S 14 KR 64/22 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 64/22 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Der Antrag wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragstellerin, 

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 4. Januar 2021 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2020 und 7. April 2020, in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. September 2020, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2020 anzuordnen,

ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt bei Entscheidungen über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG). Im vorliegenden Verfahren betrifft dies den angefochtenen Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2020, mit dem die Antragstellerin zur Zahlung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auf die am 30. November 2018 erfolgte Kapitalauszahlung in Höhe von EUR 35.951,77 ab 1. Januar 2020 bis 30. November 2028 verpflichtet wurde.

Dem Wortlaut des § 86b Abs. 1 SGG können keine Kriterien entnommen werden, anhand derer die gerichtliche Entscheidung zu erfolgen hat. Solche Kriterien ergeben sich jedoch aus folgenden Überlegungen: Die Entscheidung über die vorläufige Vollziehbarkeit ist eine Annexentscheidung zu dem angefochtenen Verwaltungsakt. Sie kann nicht losgelöst von der Prüfung der Rechtmäßigkeit des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes erfolgen. Hieraus ergibt sich, dass weder an der sofortigen Vollziehung (Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) noch am Vollzug (der Vollstreckung) eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes ein öffentliches Interesse bestehen kann. Umgekehrt ist bei Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ein öffentliches Interesse zu bejahen; Gründe des Antragstellers gegen eine Vollziehung sind dann regelmäßig ohne Belang. Damit ist aber noch nicht geklärt, mit welcher Sicherheit Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit festgestellt werden müssen, insbesondere ob Offensichtlichkeit oder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit vorliegen müssen oder ob bereits hinreichend ist, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen erscheint. Dazu kann die vom Gesetzgeber in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG für die behördliche Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung getroffene Regelung herangezogen werden. Danach soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da der Adressat eines Verwaltungsaktes nach § 86a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG die Möglichkeit hat, sowohl bei der den Bescheid erlassenden Behörde als auch bei Gericht der Hauptsache sein Suspensivinteresse geltend zu machen, muss der Entscheidungsprozess in beiden Fällen durch die gleichen Kriterien gesteuert werden. Eine Differenzierung wäre gleichheitswidrig und nicht sachgerecht (vgl. Adolf, in: Hennig, SGG, § 86b Rn. 48). In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG sind daher im Rahmen der Prüfung von § 86b Abs. 1 SGG die Regelungen des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG heranzuziehen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 12. Aufl., § 86b Rn. 12b). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen hiernach, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Denn der Gesetzgeber hat in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug höher eingeschätzt als das Interesse des Betroffenen an der Nichtzahlung von Beiträgen, um die Finanzierungsgrundlage und damit die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn bereits bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Vollziehung ohne weiteres ausgesetzt würde. Allerdings gibt die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und zur Notwendigkeit der Einbeziehung von Grundrechtsbeeinträchtigungen Anlass, von einer Interessenabwägung nicht gänzlich abzusehen. Neben der im Vordergrund stehenden materiell-rechtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit des zur Vollziehung anstehenden Verwaltungsaktes ist die Intensität der Rechtsbeeinträchtigung durch den sofortigen Vollzug, insbesondere die Irreversibilität der Folgen und der Grad einer Grundrechtsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Je schwerwiegender die einem Antragsteller auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt, desto eher ist dem Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz stattzugeben (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 12. Aufl., § 86a Rn. 27a, § 86b Rn. 12g, Hessisches Landessozialgericht – HLSG, bspw. Beschlüsse vom 8. Mai 2014, L 8 KR 193/13 B ER, 18. Juli 2014, L 8 KR 149/14 B ER, 15. März 2018, L 8 BA 2/18 B ER, 16. Januar 2019, L 8 BA 28/18 B ER).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 4. Januar 2021 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2020, in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. September 2020, und den Ablehnungsbescheid zur Aussetzung der Vollziehung vom 7. April 2020, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2020 nicht vor. Die Entscheidung der Antragsgegnerin begegnet nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geboten summarischen Prüfung keinen durchgreifenden Bedenken. Die Antragsgegnerin hat zu Recht die einmalige Kapitalauszahlung der Standard Life Versicherung zum 30. November 2018 zu Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen. Die einmalige Kapitalzahlung unterliegt als der Rente vergleichbare Einnahme (Versorgungsbezug) gemäß §§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3 SGB V der Beitragsbemessung zur Kranken- und dem folgend auch zur Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI), und zwar nach Maßgabe von § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Umfang von Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag längstens für die Dauer von einhundertzwanzig Monaten.

