L 8 U 1207/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 2183/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1207/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 07.11.2019 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens L 6 U 1726/17 zu erstatten hat und im Übrigen jeder seine außergerichtlichen Kosten auf sich behält.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren L 8 U 1207/20 nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Verletztenrente und die Feststellung weiterer Unfallfolgen.

Die 1956 geborene Klägerin arbeitete seit Mai 2006 als Taxifahrerin bei der Fa. T in F. Wegen eines Arbeitsunfalls am 23.08.2008, bei dem sie sich einen Bruch des Olecranon, des proximalen Endes der Elle, und eine ebenfalls körpernahe Fraktur des Humerus, des Oberarmknochens, jeweils rechts, zuzog, gewährte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 27.04.2011 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit in Höhe der bislang bewilligten Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v.H.). Als Folgen dieses Unfalls sind eine Bewegungseinschränkung im rechten Schulter- und Ellenbogengelenk sowie eine Einschränkung der Unterarmdrehung rechts festgestellt. Zudem bezieht sie von der Deutschen Rentenversicherung Bund seit April 2015 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 70 sowie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche „G“ und „B“ festgestellt.

Am 12.09.2013 erlitt sie ausweislich des Durchgangsarztberichts vom selben Tag und der undatierten Unfallanzeige des Arbeitgebers bei einem weiteren Arbeitsunfall, indem sie auf dem nassen Parkplatz des Taxistandes ausrutschte und stürzte, eine Luxationsfraktur des linken Humeruskopfes, eine Tibiakopfimpressionsfraktur am rechten Kniegelenk und eine Fraktur des Grundgliedes D IV der rechten Hand.

Im Rentengutachten vom 02.02.2015 gelangte der Chefarzt der Klinik für U im O Klinikum in L V nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin in L zu der Auffassung, dass die Unfallfolgen an der linken Schulter mit einer MdE um 30 v.H. und die Unfallfolgen am rechten Knie mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten seien. Insgesamt ergebe sich eine MdE um 40 v.H.

Mit Bescheid vom 25.02.2015 stellte die Beklagte die Zahlung des Verletztengeldes mit Ablauf des 11.03.2015 ein. Als Begründung war angegeben, dass mit dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu rechnen sei und qualifizierende Maßnahmen, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen könnten, nicht zu erbringen seien, so dass das Verletztengeld mit dem Ablauf der 78. Woche nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ende.

Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und begehrte beim Sozialgericht (SG) Freiburg einstweiligen Rechtsschutz. Der Senat hob mit Beschluss vom 06.05.2015 (L 8 U 1502/15 ER-B) den diesen Eilantrag ablehnenden Beschluss des SG vom 17.03.2015 (S 3 U 1068/15 ER) auf und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs fest.

Daraufhin gewährte die Beklagte weiterhin Verletztengeld für die Zeit vom 12.03.2015 bis 13.08.2015 und wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.02.2015 mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2015 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 17.09.2015 Klage zum Sozialgericht Freiburg (S 13 U 4754/15). Am 22.09.2016 nahm die Klägerin die Klage nach gerichtlichem Hinweis zurück.

Mit weiterem Eilantrag begehrte die Klägerin die vorläufige Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 12.09.2013. Den ablehnenden Beschluss des SG Freiburg vom 17.12.2015 (S 13 U 5891/15 ER) änderte das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 14.03.2016 (L 3 U 314/16 ER-B) teilweise ab und verpflichtete die Beklagte, vorläufig Verletztenrente nach einer MdE um 25 v.H. vom 06.12.2015 bis 29.02.2016 zu gewähren. Insoweit bestünden Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Für die Zeit danach fehle es im Hinblick auf den zwischenzeitlich gewährten Vorschuss an einer entsprechenden Eilbedürftigkeit.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 02.03.2016 ab 01.03.2016 einen Vorschuss in Höhe von monatlich 250 € auf die zu erwartende Verletztenrente. Den mit dem Ziel der Bewilligung eines höheren Vorschusses erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2016 zurück. Deswegen erhob die Klägerin am 22.07.2016 Klage zum SG (S 17 U 2938/16).

