L 4 R 2016/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 R 4008/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2016/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. April 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.



Tatbestand


Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1.  August 2017.

Die 1981 geborene Klägerin war nach Zeiten der Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Kindererziehung bis 30. April 2013 zuletzt beschäftigt vom 1. bis 30. November 2014. Vom 4. Mai 2015 bis 30. Juni 2018 sind wiederum Zeiten des Mutterschutzes und der Kindererziehung im Versicherungskonto gespeichert. Bereits seit dem 1. Juli 2017 bezog sie Arbeitslosengeld II.

Am 2. August 2017 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung wegen chronischer Gastritis und Pankreatitis mit wiederkehrenden starken Schmerzen und Krankenhausaufenthalt; daneben bestünden psychische Beschwerden, eine Laktoseintoleranz und eine Zöliakie.

Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch ihren Sozialmedizinischen Dienst, wobei Arzt für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. Z. die Klägerin am 22. Dezember 2017 untersuchte. In seinem Gutachten vom 19. Januar 2018 diagnostizierte er eine unter glutenfreier Diät fortbestehende chronische abdominelle Schmerzsymptomatik, einen Verdacht auf (V.a.) eine Opioid-Gewöhnung sowie einen Zustand nach Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung). Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen in Tagesschicht sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Ausgeschlossen seien häufig wechselnde Arbeitszeiten, Nachtarbeit, besondere Anforderungen an die psychomentale Belastbarkeit sowie Fahr- und Steuertätigkeiten.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 30. Januar 2018 ab, da mit dem festgestellten Leistungsbild eine Erwerbsminderung nicht bestehe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2018, gestützt auf eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. Schönefeld vom 22. Mai 2018, als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage, die am 26. Juli 2018 bei der Beklagten einging und von dieser an das Sozialgericht Stuttgart (SG) weitergeleitet wurde. Zu deren Begründung führte die Klägerin aus, sie habe mit sehr starken Schmerzen zu kämpfen, die sich nur durch starke Schmerzmittel etwas besserten. Mittlerweile habe sich durch die Krankheiten eine mittelschwere Depression entwickelt. Zur Untermauerung legte sie – wie bereits im Widerspruchsverfahren – ein Attest des behandelnden Facharztes für Innere Medizin Dr. B. vom 24. September 2019 vor, wonach sie wegen der häufigen und unvermittelt auftretenden Schmerzepisoden nicht in der Lage sei, ihren Haushalt mit zwei kleinen Kindern uneingeschränkt zu führen und einer geregelten Arbeit von mehreren Stunden täglich nachzugehen.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. L. vom 15. Januar 2019 entgegen.

Das SG holte zunächst schriftliche Aussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen ein. Dr. B. beschrieb in seiner Auskunft vom 28. Oktober 2018 unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen die Ergebnisse der Voruntersuchungen. Dr. Z. habe in seinem Gutachten den rezidivierend erhöhten Lipasewert nicht beachtet. Dieser spreche für eine chronisch-rezidivierende Pankreatitis, die vermutlich Grund für die ständigen Bauchschmerzen sei und zur Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit führe. Auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin nur noch maximal drei bis vier Stunden täglich verrichten. Dr. T., Fachärztin für Innere Medizin, Gastroenterologie, gab in ihrer Auskunft vom 2. Dezember 2018 die Ergebnisse der von ihr am 17. Juli 2019 durchgeführten Gastroskopie wieder und bestätigte, dass die von ihr gestellten Diagnosen im Wesentlichen mit den von Dr. Z. beschriebenen übereinstimmten. Die ständigen, als sehr stark empfundenen Abdominalschmerzen dürften eine Reduktion der Leistungsfähigkeit verursachen. Sie stimme jedoch mit der Leistungsbeurteilung von Dr. Z. überein.

