L 4 KR 645/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 2192/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 645/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Nichtbeachtung einer von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten Vollmacht durch die Beklagte.

Der 1958 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Während des Bezugs von Krankengeld setzte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 11. November 2019 gemäß § 51 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine Frist, innerhalb derer er einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen habe. Der Kläger kam dieser Aufforderung nach und stellte einen solchen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV). Die DRV gab dem Rehabilitationsantrag statt und bewilligte die beantragte Maßnahme. Der Beginn der Rehabilitationsmaßnahme war für den 24. Juni 2020 vorgesehen.

Bereits mit Schreiben vom 14. Mai 2020 zeigte der Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten seine Bevollmächtigung an und teilte mit, dass für den Kläger formlos die Gewährung der Altersrente für Schwerbehinderte und eine Erwerbsminderungsrente beantragt worden sei. Zuerst müsse allerdings der avisierte stationäre Aufenthalt in Ö. durchgeführt werden und eine entsprechende Anschlussheilbehandlung. Aufgrund von § 12 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei die Beklagte für die Durchführung dieser Rehabilitationsmaßnahme zuständig. Diese müsse im Anschluss an eine vorherige stationäre Behandlung nunmehr eine Anschlussheilbehandlung durchführen. Der Schriftwechsel sei nur über die Kanzlei des Bevollmächtigten zu führen. Gleichzeitig wurde die (vom Kläger unterschriebene) Vollmacht „In Sachen: G., M. ./. D. BKK“ vom 12. Mai 2020 vorgelegt. Danach gelte die Vollmacht für alle Instanzen und jeglicher Schriftwechsel habe nur mit Bevollmächtigten zu erfolgen.

Mit Schreiben vom 16. Juni 2020 wandte sich die Beklagte direkt an den Kläger und teilte ihm mit, dass im Hinblick auf die in Kürze stattfindende Rehabilitationsmaßnahme der Rentenversicherung der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Beurteilung der weiteren Arbeitsunfähigkeit den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik benötige. Der Kläger werde daher gebeten, die Klinikärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und das vorbereitete Formular unterschrieben an sie zurückzusenden. In einem weiteren Schreiben vom gleichen Tag, ebenfalls an den Kläger direkt gerichtet, teilte die Beklagte mit, dass sie ihm für die Rehabilitationsmaßnahme viel Erfolg wünsche und klärte ihn weiter darüber auf, was passieren werde, falls er nach der Rehabilitationsmaßnahme weiterhin arbeitsunfähig krank sei. Er wurde gebeten, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen umgehend an die Beklagte zu senden.

Am 17. Juni 2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, erneut die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme nach Absolvierung einer stationären Behandlung. Diesem Schreiben fügte er das an die DRV gerichtete Schreiben vom 13. Mai 2020 bei, wonach er die Gewährung von Altersrente für Schwerbehinderte und eine Erwerbsminderungsrente beantragt habe.

Die für den 24. Juni 2020 geplante Rehabilitationsmaßnahme der DRV trat der Kläger nicht an, weil er der Auffassung war, zuständiger Rehabilitationsträger sei die Beklagte.

