L 6 SB 1613/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 2361/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1613/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die höhere Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 40.

Er ist 1960 geboren, hat nach dem Hauptschulabschluss den Beruf des Kfz.-Mechanikers erlernt und war als solcher 18 Jahre tätig. Danach arbeitete er als Straßenwart und übte eine Nebentätigkeit als Busfahrer für zwei Stunden wöchentlich aus. Er ist verheiratet und hat vier volljährige Kinder. Er wohnt mit seiner Familie in einem Eigenheim, in dem auch die pflegebedürftige Schwiegermutter lebt, die der Kläger mit seiner Ehefrau zusammen pflegt. In seiner Freizeit beschäftigt er sich im Haus und Garten und besorgt sein Brennholz selbst (vgl. Anamnese N; sachverständige Zeugenauskunft R).

Am 1. Dezember 1997 beantragte er bei dem Versorgungsamt R1 (VA) erstmals die Feststellung des GdB, welches den Antrag zunächst ablehnte und auf den weiteren Antrag des Klägers vom 4. November 1998 mit Teil-Abhilfebescheid vom 2. Februar 1999 einen GdB von 20 seit dem 4. November 1998 feststellte. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden wiederholt auftretende Reizzustände am linken Kniegelenk, eine Kreuzbandinstabilität und ein rezidivierendes Lumboischialgiesyndrom berücksichtigt. Der Widerspruch im Übrigen wurde mit Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg vom 23. Februar 1999 zurückgewiesen.

Auf den Neufeststellungsantrag vom 25. Juli 2003 hob das VA mit Bescheid vom 8. September 2003 den Bescheid vom 2. Februar 1999 auf und stellte einen GdB von 20 seit dem 25. Juli 2003 fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden eine Funktionsbehinderung und eine Instabilität des linken Kniegelenks mit Knorpelschäden sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule berücksichtigt. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg vom 20. November 2003).

Am 2. Februar 2016 beantragte der Kläger bei dem Landratsamt T (LRA) die Neufeststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Entlassungsbericht der Kliniken Landkreis T über die stationäre Behandlung vom 25. bis 31. Januar 2016. Nach stationärer Aufnahme sei der sofortige Beginn der Schmerztherapie mit intravenöser und oraler Analgesie erfolgt. Unter Therapie sei es zu einer Reduktion der Beschwerdesymptomatik gekommen, sodass die Entlassung in gebessertem Zustand in die ambulante Weiterbehandlung erfolgt sei.
Das LRA zog den Entlassungsbericht der B-Klinik über die in der Zeit vom 13. Mai bis 3. Juni 2014 durchgeführte stationäre Rehabilitation bei. Es habe ein flüssiges und harmonisches Gangbild ohne Hinken bestanden. Die Gangproben, nämlich Fersen-, Zehen- und Einbeinstand, seien sicher möglich gewesen. Das in die Hocke gehen und wieder aufrichten bereite keine Probleme. Das Zeichen nach Ott habe bei 30:32 cm, das Zeichen nach Schober bei 10:12 cm gelegen, der Finger-Boden-Abstand (FBA) bei 30 cm. Die Muskulatur sei sehr gut auftrainiert gewesen. Die oberen Extremitäten seien frei beweglich, das linke Kniegelenk zeige reizlose postoperative Narben nach Kreuzbandoperation, keinen Druckschmerz und eine freie Beweglichkeit aller Gelenke. Der neurologische Status sei unauffällig.

M bewertete die Funktionsbehinderungen des linken Kniegelenkes und die der Wirbelsäule je mit einem Teil-GdB von 20, sodass sich ein Gesamt-GdB von 30 ergebe.

Mit Bescheid vom 22. März 2016 stellte das LRA einen GdB von 30 seit dem 2. Februar 2016 fest.

Im Widerspruchsverfahren holte das LRA den Befundschein der R ein, die belastungsabhängige Nacken-, Schulter- und Oberarmbeschwerden beschrieb. Diese bestünden verstärkt bei schlechter Witterung und vor allem während der Nacht. Sie führten zu ausgeprägten Schlafstörungen mit Ein- und Durchschlafstörungen, die Schlafzeiten seien reduziert und der Schlaf sehr unruhig. Es bestehe eine Tagesmüdigkeit. Klinisch finde sich eine Steilstellung der HWS, deren Beweglichkeit endgradig eingeschränkt und schmerzhaft sei. Bei Hartspann der gesamten Muskulatur bestehe kein neurologisches Defizit. Es sei eine Osteochondrose HWK5/6 nachgewiesen worden, operative Maßnahmen kämen aber nicht in Frage. Ein rheumatisches Geschehen liege nicht vor, die Laborwerte seien nicht richtungsweisend gewesen. Die Belastungsschmerzen der LWS träten nach dem Wechsel des beruflichen Aufgabenbereichs seltener auf. Der Kläger müsse nicht mehr am Hang und auf unebenem Gelände arbeiten. Die Hüftgelenke seien frei beweglich, ein neurologisches Defizit nicht festzustellen. An der rechten Schulter bestehe eine Teilruptur der kurzen Bizepssehne, an den Handgelenken träten nach der Operation eines Karpaltunnelsyndroms keine Beschwerden mehr auf. Am linken Kniegelenk fände sich eine deutliche Instabilität des vorderen Kreuzbandes mit Lockerung der Seitenbänder. Die Beweglichkeit liege bei 0-0-120°. Bei Überlastung durch Gehen auf unebenem Boden bestehe ein deutlicher Reizerguss, bei schweren Arbeiten im Gelände trage der Kläger eine Kniegelenksbandage. Ergänzend legte sie neben älteren Befundberichten den Bericht der S vom 9. April 2016 vor, wonach eine rezidivierende depressive Störung mit ausgeprägter Somatisierung bestehe.

