichten durchzusetzen (vgl. nur Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 30. September 2014 - B 8 SF 1/14 R, Rn.10 - juris), ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Beklagte gerade dies in Abrede stellt.

 

Der Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 2012 stellt jedoch keine Rechtsgrundlage für den vom Kläger isoliert geltend gemachten Freistellungsanspruch dar. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2013 – und damit auch während des vorliegend streitgegenständlichen Leistungszeitraums – Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII in Form von ambulanter Hilfe zur Pflege durch den beigeladenen Pflegedienst bewilligt, wobei sich die gewährten Leistungen auf den LK 32 für täglich 24 Stunden bezogen. Ambulante Leistungen sind nach der gesetzlichen Definition in § 13 Absatz 1 SGB XII in der vom 7. Dezember 2006 bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung Leistungen für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen. Dementsprechend werden unter ambulanten Pflegeleistungen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch solche der häuslichen Pflege verstanden (vgl. nur Koch, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: Dezember 2021, Rn.3 zu § 3 SGB XI, der die Begriffe „ambulant“ und „häuslich“ als gleichbedeutend nebeneinander nutzt). Wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat, wird die Erbringung von Assistenzleistungen im Krankenhaus auch nicht von der Leistungsbeschreibung des LK 32 erfasst, so dass eine Freistellung des Klägers von Kosten durch Zahlung an den beigeladenen Pflegedienst für die Erbringung von Assistenzleistungen im Krankenhaus im streitigen Leistungszeitraum nicht von der Leistungsbewilligung umfasst ist.

 

Nach der zwischen den Beteiligten aufgrund ihres Vertrages nach § 75 Absatz 3 SGB XII a.F. geltenden Leistungsbeschreibung des BRV ist als Leistungsinhalt des LK 32 die Erbringung von Assistenzleistungen zur „eigenständigen Gestaltung des Alltags in der eigenen Wohnung bzw. in einer selbstgewählten Umgebung“ vorgesehen. Dies schließt die Erbringung von Assistenzleistungen während eines stationären Krankenhausaufenthaltes nicht ein, weil es sich dabei nicht um eine eigenständige Gestaltung des Alltags in einer selbstgewählten Umgebung handelt. Dies folgt aus der Gleichstellung der selbstgewählten Umgebung mit der eigenen Wohnung als Ausgangsort der Leistungserbringung. Eine Wohnung setzt begrifflich eine in sich geschlossene Einheit von Räumen voraus, in denen ein selbständiger Haushalt geführt werden kann, wobei eine Wasserversorgung und -entsorgung sowie das Vorhandensein einer Toilette und einer Kochgelegenheit wesentlich sind (Spellbrink, in: Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2021, Rn.10 zu § 30 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil <SGB I> m.w.N.). Damit wird auf den selbstgewählten Lebensmittelpunkt als Anknüpfungspunkt der Leistungserbringung Bezug genommen. Der selbstgewählte Lebensmittelpunkt besteht bei einem vorübergehenden Krankenhausaufenthalt aber weiterhin in der – im Fall des Klägers – eigenen Wohnung fort. Bestätigt wird dies durch die Verwendung der Begriffe „Haushilfe“ und „Hauspflege“ in der ursprünglichen Bezeichnung der Anlage 2 zum Beschluss Nr. 6/2011. Über den LK 32 sollen nach dem Willen der Vertragsschließenden des Rahmenvertrages, der durch die Bezugnahme des Leistungserbringungsvertrages mit dem hier beigeladenen Pflegedienst dessen Leistungen beschreibt und die dieser wiederum als Inhalt seines Vertrages mit dem Kläger zugrunde gelegt hat, Assistenzleistungen anknüpfend an das Zuhause des Leistungsberechtigten erbracht werden, das in einer eigenen Wohnung oder aber an einem anderen von diesem selbst gewählten Ort liegen kann. Darüber hinaus fehlt es bei einer medizinisch notwendigen stationären Krankenhausbehandlung weitgehend an einer eigenständigen Alltagsgestaltung. Der Alltag während eines stationären Krankenhausaufenthaltes wird im Wesentlichen durch die dortige Behandlung bestimmt.

 

Durch die Aufforderung im Rahmen der Hinweise nach der Rechtsbehelfsbelehrung, vorübergehende Abwesenheiten aus dem Haushalt (z.B. Krankenhausaufenthalt, Reise usw.) unverzüglich mitzuteilen, da für diese Zeit grundsätzlich kein Anspruch bestehe, hat der Beklagte gegenüber dem Kläger den danach begrenzten Umfang der bereits aus der Leistungsbeschreibung folgenden Leistungsbewilligung ergänzend deutlich gemacht. Dementsprechend hat der Kläger den Krankenhausaufenthalt auch zeitnah angezeigt und mit der zum Ausdruck gebrachten Annahme, dass der Beklagte die Kosten der Assistenz auch im Krankenhaus übernehme, konkludent einen entsprechenden Antrag auf eine weitere Leistungsgewährung gestellt, den der Beklagte nachfolgend mit dem Bescheid vom 9. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2015 abgelehnt hat.