Am 24. Juni 2020 erhob der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, beim Sozialgericht Freiburg (SG) Unterlassungsklage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, „unter Androhung eines Zwangsgeldes von 2500 €, die Vollmacht, die für den Kläger bei ihr hinterlegt worden ist, nicht weiterhin zu missachten“. Zur Begründung legte er die beiden an ihn (den Kläger) gerichteten Schreiben der Beklagten vom 16. Juni 2020 vor und führte aus, unter dem Datum des 14. Mai 2020 sei bei der Beklagten eine entsprechende Bevollmächtigung angezeigt worden. Immer wenn es kompliziert werde, werde die Vollmacht missachtet. Die Beklagte habe ihn am 16. Juni 2020 direkt angeschrieben, so als ob es überhaupt keinen vorherigen Schriftwechsel gegeben hätte. Die Beklagte müsse von gerichtlicher Seite gezwungen werden, Einmischungen in das Mandatsverhältnis zu unterlassen und die Vollmacht zu beachten. Es liege eine systematische Vollmachtsmissachtung vor. Im Übrigen sei § 56a Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Fall einer Vollmachtsmissachtung nicht anwendbar.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, die jüngsten rechtserheblichen Entscheidungen habe man dem Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt. Im Übrigen sei das Vorbringen des Klägers unsubstantiiert und berücksichtige nicht, dass sie sich im Rahmen des § 13 Abs. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) im Rahmen von Mitwirkungshandlungen direkt an den Kläger richten dürfe. Der Kläger sei aufgrund seines Krankengeldbezugs in seinem Dispositionsrecht eingeschränkt und daher in seinen Erklärungen gegenüber dem Rentenversicherungsträger nicht frei. Im Rahmen der Kontaktaufnahme vom 16. Juni 2020 sei es ihr um die Wahrnehmung ihrer Aufklärungspflicht und um die Erfüllung des § 1 SGB V gegenüber dem Kläger gegangen. Die Stärkung der Eigenverantwortung habe gegenüber dem Kläger persönlich zu erfolgen und bewege sich im Rahmen der mit ihm zu besprechenden Mitwirkungshandlungen. Darüber hinaus legte die Beklagte das an den Bevollmächtigten des Klägers gerichtete Schreiben vom 30. Juni 2020 vor, indem diese ankündigte, die Krankengeldzahlung mangels Mitwirkung ab dem 24. Juni 2020 einzustellen. Es wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 14. Juli 2020 Stellung zu nehmen. Darüber hinaus legte die Beklagte das an den Bevollmächtigten des Klägers gerichtete Schreiben vom 15. Juli 2020 vor, wonach das Krankengeld aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers ab dem 18. Juli 2020 eingestellt werde. Trotz Fristsetzung bis zum 14. Juli 2020 habe der Kläger nicht zu der Frage Stellung genommen, weshalb er die Rehabilitationsmaßnahme der DRV nicht angetreten habe.

Am 30. Juni 2020 beantragte der Kläger, wiederum vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, beim SG den Erlass einer einstweilen Anordnung (Az.: S 15 KR 2253/20 ER) mit dem Ziel, die Beklagte „
zu verpflichten, jegliche Kontaktaufnahme unter Umgehung der Vollmacht an den Antragsteller zu unterlassen unter Androhung eines Zwangsgeldes von 5.000,- Euro.“ Mit Beschluss vom 3. August 2020 lehnte das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab und führte zur Begründung aus, nach der Vorschrift des § 56a SGG könnten Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Ein Ausnahmefall nach § 56a S. 2 SGG liege nicht vor. Darüber hinaus könne sich die Beklagte gemäß § 13 Abs. 3 S. 2 SGB X direkt an den mitwirkungspflichtigen Versicherten wenden. Hiergegen legte der Kläger beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde ein (Az.: L 11 KR 2616/20 ER-B) und reichte unter anderem das Schreiben der Beklagten vom 2. Oktober 2020 (gerichtet an den Kläger persönlich) ein, in dem es heißt (Bl. 52 der Verwaltungsakte): „... ab dem 01.11.2020 werden wir beim Postversand anders vorgehen: Bei Vorlage einer Vollmacht schreiben wir nur noch die Bevollmächtigten an. Das bedeutet, Sie werden keine Briefe mehr von uns erhalten. Das ist nicht notwendig, denn lhr/e Bevollmächtigte/r kümmert sich für Sie um alles. Folgende Angaben ihres Bevollmächtigten sind bei uns hinterlegt: Name, Vorname: E., Ma..“ Mit Beschluss vom 20. November 2020 wies das LSG die Beschwerde zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Kläger wende sich nicht gegen eine förmliche Zurückweisung seines Bevollmächtigten nach § 13 Abs. 5 bis 7 SGB X. Gegen eine förmliche Zurückweisung könne der Bevollmächtigte selbst Rechtsbehelfe einlegen. Ob und mit welchen Rechtsbehelfen sich der Bevollmächtigte dagegen wehren könne, dass er zwar nicht förmlich zurückgewiesen werde, seine Bevollmächtigung aber (aus seiner Sicht) nicht beachtet werde, bedürfe keiner Entscheidung. Denn der Bevollmächtigte beanspruche Rechtsschutz nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Klägers. Lägen aber die Voraussetzungen des § 56a S. 1 SGG vor, so sei der Rechtsbehelf unzulässig. Allerdings müsse sich die Beklagte nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB X grundsätzlich an den für das Verfahren bestellten Bevollmächtigten wenden. Dies stehe nicht in ihrem Ermessen.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2021 wies sodann das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig. Nach § 56a S. 1 SGG könnten Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrensverhandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Unter dem Begriff der behördlichen Verfahrenshandlung falle dabei jegliches in Form des Verwaltungsakts oder als Realakt erfolgtes Handeln und Unterlassen einer Behörde während eines Verwaltungsverfahrens, sofern die Handlung das Verfahren nicht selbst abschließe. Vorliegend wende sich der Kläger gegen die Nichtbeachtung einer Vollmacht durch die Beklagte, d.h. gegen ein in Form eines Realakts erfolgten Unterlassens, das das Verwaltungsverfahren nicht abschließe. Ob und mit welcher Begründung die Beklagte möglicherweise zu Recht die streitige Vollmacht nicht beachtet habe, sei vor diesem Hintergrund nicht relevant. Zwar müsse sich die Beklagte als Behörde grundsätzlich an den für das Verwaltungsverfahren nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB X bestellten Bevollmächtigten wenden, ein Verstoß gegen diese Kommunikationsverpflichtung könne der Versicherte nach § 56a S. 1 SGG jedoch nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend machen. Da vorliegend der Kläger als am Verwaltungsverfahren Beteiligter und nicht sein Bevollmächtigter Klage erhoben habe, liege auch kein Fall des § 56a S. 2 SGG („Nichtbeteiligter“) vor.