B1 legte versorgungsärztlich dar, dass ein GdB von 40, aber keine Schwerbehinderteneigenschaft anerkannt werden könne. Die Anhebung des Gesamt-GdB ergäbe sich aufgrund einer neu nachgewiesenen Depression mit somatoformer Schmerzstörung. Der Teil-GdB für die Depression betrage 30, für die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks 20 und für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ebenfalls 20.

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 18. Mai 2016 stellte das LRA einen GdB von 40 seit dem 2. Februar 2016 fest. Das Widerspruchsverfahren wurde daraufhin für erledigt erklärt.

Am 20. Juni 2018 beantragte der Kläger wiederum die Neufeststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Bericht des Klinikums Landkreis T über die Behandlung am 14. Juni 2017. Der Kläger habe eine partielle distale Bizepssehnenruptur links erlitten, bei konservativer Therapie habe die Beweglichkeit für Extension/Flexion bei 0-0-130° und für Pro-/Supination bei 45-0-50° gelegen. Im weiteren Befundbericht vom 11. Juli 2017 wurde eine Extension/Flexion von 0-0-150°, vergleichbar mit der Gegenseite beschrieben.

Im Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) T1 über die ambulante Untersuchung am 18. Juli 2017 wurden persistierende Beschwerden des Ellenbogens links nach ansatznaher distaler Bizepssehnen-Partialruptur am 12. April 2017 dargelegt. Es werde empfohlen, die konservative Therapie zu intensivieren. Bei Beschwerdepersistenz solle eine Kontrolle mittels Kernspintomographie (MRT) erfolgen.

Der Entlassungsbericht des Z Klinikums über die stationäre Behandlung vom 7. November 2017 bis 14. Dezember 2017 beschrieb eine notwendige Behandlung aufgrund einer schweren depressiven Symptomatik, die sich trotz ambulanter Behandlung nicht gebessert habe. Die Entlassung habe in deutlich stabilisierten und teilremittierten Zustand in die weitere fachärztliche Behandlung erfolgen können. Aufgrund der noch bestehenden geringen Belastbarkeit sei eine psychosomatische Anschlussheilbehandlung empfohlen worden, die der Kläger nicht gewünscht habe.

Ausweislich des Entlassungsberichts der Fklinik über die stationäre Rehabilitation vom 27. März bis 24. April 2018 habe sich die Wirbelsäulenbeweglichkeit im Vergleich zur Aufnahmeuntersuchung gebessert bei noch bestehenden Einschränkungen. Der FBA liege bei 15 cm, das Zeichen nach Schober sei mit 10:13,5 cm bestimmt worden. Die Schulterbeweglichkeit habe beidseits 130-0-20° betragen. Die Hüftgelenksbeweglichkeit sei links ausgeprägter als rechts eingeschränkt gewesen. Die Kniegelenksbeweglichkeit habe im normalen Aktionsradius gelegen. Psychisch sei von einer rezidivierenden depressiven Störung auszugehen, die sich derzeit in Remission befinde. Es fänden sich psychische Belastungsfaktoren, die eine erhöhte Stressvulnerabilität und damit auch Veränderungen im Schmerzerleben begünstigten. Neben der Fortführung der erlernten krankengymnastischen Übungen sei die regelmäßige Durchführung eines kreislaufrelevanten Trainings im Sinne einer Steigerung der allgemeinen Fitness z. B. in Form von Radfahren, Walking oder Schwimmen zu empfehlen, daneben ambulante Psychotherapie. Das Leistungsvermögen wurde für die bisherige Tätigkeit mit unter drei Stunden, für den allgemeinen Arbeitsmarkt mit sechs Stunden und mehr beurteilt.

M führte versorgungsärztlich aus, dass an beiden Schultergelenken die Abduktion bis 130° möglich sei. Es fände sich keine Einschränkung der Ellenbogenbeweglichkeit bei Zustand nach Bizepssehnenteilruptur. Die rezidivierende depressive Störung befinde sich derzeit in Remission, der Spannungskopfschmerz sei von dem Teil-GdB miterfasst. Eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke liege derzeit nicht vor, es werde ein physiologisches Gangbild beschrieben. In der Gesamtschau liege eher eine Besserung vor.

Den Neufeststellungsantrag lehnte das LRA mit Bescheid vom 19. Juli 2018 ab, da keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – nach versorgungsärztlicher Stellungnahme der B1 (Funktionsbehinderungen rechtfertigen keinen höheren GdB als 40) mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2018 zurück. Hinsichtlich der psychischen Erkrankung und den damit verbundenen Beschwerden sei bereits von stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ausgegangen worden. Diese Bewertung sei weitreichend bemessen, da nach dem aktenkundigen Befund vom 24. April 2018 derzeit eine Remission der rezidivierend depressiven Störung bestehe. Bei Annahme einer chronischen Schmerzstörung mit auch psychischen Anteilen sei eine weiterführende Psychotherapie empfohlen worden, eine medikamentöse Behandlung mit Sertralin erfolge. Bezüglich der orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen seien lediglich endgradige Einschränkungen der Knie-, Hüft-, Schulter- und Ellenbogengelenke nachgewiesen. An beiden Schultergelenken betrage die Beweglichkeit für die Abduktion 130°. Es bestehe keine Einschränkung der Ellenbogenbeweglichkeit und eine Funktionsbeeinträchtigung beider Kniegelenke liege nach dem Rehabilitationsentlassungsbericht ebenfalls nicht vor. Bezüglich der Wirbelsäule seien geringgradige Funktionsbeeinträchtigungen der HWS und mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen der LWS beschrieben. Ein höherer Teil-GdB als 30 für den Wirbelsäulenschaden könne damit nicht angenommen werden. Die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft sei in der Gesamtschau nicht begründet.