 

Eine anderweitige Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Freistellungsanspruch ist nicht ersichtlich. Eine auf einen weiteren Beitritt des Beklagten zu einer Schuld des Klägers gegenüber dem beigeladenen Pflegedienst unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 9. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2015 gerichtete kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. zur richtigen Klageart BSG, Urteil vom 6. Dezember 2018 - B 8 SO 7/17 R, Rn.12 - juris) hat der anwaltlich vertretene Kläger vorliegend nicht erhoben (vgl. zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis grundlegend BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R, Rn.15 ff. - juris; für die Übertragung dieser Rechtsprechung auf ambulante Dienste BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 30/10 R, Rn.16 - juris; zuletzt etwa BSG, Beschluss vom 7. Oktober 2021 - B 8 SO 14/21 B, Rn.7 - juris). Wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat, liegt hier lediglich eine isolierte allgemeine Leistungsklage vor.

 

Zwar bestimmt gemäß § 123 SGG das Klagebegehren den Umfang der gerichtlichen Prüfung, ohne dass das Gericht an die Fassung der Anträge gebunden ist. Der Kläger gibt mit der Angabe des Klagebegehrens jedoch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidung vor. Diesen Rahmen muss das Gericht ausfüllen, darf andererseits aber entsprechend dem Grundsatz „ne ultra petita“ auch nicht darüber hinausgehen (Föllmer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 7. Dezember 2021, Rn.31 zu § 92 SGG; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Auflage 2020, Rn.4 zu § 123 SGG). Bei einem von einem Rechtsanwalt oder einem anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten gestellten Klageantrag ist in der Regel anzunehmen, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt (BSG, Beschluss vom 5. Juni 2014 - B 10 ÜG 29/13 B, Rn.12 - juris). Gleichwohl kann die Hinwirkungspflicht des § 106 Absatz 1 SGG auch bei vertretenen Beteiligten keineswegs entfallen, insbesondere wenn für das Gericht erkennbar ein Irrtum vorliegt (Giesbert, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: 15. Juli 2017, Rn.20 zu § 123 SGG). Anhaltspunkte für einen solchen Irrtum oder die Annahme, der Klageantrag gebe nicht das Begehrte wieder, sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich.

 

Zwar ist die vorliegende Klage innerhalb der Klagefrist des § 87 SGG gegen den Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2015 erhoben worden. Neben dem ausdrücklich formulierten Klageantrag spricht allerdings der Umstand, dass weder der Klageschrift noch der Klagebegründung etwaige Bescheide beigefügt waren, die Gegenstand einer Anfechtungsklage sein könnten, gegen die Annahme eines über die isolierte allgemeine Leistungsklage hinausgehenden Klagebegehrens als wirklich Gewolltem. Anders als noch während des Widerspruchsverfahrens stützt der Kläger sein Begehren nicht auf einen aus seiner Sicht bestehenden, über die erfolgte Bewilligung hinausgehenden Leistungsanspruch, sondern leitet diesen argumentativ wiederholt aus dem laufenden Bewilligungsbescheid über die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege vom 16. Oktober 2012 ab. Daran ändert auch die Bezugnahme auf die Begründung aus dem Widerspruch im Rahmen der Klagebegründung nichts. Damit werden lediglich die Ausführungen in Bezug genommen, dass der vom Beklagten herangezogene Leistungsausschluss nicht anwendbar sei sowie auf die Bestätigung des Krankenhauses, selbst nicht zur Sicherstellung der Pflege im beantragten Umfang in der Lage gewesen zu sein. Die Ausführungen über die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 63 Satz 3 SGB XII a.F. zur Begründung des Klagebegehrens erfolgen als allgemeine Rechtsausführungen ohne jegliche Anknüpfung an eine Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Beklagten vom 9. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2015 und eine weitergehende Leistungsverpflichtung des Beklagten zu einem darüber hinausgehenden Schuldbeitritt und stellen sich so als argumentative Untermauerung des aus dem Bescheid vom 16. Oktober 2012 aus Sicht des Klägers folgenden Leistungsanspruchs dar. Letztlich wird das tatsächlich Gewollte auch mit Blick auf den gegenüber der beigeladenen Krankenkasse gestellten Hilfsantrag deutlich, der einen Anfechtungsantrag enthält.

 

Aufgrund des Bescheides des Beklagten vom 9. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2015 steht für die Beteiligten bindend fest (§ 77 SGG), dass der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf einen weitergehenden Schuldbeitritt hat.

 

Das SG hat im Ergebnis zu Recht auch die Klage mit ihrem Hilfsantrag gegenüber der beigeladenen Krankenkasse abgewiesen. Allerdings war der auf Verurteilung der beigeladenen Krankenkasse gerichtete Hilfsantrag von Anfang an unzulässig.