Im Auftrag der Beklagten erstattete S, Chefarzt des Klinikums für Chirurgie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Kindertraumatologie des Jskrankenhauses in F, am 29.08.2016 nach ambulanter klinischer und röntgenologischer Untersuchung der Klägerin ein Gutachten. Er stellte narbige Veränderungen im Bereich des linken Schultergelenkes, radiologische Veränderungen in dieser Körperregion und im Bereich des rechten Kniegelenkes und des vierten Fingers rechts, eine Funktionseinschränkung, ein Kraftdefizit und eine verminderte Einsetzbarkeit der linken oberen Extremität durch eine Funktionsstörung im linken Schultergelenk sowie Bewegungs- und Belastungseinschränkungen im rechten Kniegelenk fest, welche er auf das Unfallereignis vom 12.09.2013 zurückführte. Im Bereich der Oberarme habe sich eine Atrophie des Musculus deltoideus gezeigt. Die MdE schätze er auf 30 v. H. Eine höhere sei nicht begründbar. Die Klägerin bringe die unfallunabhängige Vorerkrankung einer seronegativen rheumatoiden Arthritis mit dem Ereignis in Verbindung, was ihm nicht plausibel erscheine. Daher könnten die Bewegungseinschränkungen und die Schmerzen im Bereich des Ellenbogengelenkes links und der Handgelenke nicht direkt auf den Unfall zurückgeführt werden. Die Funktionsprüfung des linken Schultergelenkes habe eine deutliche Bewegungseinschränkung belegt. Linksseitig seien die Abduktion bis 30° und die Anteversion bis 40° möglich gewesen. Die Innen- und Außenrotation sei jeweils eingeschränkt gewesen.

Daraufhin gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 07.10.2016 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v.H. ab 12.03.2015.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.03.2017 wies das SG die Klage S 17 U 2938/16 im Hinblick auf die zwischenzeitlich mit Bescheid vom 07.10.2016 bewilligte Rente ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Klage wegen eingetretener Erledigung das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Nach Bewilligung einer Rente sei jeder Streit um die Höhe eines Vorschusses nutzlos. Auf die hiergegen erhobene Berufung verwies das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 18.01.2018 (L 6 U 1726/17) den Rechtsstreit, soweit er die Gewährung einer höheren Verletztenrente betrifft, an das SG zurück und führte zur Begründung aus, der Bescheid über die Bewilligung der Dauerrente vom 07.10.2016 sei gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens über die Höhe des Vorschusses geworden. In diesem Verfahren sei daher noch über das Begehren der Klägerin nach Bewilligung einer höheren Rente zu entscheiden. Der Rechtsstreit wurde beim SG nach der Zurückverweisung unter dem Aktenzeichen S 17 U 543/18 geführt.

Den mit dem Ziel der Bewilligung einer höheren Rente und mit Verweis auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2017 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die unfallbedingten Gesundheitsstörungen seien zutreffend unter dem Gesichtspunkt einer Rente auf unbestimmte Zeit mit einer MdE von 30 v.H. begründet worden.

Deswegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 07.06.2017 die Klage S 17 U 2183/17 zum SG erhoben. Er hat geltend gemacht, der Vorschaden an der rechten Schulter bei der Bewertung der Unfallfolgen an der linken Schulter müsse MdE-erhöhend berücksichtigt werden. Da es sich bei den Schultern um paarige Organe handele, sei die Verletzung der bislang unbeeinträchtigten linken Schulter höher zu bewerten. Dies sei gegebenenfalls arbeitsmedizinisch zu ermitteln. Zudem habe sie Anspruch auf eine Erhöhung der Rente wegen besonderer beruflicher Betroffenheit, da sie ihren bisherigen Beruf als Taxifahrerin unfallbedingt nicht mehr ausüben könne. Es seien die bei der Klägerin bestehenden Beschwerden Kraftverlust, Arthritis, Pongonarthrose des rechten Kniegelenkes und eingeschränkte Fingerbeweglichkeit an der rechten Hand als Folgen des Arbeitsunfalles vom 12.09.2013 festzustellen.