Hiergegen richtet sich die am 22. Februar 2021 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung des Klägers, die trotz Erinnerung und Hinweis auf
§ 153 Abs. 1, § 106a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG (Senatsschreiben vom 9. Juni 2021) nicht begründet wurde.

Der Kläger beantragt - unter Beachtung des in erster Instanz gestellten Antrags - sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Januar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Androhung eines Zwangsgeldes von 2.500 €, die Vollmacht, die für ihn bei ihr hinterlegt worden ist, nicht weiterhin zu missachten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

1. Die nach §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), ist
gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1, § 143 SGG statthaft und zulässig. Sie bedarf nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 SGG, denn der Kläger begehrt keinen auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichteten Verwaltungsakt, sondern eine Unterlassung der Beklagten.

2. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Unterlassungsklage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Mit seiner Klage und der Berufung begehrt der Kläger, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verpflichten, es zu unterlassen, die vorgelegte Vertretungsvollmacht vom 12. Mai 2020 zu missachten, mithin etwaige Schreiben der Beklagten im anhängigen Verwaltungsverfahren (§§ 8, 18 S. 2 SGB X) direkt an den Prozessbevollmächtigten des Klägers zu schicken und nicht an den Kläger selbst. Bei dieser Klage handelt es sich um eine allgemeine Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG in Form einer Unterlassungsklage (vgl. zur Unterlassungsklage als Unterfall der Leistungsklage BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 – B 1 KR 34/18 R – juris, Rn. 11 m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2015 – L 8 U 633/15 – juris, Rn. 89 f.).

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die Klage, so zu Recht bereits das SG, wie auch die Berufung ausschließlich im Namen des Klägers, dabei vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, erhoben bzw. eingelegt worden sind und nicht etwa (auch) im Namen des Prozessbevollmächtigten in eigener Sache. Dies ergibt sich unmissverständlich aus dem Antrag im Klageverfahren sowie aus der vorgetragenen Begründung und wird im Übrigen vom Prozessbevollmächtigten auch nicht bestritten.

Die danach von dem Kläger erhobene Untätigkeitsklage ist unzulässig.
Nachdem die Berufung trotz Aufforderung und Erinnerung unter Hinweis auf § 153 Abs. 1, § 106a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG mit Senatsschreiben vom 9. Juni 2021 nicht begründet wurde, sieht der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung im Übrigen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass bei einer Unterlassungsklage - im Gegensatz zur vorbeugenden Unterlassungsklage - an sich zwar keine besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis zu stellen sind (zur Unterlassungsklage: BSG, Urteil vom 15. November 1995 – 6 RKa 17/95 – juris, Rn. 15; zur vorbeugenden Unterlassungsklage: BSG, Urteil vom 24. April 2015 – B 4 AS 39/14 R – juris, Rn. 10 ff.).
Die Gefahr einer Wiederholung der vermeintlichen Rechtsbeeinträchtigung ist jedoch als besondere Voraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses bei Unterlassungsklagen generell erforderlich (vgl. nur BSG, Urteil vom 15. November 1995 – 6 RKa 17/95 – juris, Rn. 15; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 42a). Vorliegend ist schon fraglich, ob eine solche Wiederholungsgefahr besteht, da dem Klagevortrag nicht entnommen werden kann, dass das ursprüngliche Verwaltungsverfahren (hier: bezogen auf die Krankengeldgewährung bzw. die Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit), in dem die (Streit verursachenden) Schreiben der Beklagten vom 16. Juni 2020 erlassen wurden, zwischenzeitlich nicht schon beendet wurde (zur Beendigung eines Verwaltungsverfahrens durch Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes vgl. Roller, in: Schütze, Kommentar zum SGB X, 9. Aufl. 2020, § 8 Rn. 10 m.w.N.). Darüber hinaus kann im Hinblick auf das Schreiben der Beklagten vom 2. Oktober 2020, wonach sie ab dem 1. November 2020 nur noch den Prozessbevollmächtigten anschreiben werde, eine Wiederholungsgefahr nicht angenommen werden. Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren nicht vorgetragen, dass sich die Beklagte - entgegen ihrer Ankündigung im Schreiben vom 2. Oktober 2020 - weiterhin direkt an ihn gewandt hat. Dagegen spricht bereits, dass sich die Beklagte mit Schreiben vom 30. Juni 2020 (Ankündigung, die Krankengeldzahlung mangels Mitwirkung ab dem 24. Juni 2020 einzustellen) und 15. Juli 2020 (Bescheid über die Einstellung der Krankengeldzahlung ab dem 18. Juli 2020) unter Beachtung von § 13 Abs. 3 S. 1 SGB X direkt an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gewandt hat.

