L 6 VG 2800/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 VG 1619/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 2800/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine psychische Gesundheitsstörung ist nicht wesentlich ursächlich auf ein schädigendes Ereignis zurückzuführen, ist demnach keine Schädigungsfolge, wenn das schädigende Ereignis zwar kausal i. S. d. conditio-sine-qua-non-Formel ist, sie aber auf einem eigenverantwortlichen Dazwischentreten eines Dritten beruht (hier: Arbeitsplatzkonflikt), das den rechtlichen Zurechnungszusammenhang unterbricht.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Juli 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) i. V. m. dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG) aufgrund der Folgen eines Überfalls auf sie am 14. Oktober 2013 während der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit als Servicekraft in einem Autohof.

Sie ist 1963 geboren. Nach dem Realschulabschluss hat sie eine Ausbildung zur Dekorateurin gemacht, anschließend im Ausbildungsbetrieb zwei Jahre gearbeitet und war dann zwei Jahre als Reisedekorateurin tätig. Angeschlossen hat sich eine Tätigkeit bei einem Betrieb für Nahrungsergänzungsmittel und dann eine selbständige zehnjährige Tätigkeit mit einer Dekorationsfirma. Danach machte die Klägerin eine einjährige Ausbildung zur Podologin, Kosmetikerin und Wellnesstherapeutin und war in diesem Beruf tätig, bis sie im Jahr 2003 Vertriebsleiterin einer Kosmetikfirma für Süddeutschland wurde. Wegen der Erkrankung ihrer Mutter gab sie diese Tätigkeit im Jahr 2008 auf, arbeitete kurzzeitig in einer Großkantine und danach als Servicekraft in einem Autohof. Seit dem 7. April 2014 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezieht seit dem 1. April 2015 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Klägerin ist seit 2012 in zweiter Ehe verheiratet, die erste Ehe dauerte von 1986 bis 2006. Ihr Ehemann ist Kraftfahrer. Sie ist kinderlos. Im August 2018 wurde bei Nikotinmissbrauch ein Vestibulumkarzinom (Naseneingangskarzinom) rechts diagnostiziert, das entfernt wurde, die Nachsorgeuntersuchung im November 2018 war unauffällig. An Weihnachten 2018 ist ihr Vater verstorben (vgl. Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung P K. S; Sachverständigengutachten des W, des S1 und der A). Ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 war seit dem 2. April 2015 aufgrund einer seelischen Störung festgestellt (Bescheid des Landratsamt O<LRA> vom 23. Juni 2015), nach dem ärztlichen Entlassungsbericht des P1sanatorium A1 soll der GdB zwischenzeitlich 50 betragen.  

Am 21. November 2013 stellte die Klägerin beim LRA einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie führte aus, den Antrag wegen eines Schocks, eines Traumas, Angstzuständen, Schlaflosigkeit, Unruhezuständen, Schreckhaftigkeit, Unkonzentriertheit, Schweißausbrüchen, Übelkeit, Durchfällen, Verspannungen im Bereich der Schulter und der Halswirbelsäule (HWS), Verätzungen und Reizungen der Hals- und Nasenschleimhäute sowie Schwellungen im Gesichtsbereich zu stellen. Zurückzuführen seien diese Gesundheitsstörungen auf einen am 14. Oktober 2013 um 4.46 Uhr erlittenen bewaffneten Raubüberfall.

Die Klägerin legte den Bescheid der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) vom 25. Juni 2014 vor, wonach wegen der Folgen des Überfalls vom 14. Oktober 2013 bis zum 24. Oktober 2013 Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Die erneute Arbeitsunfähigkeit ab dem 7. April 2014 sei nicht kausal auf den Überfall zurückzuführen. Die die Klägerin behandelnde E habe die BGN mit Bericht vom 5. Juni 2014 informiert, dass die Klägerin aufgrund eines Arbeitsplatzkonflikts am 7. April 2014 weitere psychologische Hilfe benötigte. Im daraufhin geführten Telefongespräch am 16. Juni 2014 habe diese über eine verbale Auseinandersetzung mit ihrer Vorgesetzten gesprochen und mitgeteilt, dass ihrem Ehemann, der im gleichen Betrieb gearbeitet habe, bereits gekündigt worden sei. Die Beratungsärztin habe festgestellt, dass das derzeitige Krankheitsbild der Klägerin von einer zumindest mittelschweren depressiven Episode geprägt sei, die im Kontext des Arbeitsplatzkonflikts unfallunabhängig aufgetreten sei.

Ebenso kam zur Vorlage der Verlaufsberichtbericht des O1-Klinikum, Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, vom 27. Februar 2014, aus dem sich die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ergab. Nach zunächst guter Stabilisierung sei es im Dezember durch Kunden in der Nacht, die den Tätern ähnlich gesehen hätten, zu einer kurzen Verschlechterung gekommen. Danach sei die Klägerin nur noch in der Tagschicht beschäftigt worden. Nachdem sie mit der Frage, ob sie weiterbeschäftigt werde, durch ihre Chefin konfrontiert worden sei, sei eine akute Verschlechterung eingetreten. Es sei ihr mitgeteilt worden, dass sie in Zukunft nur noch in Nachtschicht arbeiten könne, überraschend sei ihr dann im Februar ein Festvertrag angeboten worden. Der zwischenzeitlich unterschriebene Festvertrag stabilisiere, die langen Nachtschichten führten aber zur hohen Belastung.   

Aus dem Verlaufsbericht vom 5. Juni 2014 ließen sich die Diagnosen einer PTBS und einer mittelschweren depressiven Episode entnehmen. Im März 2014 sei die Klägerin immer wieder körperlich krank gewesen, z. B. habe am 5. März eine akute Ischialgie vorgelegen. Sie träume auch wieder vermehrt vom Überfall, sei jedoch sobald wie möglich an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Sie lebe nur noch für diesen Arbeitsplatz und wolle ihn erhalten; hierbei habe sie sich überfordert und es sei zu Konflikten am Arbeitsplatz gekommen. Den Gerichtsprozess wegen des Überfalls habe die Klägerin nach Vorbereitung und Begleitung durch den Weißen Ring bewältigen können. Nach einer verbalen Auseinandersetzung mit ihrer Chefin, die ihr vorgeworfen habe, den Überfall schamlos auszunutzen, sei es ihr schlechter als jemals nach dem Unfall gegangen.

Die P2 führte aus, nach Aktenlage scheine der Überfall ursächlich für den Arbeitsplatzkonflikt und die hieraus resultierende depressive Störung zu sein. Auch unabhängig vom Arbeitsplatzkonflikt könne die psychische Belastung der Klägerin durch die PTBS zu einer depressiven Störung geführt haben. Nach der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT) sei eine depressive Verstimmung eine mögliche Begleiterscheinung einer PTBS. Es müsse von der Gleichwertigkeit der PTBS und der mittelschweren depressiven Episode ausgegangen werden, zwischen den Erkrankungen bestehe ein Zusammenhang.
Durch Bescheid vom 11. August 2014 bewilligte das LRA daraufhin der Klägerin für die Behandlung der Gesundheitsstörungen PTBS und mittelschwere depressive Episode ab dem 1. August 2014 in der Traumaambulanz im O1-Klinikum weitere zehn Stunden ambulante Psychotherapie.

Das LRA zog die Unterlagen der BGN bei:

Nach dem Durchgangsarztbericht des H vom 21. Oktober 2013 habe die Klägerin angegeben, am 14. Oktober 2013 um 4.45 Uhr während ihrer beruflichen Tätigkeit auf einem Autohof von zwei maskierten Männern mit einer Pistole überfallen worden zu sein. Einer der beiden Täter habe einen Schuss abgegeben und die Klägerin mit der Pistole bedroht. Seitdem habe die Klägerin gerötete Schleim- und Bindehäute, ihre Muskulatur schmerze, sie fühle sich in einem schlechten körperlichen Zustand und leide unter Schlafstörungen und Angstzuständen.

Aus dem psychischen Befundbericht (Erstbericht bei Beginn probatorischer Sitzungen) der BG-Traumaambulanz vom 24. Oktober 2013 ergab sich, dass nach den Angaben der Klägerin in der Nacht von Samstag auf Sonntag um kurz vor 5 Uhr zwei bewaffnete Männer in den Kassierraum der Tankstelle gekommen seien. Diese hätten zunächst in die Luft geschossen, das Geräusch habe sie aber nicht einem Schuss zugeordnet. Da sie mit dem Rücken zum Geschäftsraum gestanden sei, habe sie die Täter zunächst nicht gesehen. Nachdem die Täter „Überfall“ gerufen hätten, habe sie sich umgedreht, dann hätten diese sofort mit Pfefferspray gesprüht und ihr den Pistolenlauf vor die Nase gehalten. Für die Täter habe sie die Kasse ausräumen und das Geld in eine Tüte packen müssen. Plötzlich habe sie „Polizei“ rufen hören, woraufhin die Täter sofort geflohen seien. Als sie gemerkt habe, dass ein Kunde „Polizei“ gerufen hatte und die Polizei nicht vor Ort gewesen sei, sei sie in Panik ausgebrochen und habe sich eingenässt. Danach habe sie sich nicht mehr an den Überfall erinnert, erst durch Erzählungen und den Film der Überwachungskamera sei ihre Erinnerung zurückgekommen, dabei habe sie aber festgestellt, dass sie sich, objektiv betrachtet, falsch erinnere. Arbeiten würde sie sehr gerne, sehr gerne auch in Nachtschicht. An der Nachtschicht schätze sie die Abwechslung sowie die Eigenverantwortung und auch das Verhältnis zu den Lkw-Fahrern, die üblicherweise in der Nachtschicht ihre Kundschaft seien.