Das Gericht hat S schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser teilte mit Schreiben vom 15.09.2017 mit, er habe die Klägerin im Rahmen der gutachterlichen Nachuntersuchung am 23.08.2016 und seitdem am 07.06.2017 und am 08.08.2017 gesehen. Eine signifikante Befundänderung gegenüber dem von ihm erstellten Gutachten habe sich nicht ergeben.

Das Gericht hat den C, B, am 20.09.2017 zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und ihn gebeten, über die Klägerin ein Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung zu erstellen.

Der Prozessbevollmächtigte hat mitgeteilt, dass die Klägerin die Anreise vom Wohnort nach B gesundheitsbedingt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne fremde Hilfe nicht bewältigen könne. Sie hat hierzu auf ihren Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 70 und den Merkzeichen „G" und „B" Bezug genommen. Im Übrigen fehle es dem Gutachter aufgrund seiner Tätigkeit als leitender Arzt für Kinderorthopädie an Sachkunde.

Das SG hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2017 und 17.10.2017 darauf hingewiesen, dass C Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit langjähriger Erfahrung bei der Begutachtung von Unfallfolgen sei. Der Ort der Begutachtung (S1klinik B) sei vom Wohnort der Klägerin mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Im Übrigen sei die Klägerin im Verwaltungsverfahren durch V in L begutachtet worden. Die Ernennung des Sachverständigen bleibe daher aufrechterhalten. Mit der Inanspruchnahme eines Taxis für die Fahrt zur Begutachtung nach B bestehe nach derzeitigem Stand kein Einverständnis. Sofern die Klägerin nicht der Einladung zur Begutachtung nachkomme, werde das SG nach Aktenlage und ohne weitere medizinischen Ermittlungen entscheiden.

Mit Schreiben vom 07.12.2017 hat C mitgeteilt, die Klägerin habe den erstmaligen gutachterlichen Untersuchungstermin (24.10.2017) aufgrund einer Erkrankung kurzfristig storniert. Ein weiteres Mal sei die Klägerin in Absprache mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin für den 06.12.2017 einbestellt worden. Auch diesen Termin habe die Klägerin kurzfristig eineinhalb Stunden vorher abgesagt. Zur Begründung habe die Klägerin angegeben, sie sei krank, schwerbehindert und könne die Fahrt nach B nicht organisieren.

C hat daraufhin am 08.01.2018 in Absprache mit dem SG ein Gutachten nach Aktenlage erstattet. Dieser hat ausgeführt, dass hinsichtlich der unfallverletzten linken Schulter eine mehr als hälftige Einschränkung der Beweglichkeit dokumentiert sei. An der rechten Schulter bestehe eine mittelgradige Einschränkung mit einer Abspreizung bis 80°, einer Vorhebung bis 90° und einer Auswärtsdrehung bis 40°. Hinsichtlich der Kausalitätsbeurteilung sei zu berücksichtigen, dass die Beweglichkeit der linken Schulter und auch des linken Ellenbogengelenks bereits vor dem Unfall erheblich eingeschränkt gewesen sei. Unter dieser Voraussetzung sei lediglich die zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung dem Unfall zuzurechnen. Diese sei mit einer MdE um 30 % zutreffend bewertet. Eine besondere Berücksichtigung der Situation an der rechten Schulter sei nicht gerechtfertigt, da die zuletzt dokumentierte Beweglichkeit mit einer Seitwärtshebung von 80° und einer Vorwärtshebung von 90° unter funktionellen Gesichtspunkten weitgehend kompensiert sei. Hinsichtlich des rechten Kniegelenks trete der Unfallschaden gegenüber der unfallunabhängig vorbestehenden Pangonarthrose deutlich in den Hintergrund, so dass sich eine unfallbedingte MdE nicht ableiten lasse. Insgesamt seien die Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.09.2013 mit einer MdE um 30 % zutreffend bewertet.

Am 04.06.2018 wurde bei der Klägerin eine Totalendoprothese der linken Schulter implantiert.

Mit Beschluss vom 20.02.2019 hat das SG die Klagen S 17 U 2183/17 und S 17 U 543/18 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. S 17 U 2183/17 verbunden.