Zutreffend ist die Antragsgegnerin dabei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gefolgt. Die der Antragstellerin ausgezahlte Lebensversicherung ist eine betriebliche Altersversorgung iS des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Das BSG hat wiederholt entschieden, dass hierzu auch Leistungen gehören, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer vereinbarten Direktversicherung iS des § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung - Betriebsrentengesetz) gezahlt werden. Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie soll die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezwecken, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen. Ein solcher Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben (st. Rspr. siehe BSG, Urteil vom 26. Februar 2019, B 12 KR 17/18 R, Rn. 14 juris m.w.N.). Zudem beseitigt die Finanzierung der Direktversicherung durch den Arbeitnehmer ihre Charakterisierung als betriebliche Altersversorgung nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG gehören zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung iS des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V alle Leistungen, die von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung gezahlt werden, bei denen in typisierender Betrachtung ein betrieblicher Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu diesem Versorgungssystem und einer Erwerbstätigkeit besteht. Wurde der Versicherungsvertrag zu Gunsten des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer abgeschlossen, liegen der Rente vergleichbare Einnahmen in Form der betrieblichen Altersversorgung selbst dann vor, wenn die Versicherungsprämien ganz oder teilweise aus dem Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers aufgebracht wurden. Wird ein Versorgungsbezug aus einer Direktversicherung iS des § 1 Abs. 2 BetrAVG gezahlt, ist es unerheblich, ob er im Einzelfall ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitgebers oder allein auf Leistungen des Arbeitnehmers oder des Bezugsberechtigten beruht. Das Betriebsrentenrecht qualifiziert auch die ausschließlich arbeitnehmerfinanzierte Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung, sofern die vom Arbeitnehmer gezahlten Beiträge von der Versorgungszusage des Arbeitgebers umfasst sind, der Versicherungsvertrag vom Arbeitgeber abgeschlossen und diesen als Versicherungsnehmer ausweist. Für die Zuordnung zur betrieblichen Altersversorgung kommt es auch nicht darauf an, ob die Beiträge zur Lebensversicherung aus dem Brutto- oder aus dem Nettoentgelt gezahlt wurden (siehe BSG, Urteil vom 26. Februar 2019, B 12 KR 17/18 R, Rn. 16f. juris m.w.N.). Der betriebliche Bezug wird erst dann vollständig gelöst und der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts verlassen, wenn und soweit die ausgezahlten Kapitalleistungen auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat. Insoweit unterscheiden sich die Leistungen aus der ursprünglich betrieblichen Altersversorgung nicht mehr von Leistungen aus privaten Lebensversicherungen von Arbeitnehmern, welche nicht der Beitragspflicht unterliegen. In diesen Fällen ist die ausgezahlte Kapitalleistung ohne Probleme in einen betrieblichen und einen privaten Teil zu trennen. Auf die Einzahlungen des Bezugsberechtigten auf einen von ihm als Versicherungsnehmer fortgeführten Kapitallebensversicherungsvertrag finden hinsichtlich der von ihm nach Vertragsübernahme eingezahlten Beiträge keine Bestimmungen des Betriebsrentenrechts mehr Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 26. Februar 2019, B 12 KR 17/18 R, Rn. 19, BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 28. September 2010, 1 BvR 1660/08, Rn. 15; BVerfG Beschluss vom 27. Juni 2018, 1 BvR 100/15, 1 BvR 249/15, Rn. 17f., 21f. juris). Der Beitragspflicht steht nicht entgegen, wenn aus der Direktversicherung keine laufenden Leistungen, sondern eine Einmalzahlung geleistet wird. Tritt an die Stelle regelmäßiger Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung (Einmalzahlung) oder ist diese schon vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V ein 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, Kapitalleistungen, die die Kriterien einer betrieblichen Altersversorgung erfüllen, den Versorgungsbezügen nach § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V gleichzustellen. Eine gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßende Doppelverbeitragung liegt nicht vor, soweit ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen bei der Verbeitragung von Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung in der Ansparphase geltend gemacht werden. Der Gesetzgeber hat ein "Verbot der Doppelverbeitragung" nicht zu beachten. Ein Grundsatz, demzufolge mit aus bereits der Beitragspflicht unterliegenden Einnahmen vom Versicherten selbst finanzierte Versorgungsbezüge der Beitragspflicht überhaupt nicht oder jedenfalls nicht mit dem vollen Beitragssatz unterworfen werden dürfen, existiert im Beitragsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht (vgl. BSG, Urteile vom 8. Oktober 2019, B 12 KR 2/19 R, Rn. 19 und B 12 KR 3/19 R, Rn. 18, juris). Der Beitragspflicht steht ferner nicht entgegen, wenn der Direktversicherungsvertrag zu einem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V abgeschlossen wurde. Wie das BVerfG bereits entschieden hat, verstößt die zum 1. Januar 2004 erweiterte 1/120-Regelung nicht gegen Verfassungsrecht (insbes. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes). Nicht regelmäßig wiederkehrend gezahlte Versorgungsbezüge sind auch dann beitragspflichtig, wenn das entsprechende Rechts- bzw. Versicherungsverhältnis bereits vor dem 1. Januar 2004 abgeschlossen wurde, soweit nur der Versicherungsfall, also der Auszahlungs- bzw. der Fälligkeitstermin für die Kapitalausschüttung, nach diesem Zeitpunkt liegt. Die Versicherten konnten, nachdem der Gesetzgeber bereits mit dem Rentenanpassungsgesetz (RAG) 1982 vom 1. Dezember 1981 (BGBl I 1205) laufende Versorgungsbezüge in die Beitragspflicht einbezogen hatte, nicht uneingeschränkt in den Fortbestand der zunächst beitragsrechtlich privilegierten Einmalzahlungen vertrauen (vgl. BVerfG Beschluss vom 6. September 2010,1 BvR 739/08, Rn. 9; BVerfG Beschluss vom 7. April 2008, 1 BvR 1924/07, Rn. 32, 36-37, BSG, Urteil vom 26. Februar 2019, B 12 KR 17/18 R, Rn. 20f. juris m.w.N.). Schließlich begünstigt die Herausnahme der "Riesterrenten" aus der Beitragspflicht in der Auszahlungsphase die betrieblichen "Riesterrentner" nicht unverhältnismäßig. Die übrigen Betriebsrentner erfahren einen Ausgleich durch Steuer- und Sozialversicherungsfreibeträge in der Ansparphase (§ 3 Nr. 55, 55c, 56, 62, 63 und 63a sowie § 100 EStG; § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 SvEV) sowie durch die Pflicht des Arbeitgebers, wegen durch Entgeltumwandlung ersparter Sozialversicherungsbeiträge Zuschüsse in die betriebliche Altersversorgung zu leisten (§ 1a Abs. 1a, § 23 Abs. 2 BetrAVG). Sofern in der Ansparphase von diesem Ausgleich nicht in vollem Umfang profitiert wurde, hält sich dieser Nachteil in den Grenzen des Art. 3 Abs. 1 GG (BSG, Urteile vom 26. Februar 2019, B 12 KR 17/18 R, Rn. 23-29 und B 12 KR 13/18, Rn. 15-21 juris).