Die G führte in ihrer beratungsfachärztlichen Stellungnahme vom 12. Dezember 2013 aus, dass die Diagnosekriterien zu Beginn des Krankheitsbildes hinsichtlich einer PTBS vollständig erfüllt seien.
In ihrer weiteren beratungsfachärztlichen Stellungnahme vom 25. März 2014 legte G dar, dass nach dem Befundbericht des behandelnden H1 eine Befundstabilisierung eingetreten zu sein scheine, die Klägerin arbeite auch wieder in Nachtschicht. Das Vollbild einer PTBS sei demnach sicherlich nicht mehr vorhanden.

Nach dem Aktenvermerk vom 16. Juni 2014 habe die Klägerin der BGN telefonisch mitgeteilt, ihre Chefin habe sie beim Schichtwechsel am 7. April 2014 verbal dahingehend attackiert, dass sie seit dem Überfall für den Betrieb nicht mehr tragbar sei und es ein großer Fehler gewesen sei, ihr einen Festvertrag anzubieten.

Beratungsfachärztlich führte G aus, dass die erneut eingetretene Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht ursächlich auf den Überfall zurückgeführt werden könne. Traumaspezifische Symptome lägen nur noch in leichter Form vor, das Krankheitsbild werde derzeit von einer zumindest mittelschwer ausgeprägten depressiven Episode dominiert, die im Kontext eines Arbeitsplatzkonflikts unfallunabhängig aufgetreten sei.

Die B berichtete der BG von der Vorstellung der Klägerin in ihrer Sprechstunde am 7. April 2014, bei der diese über eine Auseinandersetzung mit ihrer Vorgesetzten berichtet habe. Bestanden habe eine akute Belastungsreaktion mit Panikzuständen, Unruhe, Zittern und einer depressiven Grundstimmung, die Klägerin sei sehr aufgeregt gewesen.

Dem von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) vorgelegten ärztlichen Bericht zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsantrag) der B ließen sich die Diagnosen reaktive Depression, PTBS, chronisches Lendenwirbelsäulen (LWS)-Syndrom, Hypertonie und Diabetes mellitus Typ II entnehmen. Die Klägerin habe im Oktober 2013 nach einem bewaffneten Überfall auf eine Tankstelle, in der sie beschäftigt gewesen sei, eine PTBS entwickelt. Nach Wiederaufnahme dieser beruflichen Tätigkeit sei es zu Mobbing gekommen, weswegen sich eine Depression entwickelt habe.

Aus dem ärztlichen Befundbericht des H1, BG-Traumaambulanz, vom 28. August 2014 ergaben sich die Diagnosen PTBS, schwere depressive Episode, Diabetes mellitus Typ II, Adipositas und arterielle Hypertonie. Die Klägerin leide unter Schlafstörungen, Ängsten, Vermeidung, Erschöpfung, depressiver Stimmung, Hoffnungslosigkeit, negativer Zukunftssicht, Panikattacken, Spannungskopfschmerzen und Migräne, der Diabetes sei entgleist. Am 13. Oktober 2013 (gemeint wohl 14. Oktober 2013) sei sie an ihrem Arbeitsplatz in einem Autohof Opfer eines tätlichen Überfalls geworden, nach dem Überfall habe sie an ihrem Arbeitsplatz wenig soziale Unterstützung bis hin zu Mobbing erfahren.
Die Klägerin legte die Stellungnahme des H1 und der E gegenüber der BGN vom 11. Dezember 2014 vor, wonach diese in ihrer Stellungnahme vom 5. Juni 2014 nicht den Zusammenhang zwischen den Beschwerden der Klägerin und dem Überfall in Frage gestellt habe, als verschlimmernd sei lediglich das Verhalten des Arbeitgebers beschrieben worden. Ein Unfallereignis, wie es bei der Klägerin stattgefunden habe, könne durch eine gute soziale Unterstützung ausheilen. In diesem Sinne sei es bei der Klägerin zunächst zur Verbesserung der Symptomatik gekommen, nachdem jedoch die Unterstützung durch den Arbeitgeber entzogen worden sei, sei ein psychischer Einbruch erfolgt. Dieser Einbruch sei aber unbedingt als Folge des Überfalls zu werten und wäre ohne diesen nie entstanden. Ihre Chefin habe zur Klägerin wörtlich gesagt, „Du nutzt den Überfall schamlos aus, Du bist jemand, der die Atmosphäre hier vergiftet, Du bist durch den Überfall anders geworden und für uns nicht mehr tragbar.“ Demnach habe selbst der Arbeitgeber das veränderte Verhalten bzw. die Problematik mit der Klägerin als Folge des Überfalls gesehen.

Aus der ebenfalls von der Klägerin vorgelegten sachverständigen Zeugenaussage des H1 und der E im Verfahren vor dem Sozialgericht Ulm (SG, S 2 U 3781/14), dessen Gegenstand die Weitergewährung von Verletztengeld war, ergab sich, dass es zunächst zur raschen Verbesserung der PTBS-Symptomatik und einer eher raschen Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit gekommen sei. Die entscheidende Veränderung zum Negativen sei insbesondere bei der Vorstellung der Klägerin am 10. April 2014 nach einem Konflikt mir ihrer Chefin sichtbar geworden. Im Vorfeld sei mit der Klägerin intensiv traumakonfrontativ gearbeitet worden, so dass sie auch ein alleiniges Arbeiten in der Nacht mit dem Rücken zur Tür versucht habe, was für sie eine massive Belastung gewesen sei. Eine weitere Verschlechterung sei eingetreten, nachdem die BG die weitere ambulante Behandlung und die ebenfalls empfohlene stationäre Behandlung abgelehnt habe.  

Das Landgericht Ellwangen (LG) verurteilte durch Urteil vom 2. April 2014 – 2 KLs 35 JS 17175/13 jug. – die am 29. Juni 1994 und am 18. Februar 1995 geborenen Täter unter Berücksichtigung weiterer Taten zu Jugendstrafen von vier Jahren und drei Monaten bzw. von acht Jahren. Die Revision eines Täters verwarf der Bundesgerichtshof (BGH) durch Beschluss vom 4. November 2014 – 1 StR 432/14 – mit der Maßgabe als unbegründet, dass bezüglich des weitergehenden Adhäsionsantrags von einer Entscheidung abgesehen wurde.

Die Klägerin teilte dem LRA am 18. Juli 2016 mit, dass sie zwischenzeitlich berentet sei und deshalb eine besondere berufliche Betroffenheit und die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs geltend mache.

Im Weiteren legte die Klägerin das Urteil des SG vom 24. Januar 2017 im Verfahren S 2 U 3781/14 vor, durch das ihre Klage auf Weitergewährung von Verletztengeld abgewiesen worden war. Wegen des von der Klägerin erklärten Rechtsmittelverzichts verzichtete das SG auf die Darstellung von Tatbestand und Entscheidungsgründen. Ergänzend führte die Klägerin aus, wegen mangelnder Erfolgsaussicht des Berufungsverfahrens den Rechtsmittelverzicht erklärt zu haben.

Zusätzlich kam zur Vorlage der Rentenbescheid der DRV vom 17. Januar 2017, wonach die der Klägerin durch Bescheid vom 30. Juni 2016 gewährte befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung als Dauerrente weitergewährt wurde.

Die DRV legte den ärztlichen Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung P K. S über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 30. Juni bis zum 4. August 2015 vor, der als Diagnosen eine PTBS, eine Adipositas (alimentär), eine arterielle Hypertonie, einen Diabetes mellitus Typ 2 und eine Hypothyreose aufführte. Das arbeitstägliche Leistungsvermögen der Klägerin habe für die von ihr zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Servicekraft unter drei Stunden, für den allgemeinen Arbeitsmarkt zwischen drei bis unter sechs Stunden betragen.

Die Klägerin sei nach dem Überfall am 14. Oktober 2013, bei dem man sie mit einer Gaspistole bedroht und ihr über den Kopf geschossen habe, zunächst krankgeschrieben gewesen. 14 Tage später habe sie jedoch aufgrund Personalmangels trotz großer Angst unter der Zusage, nicht in der Nachtschicht eingesetzt zu werden, wieder gearbeitet. Später sei sie jedoch wegen der Erpressung mit einem Festvertrag gezwungen gewesen, auch wieder in Nachtschicht zu arbeiten. Seitdem habe sich ihr Zustand stetig verschlechtert, sie leide unter häufigen Flashbacks, massiven Schlafstörungen, Albträumen, gedrückter Stimmung, Erschöpfung, innerer Anspannung sowie körperlichen Beschwerden wie Schwitzen, Verspannungen im Kiefer- und Schulter-Nacken-Bereich, Durchfällen mit Krämpfen bis zu sechsmal täglich, Harninkontinenz und zwanghaftem Kratzen am ganzen Körper, um den Druck abzubauen.

Im Aufnahmebefund sei die Klägerin in einem guten Allgemein- und stark adipösen Ernährungszustand (173 cm, 114,9 kg, BMI 38,42 kg/qm) gewesen. Im Kontakt habe sie unsicher, jedoch freundlich zugewandt gewirkt. Sie sei bewusstseinsklar und allseits voll orientiert bei intakter Aufmerksamkeit, Auffassung und Konzentration gewesen. Inhaltlich sei das Denken auf die Traumasituation und die daraus folgenden Konsequenzen eingeengt, die Stimmungslage sei bei erhaltener affektiver Reagibilität regelgerecht gewesen. Die Klägerin habe von der Angst, wieder überfallen zu werden, berichtet; für die Annahme einer Zwangsstörung hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben.