Mit Schreiben vom 06.02.2018 und 08.03.2018 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, P, Arzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Rheumatologie, K nach § 109 SGG gutachterlich zu hören.

Mit Schreiben vom 20.02.2019 hat das SG von Amts wegen P mit der Erstattung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung beauftragt und der Klägerin am 05.04.2019 mitgeteilt, dass die Kosten für eine Beförderung mit dem Taxi vom Wohnort der Klägerin zum Ort der Begutachtung und zurück übernommen würden.

Am 25.06.2019 hat P ein fachorthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten erstattet. Zum Ablauf gab P an, die Klägerin sei nach zuvoriger wiederholter Absage des Untersuchungstermins verspätet zur Begutachtung erschienen und habe die Untersuchung nach ca. einer halben Stunde abgebrochen. Zu einer Funktionsprüfung der unfallverletzten linken Schulter sei es nicht gekommen. Eine weitere körperliche Untersuchung im Sinne der Erhebung eines Ganzkörperstatus habe die Klägerin abgelehnt. Hinsichtlich des linken Armes bestehe kein kompletter Funktionsverlust. Die Klägerin habe beim Heraussuchen der aktuellen Befundunterlagen in stehender Position beide Arme eingesetzt. An den Händen seien rheumatische Veränderungen mit Schwellung der Grundgelenke und beeinträchtigter Funktion beidseits sichtbar. Orientierend habe die Beweglichkeit hinsichtlich Anteversion 40°, Abduktion 50°, Außen-und Innenrotation 40-0-30° betragen. Die Unfallfolgen an der linken Schulter seien mit einer MdE um 30 % zu bewerten. Hinsichtlich der Funktionseinschränkungen am rechten Knie sei ein Überwiegen der unfallunabhängigen Vorerkrankung anzunehmen.

Hierzu hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass bei der Begutachtung die funktionelle Wechselwirkung der Unfallfolgen mit dem Vorschaden an der rechten Schulter unberücksichtigt geblieben sei. Zudem bestehe eine besondere berufliche Betroffenheit, da die Klägerin ihren bisherigen Beruf als Taxifahrerin nicht mehr ausüben könne. Insoweit sei die Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens einzuholen. P habe von sich aus die Begutachtung beendet.

