L 6 SB 3030/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 4218/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3030/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juli 2020 abgeändert.

Der Bescheid vom 8. Januar 2018 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 31. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2018 wird aufgehoben, soweit die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „aG“ aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Beklagte in beiden Instanzen 4/5 zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 100 auf 80 und die Entziehung der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) umstritten.

Der Kläger wurde 2010 bereits in der 25. Schwangerschaftswoche geboren. Er hat im Rahmen dieser Frühgeburtlichkeit eine beidseitige Hirnblutung in das unreife Gehirn erlitten. Durch die lange Beatmungszeit ist es weiter zu einer Gewebeschädigung der Lunge gekommen.

Am 23. Juli beantragte er – vertreten durch seine Mutter – bei dem Landratsamt B(LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Bericht des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin des S Krankenhauses L über die ambulante Untersuchung vom 9. Dezember 2011. Es bestehe eine cerebrale Bewegungsstörung, der Kläger hantiere rechtshändig und könne beim intendierten Fädeln das Loch der Kugel treffen. Er bewege sich selbständig durch Robben mit guter Aktivität der Beine fort, aktiv werde der Knie-Hand-Stand erreicht.

Das LRA holte den Befundschein der K ein. Diese beschrieb Zustände nach Pneumothorax, Stimmbandparese, Verschluss des Ductus arteriosus, Hirnblutung ersten Grades, Operation eines Volvulus und Hermiotomie beidseits. Aktuell bestehe eine spastische Hemiparese der unteren Extremitäten und eine extreme muskuläre Hypotomie des Stammes. Die Sprache sei altersgemäß, motorisch bestehe eine Entwicklungsstörung, sodass bisher keine selbstständige Fortbewegung möglich sei.

In dem für die H Krankenversicherung erstellten Pflegegutachten (Begutachtung vom 1. Oktober 2012) wurde ein Gesamtmehraufwand von 193 Minuten, entsprechend der Pflegestufe 2, angenommen. Es bestehe eine spastische Parese der Beine linksbetont bei Spitzfußneigung. Seit einem Jahr könne der Kläger krabbeln, wobei die Unterschenkelorthesen dafür wiederholt an- und ausgezogen werden müssten. Mit Orthesen könne er durch Führen an beiden Händen durch die Mutter ein paar Schritte gehen. Es bestehe eine Neigung zu übermäßigem Anheben des linken Beines. Zu pflegerelevanten Verrichtungen werde der Kläger getragen, er könne sich vom Kniestand mühsam in den Stand hochziehen, stehe ohne Orthesen sei sehr unsicher. Das Treppensteigen werde in Begleitung geübt, wobei der Kläger versuche, sich dabei hochzuziehen und mit den Zehen abzustoßen.

Die D sah einen Teil-GdB von 90 für Hirnblutungsfolgen, die Cerebralparese linksbetont, die Rumpfschwäche und die motorische Entwicklungsstörung sowie einen Teil-GdB von 30 für die obstruktive Bronchitis, sodass sich ein Gesamt-GdB von 100 ergebe.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 2012 stellte das LRA einen GdB von 100 seit dem 23. Juli 2012 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), „B“ (ständige Begleitung), „H“ (Hilflos) und „aG“ fest.

Am 1. Dezember 2014 leitete das LRA von Amts wegen eine Nachprüfung ein. Der Kläger ließ verschiedene Unterlagen vorlegen, darunter den physiotherapeutischen Jahresbericht 2013/2014 der D1. Danach könne sich dieser selbstständig in niedrigen Positionen frei bewegen. Seine Fortbewegungsart sei das Krabbeln, er komme von Rückenlage in den Sitz. Seine Haltung im Sitz zeige meistens einen Rundrücken. Er sitze am liebsten im Zwischenfersensitz. Aus dieser Position spiele/hantiere er sicher. Bei Aufforderung, in den Stand zu kommen, schaffe er dies mit Festhalten beider Hände am Tisch oder an einem Stuhl. Dann stehe er mit beidseitiger Spitzfußstellung und mit dem Oberkörper nach vorne geneigt. Das Stehen sei noch anstrengend, mit Festhalten beider Hände könne er mit Pausen circa 30 Meter gehen. Er könne mit dem Posterior-Walker selbstständig lenken und gehen. Das einhändige Gehen gelinge je nach Tagesform. Der Wortschatz und das Satzverständnis seien altersentsprechend entwickelt.

Im Bericht des Uklinikums F über die ambulante Untersuchung vom 30. Juli 2014 wurde beschrieben, dass der Kläger im Kindergarten neuerdings mit Stöcken laufe, zu Hause benutze er zum Laufen vermehrt den HABA-Spielwagen. Insgesamt sei er aber noch sehr viel am Boden unterwegs. Nach der letzten Injektionsbehandlung mit Botulinum Toxin habe sich ein guter Therapieeffekt ohne Nebenwirkungen gezeigt. Mit dem Therapieziel eines verbesserten Ferse-Boden-Kontaktes und der Verbesserung des Gangbildes sei erneut in Analogdosierung eine Reinjektion erfolgt, im aktuellen Röntgenbild zeige sich keine Verschlechterung.

Das Pflegegutachten (Begutachtung vom 6. Februar 2014) sah ein Gesamtmehraufwand von 183 Minuten. Es bestehe eine linksbetonte spastische Parese der Beine, eine Spitzfußneigung und eine Hypotonie der Rumpfmuskulatur, daneben die Neigung zu übermäßiger Aktivität mit rezidivierenden Stürzen, bisher ohne schwere Verletzungen bei häufiger Selbstüberschätzung. Der Kläger bewege sich innerhalb der Wohnung durch Krabbeln oder auf den Knien rutschend fort. Mit Orthesen und Festhalten an beiden Händen oder mit dem Lauflernwagen sei das Gehen einiger Schritte möglich. Ohne Orthesen und viel Hilfe werde das Gehen ebenfalls geübt, wobei der Kläger deutlich auf den Zehenspitzen gehe. Mit Lauflernwagen und auf dem Therapierad sei kein eigenständiges Bremsen möglich, Treppensteigen erfolge durch Krabbeln in Begleitung oder sehr langsam mit Festhalten am Handlauf und an der Hand der Mutter. Freies Stehen sei nicht möglich.