Die vorliegend streitige Kapitalauszahlung beruhte auf einem am 1. / 20. Dezember 2001 geschlossenen Direktversicherungsvertrag zwischen der im Dezember 1988 gegründeten B. GmbH und der C. Versicherung, der eine Laufzeit bis zum 1. Dezember 2018 vorsah, zu welchem die Antragstellerin als versicherte Person das 60. Lebensjahr vollendet haben würde. Die Antragstellerin und ihr Mann waren zu je 50% an der GmbH beteiligt und beide als Geschäftsführer für die GmbH tätig. Die GmbH schloss sodann als juristische Person eine Direktversicherung für die für sie tätige Geschäftsführerin als natürliche Person ab. 

Über die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung ist nichts bekannt, da der Gesellschaftsvertrag von 1988 nicht mehr vorliegt. Auch der Geschäftsführerdienstvertrag von Januar 1989 liegt nicht mehr vor. Im Eilverfahren lässt sich mithin nicht abschließend klären, ob die Antragstellerin als Geschäftsführerin der GmbH abhängig beschäftigt oder selbständig tätig war. Selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer müssen über eine Mindestkapitalbeteiligung von 50 % oder eine "echte" Sperrminorität verfügen. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können (vgl. BSG Urteil vom 14. März 2018, B 12 KR 13/17 R, juris Rn. 20 ff. m.w.N., Urteil vom 19. September 2019, B 12 KR 25/18 R, juris Rn. 15 m.w.N.). 

Die Techniker Krankenkasse, bei der die Antragstellerin bis 31. Dezember 2019 versichert war, führte sie als Selbständige. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob die Antragstellerin als Geschäftsführerin abhängig beschäftigt oder selbständig tätig war. Dass die Regelungen in § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auch für Versicherungspflichtige gelten, die ihre berufliche Tätigkeit immer nur als Selbstständige ausgeübt haben, ergibt sich bereits aus dem Urteil des BSG vom 10. März 1994 einen Handelsvertreter betreffend (Az.: 12 RK 30/91) und beispielsweise aus den Urteilen zu Handelsvertretern des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 10. Februar 2011, L 9 KR 94/09 Rn. 17 juris) und LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 16. Juni 2020, L 11 KR 2653/19, juris Rn. 29). Denn von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V sind Rentenzahlungen erfasst, wenn sie, auch ohne dass dies im Einzelnen nachweisbar ist, doch typischerweise hinreichend in der (früheren) Beschäftigung verwurzelt sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ansprüche aufgrund der Beschäftigung erworben wurden. Wer ausschließlich aufgrund einer bestimmten Berufstätigkeit in den Genuss solcher Leistungen gelangen kann und dieses Recht auch ausübt, bedient sich für seine zusätzliche Sicherung nicht irgendeiner Form der privaten Vorsorge, sondern ist als Begünstigter in eine betriebliche Altersversorgung eingebunden und macht sich damit in gewissem Umfang deren Vorteile nutzbar (BSG, Urteil vom 25. Mai 2011, B 12 B 1/09 R; BSG, Urteil vom 10. Oktober 2017, B 12 KR 2/16 R, BSGE 124, 195, juris Rn. 28). Für diese Vorteile kommt es – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – nicht darauf an, dass ein arbeitsrechtliches Beschäftigungsverhältnis bestand. Dies zeigt sich bereits an § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG. Danach ist der persönliche Anwendungsbereich dieses Gesetzes auch für Personen eröffnet, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Die Versorgungsform der betrieblichen Altersversorgung soll damit gerade nicht nur Arbeitnehmern zur Verfügung stehen. Vielmehr sollen auch andere Personen in dieser Form Altersvorsorge betreiben können. Für das Beitragsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung, also für § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, kommt es daher nicht darauf an, dass (früher) ein Arbeitsverhältnis bestand (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. Oktober 2019, L 8 KR 482/17, juris Rn. 20f.). 