Das SG bestellte sodann Prof. Dr. Zo., Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie, Infektologie und Pneumologie des K.hospitals S., zum Sachverständigen. Dieser stellte in seinem aufgrund der Untersuchungen der Klägerin vom 13. Juni und 12. August 2019 am 27. August 2019 erstatteten Gutachten folgende Diagnosen: unklare chronische abdominelle Schmerzen/epigastrische Schmerzen, chronische Gastritis, Zöliakie, anamnestisch Laktoseintoleranz, Hypothyreose, V.a. Opioidabusus und hochgradiger V.a. somatoforme Schmerzstörung. Aus internistischer Sicht seien das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über 10 kg nicht mehr zumutbar. Der Klägerin seien aber leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich möglich. Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2020 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Den Einschätzungen von Prof. Dr. Zo. und Dr. Z. folgend, sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Zu weiteren Ermittlungen hinsichtlich einer somatoformen Schmerzstörung habe keine Veranlassung bestanden. Selbst wenn sich das Krankheitsbild einer somatoformen Schmerzstörung fachärztlich verifizieren lassen sollte, seien die ambulanten Behandlungsoptionen auf dem psychiatrischen Fachgebiet bislang nicht ansatzweise ausgeschöpft.

Gegen diesen ihr am 5. Mai 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 25. Mai 2020 beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt hat. Im Gegensatz zu den Gutachtern, die sie nur zwei Stunden gesehen hätten, könne ihr Hausarzt Dr. B. ihre Leistungsfähigkeit zuverlässig bewerten.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. April 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2018 zu verurteilen, ihr ab dem 1. August 2017 Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Prof. Dr. Zo. habe zwar einen Verdacht des Vorliegens einer somatoformen Schmerzstörung geäußert, könne einen solchen aber, da fachfremd, nicht verifizieren. In der gesamten Gutachtensakte fänden sich keine psychiatrischen Fachbefunde. Eine diesbezügliche Behandlung erfolge nicht.

Der Senat hat zunächst Dr. H., Chefarzt der Klinik für Suchttherapie des Zentrums für Psychiatrie W., zum gerichtlichen Sachverständige bestellt, diese Bestellung jedoch wieder aufgehoben, nachdem sich die Klägerin dort – auch nach gerichtlicher Aufforderung – nicht vorgestellt hatte.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakte der Beklagten.


Entscheidungsgründe

1. Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da mit der ordnungsgemäßen, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 29. Juli 2021 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Denn die Klägerin begehrt laufende Rentenleistungen für mehr als ein Jahr. Sie wurde auch nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Das von der Klägerin unterschriebene, als „Widerspruch“ bezeichnete Schreiben vom 5. Mai 2020 war ausreichend deutlich als Rechtsmittel gegen den Gerichtsbescheid vom 27. April 2020 zu erkennen. Mit diesem Schreiben bringt die Klägerin zum Ausdruck, gegen das gerichtliche „Schreiben“ weiter vorgehen zu wollen. Nach dem Inhalt und dem zeitlichen Bezug richtet sich diese Anfechtung erkennbar gegen den ihr an diesem Tag zugestellten Gerichtsbescheid. Auf die Bezeichnung als „Widerspruch“ kommt es dabei nicht an. Der Eingang beim SG (§ 151 Abs. 2 SGG) erfolgte innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist nach Zustellung des Gerichtsbescheids. Auf das erst am 12. Juni 2020 beim SG eingegangene Bestätigungsschreiben der Klägerin kommt es daher nicht mehr an.

2. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die zulässige, insbesondere bei der Beklagten fristwahrend eingegangene (§ 91 Abs. 1 SGG), kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. August 2017 (vgl. § 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Der streitbefangene Bescheid vom 30. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht die 1981 geborene Klägerin zu Recht nicht geltend (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Auf nicht absehbare Zeit besteht eine Einschränkung, wenn sie sich voraussichtlich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstreckt (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23. März 1977 – 4 RJ 49/76 – juris, Rn. 15).

b) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht fest, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen bei ihr gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese festgestellten Gesundheitsstörungen mindern ihre berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht. Von einer weitergehenden Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens aufgrund weiterer Gesundheitsstörungen vermochte sich der Senat nicht zu überzeugen.