K beschrieb in ihrem weiteren Befundschein, dass kein freies Gehen möglich sei. Hilfsmittel wie Rollstuhl und Therapierad seien vorhanden, im Kindergarten laufe der Kläger mit dem Walker. Unter Behandlung mit Botulinum Toxin sei das Gehen mit Festhalten für kurze Strecken möglich.

Der B1 sah keine wesentliche Befundänderung und hielt eine Nachprüfung mit Erreichen des Schulalters für notwendig. Es bestehe eine bronchopulmonale Dysplasie, die mit 20 zu bewerten sei. Gehäufte Infekte seien nicht dokumentiert, sodass kein Teil-GdB von 30 mehr vorliege. Die geistige Entwicklung sei altersgerecht, die körperliche/motorische Entwicklung mit Spastiken und nicht selbstständiger Gehfähigkeit nicht.

Im Folgenden, am 18. August 2017 eingeleiteten, Nachprüfungsverfahren gelangte der Untersuchungsbericht des B2 vom 29. September 2016 zur Akte. Danach sei im November 2015 eine Mehretagen-Tenotomie im Bereich der Hüftbeuger, der Hüftadduktoren, der Kniebeuger sowie im Bereich der Wade erfolgt. Der Bewegungsradius des Klägers sei seitdem deutlich größer geworden, der Aktivrollstuhl werde nur noch bei längeren Gehstrecken oder besonderen Aktivitäten verwendet. Ansonsten laufe er selbstständig. Nach Angaben der Mutter habe sich das Gangbild jedoch verschlechtert und die Spitzfußstellung wieder zugenommen. Es habe sich ein biparetisches Gangbild gezeigt, wobei der Kläger frei laufe. Es zeige sich eine mäßige Innenrotationsstellung beider Hüftgelenke, der Rückfuß werde intermittierend nicht vollständig aufgesetzt. Bei der Gangprüfung sei die Hüft- und Kniegelenksstreckung nahezu vollständig erfolgt. Besonderes Augenmerk gelte dem linken Hüftgelenk sowie der verkürzten Wadenmuskulatur beidseits. Es sei auf eine ausreichende Außenrotations- sowie Abduktionsbewegung des linken Hüftgelenkes zu achten. Der vorhandene Aktivrollstuhl müsse entwicklungsbedingt überarbeitet werden.

Das Pflegegutachten nach ambulanter Untersuchung vom 20. März 2016 sah einen Gesamtmehraufwand von 225 Minuten. Beschrieben wurde eine spastische Parese der Beine links stärker als rechts. Innerhalb der Wohnung bewege sich der Kläger meist auf den Knien, freies Stehen sei nicht möglich. Die Koordination und Feinmotorik des Bewegungsapparates seien eingeschränkt, feinmotorische Verrichtungen mit den Händen seien schlecht möglich.

Im Entlassungsbericht der S1-Klinik über die stationäre Behandlung vom 5. bis 9. Juni 2017 wurde dargelegt, dass sich die Selbstständigkeit und Mobilität in den letzten Monaten verbessert hätten. Eingeschränkt sei der Kläger weiterhin durch die schwache Fußhebung, insbesondere beim Rennen bleibe er noch häufiger mit den Zehen hängen, wodurch eine gewisse Stolpertendenz bestehe. Beim Rennen gehe er weiterhin in einen Spitzfuß über. Er sei in Begleitung seines Vaters frei ins Untersuchungszimmer gelaufen, das Gangbild habe sich zügig und sicher präsentiert, auffällig sei noch ein ausgeprägtes Trendelenburghinken als Zeichen glutealer Insuffizienz. Der linke Fuß werde gerade aufgesetzt, der rechte drehe in Innenrotation. Bei raschem Gehen komme es zu einem zunehmenden Spitzfuß ohne abschließenden Fersenbodenkontakt.

F1 bewerte den Teil-GdB für die Hirnblutungsfolgen, die linksbetonte Cerebralparese, die motorische Entwicklungsstörung und die Störungen der Koordination mit einem Teil-GdB von 50 und die obstruktive Bronchitis mit einem Teil-GdB von 20, sodass sich ein Gesamt-GdB von 60 ergäbe. Es liege ein sehr erfreulicher Verlauf mit wesentlicher Besserung der eigenständigen Gehfähigkeit und Schwierigkeiten beim Rennen vor. Anhaltspunkte für die Merkzeichen „B“, „aG“ und „H“ bestünden nicht.

Auf die Anhörung (§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) zur Neufeststellung wurde der Zwischenbericht zur Frühförderung der E-Schule vom 24. Februar 2017 vorgelegt. Danach liege eine deutliche Einschränkung der neuromuskuloskeletalen und bewegungsbezogenen Funktionen vor. Durch eine Operation im November 2015 könne der Kläger deutlich sicherer stehen, auf ebenem Untergrund gehen und anhalten. Für den Kindergartenbesuch werde eine Betreuungskraft als Eingliederungshilfe gestellt, die den Kläger bei der Bewegung vor allem im Außenbereich und bei Ausflügen sowie bei Alltagsverrichtungen unterstütze. Der vorhandene Rollstuhl werde nur noch für weite Strecken genutzt, daneben ein Therapiefahrrad mit Stützrädern.
Nachdem F1 an der Einschätzung festhielt, hob das LRA mit Bescheid vom 8. Januar 2018 den Bescheid vom 10. Dezember 2012 auf, stellte den GdB mit 60 seit dem 12. Januar 2018 fest und verneinte die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen „B“, „H“ und „aG“. Das Merkzeichen „G“ bleibe festgestellt.