 

Der in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellte reine Leistungsantrag gegenüber der beigeladenen Krankenkasse war unzulässig, weil es an einer Verwaltungsentscheidung der Krankenkasse des Klägers (§ 78 SGG) zu diesem Zeitpunkt noch fehlte. Wenn über einen Antrag ein Verwaltungsakt zu ergehen hatte, kommt eine reine Leistungsklage nach § 54 Absatz 5 SGG nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 15. November 1979 - 11 RA 9/79, Rn.13 - juris).  Auch wenn die beigeladene Krankenkasse während des Berufungsverfahrens mit Bescheid vom 26. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2018 unter anderem bezogen auf den hier streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalt eine Leistungsverpflichtung im Hinblick auf die von dem beigeladenen Pflegedienst erbrachten Assistenzleistungen abgelehnt hat, ist dieser Bescheid nicht in prozessual zulässiger Weise Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.

 

Gemäß § 96 SGG konnte dieser Bescheid nicht Gegenstand des Verfahrens werden, weil durch diesen ein Bescheid des Beklagten weder geändert noch ersetzt worden ist und ein Bescheid des Beklagten hier zudem gar nicht angefochten wurde.

 

Auch im Wege einer gewillkürten Klageänderung gemäß § 153 Absatz 1 in Verbindung mit § 99 Absatz 1 SGG ist der Bescheid nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Krankenkasse des Klägers wird von diesem vorliegend nicht als Beklagte in Anspruch genommen. Als solche ist diese vielmehr in dem Verfahren S 73 KR 165/19 beteiligt. Ohne die Erhebung dieser – derzeit noch vor dem SG Berlin anhängigen – Klage wäre der Bescheid der Krankenkasse vom 26. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2018 bestandskräftig und damit nach § 77 SGG für den Kläger und die Krankenkasse bindend geworden. Der Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 26. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2018 würde jedoch einer Verurteilung nach § 75 Absatz 5 SGG entgegen stehen (vgl. BSG, Urteil vom 13. August 1981 - 11 RA 56/80, Rn.14 - juris; außerhalb des Anwendungsbereiches des § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen <SGB IX> vom 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 19/08 R, Rn.24 - juris, nicht in Frage gestellt).

 

Eine Regelung durch Verwaltungsakt ist auch nicht im Hinblick auf die Regelung des § 75 Absatz 5 SGG entbehrlich. Nach § 75 Absatz 5 SGG kommt zwar die Verurteilung eines beigeladenen Versicherungsträgers in Betracht. Allerdings erlaubt die Vorschrift dem Kläger nicht jede gewünschte Rechtsverfolgung gegen den beigeladenen Versicherungsträger (BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 3/06 R, Rn.26 - juris). Ein beigeladener Versicherungsträger kann nicht zu einer Leistung verurteilt werden, die sich nach Anspruchsgrund und Rechtsfolgen von der ursprünglich mit der Klage geforderten Leistung wesentlich unterscheidet (BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 3/06 R, Rn.26 - juris). Ein inhaltlich anderer Anspruch als der gegen den Beklagten darf einer Verurteilung des Beigeladenen nur dann zugrunde gelegt werden, wenn (soweit) sich die Ansprüche gegen den Beklagten und den Beigeladenen gegenseitig ausschließen, es sich also um zwei Ansprüche handelt, die nicht nebeneinander bestehen, denn die Vorschrift gibt ihrem Sinn und Zweck nach den Gerichten aus prozessökonomischen Gründen in Fällen der unechten notwendigen Beiladung – nur – die Befugnis, anstelle des nicht passiv legitimierten (nicht zuständigen) Beklagten den in Wahrheit leistungspflichtigen Träger nach Beiladung zu verurteilen, um einen neuen Rechtsstreit und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen zu vermeiden (BSG, Urteil vom 15. November 1979 - 11 RA 9/79, Rn.12 – juris; BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 3/06 R, Rn.26 - juris). Das Verhältnis des Klägers zu seiner Krankenkasse ist im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalt auf der Primärebene durch den Sachleistungsanspruch aus § 39 Absatz 1 Satz 2 SGB V bestimmt, der sich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Absatz 3 SGB V in einen Kostenerstattungs- bzw. Kostenfreistellungsanspruch als Sekundäranspruch wandeln kann, jedoch von dem vorliegend streitgegenständlichen Anspruch auf Sachleistungsverschaffung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R, Rn.15 ff. - juris; BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 30/10 R, Rn.16 - juris) im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII zu trennen und von diesem unabhängig ist. Die streitigen Ansprüche des Klägers gegenüber dem Beklagten und der beigeladenen Krankenkasse stehen nicht aufgrund einer unmittelbaren Wechselwirkung in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander (ebenso LSG Bayern, Urteil vom 28. Januar 2014 - L 8 SO 166/12, Rn.27 - juris; vgl. für die Pflegestufenzuordnung im Verhältnis zur Pflegekasse BSG, Urteil vom 10. Februar 2000 - B 3 P 12/99 R, Rn.12 - juris: keine Streitgegenstandsidentität gegenüber dem Sozialhilfeträger und dem Pflegeheim; als fraglich bezeichnet, aber letztlich offengelassen für einen Anspruch nach § 16 Absatz 2 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende <SGB II> in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung und § 11 Absatz 5 Satz 3 SGB XII in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung durch BSG, Urteil vom 13. Juli 2010 - B 8 SO 14/09 R, Rn.12 - juris).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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