Mit Urteil vom 07.11.2019 hat das SG die Klagen abgewiesen. Streitgegenstand seien die Entscheidungen der Beklagten über die Bewilligung des Vorschusses (Bescheid vom 02.03.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2016) und über die Bewilligung der Rente (Bescheid vom 07.10.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.05.2017), letztere einbezogen in das bereits anhängig gewesene gerichtliche Verfahren nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung einer höheren Verletztenrente. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme sei eine höhere MdE als 30 v.H. im Hinblick auf die Unfallfolgen an der linken Schulter und am rechten Kniegelenk nicht nachgewiesen. Die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls habe die Klägerin in einem Zustand umfangreicher unfallunabhängiger Vorschädigung getroffen. Sie leide nämlich nach übereinstimmender ärztlicher Beurteilung (eine abweichende ärztliche Auffassung sei nicht aktenkundig geworden) unter einer arthrotischen Systemerkrankung, die nach und nach auch die von den Unfallfolgen betroffenen Gelenke in erheblichem Umfang schädige. Insbesondere an den Fingergrundgelenken sei eine arthrotische Deformierung offenkundig. Die Einschätzung von S, dessen Gutachten als Urkundsbeweis verwertet werde, und des gerichtlichen Sachverständigen C, dass die anlagebedingte Systemerkrankung auch die linke Schulter und das rechte Knie betreffe, sei vor diesem Hintergrund nachvollziehbar und überzeugend. Der Vorschaden müsse deshalb auch bei der MdE- Beurteilung berücksichtigt werden. Im Übrigen sei nach Ausschöpfung sämtlicher erreichbarer Beweismittel hier auch nach Beweislastgrundsätzen zu entscheiden, da sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht hinreichend aufklären lasse. Bei den Begutachtungen durch C und P habe sich die Klägerin nicht kooperativ verhalten. Ohne Nachweis eines zureichenden Grundes sei die Klägerin nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Begutachtung bei C angereist. Ein zureichender Grund sei insbesondere deshalb nicht nachgewiesen, weil die Klägerin noch 2015 bei im wesentlichen unverändertem medizinischem Sachverhalt zu einer gutachterlichen Beurteilung nach L angereist sei. Auch die Zuerkennung der Merkzeichen „G" und „B" besage lediglich, dass die Klägerin bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sei. Die körperliche Untersuchung durch P habe die Klägerin gegen ärztlichen Rat unter der Annahme, sie müsse lediglich eine Untersuchung der unfallverletzten Körperteile dulden, abgebrochen. Aber auch hiervon abgesehen ergäben sich aus den erreichbaren Beweismitteln, namentlich den Gutachten von S, C und P keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer MdE höher als 30 %. Ausgangspunkt seien insoweit die Unfallfolgen an der linken Schulter. Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (mit Hinweis auf Schönberger et alt., Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Seite 560) sei die Schultervorhebung als das Hauptkriterium und üblicherweise eine Schultergelenksversteifung mit einer Abduktion von max. 30° mit einer MdE um 30 % zu bewerten. Im Falle der Klägerin sei die Abduktion jedoch den eingeholten Gutachten zufolge sogar bis 50° möglich. Zusätzlich zu berücksichtigen sei noch der Umstand, dass die Unfallfolgen durch die arthrotische Systemerkrankung überlagert seien. Hierauf habe bereits S in seinem Gutachten hingewiesen. Alles in allem spreche damit nichts dafür, dass die MdE im Hinblick auf die linke Schulter unterbewertet sei. Im Hinblick auf das rechte Kniegelenk hätten die gerichtlichen Sachverständigen C und P übereinstimmend darauf hingewiesen, dass insoweit die anlagebedingte Vorerkrankung deutlich überwiegend für die vorhandene Funktionseinschränkung verantwortlich sei. Auch im Hinblick auf den Vorschaden an der rechten Schulter ergebe sich keine Höherbewertung. Es sei zwar richtig, dass bei einer funktionellen Wechselbeziehung zwischen Vorschaden und hinzutretender unfallbedingter Gesundheitsstörung vor allem bei paarigen Organen die MdE-Richtwerte nicht anwendbar seien (mit Hinweis auf Schönberger a.a.O., Seite 133). Ein solcher Fall sei aber vorliegend nicht gegeben. Denn als Beispiele würden dort der Verlust des zweiten Armes bei einem Einarmigen, der Verlust des anderen Auges bei einem Einäugigen oder der Verlust des Daumens nach Verlust des anderen Daumens genannt. Gemeinsam sei diesen Fällen sämtlich ein weitgehender Funktionsausfall des vorgeschädigten paarigen Organs. Im vorliegenden Fall sei das rechte Schultergelenk aber lediglich mittelgradig mit Einschränkung hinsichtlich der Vorhebung bis 90° beeinträchtigt. Auch liege keine eine besondere berufliche Betroffenheit vor. In der gesetzlichen Unfallversicherung erfolge die MdE- Bewertung grundsätzlich abstrakt ohne Berücksichtigung der zuletzt ausgeübten konkreten Berufstätigkeit. Etwas anderes gelte nur, wenn ausnahmsweise das Nichtberücksichtigen von Ausbildung und Beruf eine Bewertung der MdE zu einer unbilligen Härte führe. Als Merkmale heranzuziehen seien hohes Lebensalter, Dauer der Ausbildung, Eigenart des Berufs und die durch diesen erworbenen Spezialkenntnisse, Dauer der Ausübung der speziellen Tätigkeit und die soziale Stellung im Erwerbsleben. Nach diesen Maßstäben komme die Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit hier nicht in Betracht. Denn bei dem Beruf der Taxifahrerin handle es sich nicht um einen anerkannten Ausbildungsberuf, sondern lediglich um eine Anlerntätigkeit mit einer inhaltlich sehr beschränkten Prüfung (Taxischein). Des Weiteren komme die Feststellung der beantragten weiteren Unfallfolgen angesichts der allseitig beschriebenen anlagebedingten arthrotischen Systemerkrankung, die sich nach allen aktenkundigen medizinischen Befundunterlagen nicht auf den Arbeitsunfall zurückführen lasse, nicht in Betracht. Die Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens sei zur weiteren Sachaufklärung hier nicht geeignet. Denn ein feststehender medizinischer Sachverhalt, aus welchem arbeitsmedizinische Schlüsse gezogen werden könnten, liege schon nicht vor.