Gegen den Bescheid ließ der Kläger Widerspruch erheben und geltend machen, dass die ärztlichen Berichte so verstanden werden müssten, dass er vor der Operation im November 2015 überhaupt nicht habe laufen können und seitdem tatsächlich eine kurze Distanz gelinge.

K1 führte versorgungsärztlich aus, dass der Kläger zunächst nicht selbstständig gehfähig gewesen sei, nach Tenotomie auf mehreren Etagen sei selbstständiges Gehen erreicht worden, sodass der Aktivrollstuhl nur noch auf längeren Strecken Verwendung finde. Das letzte Pflegegutachten sei kurz nach der Operation erstellt und die damaligen Angaben zur Gehfähigkeit nicht heranzuziehen. Die beschriebene Gehfähigkeit mit Stolperneigung im Verlauf unterstreiche die Besserung der Gehfähigkeit. Der Bericht der Frühförderung beschreibe ein deutlich sichereres Stehen und Gehen auf ebenem Untergrund, der Rollstuhl werde nur noch für weite Strecken genutzt. Ein Bericht der aktuellen Integrationskraft und ein Bericht des Kinderarztes sollten beigezogen werden.

Die B3 beschrieb in ihrem Befundschein, dass der Kläger im Außenbereich auf den Rollstuhl angewiesen sei. Freies Laufen sei zielorientiert mit Festhalten maximal 20 Meter möglich. Das Gehen sei unsicher, Bordsteine oder Treppen nicht möglich, Bodenschwellen seien schwierig.

Im physiotherapeutischen Bericht der Fachlehrerin für Körperbehinderte F wurde ein selbstständiges, freies Gehvermögen von 20 Metern beschrieben. Danach werde er unsicher und lasse sich schnell auf die Knie fallen oder brauche einen Gegenstand, um sich festzuhalten. Er renne gerne, um die Instabilitäten im freien Gehen zu vermindern. Er bestehe eine Fußheberschwäche beidseits, beim Rennen bleibe er häufig mit den Fußspitzen am Boden hängen, was zu unkontrolliertem Fallen führe. An der Hand eines Erwachsenen könne er sicher gehen, bei Gehstrecken ab fünf Minuten brauche er wegen der Ermüdung der Muskulatur seinen Rollstuhl. Auf ebenem Grund könne er den Rollstuhl selbstständig fortbewegen. Bei schiefen Ebenen, dem Bremsen beim Bergabfahren oder unebenen Gründe brauche er die Hilfe eines Erwachsenen. Mit großer Mühe könne er selbstständig vom Boden in den Stand kommen. Oft bewege er sich krabbelnd am Boden fort, da er sich dort sicher fühle. Treppen sollten nur unter Aufsicht begangen werden.

K2 verneinte versorgungsärztlich einen Intelligenzmangel und Verhaltensauffälligkeiten. Zusätzlich zu der Gehstörung bestehe eine ausgeprägte Dystrophie (Gewicht und Größe unterhalb des Altersschnitts). Der Bericht der Physiotherapeutin beschreibe eine freie Gehfähigkeit von circa 20 Metern, danach brauche der Kläger etwas zum Festhalten oder lasse sich aufgrund der Unsicherheit auf die Knie fallen. Er renne gerne, um Instabilitäten im freien Gehen zu vermindern, dabei bleibe er häufig mit den Fußspitzen am Boden hängen und falle unkontrolliert. Gehfähigkeit habe somit erfreulicherweise erreicht werden können, dabei sei der Kläger nicht nur mit fremder Hilfe gehfähig. Die dauerhafte Verwendung eines Rollstuhls sei nicht mehr erforderlich, sodass die Voraussetzungen für das Merkzeichen „aG“ nicht mehr gegeben seien, die für das Merkzeichen „B“ lägen weiterhin vor. Zudem bestehe sicherlich ein erhöhter Unterstützungsbedarf, der zum Teil noch altersbedingt sei. Es könne aber nicht mehr festgestellt werden, dass der Kläger im Ablauf eines Tages dauernd fremder Hilfe bedürfe, die Voraussetzungen für Merkzeichen „H“ lägen nicht mehr vor. Die Hirnblutungsfolgen könnten mit einem Teil-GdB von 70 und die obstruktive Bronchitis mit einem Teil-GdB von 20 bewertet werden, sodass sich ein Gesamt-GdB von 80 ergebe.

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 31. Juli 2018 stellte das LRA einen GdB von 80 seit dem 12. Januar 2018 und die Merkzeichen „G“ und „B“ fest.

Den Widerspruch im Übrigen wies das Regierungspräsidium S2 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2018 zurück. Die Hirnblutungsfolgen, die Cerebralparese, die Rumpfschwäche, die motorische Entwicklungsstörung, die Störungen der Koordination und die Dystrophie hätten sich gebessert. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „H“ seien nicht mehr erfüllt, da der Umfang und das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit fremde Hilfe nur bei einzelnen Verrichtungen notwendig mache. Dauernde fremde Hilfe für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages sei nicht mehr erforderlich. Die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung sei nicht mehr erheblich im Sinne des Gesetzes. Die vorliegenden Gesundheitsstörungen beeinträchtigten zwar die Gehfähigkeit erheblich, seien aber nicht mehr als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, da deren Auswirkungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit nicht dazu führen, dass sich der Kläger dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeuges bewegen könne. Das Merkzeichen „aG“ könne daher nicht mehr festgestellt werden.