(1) Die Klägerin leidet an unklaren chronischen abdominellen Schmerzen bzw. epigastrischen Schmerzen, auf internistischem Fachgebiet an einer chronischen Gastritis, einer Zöliakie, einer Laktoseintoleranz sowie einer Hypothyreose. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem Gutachten von Prof. Dr. Zo. Weitergehende Gesundheitsstörungen werden auf internistischem Fachgebiet weder von Dr. Z. noch Dr. T. genannt. Letztere bestätigte in ihrer Auskunft als sachverständige Zeugin ausdrücklich, dass die von ihr gestellten Diagnosen im Wesentlichen mit den von Dr. Z. beschriebenen übereinstimmten. Nicht zu folgen vermochte der Senat hingegen der diagnostischen Einschätzung von Dr. B. Dieser nahm aufgrund wiederholt erhöhter Werte des Pankreasenzyms Lipase eine chronische Pankreatitis an. Überzeugend schloss Prof. Dr. Zo. eine solche jedoch aus. Im Gegensatz zu Dr. B. wurde bei seiner Untersuchung ein normwertiger Lipasewert erhoben. Vor allem aber konnte der Sachverständige im Ultraschall keine sonographischen Kriterien für eine chronische Pankreatitis oder einen Allgemeinschaden des Pankreasparenchyms feststellen. Dies entspricht auch der Befunderhebung durch Dr. Z., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwerten konnte (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Unter Berücksichtigung auch der dokumentierten Vorbefunde stellte jener nachvollziehbar fest, dass bildgebende Untersuchungen weder Hinweise für eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, ein mechanisches Hindernis oder eine Pankreatitis ergaben. Die Gallenwege waren normal weit. Die Pankreas mit normaler Form und Größe zeigte keine Hinweise für abgelaufene Entzündungen. Die Bauchdecken waren weich. Dem schloss sich im Ergebnis auch Dr. T. an. Der Laktoseintoleranz und der Zöliakie wird nach übereinstimmenden Angaben aller mit der Klägerin im Verfahren befassten Ärzte durch diätische Maßnahmen begegnet. Auch in der von Prof. Dr. Zo. durchgeführten Abdomensonographie zeigten sich bei guter Beurteilbarkeit keine pathologischen Befunde an Leber, Gallenwegen, Pankreas, Milz und Nieren. Im Magen-Darmtrakt fand sich lediglich ein Meteorismus. Für den Senat überzeugend schloss der gerichtliche Sachverständige daher eine organische Ursache für die subjektiv empfundenen epigastrischen Schmerzen aus.

Ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß tatsächlich eine somatoforme Schmerzstörung besteht, vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar äußerte Prof. Dr. Zo. einen dringenden Verdacht auf eine solche. Auch Dr. Z. gab an, Anamnese und Klink machten eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung wahrscheinlich. Sie waren jedoch nicht in der Lage, diese nicht auf ihrem Fachgebiet liegende Gesundheitsstörung tatsächlich zu verifizieren. Die vom Senat veranlasste, der Klägerin zumutbare fachpsychiatrische Begutachtung durch Dr. H. hat diese verweigert. Trotz ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises, dass Zweifel an ihrer Erwerbsminderung zu ihren Lasten gingen (Schreiben vom 11. Februar 2021, Bl. 33 der Senatsakte), hat sie sich der Begutachtung nicht zur Verfügung gestellt. Damit sind weitergehende funktionelle Einschränkungen, die sich auf das quantitative Leistungsvermögen auswirken könnten, durch den Senat nicht feststellbar. Eine quantitative, d.h. zeitlich und damit rentenberechtigende Leistungseinschränkung muss als anspruchsbegründende Tatsache jedoch erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsache als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30. April 1985 – 2 RU 43/84 – juris; Senatsurteil vom 23. Juni 2021 – L 4 R 28/20 – nicht veröffentlicht). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 – 2 RU 31/90 – juris). Entsprechend geht die Nichterweislichkeit quantitativer Einschränkungen hier zu Lasten der Klägerin. Hinzu kommt, dass fachspezifische Befunde in den vorliegenden Akten nicht dokumentiert sind. Eine entsprechende Behandlung wird nicht durchgeführt. Somit schied auch eine Begutachtung nach Aktenlage aus. Weitere Ermittlungen waren daher nicht vorzunehmen. Gleiches gilt für die von der Klägerin zuletzt angeführte mittelschwere Depression, die nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen noch nicht einmal ärztlich diagnostiziert wurde. Dahingehende Befunde wurden von keinem der mit der Klägerin im Verfahren befassten Ärzte erhoben und mitgeteilt. Vielmehr beschrieb Dr. Z. ausdrücklich eine ausgeglichene Stimmung. Trennung vom Ehemann und Gesamtsituation wurden unbeschwert vorgetragen. Die Klägerin war sozial gut eingebunden, zeigte keine Zukunftsängste und keine Anhedonie. Aufmerksamkeit und Konzentration waren während der Befragung durchgehend gut. Weder Dr. B. noch Prof. Dr. Zo. beschrieben in der Folge abweichende Befunde. Die Aufnahme einer entsprechenden Behandlung hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen. Hinweise auf einen Opioidabusus fanden sich sowohl bei Prof. Dr. Zo. als auch bei Dr. Z. Eine weitere Abklärung durch die fachpsychiatrische Begutachtung war auch insoweit nicht möglich. Da der Bewegungsapparat und der neurologische Befund sowohl bei Dr. Z. als auch Prof. Dr. Zo. keine Auffälligkeiten aufwiesen, ergeben sich auch keine Hinweise auf weitere relevante, somatische Gesundheitsstörungen.