Am 1. Oktober 2018 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, welches zur weiteren Sachaufklärung sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte erhoben hat.

Die R hat eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren beschrieben. Die Muskelbeschwerden würden durch weitere körperliche Belastung gebessert. Im privaten Rahmen sei der Kläger durchaus in der Lage, im Wald seinen Holzbedarf selber zu schlagen und zu besorgen. Einen Anhalt für eine rheumatische Erkrankung habe es nicht gegeben. Der zervikale Bandscheibenschaden an der HWS verursache Kopfschmerzen und erhebliche Schlafstörungen. Hinsichtlich der rezidivierenden depressiven Störung habe der Kläger seine in der Rehabilitationsklinik empfohlenen Medikamente noch nie in der Praxis rezeptieren lassen. Es habe sich eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingestellt. Die orthopädischen Leiden, die sie als Schäden durch Sportverletzungen und normale Verschleißerscheinungen beurteile, seien gleich geblieben. Die psychische, depressive Komponente sei früher kaum vorhanden gewesen, stehe jetzt im Vordergrund und sei die Hauptursache für die Schmerzen. Ergänzend hat sie, neben bereits aktenkundigen Berichten, den Bericht des L über die ambulante Untersuchung vom 26. November 2018 vorgelegt, wonach sich keine Obstruktion, keine Restriktion und keine Überblähung bei einer Sauerstoffsättigung von 99 % gezeigt habe.

Die S hat seit circa sechs Jahren bestehende depressive Phasen mit rascher Erschöpfbarkeit, Kraftlosigkeit und reduziertem Antrieb und vor allem einer gestörten Schmerzverarbeitung beschrieben. In diesen Phasen sei der Kläger nicht belastbar, komme schnell an seine Grenzen, das Konzentrationsvermögen sei schlechter und vor allem sei der Antrieb reduziert, was er in den Sprechstunden beschrieben habe. Er berichte, keinen Antrieb mehr zu haben, kaum belastbar zu sein und nicht durchschlafen zu können. Er habe Schmerzen überall im Körper, leide auch an Kopfschmerzen und habe immer wieder Angstattacken. Die depressiven Phasen seien besonders in der dunklen Jahreszeit beginnend, im Herbst schwerer ausgeprägt, sodass eine saisonale Betonung vorliege. Die Stresstoleranz sei eingeschränkt, ebenso der Antrieb und das Umstellungsvermögen. Das Konzentrationsvermögen sei reduziert. Das Hauptleiden des Klägers liege auf psychiatrischem Fachgebiet. Durch die Einschränkungen sei er massiv in seiner beruflichen Tätigkeit beeinträchtigt, aber auch im privaten Bereich, wo er durch das Wegbrechen von sozialen Kontakten und den sozialen Rückzug belastet sei. Auch den Gutachtern des Beklagten dürfte bekannt sein, dass keine psychosomatische Klinik der Welt im Entlassungsbericht schreibe, dass sich der Zustand des Patienten durch ihre Behandlung noch verschlechtert habe. Die Aussagen der Ärzte der Fklinik seien nicht stimmig, da bei vollständiger Remission die Entlassung nicht in arbeitsunfähigem Zustand erfolge. Erkrankungen auf ihrem Fachgebiet müssten im Längsschnitt beurteilt werden. Aufgrund der Beeinträchtigungen, die bleibend seien, bestehe ein GdB von 50.

R2 hat versorgungsärztlich dargelegt, dass Gelenk- und Muskelschmerzen ohne wesentlich organische Veränderungen beschrieben worden seien. Aus keinem der vorliegenden Befunde ergäben sich dauernde mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten aufgrund der psychischen Störung. Es lägen lediglich wiederholte leichte soziale Anpassungsstörungen vor, sodass die GdB-Bewertung mit 30 zutreffend sei. Ein höherer Gesamt-GdB als 40 ergäbe sich keinesfalls, da bei den bisherigen Funktionsbehinderungen nicht die Funktionsstörungen, sondern im Wesentlichen die geklagten Schmerzen berücksichtigt worden seien, sodass eine Überschneidung/Doppelbewertung vorliege.

Der Kläger hat den Bericht der H Klinik R1 über die ambulante Behandlung vom 15. Mai 2019 vorgelegt. Danach hätten sich an der HWS keine Entzündungszeichen, keine offenen Hautläsionen und eine intakte periphere Durchblutung, Motorik und Sensorik gezeigt. Die Rotations- und Flexionsbewegungen seien frei gewesen. Es hätten deutliche Schmerzen bei Extensionsbewegungen bestanden. Die Schultergelenke seien beidseits frei beweglich, weiter bestünden ausstrahlende Schmerzen der HWS in die Ellenbogen beidseits. Ein operatives Vorgehen sei empfohlen worden.