Soweit der Kläger im Klageverfahren vorgetragen hat, der Anwendungsbereich von § 56a S. 1 SGG sei vorliegend nicht eröffnet, trifft dies nicht zu. Nach § 56a S. 1 SGG gilt: Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen (S.2). Verfahrenshandlungen sollen nicht schon selbständig angefochten werden können, solange noch keine Sachentscheidung getroffen wurde und noch offen ist, ob der Betroffene überhaupt durch die Sachentscheidung in seinen eigenen Rechten verletzt wird. Der Gesetzgeber misst den Interessen nicht nur der Verwaltung, ein Verfahren in angemessener Zeit abschließen zu können und nicht immer wieder durch „Zwischenverfahren“ daran gehindert zu werden, mit § 56a SGG einen hohen Stellenwert zu, indem zeitlich der Rechtsschutz „nach hinten“ verschoben wird und die Einhaltung von Verfahrensbestimmungen nicht gesondert erzwungen werden kann, ohne dass die Entscheidung in der Sache insgesamt angegriffen wird (Axer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand Juli 2017, § 56a Rn. 8). Liegen die Voraussetzungen des § 56a SGG vor, ist der Rechtsbehelf unzulässig (Axer, a.a.O., § 56a Rn. 9). Der Kläger stützte sein Unterlassungsbegehren im Klageverfahren auf die beiden Schreiben der Beklagten vom 16. Juni 2020, mit dem diese sich direkt an ihn (den Kläger) gewandt und mitgeteilt hatte, dass im Hinblick auf die in Kürze stattfindende Rehabilitationsmaßnahme der Rentenversicherung der MDK zur Beurteilung der weiteren Arbeitsunfähigkeit den Entlassungsbericht benötige, weshalb er gebeten wurde, die Klinikärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Dies stellt eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne von § 56a S. 1 SGG dar. Verfahrenshandlungen sind behördliche Handlungen, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren stehen und der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dienen (Keller, a.a.O., § 56a Rn. 4 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beklagte wollte anhand des Entlassungsberichts überprüfen, ob Arbeitsunfähigkeit und damit weiterhin ein Anspruch auf Krankengeld bestand. Die Anfrage an den Kläger, die behandelnden Klinikärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, diente damit der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung. Gleiches gilt für das weitere Schreiben der Beklagten vom 16. Juni 2020, in dem sie den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass er - bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen habe.


Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger zwar zutreffend davon ausgeht, dass sich die Behörde im Falle einer wirksamen Bevollmächtigung gemäß § 13 Abs. 3 S. 1 SGB X an den Bevollmächtigten wenden muss (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. November 2020 – L 11 KR 2616/20 ER-B – juris, Rn. 17). Jedoch kann sich die Behörde nach Satz 2 der Regelung auch an den Beteiligten selbst wenden, soweit dieser zur Mitwirkung verpflichtet ist. In diesem Fall muss der Bevollmächtigte hiervon verständigt werden (Satz 3). Die Voraussetzung von § 13 Abs. 3 S. 2 SGB X war vorliegend erfüllt. Denn der Kläger war aufgrund seines Krankengeldbezugs gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet, dem Verlangen der Beklagten auf Erteilung der Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht zuzustimmen (vgl. Voelzke, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, Stand August 2021, § 60 Rn. 58). Die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen folgt im Übrigen aus der Meldeobliegenheit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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