Das BSG führt in ständiger Rechtsprechung hierzu aus, dass nicht auf den im Einzelfall jeweils nachweisbaren Zusammenhang mit dem früheren Erwerbsleben abzustellen ist, sondern typisierend von einem solchen allgemeinen Zusammenhang auszugehen ist. Die gesetzliche Regelung unterwirft mit den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und den Versorgungsbezügen iS von § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich Bezüge bestimmter Institutionen und aus vergleichbaren Sicherungssystemen der Beitragspflicht, bei denen in der Regel ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu diesem System und einer Erwerbstätigkeit besteht. Diese sog. institutionelle Abgrenzung orientiert sich allein daran, ob die Rente bzw. die einmalige Kapitalleistung von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt wird, und lässt Modalitäten des individuellen Rechtserwerbs unberücksichtigt (BSG SozR 4-2500 § 229 Nr. 7 Rn. 19 m.w.N.). Der Begriff der "betrieblichen Altersversorgung" ist für das Verständnis des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V eigenständig nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ohne Bindung an die Legaldefinition des § 1b Abs. 2 BetrAVG (i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG) auszulegen (vgl. bereits BSG SozR 2200 § 180 Nr. 40; BSG SozR 4-2500 § 229 Nr. 7 Rn. 19 ff m.w.N.). So hat das BSG zur typisierenden Anknüpfung insbesondere im Hinblick auf die Leistung von Pensionskassen ausgeführt, dass nur derjenige, der aufgrund einer bestimmten früheren Berufstätigkeit Mitglied einer entsprechenden Einrichtung werden kann und dieses Recht ausübt, sich für seine zusätzliche Sicherung nicht irgendeiner Form der privaten Vorsorge bediene, sondern sich der betrieblichen Altersversorgung anschließe und sich damit im gewissen Umfang deren Vorteile nutzbar mache (vgl. BSGE 70, 105, 109 = SozR 3-2500 § 229 Nr. 1 S. 5; SozR 4-2500 § 229 Nr. 7 Rn. 25). In diesem Sinne bediente sich vorliegend auch die Antragstellerin nicht irgendeiner beliebigen Form der privaten Vorsorge - beispielsweise einer privaten Kapitallebensversicherung -, sondern der nach § 1 i.V.m. § 1b Abs. 2 und § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG ausschließlich als Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung definierten Direktversicherung; diese aber setzt zwingend das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Versicherungsnehmer (Arbeitgeber) und dem Versicherten (Arbeitnehmer) voraus. Wer sich zur Alters- und Hinterbliebenenvorsorge der Institutionen der betrieblichen Altersversorgung und der hiermit verbundenen Vorteile bedient, muss sich dann aber in der Konsequenz auch bezüglich der an diesen institutionellen Rahmen geknüpften beitragsrechtlichen Folgen hieran festhalten lassen, ohne dass es dem Krankenversicherungsträger zugemutet werden könnte, noch nach Jahren und Jahrzehnten das Vorliegen der für diese Versorgungsform im Einzelnen vorgesehenen Voraussetzungen in jedem Einzelfall rückwirkend vollständig zu überprüfen (BSG, Urteil vom 30. März 2011, B 12 KR 16/10 R, BSGE 108, 63-80, SozR 4-2500 § 229 Nr. 12, Rn. 19). 

Darüber hinaus kommt es nicht darauf an, ob zudem sämtliche Voraussetzungen einer betrieblichen Altersversorgung nach dem BetrAVG erfüllt sind. Das BSG hat den Begriff der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Beitragsrechts seit jeher eigenständig und unabhängig von der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG verstanden. Da das Beitrags- und Betriebsrentenrecht unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen, ist der Begriff der betrieblichen Altersversorgung nach Zweck und Systematik des Beitragsrechts abzugrenzen. Dieses kontextabhängige beitragsrechtliche Begriffsverständnis hat das BVerfG nicht beanstandet (BSG Urteil vom 08. Juli 2020, B 12 KR 1/19 R, Rn. 19, und Urteil vom 23. Juli 2014, B 12 KR 28/12 R, BSGE 116, 241 = SozR 4-2500 § 229 Nr. 18, Rn. 11; vgl. BVerfG <Kammer> Beschluss vom 28. September 2010, 1 BvR 1660/08, SozR 4-2500 § 229 Nr. 11 Rn. 13).