Das LRA zog die Verwaltungsakte der BGN bei, in der das vom SG im Verfahren S 2 U 3781/14 bei W aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 23. September 2015 erhobene nervenärztliche Fachgutachten enthalten war. Bei der Klägerin hätten demnach Restsymptome einer PTBS mit vor allem Intrusionen in Form von Angstsymptomen und Angstträumen sowie verstärkter Schreckhaftigkeit und darüber hinaus eine weitgehend abgeklungene depressive Episode auf stattgehabte Kränkungserlebnisse auf dem Boden einer narzistischen Persönlichkeitsakzentuierung vorgelegen.

Die Klägerin habe zum Überfall am 14. Oktober 2013 ausgeführt, sie sei mit der Vorbereitung von Speisen beschäftigt gewesen, ein Gast habe an der Theke gesessen. Sie habe nicht bemerkt, dass zwei Personen in die Tankstelle gekommen seien, plötzlich habe sie einen lauten Knall gehört, den sie nicht habe zuordnen können. Sie habe gedacht, dass die Fritteuse im Burger King nebenan explodiert sei. Plötzlich habe ihr eine Person eine Pistole an den Kopf gehalten. Zwar wisse sie im Nachhinein, dass es sich um eine Schreckschusspistole gehandelt habe, zum damaligen Zeitpunkt habe sie das jedoch nicht gewusst. Sie habe sich eingenässt, die Täter hätten die erste Kasse geleert und sie aufgefordert, die zweite und dritte Kasse zu öffnen. Der Kunde, der an der Theke gesessen habe, habe nach dem ersten Schuss die Tankstelle verlassen und sei dann wieder hereingekommen und habe geschrien „Polizei, halt, stehenbleiben oder ich schieße.“, worauf die Täter geflüchtet seien. Relativ schnell nach dem Überfall habe sie wieder begonnen, in Tagschicht zu arbeiten. Aufgrund des angebotenen Festvertrags im Dezember 2013 habe sei sie dann auch wieder in der Nachtschicht zusammen mit ihrem Ehemann tätig gewesen. Am 7. April 2014 habe es ein Gespräch mit ihrer Chefin gegeben, die ihr gesagt habe, dass keiner mehr mit ihr zusammen arbeiten wolle, sich Kunden über sie beschwert hätten und auch ihre Ehemann entlassen werden solle, was dann eskaliert sei. Sie habe deshalb eine Panikattacke bekommen, sei geflüchtet und habe seitdem dort nicht mehr gearbeitet.

Das Äußere der Klägerin sei adäquat und gepflegt bei recht ausgeprägter Adipositas gewesen. Bei der Schilderung ihrer Biographie habe die Klägerin das Heft bemerkenswert fest in der Hand gehalten, habe lebhaft berichtet und sei affektiv auflockerbar gewesen. Bei der Befragung zum Überfall habe sich die Klägerin wesentlich verändert, sie habe sich zurückgezogen, habe Tränen in den Augen bekommen, ausgesprochen unruhig gewirkt und vegetative Auffälligkeiten gezeigt. Zu einem zweiten massiven Einbruch sei es bei der Schilderung der stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Sklinik gekommen, die Klägerin habe lautstark unter heftigen Tränen und mit lebhafter Gestik ihre Enttäuschung über den Klinikaufenthalt geschildert.

Nach der Verlaufsdokumentation der psychischen Behandlung habe bis April 2014 eine recht eindrückliche Symptomatik einer PTBS bestanden, die dann zwar nicht weg gewesen sei, sich aber deutlich gebessert habe. Es sei eine Überlagerung durch eine depressive Störung eingetreten, die nicht wesentlich ursächlich auf den Überfall, sondern auf den Arbeitsplatzkonflikt zurückzuführen sei. Nach nunmehr zwei Jahren nach dem Überfall sei die PTBS-Symptomatik nicht hinreichend abgeklungen, es komme auf entsprechende Triggerreize zu heftigen vegetativen Reaktionen und es würden nach wie vor behandlungsbedürftige Ängste beschrieben, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mehr als 10 vom Hundert (v. H.) liege hingegen nicht vor.  

Das LRA hat bei S1 aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 29. August 2017 ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten erhoben. Demnach habe bei der Klägerin auf neurologischem Fachgebiet eine Polyneuropathie bestanden, weitere Gesundheitsstörungen hätten nicht vorgelegen. Auch auf psychiatrischem Fachgebiet sei keine Diagnose zu nennen, eine solche sei nach den anamnestischen Angaben der Klägerin, der systematischen Exploration und der hier erhobenen Befunde nicht festzustellen. Die wesentlichen Symptome einer Depression hätten nicht vorgelegen, der Antrieb wie die Selbstbehauptungsfähigkeit seien tadellos ohne Hinweise für Störungen von Konzentration oder Gedächtnis bei lebhaftem Affektausdruck ohne unangemessene Schuldgefühle, sondern vielmehr aggressiven Empfindungen gewesen, eine Beeinträchtigung der Ausdauer oder des Konzentrationsvermögens habe nicht bestanden. Die Stimmung sei vor allem nicht durchgehend depressiv gewesen, es habe sich vielmehr ein rascher Wechsel zwischen ausgeglichener Stimmung und aggressiven, verbitterten Äußerungen gezeigt. Auch für eine PTBS hätten sich keine Hinweise ergeben. Das Ereignis sei zwar grundsätzlich geeignet gewesen, eine PTBS zu verursachen (A1-Kriterium), es fehle allerdings an einem psychischen Primärschaden. Die übrigen Kriterien B bis H seien sämtlich nicht erfüllt, so habe die Klägerin eine Neigung gezeigt, sich sehr eingehend mit dem Überfall zu befassen anstatt dies zu vermeiden. Sie habe ihn zusammenhängend und schlüssig ohne Hinweise für Gedächtnisstörungen geschildert, es sei hierbei weder zu dissoziativen Zuständen noch zu Flashbacks gekommen, Hinweise für Intrusionen oder eine abnorme körperliche oder psychische Reaktion hätten nicht bestanden. Die Klägerin habe zwar eine allgemein negative Ansicht über die Welt geäußert, dies sei aber für die Diagnose einer PTBS nicht hinreichend; erfüllt seien lediglich unspezifische Nebenkriterien einer PTBS, nicht jedoch die Hauptkriterien. Auch das Verhalten der Klägerin sei wenig charakteristisch für jemanden, der aufgrund überflutender Erinnerungen Konfrontationen mit dem Ereignis meide. Die Klägerin scheine mehr beeindruckt durch das angeblich wenig einfühlsame und rücksichtslose Verhalten ihrer Umgebung, vor allem ihrer Vorgesetzten und des letzten Sachverständigen, als durch den Überfall selbst. Hierfür spreche auch ihre umfangreiche Aussage vor der Polizei und bei Gericht wie auch bei den gutachterlichen Untersuchungen, wozu jemand mit einer PTBS nicht in der Lage wäre. Die wenigen bestehenden Symptome schienen ein Vermeidungsverhalten gegenüber potentiellen Gefahrensituationen zu sein, die Klägerin fürchte erneute, das Opfer eines Überfalls werden zu können, eine PTBS beziehe sich hingegen ausschließlich auf das intensive Wiedererleben eines vorangegangenen Ereignisses. Insgesamt lägen anzuerkennende Schädigungsfolgen nicht vor, ein Grad der Schädigung (GdS) bestehe nicht.

Die Klägerin habe ausgeführt, 14 Tage nach dem Überfall zunächst nur in Tagschicht und mit einem Security gearbeitet zu haben. An den Wochenenden habe zusätzlich ihr Ehemann mit ihr zusammen gearbeitet. Nachdem sie im Februar 2014 einen unbefristeten Vertrag erhalten habe, habe man ihr gesagt, dass sowohl die Stelle des Securitymitarbeiters als auch die ihres Ehemanns wegfalle und dass sie wieder in Nachtschicht arbeiten müsse. Hierauf sei sie zusammengebrochen und habe nicht mehr gearbeitet. Während der Gerichtsverhandlung habe sie gesagt, dass seit dem Überfall „das Arbeiten die Hölle“ sei, dieser Satz sei auch in der Zeitung abgedruckt worden. Seitdem habe ihre Chefin sie gemieden, als sie daraufhin diese zur Rede gestellt habe, habe diese sie am Kragen gepackt, sei sehr aggressiv geworden und habe sie beschimpft. Auch sei die Klägerin über das Verhalten des Sachverständigen W entrüstet gewesen, der zu ihr gesagt habe, dass man über solche Vorfälle doch jeden Tag in der Zeitung lese und sich deshalb nicht „anpissen“ müsse, außerdem habe sie doch sofort die Waffe als Schreckschusswaffe erkennen müssen, hierbei habe der Sachverständige gelacht. Sie leide unter Schlafstörungen, habe Angst und Panik, gehe nicht allein aus dem Haus. Sie fahre auch kein Auto mehr, weil sie Angst vor einem Unfall habe, ebenso gehe sie nur mit ihrem Ehemann einkaufen, habe Angst vor der Nähe von Menschen und einem weiteren Überfall, könne deshalb ihre Hunde auch nicht mehr im Wald ausführen.