Am 20. September 2018 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, dass die Besserung aus dem Bericht vom 4. Oktober 2016 folge, wonach der vorhandene Aktivrollstuhl nur noch bei längeren Gehstrecken sowie bei besonderen Aktivitäten verwendet werde. Im Zwischenbericht vom 24. Februar 2017 werde beschrieben, dass der Kläger deutlich sicherer Stehen, auf ebenem Untergrund Gehen und Anhalten könne. Nach den Ausführungen des betreuenden Kinderarztes benötige der Kläger in allen Verrichtungen des täglichen Lebens Hilfen. Im Außenbereich sei er auf den Rollstuhl angewiesen, freies Laufen nur mit Festhalten zielorientiert für maximal 20 Meter möglich, bei unsicherem Gehen. Bordstein oder Treppen würden nicht bewältigt, Bodenschwellen seien schwierig. Ein aktuelles Pflegegutachten liege nicht vor, da keine Schweigepflichtentbindungserklärung erteilt worden sei, habe von der Schule kein Bericht beigezogen werden können. Die Integrationskraft habe keine Auskünfte erteilen können, da diese nach Auskunft der Mutter selbst erst 17 Jahre alt sei. In der Vergleichsbewertung sei aufgrund der geschilderten objektiven Befundlage gegenüber der Feststellung vom 10. Dezember 2012 vom Eintritt einer wesentlichen Besserung, auch unter dem Gesichtspunkt, dass die therapeutische Behandlung nur noch eingeschränkt möglich sei, auszugehen.

Zur Akte gelangt ist das Pflegegutachten aufgrund ambulanter Untersuchung vom 20. März 2018. Danach sei der Kläger zu Beginn der Begutachtung gerade mit dem Bus von der Schule nach Hause gebracht worden. Er sei relativ beschwerlich mit sich Festhalten am Handlauf, zunächst mit dem rechten Bein führend, die Treppe nach oben gestiegen. Es bestehe eine beinbetonte Cerebralparese sowie eine Gang- und Standunsicherheit. Der Einbeinstand sei sehr unsicher bis kaum möglich. Das Gehen innerhalb der Wohnung erfolge unter Beaufsichtigung ohne Hilfsmittel, teilweise mit sich Abstützen bei Fallneigung. Das Gangbild sei mit Neigung im Kniebereich nach innen einzuknicken, teilweise laufe der Kläger etwas auf Zehenspitzen. Es bestehe eine leichtes Streckdefizit im Knie- und Hüftbereich linksbetont. In der Schule und im Außenbereich werde der Rollstuhl benutzt, teilweise sei eine selbstständige Fortbewegung damit möglich. Treppensteigen gelinge nur Stufe für Stufe unter Beaufsichtigung aus Sicherheitsgründen, teilweise (außerhalb der gewohnten Umgebung) mit Festhalten an der Hand, teilweise auf allen Vieren. Das Verlassen der Wohnung sei überwiegend/völlig unselbstständig, die Hilfe durch eine Person reiche jedoch aus. Das Fortbewegen außerhalb der Wohnung sei nur mit personeller Hilfe möglich, ebenso die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Bei der Mitfahrt in einem Kraftfahrzeug werde auch während der Fahrt Hilfe benötigt. Eine Verbesserung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten sei nicht zu erwarten, der Pflegegrad mit 3 zu bemessen. Im Gutachtachten zur Hilfsmittelversorgung vom 16. März 2017 ist beschrieben, dass der Kläger sehr unsicher stehe und gehe. Das Treppensteigen erfordere meist personelle Hilfe, da eine spastische Parese der Beine links stärker als rechts bestehe, dabei eine erhebliche Stand- und Gangunsicherheit.

B4 hat versorgungsärztlich ausgeführt, dass im kinderärztlichen Befundbericht vermerkt sei, dass der Kläger im Außenbereich auf den Rollstuhl angewiesen sei. Freies Laufen sei – zielorientiert – nur mit Festhalten für maximal für 20 Meter und Treppensteigen nicht möglich. Im Befundbericht vom 28. März 2018 werde vermerkt, dass selbstständiges freies Gehen nur für eine Strecke von circa 20 Meter möglich sei. Der Kläger bleibe häufig mit den Fußspitzen am Boden hängen. An der Hand eines Erwachsenen könne er sicher gehen. Allerdings brauche er für längere Gehstrecken ab circa 5 Minuten einen Rollstuhl aufgrund der Ermüdung der Muskulatur. Im Pflegegutachten vom 20. März 2018 werde als Hilfsmittel ein Rollstuhl genannt. Im gutachterlichen Befund sei die stabile Sitzposition im Stuhl für kurze Zeit möglich. Das Gehen sei innerhalb der Wohnung ohne Hilfsmittel und ohne Beaufsichtigung möglich, in der Schule bzw. draußen werde der Rollstuhl gebraucht. Nach Durchsicht der genannten/zitierten Befunde sei eine sichere sozialmedizinische Aussage zu den Merkzeichen „aG“ und „H“ nicht möglich. Es werde daher eine kinderärztliche (oder internistische/allgemeinmedizinische) Begutachtung vorgeschlagen.