Der Prozessbevollmächtigte hat gegen das ihm am 18.03.2020 zugestellte Urteil beim LSG Baden-Württemberg mit Telefax vom 15.04.2020 die Berufung L 8 U 1207/20 eingelegt.

Die Klägerin hat mit Telefax vom 16.04.2020 ebenfalls Berufung eingelegt und diese durch ihren Prozessbevollmächtigten am 19.03.2021 zurückgenommen.

Der Prozessbevollmächtigte verweist auf seinen bisherigen Vortrag und macht ergänzend geltend, es treffe nicht zu, dass sich die Klägerin unkooperativ verhalten habe. So habe das SG ohne vorherige Rücksprache mit der Klägerin C beauftragt, obwohl sie aufgrund ihrer erheblichen Beschwerden nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen könne. Die Anreise mit dem Taxi nach B habe daraufhin das SG zu Unrecht verweigert. Während der Begutachtung durch P habe dieser das Begutachtungszimmer verlassen und damit jener die vollständige Begutachtung abgebrochen. Keiner der Gutachter habe ausreichend auf die besondere Problematik bei paarigen Gliedmaßen und die hier bestehende Beidseitigkeit der Einschränkung der Armhebung und Beweglichkeit einzugehen vermocht. Insbesondere könne die Klägerin mit dem rechten Arm die Einschränkungen des linken Arms nicht kompensieren. Von Amts wegen sei ein arbeitsmedizinisches Gutachten einzuholen. Durch den Unfall sei die Klägerin auch pflegebedürftig nach Pflegegrad 2 geworden. An Rheuma leide sie nicht, wie sich aus einem Laborbericht vom 25.01.2021 und den dort festgestellten niedrigen Entzündungswerten ergebe. Ungeachtet des Ausgangs des Berufungsverfahrens habe das SG zu Unrecht auch die Kostenentscheidung betreffend des Berufungsverfahrens L 6 U 1726/17 zulasten der Klägerin getroffen. Denn in jenem Berufungsverfahren sei die Berufung insoweit erfolgreich gewesen, als das Urteil des SG durch das Landessozialgericht aufgehoben und das Verfahren an das Sozialgericht zurückgegeben wurde. Streitgegenständlich seien auch die gesundheitlichen Folgen des Unfalls.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 07.11.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, aufgrund des Unfalls vom 12.09.2013 unter Abänderung der Bescheide vom 02.03.2016 und des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2016 sowie der Bescheide vom 07.10.2016 und des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2017 eine Verletztenrente ab 12.03.2015 nach einer MdE in Höhe von 100 v.H., hilfsweise in gesetzlicher Höhe zu gewähren und Kraftverlust, Arthritis, Pongonarthrose des rechten Kniegelenkes und eingeschränkte Fingerbeweglichkeit an der rechten Hand als Folgen des Arbeitsunfalles vom 12.09.2013 festzustellen, hilfsweise P zur Bemessung der MdE persönlich anzuhören und ein arbeitsmedizinisches Gutachten einzuholen zum Beweis der Tatsache, dass die Einschränkung der Beweglichkeit der linken Schulter nicht ausreichend durch die Restbeweglichkeit der rechten Schulter kompensiert werden kann und deshalb die eingeschränkte Kompensationsfähigkeit bei der MdE bemessungserhöhend zu berücksichtigen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, neue rechtserhebliche und bisher unberücksichtigt gebliebene Gesichtspunkte ergäben sich aus dem Berufungsvorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht.

Der Senat hat dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit am 08.12.2020 zugestellten Schreiben vom 26.11.2020 mitgeteilt, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt sind und Frist zur Stellung eines Antrags nach § 109 SGG unter Angabe eines Arztes, der bereit ist, das Gutachten binnen 3 Monaten zu erstatten, bis 12.12.2020 (Eingang bei Gericht) gesetzt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 28.12.2020 gemäß § 109 SGG beantragt, S2 gutachtlich zu hören.