Im psychischen Befund sei die Klägerin bewusstseinsklar, allseits orientiert, forsch und fordernd gewesen. Den Überfall, die Auseinandersetzung mit ihrer Vorgesetzten und auch die Untersuchung bei W habe sie sehr lebhaft, wie im Schauspiel, dargestellt. Inhaltliche oder formale Denkstörungen hätten nicht bestanden, die Stimmungslage sei fast durchgehend zornig erregt bis verbittert gewesen, der Affekt wechselhaft, der Affektausdruck sehr lebhaft, immer wieder überschießend, teils mit Tränen, wenig später voller Wut, wie man sie behandelt habe. Der Antrieb habe tadellos und sehr lebhaft mit einem erheblichen Kommunikationsbedürfnis imponiert.

Die P2 stimmte den gutachterlichen Feststellungen zu.

Durch Bescheid vom 6. Oktober 2017 lehnte das LRA die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG ab. Es seien zwar die anspruchsbegründenden Tatsachen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs nachgewiesen, nachdem die Schädiger mit einer Schreckschusspistole einen Schuss mit Kartuschenmunition mit Pfeffer-Reizstoffzusatz abgegeben und anschließend der Klägerin die Pistole knapp vor das Gesicht gehalten hätten. Nach dem Sachverständigengutachten des S1 habe bei der Klägerin jedoch zu keiner Zeit nach dem Überfall eine relevante seelische Störung bestanden. Insbesondere eine Depression und eine PTBS habe ausgeschlossen werden können. Es sei vielmehr festzustellen, dass bei der Klägerin eine Fehlverarbeitung der Ereignisse nach dem Überfall zu erkennen sei, sie habe sich emotional darüber entrüstet, wie mit ihr umgegangen worden sei.

Deswegen erhob die Klägerin Widerspruch. Der Versuch, ihre Arbeitstätigkeit nach dem Überfall wieder aufzunehmen, sei am 7. April 2014 endgültig gescheitert, nachdem sie aufgrund Panikattacken zusammengebrochen sei; seitdem sei sie durchgehend arbeitsunfähig. Ihre Hausärztin und die sie behandelnde Psychologin habe eine PTBS diagnostiziert. Das abweichende Sachverständigengutachten des S1 sei nicht überzeugend, er habe eine Fehlverarbeitung der Ereignisse nach dem Unfall dargelegt und sei auch davon ausgegangen, dass eine solche grundsätzlich für das Entstehen einer psychischen Störung geeignet sei. Darauf, dass eine Fehlverarbeitung von Ereignissen nach einer Extrembelastung diagnostisch als Traumafolgestörung bewertet werde und damit zur Leistungspflicht führe, sei S1 nicht eingegangen. Auch habe er die notwendige Neutralität gegenüber ihr vermissen lassen und habe nicht hinreichend wissenschaftliche Vorgaben beachtet.

Versorgungsärztlich führte die P2 aus, die von der Klägerin gerügten Mängel des Sachverständigengutachtens ließen sich nicht nachvollziehen. Die Ausführungen der Klägerin wirkten dramatisch und abwertend gegenüber allen Personen, die ihren Vorstellungen nicht in vollem Umfang nachkämen.

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. April 2018 zurück. Der angefochtene Bescheid sei unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin sowie einer erneuten versorgungsärztlichen Stellungnahme nochmals geprüft worden. Hierbei sei festgestellt worden, dass er der Sach- und Rechtslage entspreche. Gesundheitliche Störungen, die in ursächlichem Zusammenhang mit dem am 14. Oktober 2013 erfolgten bewaffneten Raubüberfall am Arbeitsplatz der Klägerin stünden, lägen nicht vor. Die behaupteten Mängel des Sachverständigengutachtens des S1 ließen sich nicht nachvollziehen.

Am 30. Mai 2018 hat die Klägerin Klage beim SG erhoben, mit der sie die Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einem GdS von 30 verfolgt hat.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben am 31. August 2018 mitgeteilt, dass derzeit eine persönliche Rücksprache mit der Klägerin nicht möglich sei, weil sie sich wegen einer Krebserkrankung auf nicht absehbare Zeit in stationärer Behandlung, derzeit auf der Intensivstation, befinde. Eine psychiatrische oder psychotherapeutische Fachbehandlung finde nicht statt, eine solche sei zuletzt im Rahmen der stationären Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2015 erfolgt, auch würden keine Psychopharmaka eingenommen.

Das SG hat die Gerichtsakte des Verfahrens S 2 U 3781/14 sowie die Patientenakte der B beigezogen und W1 mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Auf die Einwände der Klägerin gegen W1 – Notwendigkeit einer weiblichen Sachverständigen sowie von Fachkenntnissen und Erfahrung in der Trauma-Begutachtung – hat das SG bei A, aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 12. März 2019 ein nervenärztliches Sachverständigengutachten erhoben.

A hat bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelschwer, die nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich durch den tätlichen Angriff vom 14. Oktober 2013 verursacht worden sei, diagnostiziert; ein GdS bestehe demnach nicht.

Die Klägerin habe im Rahmen der ambulanten Untersuchung ausgeführt, dass seit August 2018 alles schwierig sei, man habe bei ihr einen bösartigen Tumor entfernt und auch die Lymphknoten an der rechten Halsseite. Sie nehme derzeit Opiate wegen der Schmerzen ein, habe am rechten Hals eine Narbe, die rechte Gesichtshälfte sei extrem empfindlich, am Hals bestehe ein Globusgefühl. Am Donnerstag beginne ihre Rehabilitationsmaßnahme. An Weihnachten sei auch noch ihr Vater verstorben, sie sei derzeit mit ihrer Kraft am Ende, liege seit einer Woche nur noch im Bett. In psychiatrischer Behandlung befinde sie sich nicht, seit 2015 versuche sie, einen Termin bei einem Spezialisten für eine PTBS zu bekommen. Auch habe sie sich schon an die Telefonseelsorge gewandt und das Gewalttelefon für Frauen. Außer zu ihrem Mann habe sie keine sozialen Kontakte. Sie gehe oft erst um 6 Uhr ins Bett. Das Haus mit 100 qm und den Garten mit 1000 qm versorge sie mit ihrem Ehemann zusammen, auch hätten sie einen Hund. Tagsüber sehe sie fern, abends gemeinsam mit ihrem Ehemann. Den Essensplan mache man für eine Woche, ihr Ehemann gehe einkaufen; sie habe gelernt zu funktionieren.

Der Allgemeinzustand sei unauffällig, der Ernährungszustand deutlich übergewichtig gewesen. In psychischer Hinsicht sei die Klägerin wach und orientiert bei ungestörtem formalem und inhaltlichem Gedankengang ohne Wahrnehmungsstörungen gewesen. Die Stimmungslage habe deutlich depressiv mit merklich eingeschränkter affektiver Resonanz imponiert, die positive Affizierbarkeit sei in Ansätzen erhalten gewesen; zeitweise sei eine deutlich dysphorisch-morose, angedeutet auch eine gereizte Stimmung hinzugetreten, vor allem bei der Schilderung der negativ erlebten Vorbegutachtungen. Ansonsten habe die Klägerin lebhaft ohne thematische Vermeidungen berichtet, im Vordergrund habe der Tod ihres Vaters und ihre Krebserkrankung gestanden; erst zu Ende der Exploration sei sie spontan auf den Überfall zu sprechen gekommen. Sie habe über schlechte Träume berichtet, die jedoch nicht den Überfall zum Thema gehabt hätten, eine gewisses Vermeidungs- und Rückzugsverhalten habe bestanden, das soziale Funktionsniveau sei reduziert gewesen. Ein Anhalt für Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit oder der Gedächtnisleistung habe nicht bestanden.

Die Klägerin leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit mittelschwer, eine solche sei bereits im Juli 2014 als Reaktion auf den Arbeitsplatzverlust diagnostiziert worden. In der Folgezeit sei es, auch durch eine vorübergehende Psychotherapie, zu einer gewissen Stabilisierung gekommen, vorübergehende Einbrüche seien im Zusammenhang mit den Begutachtungen eingetreten. Die jetzige depressive Episode habe ihre Ursache in der Krebserkrankung der Klägerin und dem Tod ihres Vaters. Die Klägerin sei durchaus in der Lage, sich bei entsprechender Motivation und Notwendigkeit zielgerichtet und initiativ zu verhalten, wie das etwa bei der Auflösung des Haushalts ihres verstorbenen Vaters notwendig gewesen sei. Rückblickend lasse sich nicht sicher sagen, ob nach dem Überfall anfänglich eine PTBS im Vollbild vorgelegen habe. Jedenfalls habe sich die Symptomatik gebessert, was auch von den Trauma-Therapeuten so beschrieben worden sei; im entsprechenden Bericht sei die Verschlechterung der Symptomatik auf den Arbeitsplatzkonflikt zurückgeführt worden. Auch eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10 F22.0) liege entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht vor. Eine solche bestehe nach den Kriterien des ICD-10 nicht, wenn eine kurzeitige Lebensbedrohung vorgelegen habe, da nach neuen Forschungsergebnisse dann eine psychische Vulnerabilität vorbestehend gewesen sei, die Belastung müsse demnach nicht nur extrem sein, sondern über einen längeren Zeitraum andauern. Darüber hinaus habe ein entsprechendes Störungsbild – Feindseligkeit, sozialer Rückzug, Hoffnungslosigkeit, überdauernde Anspannung und Entfremdungsgefühle – nicht vorgelegen. Der psychopathologische Befund sei von Symptomen einer mittelschweren Depression, diese rezidivierend, gekennzeichnet gewesen. Diese werde durch verschiedene Ereignisse, zuletzt die Krebserkrankung und den Tod des Vaters, ausgelöst. Eine derartige Störung sei einer Behandlung gut zugänglich, diese erfolge allerdings seit Jahren nicht. Im Wesentlichen bestehe Übereinstimmung mit den Sachverständigengutachten des W und des S1. Zum Zeitpunkt der Begutachtung bei S1 habe möglicherweise eine depressive Störung nicht festgestellt werden können, die Ereignisse, die zur erneuten Entwicklung einer depressiven Episode geführt hätten, seien erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten.