Daraufhin hat das SG von Amts wegen das Sachverständigengutachten der S3, Uklinikum H1, vom 15. Oktober 2019 erhoben. Danach sei es bei dem Kläger im Rahmen der Frühgeburtlichkeit zu einer beidseitigen Hirnblutung in das unreife Gehirn gekommen. Dadurch habe er eine zentral bedingte Tonusregulations- und Koordinationsstörung entwickelt. Diese äußere sich in einer linksseitigen spastischen Tetraparese mit nur geringer Symptomatik im Bereich der rechten oberen Extremität. Aufgrund der Tetraspastik sei die Ansteuerung der Muskulatur gestört, woraus eine Schwäche, belastungsabhängige Muskelschmerzen und eine Umformung des Skelettsystems mit beginnender Spitzfußbildung und Kontrakturen im Hüftgelenk beidseits resultierten, welche zu dem typischen Gangbild des Recurvationsganges links mehr als rechts führten. Dies sei ein Gangbild, welches vor allen eine Fußaußen- und Vorfußbelastung bei durchgestrecktem Knie bedinge. Der Kläger könne mit einem Geländer die Treppe hinaufgehen, das Treppabgehen werde häufig von einer zusätzlichen Person unterstützt, für längere Distanzen oder unebenes Terrain werde die Unterstützung durch eine weitere Person oder den Rollstuhl benötigt. Neben der Tetraspastik bestehe außerdem eine muskuläre Hyptonie des Rumpfes. Der Kläger könne nur kurz und mit erhöhter Anstrengung gerade sitzen. Im Bereich der Bewegungskoordination habe er Defizite bei raschen Folgebewegungen und gegensinnigen Bewegungen. Dies äußere sich im Sinne einer Dysdiadochokinese sowie einer Bradykinese der Hände. Das Schreiben bereite deshalb große Probleme, da die Kraftdosierung auf das Schreibgerät nicht gelinge. Es zeigten sich deutliche Defizite im Bereich des Gleichgewichtsorgans. Der Kläger könne nicht auf einem Bein stehen, nicht auf einer Linie laufen und sich auch nicht wenden. Es bestehe eine globale Dystrophie, welche sich sowohl auf das Längenwachstum, das Gewicht und das Kopfwachstum auswirke. Er wachse in allen Dimensionen unterhalb der dritten Perzentile. Aufgrund der langen Beatmungszeit und der Gewebeschädigung der Lunge in der Frühgeborenzeit neige er zu wiederkehrenden Lungeninfektionen und müsse deshalb häufig, teilweise auch durchgehend, inhalieren. Die infantile spastische Tetraparese sei mit Teil-GdB von 80, die Koordinations- und Gleichgewichtsstörung die Fein- und Grobmotorik betreffend mit deutlicher Störung der Bewegungsabläufe und Unsicherheiten beim Umdrehen mit einem GdB von 70 bis 80 und der Gesamt-GdB mit 80 zu bewerten.

Das Gehvermögen werde beeinflusst durch die infantile Tetraparese und die ausgeprägte Koordinations- und Gleichgewichtsstörung aufgrund der perinatalen Hirnschädigung in der Frühgeborenenzeit. Unter Laborbedingungen, d. h. auf einem glatten Untergrund sei der Kläger in der Lage, durchschnittlich 200 Meter zurückzulegen. Allerdings sei die Gehstrecke stark tagesformabhängig und abhängig von vorangehenden Belastungen. Aufgrund der Koordinations- und der Gleichgewichtsprobleme sei die Qualität des Gangs im Straßenverkehr und in der Natur allerdings beeinträchtigt. Ausfallschritte bei Unebenheiten ebenso wie das Drehen auf der Stelle oder das Manövrieren bei Hindernissen seien ihm nicht möglich. Es bestehe deshalb nicht nur die Notwendigkeit, bei geplanten Ausflügen den Rollstuhl mitzuführen, sondern eine Aufsichtsperson müsse Hilfestellung leisten. Weiterhin träten bei längerer Belastung Muskelschmerzen auf, sodass teilweise Ruhephasen über ein bis zwei Tage eingelegt werden müssten, während derer der Kläger vollständig auf den Rollstuhl angewiesen sei. Er bedürfe mindestens 90 Minuten täglich fremde Hilfe. Die Ernährung bereite Probleme, Einschenken von Getränken und das Zerteilen zäher Nahrung müsse von einer Betreuungsperson durchgeführt werden. Das Ankleiden gelinge nur, indem der Kläger flach auf dem Boden liege. Knöpfe und Reißverschlüsse beherrsche er nicht. Mit einem Geländer könne er sicher treppauf gehen, das Treppabgehen bereite trotz Geländer häufig noch Probleme, sodass immer wieder eine Betreuungsperson helfen müsse.
Der Beklagte hat ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „H“ über den 11. Januar 2018 hinaus erfüllt sind. R hat versorgungsärztlich dargelegt, dass bei guten Bedingungen die Gehleistung 200 Meter betrage, wobei je nach zurückzulegenden Gehwegen und wechselnder täglicher Verfassung bei längeren geplanten Ausflügen ein Rollstuhl mitgeführt und eine Hilfsperson immer vorhanden sein müsse Unter Berücksichtigung dieses Befundes seien die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilausgleich „aG“ nicht gegeben. Hinsichtlich des Nachteilsausgleichs „H“ müssten die Besonderheiten im Kindesalter berücksichtigt werden, sodass die notwendige Überwachung und regelmäßige Durchführung von Therapiemaßnahmen von Relevanz seien. Die Voraussetzungen des Merkzeichens „H“ seien daher weiterhin erfüllt, eine Nachuntersuchung im Alter von 18 Jahren erforderlich.

Nachdem der Kläger das Vergleichsangebot hat ablehnen lassen, hat das SG mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Juli 2020 die Bescheide des Beklagten vom 8. Januar 2018 und 31. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2019 insoweit aufgehoben, als das Merkzeichen „H“ entzogen wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der GdB sei zu Recht herabgesetzt worden, da die infantile spastische Tetraparese mit Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen mit einem GdB von 80 zu bewerten sei. Die Voraussetzungen des Merkzeichens „aG“ lägen nicht mehr vor, sodass dieses zu Recht aufgehoben worden sei. Die Sachverständige habe festgestellt, dass es dem Kläger unter günstigen Bedingungen auf einem glatten Untergrund möglich sei eine durchschnittliche Wegstrecke von 200 Metern zurückzulegen. Die Gehfähigkeit sei allerdings stark von der Tagesform und vorausgegangenen Belastungen abhängig. Die Qualität des Ganges sei aufgrund der Koordinationsprobleme und der Gleichgewichtsprobleme beeinträchtigt. Ausfallschritte bei Unebenheiten seien ebenso wie das Drehen auf der Stelle oder das Manövrieren bei Hindernissen nicht möglich. Bei geplanten Ausflügen müsse ein Rollstuhl mitgeführt werden. Außerdem müsse eine Aufsichtsperson Hilfestellungen leisten. Bei längerer Gehbelastung träten Muskelschmerzen auf, die Ruhepausen von ein bis zwei Tagen erforderlich machten. Während dieser Zeit sei der Kläger vollständig auf den Gebrauch eines Rollstuhls angewiesen. Danach stehe nicht fest, dass der Kläger nach wie vor aufgrund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sei. Die Voraussetzungen des Merkzeichens „H“ seien weiterhin gegeben, da der Kläger in dem für die Feststellung erforderlichen Umfang der Hilfestellung bedürfe.