Sodann hat das SG das chirurgisch-orthopädische Sachverständigengutachten des S1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 1. August 2019 erhoben. Dieser hat ausgeführt, dass aus der angegebenen Medikation hervorgehe, dass nur der Bluthochdruck unter Verbesserung der Nierenfunktion behandelt werde. Für das linke Knie existiere eine orthetische Bandagenversorgung, die teilweise getragen werde. Das CPAP-Gerät für die Beatmung nachts sei bereits geliefert worden. Die Schultern seien seitengleich beweglich mit mäßig eingeschränkter Seitwärts- und Vorwärtsbeweglichkeit. Rechts sei die Untersuchung nach Angaben des Klägers im Schulterbereich diffus schmerzhaft. Linksseitig finde sich ein Ruhe- und Bewegungsschmerz in Projektion auf das Daumensattelgelenk mit passend hierzu erheblicher Bewegungseinschränkung. Linksseitig seien deswegen auch die Langfingerkuppen mit der Daumenspitze nicht erreichbar. Ebenfalls linksseitig gebe der Kläger bei maximaler und möglicher freier Streckung im Ellenbogen einen Schmerz über der Ellenbogenspitze an. Der Schulter- und Nackengriff sei beidseits möglich, werde jedoch mit auftretenden Schmerzen im Bereich der rechten Schulter diffus unter dem Schulterdach begleitet. Die Kraftentwicklung der linken Hand sei schmerzbedingt aufgrund der offenkundigen Sattelgelenksarthrose eingeschränkt. An den unteren Extremitäten bestehe neben den Narben eine minimale Streckhemmung, die Durchbewegung im linken Knie werde als schmerzhaft beschrieben. Bei der klinischen Untersuchung habe sich eine angedeutete vordere Schublade links, ohne Seitendifferenz im Übrigen gezeigt (Beweglichkeit rechts 0-0-130°, links 0-4-120°). Die Beweglichkeit der HWS sei sowohl in der Seitneigung als auch in der Vor- und Rückneigung und Drehung deutlich eingeschränkt. Die BWS- und LWS-Mobilität sei ebenfalls in der Seitneigung und im Drehen eingeschränkt. Auch hier würden diffuse Schmerzen entlang der gesamten Wirbelsäule angegeben. Eine neurologische Auffälligkeit finde sich nicht. Das Zeichen nach Ott habe 30:31 cm, das Zeichen nach Schober 10:13 cm bei einem FBA von 20 cm betragen. Die Funktionsbehinderungen an der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 20 und die am linken Knie sowie der linken Hand mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Eine zeitliche Staffelung sei nicht möglich. Nach den schon länger zurückliegenden Knie- und Sattelgelenkstörungen auf der linken Seite komme jetzt noch explizit durch die extern geäußerte und (fragwürdige) Operationsindikation der HWS eine Weiterung hinzu. Anzumerken sei, dass der Kläger über das aktuell in Gang gekommene Verfahren inklusive Sozialgerichtsverfahren überrascht gewesen sei. Er sei bezüglich der möglichen Verbesserung seiner sozialen Leistungen nicht informiert, sodass eine schlechte Beratung angenommen werden müsse. Erfreulicherweise könne der Kläger seine seit über 20 Jahren ausgeübte Tätigkeit mit körperlicher Belastung weiter ausführen, was ihm hoffentlich bis zum Rentenalter möglich bleibe. Es bestehe natürlich eine ausgeprägte psychische Komponente, die aber mit einer mehrwöchigen stationären Behandlung überzeugend behandelt worden sei. Das Bestreben solle sein, eine für den Kläger verständliche Lösung zu erreichen. Aus medizinischer Sicht halte er die von der Klinik R1 geäußerte Indikation zur Wirbelsäulenfusion sowohl bei fehlender Neurologie und wohl bemerkt noch nie durchgeführter neurologischer Untersuchung als auch bei der psychischen Mitkomponente des Klägers für nicht zielführend und eher für Aktionismus.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des N aufgrund ambulanter Untersuchung vom 17. Dezember 2019 erhoben. Dieser hat den Kläger als zu allen Qualitäten orientiert und bewusstseinsklar beschrieben. Er habe einen gereizt-dysphorischen Eindruck gemacht und deutlich depressiv verstimmt gewirkt. Affektiv sei er gut schwingungsfähig gewesen. Anamnestisch bestünden Hinweise auf eine vermehrte Vergesslichkeit, wobei in der Untersuchungssituation keine gröberen mnestischen Defizite imponiert hätten. Denkstörungen hätten keine bestanden. Es lägen chronisch-rezidivierende Zervikobrachialgien bei nur leichten degenerativen Veränderungen der HWS vor, ein Spannungskopfschmerz und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bestünden weiterhin, daneben eine gegenwärtig leicht- bis mittelgradige depressive Episode einer rezidivierenden depressiven Störung und ein beidseitiger Tinnitus. Die Beweglichkeit der HWS sei nur mäßig eingeschränkt, ebenso die Beweglichkeit der LWS. Die Mobilität der Schultergelenke sei endgradig schmerzhaft limitiert. Auffällig habe sich ein Druckschmerz am linken Unterbauch dargestellt. Seit zwei Jahren liege ein hochfrequenter Tinnitus vor. Im Zentrum der Beschwerden stehe ein chronisches Schmerzsyndrom, welches in erster Linie die HWS und die oberen Extremitäten umfasse, darüber hinaus aber auch verschiedene Gelenke und den unteren Rücken. Außerdem läge eine depressive Störung vor. Beide Krankheitsbilder verstärkten sich gegenseitig, sodass nicht nur von einem organisch begründeten Schmerzleiden, sondern vielmehr von einer chronischen Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren auszugehen sei. Die geklagten Kopfschmerzen seien im Sinne von Spannungskopfschmerzen zu interpretieren. Auch insoweit sei eine psychosomatische Schmerzkomponente anzunehmen. Es handele sich insgesamt um ein mittelgradiges Beschwerdebild, welches die Lebensführung erheblich beeinträchtige und zu einer Gefährdung der Erwerbsfähigkeit führe. Die chronische Schmerzstörung sei unter Berücksichtigung der organischen und der psychosomatischen Aspekte mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten, wobei er sich an den Vorgaben für die Bewertung der Wirbelsäulenschäden orientiere. Daneben seien noch die Kopfschmerzen und die Gelenkbeschwerden zu berücksichtigen. Die „Depression“ sei als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu bewerten, der Gesamt-GdB auf 50 einzuschätzen. Das Ausmaß der Beeinträchtigungen bestehe zumindest seit zwei Jahren.