Nach seiner Beauftragung am 30.03.2021 hat S2 mit Schreiben vom 01.04.2021 mitgeteilt, nach Durchsicht der Akten handle es sich um einen rein unfallchirurgischen Fall‚ wozu sich schon mehrere namhafte ausschließlich unfallchirurgisch Tätige geäußert hätten. Er sei sowohl als Klinikleiter und als auch als Gutachter vorwiegend in Orthopädisches eingebunden gewesen, was seine unfallchirurgische Kompetenz einschränke. Er halte sich für den ungeeigneten Gutachter. Bei seiner Zusage an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe ihm dieser nicht mitgeteilt, dass es sich um ein unfallchirurgisches Gutachten handele. Sonst hätte er die Zusage nicht gegeben. Er bitte um das gerichtliche Einverständnis, den Gutachtenauftrag samt den umfangreichen Akten unerledigt zurückzusenden.

Auf gerichtliche Anfrage vom 08.04.2021, ob der Antrag vom 28.12.2020, ein Gutachten nach § 109 SGG bei S2 einzuholen, für erledigt erklärt wird, hat der Prozessbevollmächtigte am 14.04.2021 beantragt, anstelle von S2 nunmehr nach § 109 SGG den H gutachterlich zu hören. Dieser sei bereit, das Gutachten binnen 6 Wochen zu erstatten.

Daraufhin hat der Senat mit Schreiben vom 19.04.2021 den Gutachtensauftrag an S2 aufgehoben und mit Schreiben vom gleichen Tag den Prozessbevollmächtigten der Klägerin um Mitteilung gebeten, ob die Klägerin mit einer Entscheidung durch Urteil, in welchem der Senat voraussichtlich auch über die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bei H entscheiden werde, ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei.

Hierauf hat die Klägerin mitgeteilt, an den Unfallfolgen zu leiden, weshalb ein weiteres Gutachten einzuholen sei.

Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 06.05.2021 und die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 10.05.2021 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge einschließlich der beigezogenen Gerichtsakten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.

Die angegriffenen Bescheide der Beklagten und das Urteil vom 07.11.2019 sind rechtlich nicht zu beanstanden, weil ein Anspruch auf Gewährung von höherer Verletztenrente nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht besteht.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Die Entstehung länger andauernder Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, - B 2 U 40/05 R - und - B 2 U 26/04 R -, juris).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R -, juris). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 10.06.1955 – 10 RV 390/54 –, juris).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R –, juris sowie zu den Unterschieden BSG, Urteil vom 28.06.1988 – 2/9b RU 28/87 –, juris Rn. 17) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, - B 2 U 40/05 R – und B 2 U 26/04 R -, juris).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSG, Urteile vom 29.03.1963 – 2 RU 75/61 –, vom 16.02.1971 – 1 RA 113/70 –, vom 02.02.1978 – 8 RU 66/77 –, und vom 30.04.1985 – 2 RU 43/84 –83; alle in juris). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R und B 2 U 26/04 R - a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG, Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 34/99 R –, juris Rn. 17).