Am 25. September 2020 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei weder hinsichtlich der Höhe des GdB noch hinsichtlich des Merkzeichens eingetreten. Die Sachverständige begründe den von ihr angenommenen Gesamt-GdB nicht und gebe keine Auskunft dazu, wie sich die von ihr angenommenen Einzel-GdB’s zueinander verhielten. Das Sachverständigengutachten genüge den Anforderungen, die an ein ordnungsgemäßes Sachverständigengutachten zu stellen seien, nicht. Dass Gericht lasse nicht erkennen, auf welcher Grundlage die gutachterlichen Feststellungen getroffen worden seien. Es werde keine Anamnese-Erhebung wiedergegeben, die Grundlage für die Beurteilung gewesen sei, weswegen nicht ersichtlich sei, welche Befunde die Sachverständige bei der persönlichen Untersuchung erhoben habe. Auch scheine die Sachverständige das System der Versorgungsmedizin-Verordnung nicht durchdrungen zu haben. So würden die Einzel-GdB stets in Prozenten angegeben, eine solche Beurteilung sei nicht vorgesehen, sodass erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens bestünden. Durch das Körperwachstum verwüchsen die operativ getrennten Muskelfasern wieder und die Bewegungsfähigkeit verschlechtere sich. Zudem bilde sich wieder ein Rezidivspreizfuß beidseits, rechts mehr als links. Die Sachverständige bejahe eine Einschränkung der Gehfähigkeit, die Notwendigkeit eines Rollstuhls in bestimmten Situationen, lege aber nicht dar, wie sie die Wegstrecke unter Idealbedingungen ermittelt habe. Sie verkenne, dass er dauerhaft für tägliche Wege auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sei. Da es gerade jetzt durch die weitere Ausbildung eines beidseitigen Spreizfußes zu häufigeren Stürzen komme, sei eine Fortbewegung gefahrlos nur im Rollstuhl möglich, mittlerweile müsse er auch wieder Orthesen tragen. Das SG verkenne den Begriff der mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, wenn es auf die Notwendigkeit zur dauerhaften Nutzung eines Rollstuhls abstelle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juli 2020 abzuändern und den Bescheid vom 8. Januar 2018 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 31. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2018 vollständig aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Nach gerichtlichem Hinweis auf die Ausführungen der Sachverständigen im Hinblick auf das Merkzeichen „aG“ hat der Beklagte ausgeführt, dass der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folgend nicht davon ausgegangen werden könne, dass der unausweichliche Fußweg zwischen einem ordnungsgemäß haltenden oder parkenden Fahrzeug und dem angestrebten Ziel außerordentlich schwer zu bewältigen sei. Ergänzend hat er die versorgungsärztliche Stellungnahme des W vorlegt. Danach sei Vergleichsmaßstab das Pflegegutachten vom 1. Oktober 2012, wonach der Kläger mit Orthesen an den Händen der Mutter nur ein paar Schritte habe gehen können. Eine derart ausgeprägte Einschränkung der Gehfähigkeit liege jetzt bei weitem nicht mehr vor. Die Gehfähigkeit müsse von den ersten Schritten an auf das Schwerste eingeschränkt sein. Unter günstigen Bedingungen, also glattem Untergrund und keinen Hindernissen, sei die Gehfähigkeit des Klägers keinesfalls von den ersten Schritten an auf das Schwerste eingeschränkt. Hiervon könne man medizinisch allenfalls dann ausgehen, wenn der Kläger einen Weg beschreiten würde, der voller Unebenheiten und voller Hindernisse wäre, was im Prinzip nicht dem Alltag entspräche. Im Alltag seien durchaus Wege von mehreren 100 Metern, teils sogar mehr, anzutreffen, die keinerlei Hindernisse oder Unebenheiten aufwiesen. Es sei insofern eine juristische Frage, inwiefern bestehende Hindernisse das Merkzeichen „aG“ rechtfertigten.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das Sachverständigengutachten des Kinderorthopäden Prof. Dr. Wirth aufgrund ambulanter Untersuchung vom 7. Juli 2021 erhoben. Dieser hat ausgeführt, dass der Kläger im Rollstuhl in das Untersuchungszimmer gekommen und von seinem Vater auf die Liege gebracht worden sei. Während der Anamnese sei er ständig müde gewesen, habe sich mit dem Rücken gegen die Liege stützen müssen, weil er nicht mit dem Oberkörper im Sitzen mehr als ein paar Minuten verharren könne. Deutliche Kniekontrakturen hätten nicht bestanden, rechts zeige sich ein deutlicher Spitzfuß, der auch im Stehen und Laufen imponiere. Stehen könne der Kläger circa eine Minute, dann müsse er laufen oder sich hinsetzen, er müsse sich immer bewegen, da er aufgrund seiner Gleichgewichtsstörung nicht lange stehen bleiben könne. Beim Gehen zeige sich ein ataktisches Laufen, er suche sich immer seiner Mitte, verliere den Fokus und hänge dann auf einer Seite, bis er sich redressieren könne. Daher sei das Laufen nicht balanciert, er suche sich immer mit den Augen ein Ziel oder einen Gegenstand um sich zu stützen. Laut den Eltern laufe er nicht mehr als 500 Meter und brauche immer seinen Rollstuhl in der Nähe. Er könne nicht bis zum Bus laufen. Im Untersuchungszimmer sei er mehrmals hin und her gelaufen, auf dem Flur habe sich eine sichere Gehstrecke von 50 Metern gezeigt, danach eine zunehmende Schwäche. Ein deutliches Sturzrisiko sei zu vermuten, sodass eine sichere selbstständige Gehstrecke von maximal 100 Metern bestehe, danach Sturzgefahr und Hilfsmittelbedarf. Beim Laufen falle noch auf, dass er mit dem linken Fuß stark nach innen rotiert laufe, am ehesten handele es sich um eine Psoaskontraktur. Der linke Fuß komme plantigrad auf den Boden, der rechte aber nicht, es zeige sich ein Spitzfuß. Die aktuelle Untersuchung habe ein ataktisches Gangbild ohne Fokus mit Gleichgewichtsstörungen und unsicher betreffend des Sturzrisikos gezeigt. Der linke Fuß in Streckung sowie in Knieflexion zeige eine Dorsalextension bis 10° passiv möglich, rechts aber nicht bis 0° zu mobilisieren. Daher zeige sich rechts ein deutlicher Spreizfuß, der auch im Stehen und Laufen imponiere. Links werde eine Unterschenkelorthese getragen, rechts passe diese nicht mehr. Seit Dezember 2012 sei eine Verbesserung des Gangbildes aufgetreten, aber keine Besserung der gesamten Gehleistung. Der Kläger laufe schön, aber nicht andauernd oder länger. Die Besserung sei nach der Operation im Jahr 2015 aufgetreten, erst danach sei dokumentiert, dass er selbstständig ein paar Schritte machen könne. Das Gangbild habe sich wieder verschlechtert, der Mutter sei eine erneute Spitzfußstellung aufgefallen. Es bestehe ein permanenter Hilfebedarf und eine Rollstuhlbedürftigkeit ab 100 Meter Strecke. Für die Funktionalität sei keine signifikante Verbesserung gegeben, der Kläger brauche dauerhafte Unterstützung. Die infantile, zerebrale Parese sei mit einem Teil-GdB von 80, die Koordinations- und Gleichgewichtsstörung mit einem Teil-GdB von 70 bis 80 und die Stimmlähmung sowie das hyperreagible Bronchialsystem mit einem GdB von 10 zu bewerten, sodass sich ein Gesamt-GdB von 80 ergebe. Die Voraussetzungen des Merkzeichens „aG“ seien erfüllt, da der Kläger permanente Hilfe brauche und er rollstuhlbedürftig sei. Abweichungen bestünden zu dem Bericht nach der Operation 2015, da es sich um einen kurzen, nicht anhaltenden Effekt gehandelt habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143144 SGG), auch im Übrigen zulässig und teilweise begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 30. Juli 2020 soweit damit die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen den Bescheid vom 8. Januar 2018 in der Fassung des Teilabhilfebescheides (§ 86 SGG) vom 31. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 20. August 2018 abgewiesen und somit die Herabsetzung des GdB von 100 auf 80 sowie die Entziehung des Merkzeichens „aG“ bestätigt worden ist. Soweit das SG die Bescheide, dem Vergleichsvorschlag des Beklagten folgend, bereits hinsichtlich des Merkzeichens „H“ aufgehoben hat, ist der Gerichtsbescheid rechtskräftig geworden, da der Beklagte weder Berufung noch Anschlussberufung eingelegt hat. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. Keller ,in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 33).