Die G ist dem Sachverständigengutachten entgegengetreten. Bei dem mitgeteilten insgesamt mittelgradigen Beschwerdebild lasse sich ein Teil-GdB von 40 für eine chronische Schmerzstörung und ein Teil-GdB von 30 für die Depression keinesfalls rechtfertigen. Eine höhergradige Beeinträchtigung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen sei nicht erkennbar, der Teil-GdB mit nicht mehr als 30 zu bewerten. Im Bereich des linken Kniegelenks sei nur noch ein minimales Streckdefizit von 4° sowie eine leichte Kapselschwellung mit Umfangsvermehrung von 1 cm gegeben. Röntgenologisch habe sich im August 2019 ein medial betonter Verschleiß Grad I bis maximal Grad II gezeigt. Die Indikation zum totalendoprothetischen Ersatz bestehe sicherlich nicht. Maßgeblich für die Bewertung sei die funktionelle Einbuße, der Teil-GdB betrage 10. Im Bereich der Wirbelsäule rechtfertige sich kein höherer Teil-GdB als 20. Die Funktionseinschränkung der HWS sei altersentsprechend endgradig, manifeste radikuläre Ausfälle nicht belegt. Die MRT-Untersuchung im August 2015 habe mehrsegmentale degenerative Veränderungen ergeben, aber keine relevante Spinalkanalstenose und auch keinen Nachweis eines Bandscheibenvorfalls. Die Funktionseinschränkung an der LWS sei ebenfalls endgradig. An den oberen Extremitäten habe eine endgradige Funktionseinschränkung beider Schultergelenke bestanden. Die Rotation sei nicht relevant eingeschränkt, die Ellenbogen frei beweglich gewesen. Attestiert werde weiter eine Bewegungseinschränkung am Daumensattelgelenk, sodass kein höherer Teil-GdB als 10 in Betracht komme. Der Bluthochdruck sei mit einem Teil-GdB von 10, der Gesamt-GdB weiterhin mit 40 zu bewerten. Dies gelte selbst dann, wenn die Einschränkungen am Knie weiterhin mit einem Teil-GdB von 20 beurteilt würden, was aber nicht gerechtfertigt sei.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. Mai 2020 abgewiesen. Es sei keine wesentliche Änderung in den dem Bescheid vom 18. Mai 2016 zu Grunde liegenden Verhältnissen eingetreten. Die funktionellen Beeinträchtigungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten, die des linken Kniegelenks sei nach zwei Kreuzbandschäden sowie Ersatz mit einem Bewegungsausmaß von 0-4-120° nur gering und rechtfertige unter zusätzlicher Berücksichtigung der belastungsabhängigen Schmerzen mit leichter Kapselschwellung nebst Umfangsvermehrung einen Teil-GdB von 10. Für die Limitierung der Handfunktion links sei ein Teil-GdB von 10 in Ansatz zu bringen, was dem oberen Korridorwert für eine Versteifung des Daumens in günstiger Stellung entspreche, deren Folgen mit den Einschränkungen des Klägers vergleichbar zu bewerten seien. Die Einschränkungen der Schulterbeweglichkeit mit einer möglichen Armhebung von 140° und 150° bedingten keinen Teil-GdB. Für die inzwischen begonnene Überdruckbeatmung sei ein Teil-GdB von 20 gegeben. Die psychische Erkrankung des Klägers bzw. die Schmerzerkrankung stelle keine schwere Störung dar, die mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Auch rechtfertige sich die Ausschöpfung des Korridorwertes von 40 nicht. Maßgeblich sei dabei, dass der Kläger trotz seiner Erkrankung, wenn auch mit deutlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten, einer körperlich und mental sehr anspruchsvollen Tätigkeit im Straßendienst mit Drei-Schicht-Betrieb nachgehen könne und in seiner Freizeit seinen privaten Holzbedarf im Wald schlage und besorge. Ferner kümmere sich der Kläger mit seiner Ehefrau um seine im Haushalt lebende pflegebedürftige Schwiegermutter sowie unter Angabe von Einschränkungen um Haus und Garten. Dass in der Zusammenschau der erheblichen beruflichen und auch privaten Beanspruchung des Klägers sowie seiner nachgewiesenen Gesundheitsstörungen eine Überforderung im Raum stehe, sei ohne weiteres nachvollziehbar, für die abstrakt von individuellen Lebensverhältnissen vorzunehmende Bemessung des GdB aber außer Betracht zu lassen. Die psychiatrische Behandlung durch die sachverständige Zeugin S erfolge zwar z. T. regelmäßig, aber immer nur grobmaschig monatlich, ansonsten in größeren Abständen. Der Gesamt-GdB sei mit 40 zu bemessen, da die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule und die Folgen der Schlafapnoe erhebliche Überschneidungen mit den Beeinträchtigungen durch die psychische Erkrankung bzw. durch die Schmerzerkrankung aufwiesen und daher nur eine einmalige Erhöhung erfolgen könne.