Das SG hat daraufhin die Rücknahme der Klage angeregt und nachdem sich die Klägerin hierzu nicht geäußert hat, die Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Die Klägerin hat hierauf ausgeführt, mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid und auch mit dem Sachverständigengutachten der A nicht einverstanden zu sein. Deren Ausführungen, dass weder eine PTBS noch eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung vorlägen, seien nicht nachvollziehbar. Es sei fragwürdig, dass sich die Sachverständige nach den ihr gestellten Beweisfragen mit den Vorgutachten habe auseinandersetzen sollen, eine unvoreingenommene und neutrale Begutachtung sei damit nicht mehr gewährleistet gewesen. Im Verfahren S 2 U 3781/14, in dem das Sachverständigengutachten des W erhoben worden sei, habe der Vorsitzende explizit darauf hingewiesen, dass dieses Sachverständigengutachten in einem anderen Verfahren nicht verwertet werden dürfe. A habe das Gespräch mit ihr nicht auf einem Diktiergerät aufgenommen und deshalb ihre Ausführungen unzutreffend dokumentiert. Auch habe sie während der Begutachtung nicht spontan und freiwillig erzählt; ebenso angegeben, eigentlich nicht über den Überfall sprechen zu wollen. Ihre Todesangst während der Bedrohung mit der Waffe, die sie zwischen ihren Augen gespürt habe, habe A nicht geschildert. Auch ihr Weinen während der Begutachtung, der aufgetretene Migräneanfall, der wegen eines Brechanfalls zu einem Pausieren gezwungen habe, werde verschwiegen. Im Sachverständigengutachten werde zwar die derzeitige Einnahme von Opiaten erwähnt, nicht jedoch die Auswirkungen dieser Einnahme, stattdessen sei fachfremd eine Dermatitis facitia diagnostiziert worden. Diese entstehe aufgrund selbstschädigender Handlungen, die das Vorliegen einer PTBS nachwiesen, worauf nicht eingegangen worden sei. Der erhobene psychische Befund spreche ebenso für eine PTBS.

Ergänzend hat die Klägerin den Entlassungsbericht der stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 14. März bis zum 4. April 2019 im P1sanatorium A1 vorgelegt, der als Diagnosen Vestibulum-Carzinom rechts pT1 PN0 (0/7) cM0 G2, 27. August 2018, Nachresektion Vestibulum nasi rechts, Defektrekonstruktion, Narbenziehen und Narbenspannen, Funktionsstörung beider Schultergelenke, rechts mehr als links, psychophysische Erschöpfung sowie Depression und PTBS aufgeführt hat. Die arbeitstägliche Leistungsfähigkeit der Klägerin habe sowohl für die zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Servicekraft in einer Tankstelle als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden betragen. Im Vordergrund habe die Schmerzsymptomatik im Unterkieferbereich gestanden, die Klägerin sei erschöpft, müde und kraftlos gewesen. Seit 2013 sei sie depressiv, seit Weihnachten verstärkt durch einen Trauerfall in der Familie. Zuletzt sei 2015 eine psychosomatische Rehabilitation erfolgt, die Klägerin nehme keine Antidepressiva mehr ein, habe diese aber längere Zeit eingenommen. Sie lebe allein in ihren vier Wänden, sei total isoliert, könne wegen Angst und Panikattacken ihre Wohnung nicht mehr verlassen, auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ebenso wie Autofahren nicht mehr möglich. Durch die ihr zugefügte Gewalt und die erfahrene Todesangst habe sie das Vertrauen in alles und jeden verloren, habe Angst vor Menschen. Im psychischen Befund sei sie stabil, freundlich, zugewandt und zu allen Qualitäten orientiert gewesen.
Das SG hat bei A eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage erhoben. Demnach habe sich die Klägerin im Rahmen der Begutachtung kritisch und negativ über die Vorbegutachtungen geäußert und eine Überforderung durch das Ausfüllen von Fragebögen wie auch eine Störung durch das zeitgleiche Diktat während der Begutachtung angegeben; sie sei deshalb erleichtert gewesen, dass dies bei der Begutachtung nicht erfolgt sei. Das Weinen während der Untersuchung habe sie nicht verschwiegen, im psychopathologischen Befund sei die Affektlabilität genannt worden. Während der Exploration habe die Klägerin von Kopfschmerzen berichtet, von einem Erbrechen sei ihr nichts bekannt. Der Einfluss von Opiaten auf die Klägerin sei nicht Gegenstand der Begutachtung gewesen, für die Diagnose einer Dermatitis facitia sei es nicht notwendig, Facharzt für Dermatologie zu sein. Hieraus jedoch das Bestehen einer PTBS abzuleiten, sei weit hergeholt und nicht wirklich nachvollziehbar. Der psychopathologische Befund habe einer mittelschweren depressiven Störung und nicht einer PTBS entsprochen. Die weiteren Ausführungen der Klägerin seien überwiegend emotional und entbehrten einer gewissen Sachlichkeit, so dass eine Stellungnahme hierzu wenig sinnvoll erscheine. Im Entlassungsbericht des P1sanatorium A1 werde zwar eine psychische Erschöpfung, eine Depression und eine PTBS diagnostiziert, allerdings sei nur eine Verschlüsselung für die Depression (ICD-10 F32.9 – depressive Episode, nicht näher bezeichnet) vorgenommen worden. Nachdem im Befund auch kein psychopathologischer Befund aufgeführt worden sei, lasse sich aus dem Entlassungsbericht weder die Diagnose einer depressiven Störung noch einer PTBS entnehmen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Ausführungen der Klägerin nicht geeignet seien, vom Inhalt und Ergebnis des Sachverständigengutachtens abzuweichen.

Durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. Juli 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei der Klägerin seien Schädigungsfolgen aufgrund des Überfalls vom 14. Oktober 2013 über sechs Monate hinaus nicht verblieben und es seien auch keine neuen Gesundheitsstörungen aufgetreten, die ursächlich auf das schädigende Ereignis zurückzuführen seien. Für eine PTBS sei zwar das A-Kriterium erfüllt, nach den Ausführungen der A, denen sich das Gericht anschließe, sei das Vollbild einer PTBS aber nicht nachgewiesen. W habe darüber hinaus dargelegt, dass Personen, die an einer PTBS litten, es vermieden, über das schädigende Ereignis zu berichten, die Klägerin habe hierüber jedoch vermehrt berichtet. Auch wenn zugunsten der Klägerin das Vorliegen einer PTBS anfänglich unterstellt werde, führe dies nicht zu einem Anspruch auf Entschädigung, da nach den Feststellungen des W sechs Monate nach dem Überfall nur noch Restsymptome einer PTBS vorgelegen hätten. Diese Restsymptome seien im Folgenden durch eine schädigungsunabhängige depressive Störung, wie sich aus den vorliegenden Sachverständigengutachten ergebe, überlagert worden. Maßgebliche Ursache der depressiven Störung sei ein Arbeitsplatzkonflikt im Jahr 2014 gewesen, durch verschiedene belastende Lebensereignisse sei diese in der Folgezeit erneut aufgetreten.
Gegen das ihren damaligen Prozessbevollmächtigen am 28. Juli 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. August 2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.

Zur Berufungsbegründung führt sie aus, das Urteil des SG sei ebenso wie die Sachverständigengutachten nicht nachvollziehbar. Aufgrund des Überfalls am 14. Oktober 2013 leide sie unter einer psychischen Erkrankung, wegen der sie einen Anspruch auf Beschädigtengrundrente habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Juli 2021 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2018 zu verurteilen, ihr aufgrund des Ereignisses vom 14. Oktober 2013 ab dem 21. November 2013 Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigung von 30 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung und die Sachverständigengutachten.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 20. Januar 2022 hat die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten das Mandat entzogen. Zum Hergang des Überfalls am 14. Oktober 2013 hat sie angegeben, an diesem Tag in Nachtschicht von 23 bis 7 Uhr gearbeitet zu haben. Sie sei allein im Verkaufsraum der Tankstelle gewesen, gegen 4:46 Uhr habe sich der Überfall ereignet. Sie habe hinter dem Verkaufstresen mit dem Rücken zum Eingang gestanden und habe Backwaren vorbereitet, schräg gegenüber von ihr sei ein Gast vor einem Spielautomaten gesessen. Urplötzlich habe sie einen lauten Knall gehört, dabei sei sie weiter mit dem Rücken zur Eingangstür gestanden. Sie habe zunächst gedacht, dass vielleicht die Fritteuse im angrenzenden Burger King explodiert sein könnte, als sie zu dem Gast geschaut habe, sei dieser verschwunden gewesen. Dann habe sie einen zweiten Knall gehört, zu diesem Zeitpunkt sei sie immer noch mit dem Rücken zum Eingangsbereich gestanden. Als sie sich umgedreht habe, habe jemand „Überfall“ geschrien und die zwei Täter seien mit gezogener Waffe auf sie zugekommen. Der eine Täter sei dann vor dem Verkaufstresen stehen geblieben und habe sie mit der Waffe bedroht; hierbei habe er ihr die Waffe zwischen die Augen gehalten, die Waffe habe sie an der Stirn berührt. Der andere Täter sei zu ihr hinter den Tresen gekommen, hätte geschrien, sie geschubst und mit dem Arm auch auf sie eingeschlagen.
Derzeit sei sie nicht in psychiatrischer Therapie, sie befinde sich nur in ständiger Behandlung bei ihrer Hausärztin, die Allgemeinmedizinerin sei, aber auch Krisengespräche durchführe und ihr in der Vergangenheit auch Medikamente verordnet habe. Seit 2018 könne sie wegen ihrer Krebserkrankung keine Psychopharmaka mehr einnehmen, allerdings habe das wegen der Krebserkrankung eingenommenen Medikament auch eine psychische Wirkung, so hätten sich etwa ihre Schlafprobleme teilweise hierdurch gebessert. Sie habe versucht, bei vielen Psychiatern Termine zu bekommen; teilweise hätten diese die Behandlung abgelehnt, weil sie nicht auf Traumafolgen spezialisiert gewesen seien, ihr sei aber auch gesagt worden, dass sie austherapiert und deswegen eine Therapie nicht sinnvoll sei. Bei einigen Psychiatern stünde sie auf der Warteliste; die Wartezeitproblematik habe sich aufgrund der Corona-Pandemie weiter verstärkt. In der Vergangenheit habe sie sich auch an die Telefonseelsorge gewandt, etwa bei Suizidgedanken.