Ein Anspruch auf Gewährung von höherer Verletztenrente und die Feststellung weiterer Unfallfolgen aufgrund des Arbeitsunfalls vom 12.09.2013 resultiert nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG). Das SG hat die Klagen auf Gewährung von höherer Verletztenrente und die Feststellung von Unfallfolgen aus dem Unfall vom 12.09.2013 zutreffend abgelehnt. Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme ist eine höhere MdE als 30 v.H. im Hinblick insbesondere auf die Unfallfolgen an der linken Schulter und am rechten Kniegelenk nicht nachgewiesen. Die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls haben die Klägerin in einem Zustand umfangreicher unfallunabhängiger Vorschädigung getroffen. Die Einschätzungen von S und des gerichtlichen Sachverständigen C, dass die anlagebedingte Systemerkrankung auch die linke Schulter und das rechte Knie betreffen, sind vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Dieser Vorschaden ist bei der MdE- Beurteilung zu berücksichtigen. Seit der Begutachtung im August 2016 haben sich ausweislich der schriftlichen Zeugenaussage von S auch keine wesentlichen gesundheitlichen Veränderungen ergeben. Im Übrigen hat die Klägerin (jeweils ohne zureichenden Grund) den Untersuchungstermin bei C nicht wahrgenommen und die Untersuchung durch P abgebrochen. Dass die Klägerin für die Anreise nach B zur Begutachtung bei C keine Begleitperson aufzufinden vermocht hätte, hat sie nicht vorgetragen. Die körperliche Untersuchung durch P hat die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen aus eigenem Antrieb, wie P überzeugend ausgeführt hat, abgebrochen. Auch liegt keine besondere berufliche Betroffenheit vor, da es sich bei dem Beruf der Taxifahrerin nicht um einen anerkannten Ausbildungsberuf, sondern lediglich um eine Anlerntätigkeit handelt.

Der Senat hält weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens und die persönliche Anhörung von P zur Bemessung der MdE nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und die vorliegenden unfallchirurgischen Gutachten haben dem Senat (trotz des Abbruchs der Begutachtung bei P) die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Im Übrigen hätte es der Klägerin freigestanden, schriftlich Fragen an die gehörten Gerichtssachverständigen zu stellen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, §§ 402, 377 Abs. 3, 397 Abs. 1 ZPO). Solche hat die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter aber nicht gestellt.

Auch eine weitere Begutachtung nach § 109 SGG war nicht veranlasst. Den am 14.04.2021 gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bei H lehnt der Senat gemäß § 109 Absatz 2 SGG ab. § 109 Absatz 2 SGG bestimmt, dass das Gericht einen Antrag ablehnen kann, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Eine grobe Nachlässigkeit ist anzunehmen, wenn die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde und nicht getan wird, was jedem einleuchten muss (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage § 109 Rnr. 11). Dem Kläger ist durch die richterliche Verfügung vom 26.11.2020, welches ihm gemäß § 63 Abs. 1 SGG durch Empfangsbekenntnis am 01.12.2020 zugestellt worden war, Frist bis 15.12.2020 (Eingang bei Gericht) zur Stellung eines Antrags nach § 109 SGG unter Angabe eines Arztes, der bereit ist, das Gutachten binnen 3 Monaten zu erstatten, gesetzt worden. Die Benennung von H ist jedoch erst rund 4 Monate nach Fristablauf erfolgt; die Zulassung, nunmehr ein Gutachten bei H in Auftrag zu geben, hätte die Erledigung des bereits überlangen Rechtsstreits noch weiter verzögert. Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, sie sei an einer früheren Antragstellung gehindert gewesen, weil sie davon ausgegangen sei, dass S2 ein Gutachten nach § 109 SGG erstatten werde. Denn insoweit hat dieser in seinem Schreiben vom 01.04.2021 selbst ausgeführt, er sei sowohl als Klinikleiter als auch als Gutachter vorwiegend in Orthopädisches eingebunden gewesen und auf unfallchirurgischem Fachgebiet kein geeigneter Gutachter. Indem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin S2 nicht mitgeteilt hat, dass es sich um ein unfallchirurgisches Gutachten handelt und er sich offensichtlich auch nicht nach der fachlichen Expertise von S2 auf unfallchirurgischem Fachgebiet erkundigt hat, hat er die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und nicht getan, was jedem einleuchten muss. Bei sorgfaltsgemäßem Verhalten hätte er bereits vor Fristablauf (15.12.2020) und nicht erst rund 4 Monate später in Erfahrung bringen können, dass S2 gutachterlich auf orthopädischem Fachgebiet tätig ist und somit rechtzeitig einen anderen Arzt, der das Gutachten nach § 109 SGG erstatten soll, benennen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass das Berufungsverfahren L 6 U 1726/17 teilweise erfolgreich war, indem das Urteil des SG - soweit der Rechtsstreit die Gewährung einer höheren Verletztenrente betrifft - durch das Landessozialgericht aufgehoben und das Verfahren an das SG zurückgegeben wurde.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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