Am 20. Mai 2020 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Das SG verkenne, dass eine Depression und eine chronische Schmerzerkrankung vorlägen, wobei allein die Depression mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten sei. Es bestünden nicht nur Beeinträchtigungen an der HWS, sondern auch an der LWS, sodass der orthopädische Teil-GdB von 20 zu gering bemessen sei. Zudem stehe ihm eine Wirbelversteifung bevor.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Mai 2020 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2018 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 18. Mai 2016 zu verpflichten, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit dem 20. Juni 2018 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,


die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung. Mit dem Teil-GdB von 30 sei bereits eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit berücksichtigt. Das Wirbelsäulenleiden sei mit einem GdB von 20 weiterhin leidensgerecht bewertet, lediglich an der HWS bestehe in der Seitneigung eine gravierende Bewegungseinschränkung. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem oder mittelgradig-funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten seien somit nicht gegeben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 8. Mai 2020 mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Neufeststellung des GdB unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 14. September 2018 sowie teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 18. Mai 2016 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 19. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Er kann die Neufeststellung des GdB nicht beanspruchen, nachdem sich auch der Senat, ebenso wie das SG, nicht davon überzeugen konnte, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist, die eine höhere Neufeststellung des GdB rechtfertigt.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn diese einen um wenigsten 10 veränderten Gesamt-GdB rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, nachdem auch nach Überzeugung des Senats keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen gegenüber dem maßgebenden Vergleichsbescheid vom 8. Mai 2016 vorliegt, die eine Neufeststellung des GdB rechtfertigt. Zwar ist nunmehr zusätzlich eine CPAP-Maskenbeatmung bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen, eine Erhöhung rechtfertigt sich daraus aber nicht.

Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Gesamt-GdB mit 40 weiterhin zutreffend festgestellt ist.

Die vorwiegenden Funktionsbeeinträchtigungen liegen bei dem Kläger mittlerweile im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“, das mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten ist. Eine Ausschöpfung des Bewertungsrahmens mit einem Teil-GdB von 40 rechtfertigt sich aus den von der G dargelegten Gründen, entgegen der Auffassung des N, nicht.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 bedingen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Nach diesen Maßstäben entnimmt der Senat dem Entlassungsbericht der Fklinik über die stationäre Rehabilitation, den er im Wege des Urkundsbeweises verwertet (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]), das Bestehen einer rezidivierenden depressiven Störung, wobei sich eine hohe Verausgabungs- und Leistungsbereitschaft sowie hohe Ansprüche am Arbeitsplatz sowie im Privaten zeigten. Es wurde davon ausgegangen, dass Teile der geklagten Schmerzen ihren Ausgangspunkt in psychologischen Prozessen und auch in einer körperlichen Störung haben. Es zeigten sich Belastungsfaktoren, die eine erhöhte Stressvulnerabilität und damit auch Veränderungen des Schmerzerlebens begünstigen, denen eine wichtige Rolle für den Schweregrad, die Exazerbation oder die Aufrechthaltung der Schmerzen zugeschrieben und die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren gestellt wurde. Dementsprechend hat die S depressive Phasen mit rascher Erschöpfbarkeit, Kraftlosigkeit und reduziertem Antrieb sowie einer gestörten Schmerzverarbeitung beschrieben, in denen der Kläger schnell an seine Grenzen kommt und nicht belastbar ist. Ebenso hat der Sachverständige N beschrieben, dass im Zentrum der Beschwerden ein chronisches Schmerzsyndrom steht, welches in erster Linie die HWS und die oberen Extremitäten umfasst, darüber hinaus aber auch verschiedene Gelenke und den unteren Rücken. Soweit er ausführt, dass daneben eine depressive Störung im Sinne einer derzeit mittelgradigen depressiven Episode besteht und deshalb nicht nur ein organisch bedingtes Schmerzleiden anzunehmen ist, sondern eine chronische Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren, entspricht dies den Darlegungen der Fklinik. Nicht zu überzeugen vermag es indessen, wenn er zur Bewertung des GdB auf die Bewertungsvorgaben für Wirbelsäulenschäden zurückgreift und einen GdB von 40 annehmen will, was schwergradigen Einschränkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten entspricht (vgl. unten). Dies schon deshalb, weil er selbst angegeben hat, dass die HWS- und LWS-Beweglichkeit bei seiner Untersuchung nur geringgradig eingeschränkt gewesen ist. Wenn er für das von ihm beschriebene mittelgradige Beschwerdebild einen Teil-GdB von 30 im Sinne einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit annimmt, korrespondiert dies mit der versorgungsärztlichen Einschätzung und ist angesichts der in Anspruch genommenen therapeutischen Behandlungen nachvollziehbar. Ein GdB auf seinem Fachgebiet von 50 rechtfertigt sich indessen daraus nicht.