Ergänzend hat die Klägerin im Termin zur Erörterung des Sachverhalts eine CD mit der Aufnahme der Überwachungskamera vom Tag des Überfalls und einen Leitzordner mit weiteren Unterlagen vorgelegt. Neben bereits aktenkundigen Unterlagen, wie die Stellungnahmen der Klägerin zu den Sachverständigengutachten, haben sich im Leitzordner eine Übersicht über die von der Klägerin angefragten Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapeuten sowie verschiedene Berichte und Gerichtsurteile über die gutachterliche Tätigkeit des S1, insbesondere für private Berufsunfähigkeitsversicherungen, befunden.

Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, dass die Berufung im Hinblick auf die vorliegenden Sachverständigengutachten wohl keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, ein GdS von mindestens 25 werde wohl nicht erreicht. Die Klägerin ist zur Rücknahme der Berufung nicht bereit gewesen. Sie und auch der Beklagte haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte, auch die des Verfahrens S 2 U 3781/14, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 19. Juli 2021, durch das das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) der Klägerin auf Aufhebung des Bescheides vom 6. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2018 (§ 95 SGG) und auf Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einem GdS von 30 ab dem 21. November 2013 abgewiesen hat.

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der vorliegenden Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, demnach der 2. Juni 2022.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 6. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin auf deren Antrag vom 21. November 2013 aufgrund des am 14. Oktober 2013 erlittenen Raubüberfalls eine Beschädigtengrundrente zu gewähren.

Der Senat konnte sich, ebenso wie das SG, nach Auswertung der Sachverständigengutachten der A, des S1 und des W wie auch der im Weiteren zur Vorlage gekommenen medizinischen Unterlagen und ärztlichen Meinungsäußerungen nicht davon überzeugen, dass die Klägern infolge des schädigenden Ereignisses vom 14. Oktober 2013 unter Schädigungsfolgen leidet, die ab dem maßgeblichen Zeitpunkt des Antrags vom 21. November 2013 mit einem rentenberechtigenden GdS zu bewerten sind und demnach einen Anspruch auf Beschädigtengrundrente begründen. Die Klägerin leidet als Folge des Überfalls vom 14. Oktober 2013 nicht an einer PTBS oder an einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung. Die bei ihr bestehende rezidivierende depressive Störung, die zum Zeitpunkt der ambulanten gutachterlichen Untersuchung bei A am 12. März 2019 mittelgradig ausgeprägt war, ist nicht wesentlich ursächlich auf den Überfall vom 14. Oktober 2013 zurückzuführen.  


Rechtsgrundlage des von der Klägerin gegenüber dem Beklagten geltend gemachten Anspruchs ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, u. a. auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS – bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als MdE bezeichnet – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2014 – L 6 VS 413/13 –, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).

Für einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG i. V. m. dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 1/12 R –, BSGE 113, 205 <208 ff.>):

Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 VG 1/08 R –, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person („wer“), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind. In Altfällen, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Inkrafttreten des OEG am 16. Mai 1976 (BGBl I S. 1181), müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß § 10 Satz 2 OEG i. V. m. § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die in diesem Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach § 31 Abs. 2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist. Nach dieser Maßgabe erhalten Versorgung auch Personen, die in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zum Zeitpunkt der Schädigung hatten, wenn die Schädigung in der Zeit vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 in dem vorgenannten Gebiet eingetreten ist (§ 10a Abs. 1 Satz 2 OEG).

Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes „vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff“ i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VG 2/10 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer – jedenfalls versuchten – vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 – B 9 VG 1/09 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff i. S. d. § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VG 2/10 R –, SozR 4 3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 23 ff.).

Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.

Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 35/09 R –, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).

Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein „deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.

Bei dem „Glaubhafterscheinen“ i. S. d. § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3 3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend – seit Juli 2004 – den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008, den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), (VG, Teil C, Nrn. 1 bis 3; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, juris, Rz. 17).

Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, hat der Beklagte zu Recht durch Bescheid vom 6. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2018 den Antrag der Klägerin vom 21. November 2013 auf Bewilligung einer Beschädigtengrundrente abgelehnt.

Die Klägerin ist am 14. Oktober 2013 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG geworden. Die beiden Täter haben sie nicht nur mit einer mit Gaspatronen geladenen und damit objektiv gefährlichen Schreckschusspistole bedroht, sondern sie haben auch einen Schuss auf sie abgegeben, wodurch diese, wie der Senat dem im Wege des Urkundsbeweises verwerteten (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung <ZPO>) Durchgangsarztbericht des H vom 21. Oktober 2013 entnimmt, eine Rötung der Schleim- und Bindehäute erlitten hat. Darüber hinaus haben die Täter, wie die Klägerin im Rahmen der ambulanten gutachterlichen Untersuchung bei W im Verfahren S 2 U 3781/14 angegeben und nochmals im Termin zur Erörterung des Sachverhalts bestätigt hat, ihr die Waffe zwischen die Augen gehalten und sie hierbei auf ihren Kopf aufgesetzt. Es hat demnach nicht lediglich eine für einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht ausreichende nicht körperlich wirkende Bedrohung mit einer Waffe vorgelegen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 23 ff.). Darüber hinaus hat die Klägerin im Termin zur Erörterung des Sachverhalts berichtet, von den Tätern gestoßen und geschlagen worden zu sein, mithin, dass diese auch insofern ihr gegenüber unmittelbaren körperlichen Zwang ausgeübt haben. Aufgrund ihrer glaubhaften Ausführungen im Termin zur Erörterung des Sachverhalts, bei denen sich keine Widersprüche zu ihren vorherigen Ausführungen ergeben haben, hat der Senat von der Inaugenscheinnahme der von der Klägerin vorgelegten CD mit den Aufnahmen der Überwachungskamera abgesehen. Auch der Beklagte hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.
Bei der Klägerin bestehen jedoch zur Überzeugung des Senats keine Funktionsstörungen infolge des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, demnach Schädigungsfolgen, die über einen Zeitraum von mehr als sechs Monate angedauert haben (VG, Teil A, Nr. 2, f), und wegen denen diese deshalb einen Anspruch auf Beschädigtengrundrente hätte. Solche haben insbesondere nicht im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ vorgelegen.

Im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ hat die Klägerin zur Überzeugung des Senats zumindest nicht über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten an einer PTBS gelitten.

Die Beurteilung der Frage, ob eine PTBS vorliegt, hat sich nach der Rechtsprechung des BSG und dem folgend des Senats (vgl. Senatsurteile vom 27. August 2015 – L 6 VS 4569/14 –, juris, Rz. 34 und vom 23. Juni 2016 – L 6 VH 4633/14 –, juris, Rz. 58 ff.) an den gängigen Diagnosesystemen entsprechend der Nomenklatur der ICD-10 und der DSM zu orientieren. Denn die konkret zu bezeichnenden Krankheiten bilden die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens zu beurteilen ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr. 3). Das DSM lag bis 2013 in seiner vierten Ausgabe (DSM-IV-TR) vor und kann neben der ICD-10 herangezogen werden. Dagegen bestehen gegen die zwischenzeitlich seit Mai 2013 als Nachfolgerin des DSM-IV-TR in deutscher Sprache vorliegende 5. Auflage (DSM-V) Bedenken hinsichtlich ihrer Validität (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 27. August 2015 – L 6 VS 4569/14 –, juris Rz. 40 ff.).

Nach ICD-10 F43.1 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z. B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über.