(2) Die festgestellten Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin in qualitativer Hinsicht nur geringfügig ein. Soweit Prof. Dr. Zo. aus internistischer Sicht das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über 10 kg als nicht mehr zumutbar erachtet, ist zu berücksichtigen, dass dies bei den hier relevanten leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohnehin nicht abverlangt wird. Zugunsten der Klägerin berücksichtigt der Senat angesichts der Hinweise auf einen Opioidabusus die von Dr. Z. beschriebenen Anforderungen an eine zumutbare Tätigkeit. Eine solche ist der Klägerin überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen in Tagesschicht möglich. Ausgeschlossen sind häufig wechselnde Arbeitszeiten, Nachtarbeit, besondere Anforderungen an die psychomentale Belastbarkeit sowie Fahr- und Steuertätigkeiten. Damit wird auch einer möglichen psychischen Überlastung begegnet.

(3) Die bei der Klägerin festgestellten, als rentenrelevant zu berücksichtigen Gesundheitsstörungen führen jedoch nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß; diese stehen zumindest leichten Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich nicht entgegen. Der Senat stützt sich auch insoweit auf die überzeugenden und übereinstimmenden Gutachten von Prof. Dr. Zo. und Dr. Z., deren Leistungseinschätzung anhand der von ihnen festgestellten Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen überzeugend begründet ist. Dr. T. bestätigte in ihrer Auskunft als sachverständige Zeugin nicht nur, dass sich die chronische Gastritis, Laktoseintoleranz und seronegative Zöliakie unter glutenfreier Diät nur gering auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Sie schloss sich vielmehr ausdrücklich der Leistungsbeurteilung von Dr. Z. an. Die abweichende Beurteilung von Dr. B. vermag den Senat nicht zu überzeugen. Dieser stützt sich im Wesentlichen auf die von ihm angenommene chronisch-rezidivierende Pankreatitis. Diese konnte jedoch aus den oben genannten Gründen von Prof. Dr. Zo. in Übereinstimmung mit Dr. Z. überzeugend ausgeschlossen werden. Dass eine somatoforme Schmerzstörung oder eine depressive Erkrankung zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens führt, kann der Senat nicht feststellen. Wie oben dargelegt, konnte sich der Senat nicht mit der notwendigen Sicherheit vom Vorliegen solcher Gesundheitsstörungen überzeugen. Da auch eine entsprechende Behandlung nicht durchgeführt wird, ergibt sich für den Senat keine Grundlage, eine entsprechende Leistungseinschränkung anzunehmen, unter Berücksichtigung einer von Prof. Dr. Zo. und Dr. Z. angeführten Behandlungsmöglichkeit insbesondere keine dauerhafte. Die unter (2) beschriebenen qualitativen Ausschlüsse vermindern des Weiteren eine psychische Belastung.

(4) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R – juris, Rn. 29 ff. m.w.N.). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist hier gegeben.

(6) Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Wegefähigkeit ist nach den oben genannten Befunden nicht gegeben. Entsprechend hat der Sachverständige Prof. Dr. Zo. die Wegefähigkeit der Klägerin auch überzeugend bejaht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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