Abgesehen davon, dass schon die Ermittlung des GdB von 40 in Anlehnung an die Wirbelsäulenbewertung – rechtlich – unzutreffend ist, berücksichtigt der Sachverständige, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, nicht, dass der Kläger trotz der Einschränkungen in der Lage ist, seiner körperlich anstrengenden und teilweise im Schichtdienst verrichteten Tätigkeit als Straßenwärter nachzugehen, was ein entsprechendes Leistungsvermögen belegt. Daneben hat er die Pflege der im Haus wohnenden Schwiegermutter beschrieben und die R hat bekundet, dass die Muskelschmerzen unter körperlicher Belastung besser werden, sodass der Kläger in der Lage ist, im Wald seinen Holzbedarf selber zu schlagen und zu besorgen. Daneben hat er angegeben, sich in seiner Freizeit im Haus und im Garten zu beschäftigen, sodass die Fähigkeit zur Alltags- und Freizeitgestaltung erkennbar nicht eingeschränkt ist. Daneben hat R2 versorgungsärztlich zu Recht ausgeführt, das mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten nicht beschrieben sind. Aus dem Entlassungsbericht der Fklinik folgt vielmehr, dass der Kläger an einem Arbeitsplatztraining und berufsbezogenen Gruppen aktiv sowie motiviert teilgenommen hat und, ebenso wie bei den Anwendungen, keine Komplikationen auftraten. Ein GdB von 50, entsprechend einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, ist daher in keiner Weise gerechtfertigt.

Soweit die S den Entlassungsbericht der Fklinik für nicht plausibel erachtet, weil dieser bei beschriebener Remission der psychischen Störung eine Entlassung als arbeitsunfähig angebe, folgt der Senat dem nicht. Zu berücksichtigen ist dabei nämlich insbesondere, dass die Klinik den Kläger für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Straßenwart nur in den Sommermonaten für leistungsfähig eingestuft hat, nicht aber auch in den Wintermonaten. Nachdem der Verbleib am bisherigen Arbeitsplatz für den Kläger oberste Priorität hatte, wurde eine innerbetriebliche Umsetzung diskutiert und vor diesem Hintergrund eine weitere Arbeitsunfähigkeit angenommen, die im Übrigen auch den Weg für eine stufenweise Wiedereingliederung hätte öffnen können. Daneben erweist es sich als bloße Mutmaßung der S, dass keine psychosomatische Klinik im Entlassungsbericht schreibe, dass sich der Zustand während der Behandlung verschlechtert habe.

Wenn sie letztlich ausführt, dass Erkrankungen in ihrem Fachgebiet im Längsschnitt beurteilt werden müssten, entspricht dies zwar den Bewertungsvorgaben nach den VG, Teil B, Nr. 2 f, stützt ihre daraus gezogene Schlussfolgerung auf einen GdB von 50 indessen nicht. Vielmehr sind bei einem phasenweisen Verlauf auch die Phasen mit geringeren Beeinträchtigungen zu berücksichtigen und in die Bewertung einzustellen. Dabei zeigt insbesondere der Entlassungsbericht der Z Klinik, dass die Beeinträchtigungen des Klägers einer Behandlung zugänglich sind. Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige S1 nur eine Medikation gegen Bluthochdruck beschrieben und die Allgemeinmedizinerich R dargelegt hat, dass die von der Rehabilitationsklinik empfohlenen Medikamente bei ihr vom Kläger noch nie zur Verordnung beansprucht werden sind, was dafür spricht, dass eine dauerhafte Medikation weder stattfindet noch erforderlich ist. Dies spricht ebenso gegen die Ausschöpfung des Bewertungsrahmens nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 mit 40, wie die G schlüssig dargelegt hat.

Daneben ist das Funktionssystem „Rumpf“ mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten, wie ihn auch der Sachverständige S1 für den Senat überzeugend angenommen hat. Der versorgungsärztlichen Bewertung mit einem Teil-GdB von 30 ist im Hinblick auf die Funktionsbefunde nicht zu folgen.


Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.

Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz-dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Nach diesen Maßstäben bestehen bei dem Kläger degenerative Veränderungen in der HWS, die zu lokalen Bewegungseinschränkungen, Schmerzen und ausstrahlenden Beschwerden in die Arme führen, wie der Senat dem Sachverständigengutachten des S1 entnimmt. Hinsichtlich der Beweglichkeit wird diese im Entlassungsbericht der Fklinik für die Rotation mit 50-0-50° und die Flexion mit 20-0-20° angegeben, was gut hälftigen Einschränkungen entspricht. Der Befundbericht des K, H Klinik R1, beschreibt eine freie Rotations- und Flexionsbewegungen bei intakter peripherer Durchblutung, Motorik und Sensorik. Deutliche Schmerzen werden nur für die Extensionsbewegungen angegeben. S1 hat schließlich die Beweglichkeit für Vor- und Rückneigen mit 35-0-45°, Seitneigen 10-0-10° und Drehen mit 60-0-50° bestimmt, was einer gut hälftigen Einschränkung der Vor- und Rückneigung, einer mehr als hälftigen Einschränkung der Seitneigung und einer endgradigen der Drehfähigkeit entspricht.

An der LWS hat er eine mögliche Seitneigung von 20-0-20° und eine Drehfähigkeit von 30-0-30 bei einem FBA von 20 cm und einem Zeichen nach Schober von 10:13 cm angegeben. Die Drehfähigkeit ist damit nur endgradig eingeschränkt gewesen, während sich die Seitneigung gut hälftig limitiert gezeigt hat und das Zeichen nach Schober nur eine annähernd hälftige Einschränkung der Beweglichkeit belegt. Unter Berücksichtigung dieser Befunde ist S1 in der Einschätzung des GdB für die Wirbelsäule mit 20 zu folgen, womit die mittelgradigen Funktionseinschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, der HWS, ebenso berücksichtigt sind, wie die Einschränkungen in der LWS, die in der Gesamtschau das Ausmaß mittelgradiger Einschränkungen nicht erreichen.