Nach DSM-IV gelten folgende Grundsätze: Das Hauptmerkmal der PTBS ist die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis beinhaltet unter anderem das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (Kriterium A1). Die Reaktion der Person auf das Ereignis muss intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfassen (Kriterium A2). Charakteristische Symptome, die aus der Konfrontation mit der extrem traumatischen Situation resultieren, sind das anhaltende Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von wiederholten und aufdringlichen Erinnerungen an das Ereignis (Kriterium B1), von wiederkehrenden, quälenden Träumen, in denen das Erlebnis nachgespielt wird oder in anderer Form auftritt (Kriterium B2), von Erleben von oft als „flashbacks“ bezeichneten dissoziativen Zuständen, während derer einzelne Bestandteile des Ereignisses wieder erlebt werden (Kriterium B3) oder, wenn die Person mit Ereignissen konfrontiert wird, die sie an Aspekte des traumatischen Ereignisses erinnern oder die diese symbolisieren, in Form von intensiver psychischer Belastung (Kriterium B4) oder physiologischer Reaktionen (Kriterium B5). Charakteristische Symptome sind auch die andauernde Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma assoziiert sind, und eine Abflachung der allgemeinen Reagibilität in der Form, dass die Person im Allgemeinen versucht, Gedanken, Gefühle oder Gespräche über das traumatische Ereignis (Kriterium C1) und Aktivitäten, Situationen oder Personen, welche die Erinnerung an das Ereignis wachrufen (Kriterium C2) absichtlich zu vermeiden, wobei die Vermeidung des Erinnerns die Unfähigkeit mit einschließen kann, sich an einen wichtigen Aspekt des traumatischen Ereignisses zu erinnern (Kriterium C3), oder in Form von verminderter Reaktionsbereitschaft auf die Umwelt, welche üblicherweise sehr bald nach dem traumatischen Erlebnis eintritt (Kriterium C4), eines Gefühls der Isolierung und Entfremdung von Anderen (Kriterium C5) oder einer deutlich reduzierten Fähigkeit, Gefühle zu empfinden (Kriterium C6) oder in der Form, dass betroffene Personen das Gefühl einer eingeschränkten Zukunft haben (Kriterium C7). Charakteristische Symptome sind auch anhaltende Symptome erhöhten Arousals in Form von Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten, die durch wiederholte Albträume, in denen das traumatische Erlebnis wieder erlebt wird, hervorgerufen werden können (Kriterium D1), Hypervigilanz (Kriterium D4) und übertriebener Schreckreaktion (Kriterium D5), wobei manche Personen über Reizbarkeit oder Wutausbrüche (Kriterium D2) oder Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Aufgaben zu vollenden (Kriterium D3), berichten. Das vollständige Symptombild muss länger als einen Monat anhalten (Kriterium E) und die Störung muss in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursachen (Kriterium F). Traumatische Erfahrungen, die direkt erlebt wurden, umfassen insbesondere kriegerische Auseinandersetzungen, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, schwere Autounfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit. Hinsichtlich Beginn und Dauer der Symptome wird unterschieden zwischen der akuten PTBS (wenn die Dauer der Symptome weniger als drei Monate beträgt), der chronischen PTBS (wenn die Symptome drei Monate oder länger andauern) und der PTBS mit verzögertem Beginn (wenn mindestens sechs Monate zwischen dem traumatischen Ereignis und dem Beginn der Symptome vergangen sind). Die Symptome, wie beispielsweise verminderte affektive Schwingungsfähigkeit, dissoziative Symptome, somatische Beschwerden, Gefühle der Insuffizienz in Form von Hoffnungslosigkeit, sozialer Rückzug, ständiges Gefühl des Bedrohtseins oder beeinträchtigte Beziehung zu anderen oder Veränderung der Persönlichkeit im Vergleich zu früher beginnen normalerweise innerhalb der ersten drei Monate nach dem Trauma, obwohl sich die Ausbildung der Symptome aber auch um Monate oder sogar Jahre verzögern kann. Die Schwere, Dauer und Nähe der Person bei Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis sind die wichtigsten Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit bestimmen, mit der die Störung sich entwickelt. Es gibt Hinweise, dass soziale Unterstützung, Familienanamnese, Kindheitserfahrungen, Persönlichkeitsvariablen und vorbestehende psychische Störungen die Ausbildung einer PTBS beeinflussen können. Die Störung kann sich auch bei Personen entwickeln, bei denen zuvor keine besondere Auffälligkeit vorhanden war, besonders dann, wenn es sich um eine besonders extreme Belastung handelt.

Die nach den beiden Klassifikationssystemen notwendigen Kriterien bzw. dafür erforderlichen Unterkriterien müssen im Vollbeweis feststehen, um die Diagnose einer PTBS stellen zu können. Hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen (Kriterien B bis D, ggfs. E und F) bezieht sich diese Anforderung auf den aktuellen Gesundheitszustand des Geschädigten.

Insbesondere, wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht bereits unmittelbar nach dem Ende der Traumatisierung auftreten oder seitdem ununterbrochen bestehen, es also an Brückensymptomen fehlt, muss die Zusammenhangfrage besonders sorgfältig geprüft werden und ist nur anhand eindeutiger objektiver Befunde zu bejahen, was sich auch aus Anforderungen der früheren AHP ergibt. Die Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang ist erst dann zu stellen, wenn die Diagnose positiv feststeht (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Dezember 2010 – B 9 VH 3/09 B –, Rz. 14, juris; Beschluss vom 16. Februar 2012 – B 9 V 17/11 B –, Rz. 16, juris).

Gemessen an diesen Vorgaben erfüllt das Ereignis am 14. Oktober 2013 zwar das diagnostische Kriterium A1, nach Auswertung der erhobenen Sachverständigengutachten und der zur Vorlage gekommenen ärztlichen Berichte und Meinungsäußerungen hat die Klägerin zur Überzeugung des Senats jedoch nicht mehr als sechs Monate und damit nicht in einem, einen Anspruch auf Beschädigtengrundrente begründenden Maß an einer PTBS gelitten.

Relativierend im Hinblick auf das diagnostische Kriterium A1 ist bereits zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin, wie der Senat dem urkundsbeweislich verwerteten psychischen Befundbericht der BG-Traumaambulanz vom 24. Oktober 2013 entnimmt, nicht mehr unmittelbar an den Überfall am 14. Oktober 2013 erinnern kann. Ihre eigenen Erinnerungen, die sie selbst als falsch einordnet, resultieren überwiegend aus Erzählungen und dem Film der Überwachungskamera, sind damit teilweise nicht unmittelbar erlebnisbasiert, wodurch ihre Intensität und damit auch ihre traumatisierende Wirkung abgeschwächt ist.

A hat in dem bei ihr erhobenen Sachverständigengutachten für den Senat schlüssig und überzeugend dargelegt, dass sich rückblickend nicht sicher bestimmen lässt, ob die Klägerin nach dem Ereignis am 14. Oktober 2013 an einer PTBS gelitten hat; sich jedenfalls aber die Symptomatik im weiteren Verlauf, wie sich aus den zur Vorlage gekommenen ärztlichen Berichten ergebe, wesentlich gebessert hat und demnach nicht mehr für die Funktionsstörungen der Klägerin maßgeblich ist.

Die von der Klägerin gegen das Sachverständigengutachten der A im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Einwände zwingen zur keiner abweichenden Beurteilung. In der bei A diesbezüglich eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme ist diese hierauf eingegangen und hat für den Senat, ebenso wie für das SG, schlüssig dargelegt, aus welchen Gründen diese Einwände letztlich die Überzeugungskraft und Nachvollziehbarkeit des Sachverständigengutachtens nicht erschüttern können.

Mit den Ausführungen der A korrespondiert das den Senat ebenso überzeugende, von der BGN erhobenen Sachverständigengutachten des W, das der Senat urkundsbeweislich verwertet. Dieser hat bei der Klägerin bei dessen ambulanten gutachterlichen Untersuchung am 23. September 2015 lediglich noch Restsymptome einer PTBS erkennen können. Auch W hat im Hinblick auf die Verlaufsdokumentation der Behandlung der Klägerin festgestellt, dass zwar bis April 2014, demnach nicht mehr als sechs Monate nach dem Ereignis vom 14. Oktober 2013, eine recht eindrückliche Symptomatik einer PTBS bestanden hat, die sich dann aber deutlich gebessert hat und durch eine depressive Störung, die nicht wesentlich auf den Überfall, sondern auf einen Arbeitsplatzkonflikt zurückzuführen ist, überlagert worden ist. Nachvollziehbar ist er deshalb ab April 2014 von einem nicht rentenberechtigenden GdS von 10 ausgegangen.  

Die Wesentlichkeit dieses Arbeitsplatzkonflikts für die bei der Klägerin ab dem Zeitpunkt dieses Konflikts am 7. April 2014 bestehende depressive Störung, die die Symptome einer PTBS überlagert hat, ergibt sich für den Senat schlüssig und nachvollziehbar aus den zur Vorlage gekommen ärztlichen Unterlagen. Die Klägerin hat im Rahmen der ambulanten gutachterlichen Untersuchungen durch die Sachverständigen ausgeführt, dass am 7. April 2014 ein Gespräch mit ihrer Chefin eskaliert ist, ihre Chefin habe ihr vorgeworfen, den Überfall auszunutzen, die Atmosphäre zu vergiften und nicht mehr tragbar zu sein. Daraufhin hat die Klägerin nach ihren Angaben nicht nur eine Panikattacke erlitten und hat seit diesem Zeitpunkt nicht mehr im Autohof gearbeitet, was die Bedeutung des Vorfalls unterstreicht. Wie schwer die Klägerin von dieser Auseinandersetzung mit ihrer Chefin betroffen war, woraus sich zwangslos ergibt, dass zumindest seit diesem Zeitpunkt die Symptome einer PTBS ihren Gesundheitszustand nicht mehr maßgeblich beeinflusst haben, ergibt sich aus der Bedeutung ihres damaligen Arbeitsplatzes für die Klägerin. Nach dem urkundsbeweislich verwerteten Verlaufsbericht vom 5. Juni 2014 im BG-Verfahren ist die Klägerin zwar im März 2014 immer wieder körperlich krank gewesen, sie ist jedoch trotz dieser körperlichen Beschwerden an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt, weil sie diesen unbedingt hat erhalten wollen und auch im Hinblick auf das Ziel, einen Festvertrag zu erreichen, laut dem Verlaufsbericht nur noch für diesen Arbeitsplatz gelebt hat.