Vorliegend wurde der Durchführungsweg der Direktversicherung gewählt und der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts genutzt, indem zwischen der im Dezember 1988 gegründeten B. GmbH und der C. Versicherung am 1. / 20. Dezember 2001 ein Direktversicherungsvertrag abgeschlossen wurde, der eine Laufzeit bis zum 1. Dezember 2018 vorsah, zu welchem die Antragstellerin als versicherte Person das 60. Lebensjahr vollendet haben würde. Im Formular war „Freelax aufgeschobene Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht“ und „bAV (Betriebliche Altersversorgung)“, bei Tätigkeitsstatus „angest.“ sowie im Zusatzantrag „Direktversicherung (arbeitgeberfinanziert)“ angekreuzt. Der von der C. gemeldete Versorgungsbetrag beruhte auf Beiträgen (auch der Antragstellerin), die innerhalb des Arbeits-/Dienstverhältnisses bis zur Beitragsfreistellung zum 1. Dezember 2013 gezahlt wurden. Bis 31. Dezember 2014 war die B. GmbH, nicht hingegen die Antragstellerin, Versicherungsnehmerin. Die Antragstellerin war lediglich bezugsberechtigt. Sie war erst ab 31. Dezember 2014 Versicherungsnehmerin, da die GmbH liquidiert wurde. Die Beitragszahlung wurde sodann nicht wieder aufgenommen.

Entsprechend der oben dargestellten Rechtsprechung, der sich das Gericht nach eigener Prüfung vollumfänglich anschließt, unterliegt die Kapitalauszahlung von EUR 35.951,77 komplett der Beitragspflicht, der eine Beitrags- und Steuererleichterung in der Ansparphase gegenüberstand (hier Pauschalversteuerung). Der monatliche Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrag wurde auch zutreffend von der Antragsgegnerin berechnet. Gegenteiliges ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

Die Antragstellerin hat im Übrigen auch keine Umstände geltend gemacht hat, die eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte, begründen würden. Eine unbillige Härte im Sinne von § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG liegt vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können. Insoweit ist regelmäßig der Vortrag vollständiger, nachvollziehbarer und schlüssiger Tatsachen über die aktuelle wirtschaftliche Situation des Antragstellers durch diesen erforderlich (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Auflage, § 86 a SGG, Rn. 27 b m.w.N.). Noch keine unbillige Härte liegt bei ernsthaften Liquiditätsproblemen vor, da die Beitragslast jeden Beitragspflichtigen unabhängig von seiner Einkommens- und Vermögenslage trifft. Allein die mit einer (vorläufigen) Zahlungspflicht verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen reichen also nicht aus. Vielmehr hat der Gesetzgeber Härten, die sich aus der Vollstreckung von Abgabenbescheiden vor Eintritt der Bestandskraft ergeben, bewusst in Kauf genommen, indem er der vollständigen Abgabenerhebung den Vorrang eingeräumt hat und einstweiligen Rechtsschutz nur eingeschränkt zur Verfügung stellt (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Dezember 2018, L 12 BA 23/18 B ER, Rn. 40 juris, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juli 2015, L 11 KR 3149/15 ER, Rn. 34, juris). Von einer unbilligen Härte ist auszugehen, wenn schlüssig belegt ist, dass dem Betroffenen durch die sofortige Zahlung der Beitragsnachforderung Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz droht oder seine Existenz gefährdet wird (Bayerisches LSG, Beschluss vom 11. März 2019, L 16 BA 174/18 B ER, Rn. 22 juris, vgl. insgesamt auch HLSG, Beschluss vom 1. Juli 2019, L 8 KR 203/19 B ER). Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Rechtskraft
Aus
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