Eine relevante Bewegungseinschränkung der Hüften besteht nicht. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 liegt eine geringgradige Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades, die einseitig mit einem GdB von 10 bis 20 und beidseitig mit einem GdB von 20 bis 30 zu bewerten ist, bei einer nur bis 0-10-90° möglichen Streckung/Beugung bei entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit vor. Zwar hat die Fklinik eine deutlich eingeschränkte Beweglichkeit der Hüftgelenke beschrieben, indessen nur eine auf 0-5-110° limitierte Beweglichkeit befundet, sodass nach den Vorgaben der VG weder Streckung noch Beugung in wenigstens geringgradigem Maße eingeschränkt gewesen sind. S1 hat sogar eine noch bessere Beweglichkeit von 0-0-120° beschrieben, die erst recht nicht GdB-relevant ist.

Daneben ist im Funktionssystem „Atmung“ ein Teil-GdB von 20 aufgrund der notwendigen nächtlichen Überdruckbeamtung (vgl. VG, Teil B, Nr. 8.7) gegeben. Weitere Einschränkungen bestehen in diesem Funktionssystem nicht, wie der Senat dem Befundbericht des L entnimmt, wonach sich keine Obstruktion, keine Restriktion, keine Überblähung und eine Sauerstoffsättigung von 99 % zeigte. Dementsprechend beschreibt er die klinische Untersuchung ebenso wie die Bodyplethsmographie als unauffällig.

Das Funktionssystem „Beine“ ist entgegen der vorangegangenen versorgungsärztlichen Bewertungen nur noch mit einem Teil-GdB von maximal 10 zu bewerten, wie ihn auch der Sachverständige S1 gesehen hat.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 werden Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 0-0-90°) einseitig mit einem GdB von 0 bis 10 und beidseitig mit einem GdB von 10 bis 20 bewertet. Ein höherer GdB (einseitig 20 und beidseitig 40) wird erst bei Bewegungseinschränkungen mittleren Grades (z. B. Streckung/Beugung 0-10-90°) erreicht.

Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z. B. Chondromalacia patellae Stadium II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen werden einseitig ohne Bewegungseinschränkungen mit einem GdB von 10 bis 30 und mit Bewegungseinschränkungen mit einem GdB von 20 bis 40 bewertet. Unter anhaltenden Reizerscheinungen sind sichtbare Veränderungen an den Kniegelenken in Form von Überwärmungen, Schwellungen oder Ergüssen zu verstehen, die zumindest längerfristig vorhanden sind (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. August 2011 – L 13 SB 161/10 –, juris, Rz. 28).

Bei dem Kläger liegen operativ versorgte Kreuzbandschäden vor, die er sich zum Teil wohl im Rahmen von Fußballspielen zugezogen hat (vgl. den Befundbericht des Orthopäden F1 vom 4. August 2008). Der Sachverständige S1 hat die zweimalige Kreuzbandersatzplastik links berücksichtigt und auf die orthetische Versorgung hingewiesen, aber nur noch entsprechende Narben der Operationen feststellen können. Bei angegebener schmerzhaften Durchbewegung im linken Knie zeigte sich nur eine minimale Streckhemmung links und eine angedeutete vordere Schublade. Die Beweglichkeit betrug rechts 0-0-130° und links 0-4-120°, sodass eine relevante Bewegungseinschränkung nicht besteht, Knorpelschäden mit anhaltenden Reizergüssen sind keine objektiviert worden. Vor diesem Hintergrund kommt ein höherer Teil-GdB als maximal 10 nicht in Betracht. Ob die zuvor erfolgte Einstufung zutreffend erfolgt gewesen ist, kann dahinstehen, da jedenfalls der jetzige Funktionsbefund keine höhere Bewertung rechtfertigt, wobei bereits die B-Klinik 2014 damit einhergehend ein flüssiges und harmonisches Gangbild befundet hat.
Letztlich ist im Funktionssystem „Arme“ kein Teil-GdB von mehr als 10 zu berücksichtigen, da nach dem beschriebenen Bezipssehnenriss bereits kein halbes Jahr später wieder eine seitengleiche Beweglichkeit beschrieben wurde (vgl. den Entlassungsbericht des Klinikums Landkreis T). M hat insoweit versorgungsärztlich überzeugend darauf hingewiesen, dass die befundete mögliche Armvorhebung bis 130° keinen Teil-GdB für eine Bewegungseinschränkung der Schulter rechtfertigt (vgl. dazu VG, Teil B, Nr. 18.13). Im Übrigen hat der Sachverständige S1 nur eine diffus schmerzhafte Einschränkung der Schulterbeweglichkeit befundet, die er mit keinem GdB bewertet hat, und zusätzlich eine schmerzbedingte, aufgrund einer offenkundigen Sattelgelenksarthrose eingeschränkte, Kraftentwicklung der linken Hand gesehen, die er mit einem GdB von 10 bewertet hat.

Aus den Teil-GdB von 30 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“, 20 im Funktionssystem „Rumpf“ und 20 im Funktionssystem „Atmung“ rechtfertigt sich kein höherer Gesamt-GdB als 40. Dabei ist insbesondere in Rechnung zu stellen, dass die im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ berücksichtigte Schmerzerkrankung Überschneidungen mit dem Funktionssystem „Rumpf“ aufweist, wie bereits vom SG schlüssig dargelegt worden ist. Der Teil-GdB von jeweils 10 in den Funktionssystemen „Beine“ und „Arme“ wirkt sich nicht erhöhend aus (vgl. VG, Teil B, Nr. 2 d ee).

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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