Dem entsprechen die ebenso urkundsbeweislich verwerteten Ausführungen der die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt behandelnden E gegenüber der BGN, wonach maßgeblich für die Behandlung der Klägerin ab dem 7. April 2014 der stattgehabte Arbeitsplatzkonflikt und nicht mehr der Überfall vom 14. Oktober 2013 war. In ihrer Stellungnahme vom 11. Dezember 2014 haben die E und auch H1 zwar, nachdem sie zunächst nochmals einer Verbesserung der Symptome der PTBS bestätigt haben, ausgeführt, dass der psychische Einbruch aufgrund des Arbeitsplatzkonflikts letztlich auch auf den Überfall vom 14. Oktober 2013 zurückzuführen sei. Diese Ausführungen, die eine rechtliche und keine medizinische Wertung enthalten, konnten den Senat jedoch nicht überzeugen. Der Überfall vom 14. Oktober 2013 war zwar für den Arbeitsplatzkonflikt am 7. April 2014 kausal i. S. d. conditio-sine-qua-non-Formel, er war hingegen nicht rechtlich wesentlich hierfür, da er auf einem, den rechtlichen Zurechnungszusammenhang unterbrechenden eigenverantwortlichem Dazwischentreten einer dritten Person, der Vorgesetzen der Klägerin, beruht hat.

Auch aus weiteren – urkundsbeweislich verwerteten – ärztlichen Berichten ergibt sich die Intensität des Arbeitsplatzkonflikts und damit dessen, die PTBS-Symptomatik verdrängende Auswirkung auf den Gesundheitszustand der Klägerin. So hat die B von der Diagnose einer akuten Belastungsreaktion im Rahmen ihrer Sprechstunde am 7. April 2014, am Tag des Arbeitsplatzkonflikts, berichtet. Gegenüber H1 hat die Klägerin, wie sich aus dessen Bericht vom 28. August 2014 ergibt, wenig Unterstützung an ihrem Arbeitsplatz bis hin zu Mobbing beklagt. Gutachterlich hat S1 deshalb nachvollziehbar ausgeführt, dass die Klägerin mehr als durch den Überfall durch das von ihr als wenig einfühlsame und rücksichtlose Verhalten ihrer Umgebung, vor allem ihrer Vorgesetzten und dem der Sachverständigen, nach dem Überfall beeindruckt war.

Insbesondere S1 hat für den Senat einen weiteren Gesichtspunkt herausgearbeitet, der gegen das Vorliegen einer PTBS im Vollbild zumindest für die Dauer von mehr als sechs Monaten nach dem Überfall am 14. Oktober 2013 spricht. Die Klägerin hat nämlich nach dem Überfall kein für die Diagnose einer PTBS notwendiges Vermeidungsverhalten gezeigt, sondern im Gegenteil die Neigung, sich sehr ausführlich mit dem Überfall zu befassen. So hat sie den Überfall nicht nur gegenüber sämtlichen Sachverständigen schildern können, wobei – wie S1 beschreibt – keine Gedächtnisstörungen, dissoziative Zustände, Flashbacks, Intrusionen oder abnorme körperliche oder psychische Reaktionen aufgetreten sind. Die Klägerin war insbesondere auch in der Lage, wie der Senat u. a. dem urkundsbeweislich verwerteten Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung P K. S entnimmt, bereits 14 Tage nach dem Ereignis vom 14. Oktober 2013 sich der Konfrontation mit dem erlittenen Trauma auszusetzen, sie hat wieder ihrer Arbeitstätigkeit im selben Autohof aufgenommen und damit kein für die Diagnose einer PTBS notwendiges wesentliches Vermeidungsverhalten gezeigt (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2013 ­– L 6 VG 3324/12 –, juris, Rz. 53). Der Beginn der Arbeitstätigkeit ist zwar zunächst nur in Tagschicht erfolgt, war aber der Klägerin, wie der Senat dem Sachverständigengutachten des W entnimmt, im Folgenden auch wieder in Nachtschicht möglich, um einen Festvertrag zu erlangen. Dass die Tätigkeit in Nachtschicht zusammen mit ihrem Ehemann und im Beisein eines Securitymitarbeiters erfolgt ist, steht der unmittelbaren Konfrontation mit dem Trauma nicht entgegen. Die Klägerin hat, wie der Senat dem urkundsbeweislich verwerteten psychischen Befundbericht der BG-Traumaambulanz vom 24. Oktober 2013 entnimmt, vielmehr betont, wieder sehr gerne, sehr gerne auch in Nachtschicht zu arbeiten und dies ausführlich begründet, sich also der sogar objektiv stärker gefährdenden Situation aktiv stellen können.

Soweit im Entlassungsbericht des P1sanatoriums A1 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 14. März bis zum 4. April 2019 neben einer Depression zusätzlich eine PTBS diagnostiziert worden ist, zwingt dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung. A hat insofern für den Senat überzeugend dargelegt, dass sich auch dem Entlassungsbericht kein, die Diagnose einer PTBS stützender psychopathologischer Befund ergibt und auch letztlich nur die Diagnose einer Depression nach ICD-10 F32.9 (depressive Episode, nicht näher bezeichnet) und gerade nicht einer PTBS verschlüsselt worden ist.

Infolge des Überfalls vom 14. Oktober 2013 leidet die Klägerin zur Überzeugung des Senats auch nicht an einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung oder einer rezidivierenden depressiven Störung.

A hat in dem von ihr erstellen Sachverständigengutachten für den Senat überzeugend herausgearbeitet, dass die Diagnosekriterien einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10 F22.0) dann nicht erfüllt sind, wenn eine – wie bei der Klägerin – nur kurzzeitige Lebensbedrohung vorgelegen hat. Denn nach neuen Forschungsergebnissen war dann eine psychische Vulnerabilität vorbestehend, die Belastung muss demnach nicht nur extrem gewesen sein, sondern über einen längeren Zeitraum angedauert haben. Darüber hinaus hat A ein entsprechendes Störungsbild – Feindseligkeit, sozialer Rückzug, Hoffnungslosigkeit, überdauernde Anspannung und Entfremdungsgefühle – bei der Klägerin nicht sichern können. Dass die Klägerin insofern eine andere Ansicht vertritt, ist nicht entscheidungserheblich, da sie ihre Ansicht nicht auf entsprechendes medizinisches Fachwissen oder medizinischen Unterlagen stützen kann.

Zuletzt ist auch die bei der Klägerin bestehende depressive Episode, die zuletzt, wie der Senat den gutachterlichen Ausführungen der A entnimmt, in einen mittleren Schweregrad vorgelegen hat, nicht wesentlich ursächlich durch den Überfall am 14. Oktober 2013, sondern zunächst durch den Konflikt am Arbeitsplatz (vgl. oben) verursacht worden. Der Senat stützt sich insofern auf die – jeweils urkundsbeweislich verwerteten – Ausführungen der E, die gegenüber der BGN mit Bericht vom 5. Juni 2014 diesen Arbeitsplatzkonflikt als wesentlich beschrieben hat, auf den Verlaufsbericht des O1-Klinikum vom 27. Februar 2014, der nach guter Stabilisierung einer Verschlechterung des Befundes aufgrund des Arbeitsplatzkonfliktes beschreibt, und auf den Verlaufsbericht vom 5. Juni 2014, wonach es der Klägerin nach dem Konflikt mit ihrer Chefin schlechter als jemals zuvor gegangen ist. Die Ursächlichkeit des Arbeitsplatzkonflikts für die depressive Episode wird darüber hinaus durch die, ebenso im Wege des Urkundsbeweises verwerteten, Ausführungen der B, die infolge dieses Konflikts sogar eine akute Belastungsreaktion diagnostiziert hat, wie auch dem Befundbericht des H1, der über die von der Klägerin beklagte mangelnde soziale Unterstützung am Arbeitsplatz nach dem Überfall bis hin zu Mobbingerfahrungen berichtet hat, bestätigt.

In der Folgezeit sind bei der Klägerin weitere, die rezidivierende depressive Störung begründende und aufrechterhaltende lebensgeschichtliche Umstände hinzugetreten, wie ihre lebensbedrohliche Krebserkrankung, wegen der eine stationäre und eine rehabilitative Behandlung erforderlich war, und der unmittelbar daran zeitlich anschließende Tod ihres Vaters, wie der Senat den auch insofern schlüssigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Ausführungen der A entnimmt.

Die
vorliegenden medizinischen Unterlagen, ärztlichen Meinungsäußerungen, sachverständigen Zeugenaussagen und erhobenen Sachverständigengutachten haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Grundlagen vermittelt. Weitere Ermittlungen waren deshalb nicht vorzunehmen. Es würde sich hierbei um Ermittlungen ins Blaue hinein handeln, mithin um eine Ausforschung des Sachverhaltes, zu der der Senat nicht verpflichtet ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – B 9 V 20/18 B –, juris, Rz. 19).

Nach alledem ist der Bescheid vom 6. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2018 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Recht auf den Antrag der Klägerin vom 21. November 2013 die Gewährung von Beschädigtenversorgung und damit auch einer Beschädigtengrundrente abgelehnt. Das SG hat die Klage demnach zu Recht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 19. Juli 2021 war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
Saved