Die teilweise Begründetheit der Berufung folgt aus der teilweisen – weitergehenden – Begründetheit der Klage. Der Bescheid vom 8. Januar 2018 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 31. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2018 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG), als der Beklagte die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „aG“ aufgehoben hat. Im Übrigen ist der Bescheid im noch streitgegenständlichen Umfang rechtmäßig, da die Herabsetzung des GdB von 100 auf 80 nicht zu beanstanden ist, wie die beiden erhobenen Sachverständigengutachten bestätigt haben.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn diese einen um wenigsten 10 veränderten Gesamt-GdB rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Herabsetzung des GdB vor, da eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgebenden Vergleichsbescheid vom 10. Dezember 2012 gegeben ist, wie sie beide Sachverständigen ebenfalls bestätigt haben. Indessen tragen die erhobenen Befunde die Annahme einer wesentlichen Besserung hinsichtlich des Gehvermögens und der darauf gestützten Aufhebung des Merkzeichens „aG“ nicht.

Die Feststellung des GdB richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass eine gesundheitliche wesentliche Besserung beim Kläger eingetreten ist, so dass der Gesamt-GdB nur noch in Höhe von 80 begründet ist.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.1.2 sind Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen (spino-) zerebraler Ursache je nach dem Ausmaß der Störung der Ziel- und Feinmotorik einschließlich der Schwierigkeiten beim Gehen und Stehen mit einem GdB von 30 bis 100 zu bewerten. Zerebral bedingte Teillähmungen und Lähmungen bei leichten Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen sind mit einem GdB von 30, bei ausgeprägten Teillähmungen und vollständigen Lähmungen ist der GdB aus Vergleichen mit dem GdB bei Gliedmaßenverlust, peripheren Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen abzuleiten. Die vollständige Lähmung von Arm und Bein (Hemiplegie) ist mit einem GdB von 100 zu bewerten. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 sind der Verlust beider Beine im Oberschenkel, eines Beines im Oberschenkel und eines Beines im Unterschenkel, der Verlust eines Beines und Armes je mit einem GdB von 100 und der Verlust eines Beines im Hüftgelenk oder mit sehr kurzem Oberschenkelstumpf mit einem Gdb von 80 zu bewerten, ebenso der Verlust beider Beine im Unterschenkel bei günstigen Stumpfverhältnissen.

Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte den bei dem Kläger bestehenden Zustand zum Zeitpunkt des maßgeblichen Vergleichsbescheides entsprechend dem Verlust beider Beine im Oberschenkel bewertet. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Kläger, wie der Senat dem Pflegegutachten aus 2012 entnimmt, das er im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet, überwiegend durch Krabbeln fortbewegt, konnte nur sehr unsicher stehen und sich vom Kniestand nur mühsam in den Stand hochziehen. In diesen Befunden ist eine wesentliche Änderung insofern eingetreten, als der Kläger, wenn auch nur für sehr kurze Strecken, über ein Gehvermögen verfügt und er zumindest für kurze Zeit stehen kann. Dennoch bestehen schwerwiegende Beeinträchtigung fort, wobei die S3 für den Senat überzeugend herausgearbeitet hat, dass der Kläger unter Gleichgewichtsstörungen leidet, die mit in die Bewertung einbezogen werden müssen, sodass sie schlüssig zu einem GdB von 80 gelangt. Es trifft somit, entgegen der Darlegungen des Klägers, nicht zu, dass die Sachverständige ihre Einschätzung nicht begründet hat. Unabhängig davon handelt es sich bei der Einschätzung des GdB um eine rechtliche Frage, die Aufgabe des Gerichts ist und daher nicht der Beurteilung durch den medizinischen Sachverständigen unterliegt. Weshalb die medizinischen Feststellungen deshalb in Frage zu stellen sein sollten, weil bei der GdB-Bewertung Prozentangaben gemacht worden sind, erschließt sich dem Senat nicht. Im Übrigen ist der nach § 109 SGG gehörte W1 zu keinen anderen Ergebnissen gelangt.

Der Beklagte hat den GdB daher zu Recht auf 80 herabgesetzt. Die Entziehung des Merkzeichens „aG“ kann allerdings keinen Bestand haben.

Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens „aG“ ist § 152 Abs. 4 SGB IX. Dieser bestimmt, dass wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1 treffen. Zu diesen Merkmalen gehört das im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften in den Schwerbehindertenausweis einzutragende Merkzeichen „aG“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Auf vorangegangene Fassungen der Norm kommt es nicht entscheidungserheblich an, nachdem sowohl Bescheid als auch Widerspruchsbescheid aus dem Jahr 2018 datieren.

§ 229 Abs. 3 SGB IX enthält nunmehr die Legaldefinition des Nachteilsausgleichs „außergewöhnlich gehbehindert“, die zuvor aufgrund Artikel 3 Nr. 13 des Gesetzes zur Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz vom 23. Dezember 2016) seit 30. Dezember 2016 in § 146 Abs. 3 SGB IX enthalten war. Nach § 229 Abs. 3 SGB IX sind schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem Grad der Behinderung von mindestens 80 entspricht (Satz 1). Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können (Satz 2). Hierzu zählen insbesondere schwerbehinderte Menschen, die auf Grund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung – dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen – aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind (Satz 3). Verschiedenste Gesundheitsstörungen (insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems) können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen (Satz 4). Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleichkommt (Satz 5).

Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 18/9522 zu Nr. 13 [§146] S. 318) kann beispielsweise bei folgenden Beeinträchtigungen eine solche Schwere erreicht werden, dass eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung vorliegt: zentralnervösen, peripher-neurologischen oder neuromuskulär bedingten Gangstörungen mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen, oder wenn eine dauerhafte Rollstuhlbenutzung erforderlich ist (insbesondere bei Querschnittlähmung, Multipler Sklerose, Amyotropher Lateralsklerose (ALS), Parkinsonerkrankung, Para- oder Tetraspastik in schwerer Ausprägung), einem Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe oder einem Funktionsverlust eines Beines ab Oberschenkelhöhe ohne Möglichkeit der prothetischen oder orthetischen Versorgung (insbesondere bei Doppeloberschenkelamputierten und Hüftexartikulierten), schwerster Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit (insbesondere bei Linksherzschwäche Stadium NYHA IV), schwersten Gefäßerkrankungen (insbesondere bei arterieller Verschlusskrankheit Stadium IV), Krankheiten der Atmungsorgane mit nicht ausgleichbarer Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades und einer schwersten Beeinträchtigung bei metastasierendem Tumorleiden (mit starker Auszehrung und fortschreitendem Kräfteverfall).

§ 229 Abs. 3 SGB IX normiert mehrere (kumulative) Voraussetzungen: Zunächst muss bei dem Betroffenen eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung bestehen; diese muss einem GdB von mindestens 80 entsprechen. Darüber hinaus muss die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung auch erheblich sein. Mit der Bezugnahme auf mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigungen wollte sich der Gesetzgeber von der Einengung auf orthopädische Gesundheitsstörungen lösen, so dass „keine Fallgestaltung von vornherein bevorzugt oder ausgeschlossen wird, auch nicht dem Anschein nach“ (BT-Drs. 18/9522, S. 318). Trotz dieser Ausweitung übernimmt die Neuregelung den bewährten Grundsatz, dass das Recht, Behindertenparkplätze zu benutzen, nur unter engen Voraussetzungen eingeräumt werden darf und verlangt daher auf der zweiten Prüfungsstufe einen – relativ hohen – GdB von wenigstens 80 für die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung. Dabei ist an den tatsächlich zuerkannten GdB anzuknüpfen (vgl. Senatsurteil vom 3. August 2017 – L 6 SB 3654/16 – n.v.).

Ausgehend von diesen Maßstäben liegt hinsichtlich des Gehvermögens eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nach Überzeugung des Senats nicht vor. Vielmehr hat die B3 im Widerspruchsverfahren und damit zeitnah zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (vgl. oben) schlüssig dargelegt, dass der Kläger im Außenbereich auf den Rollstuhl angewiesen und freies Laufen mit Festhalten maximal 20 Meter möglich ist. Dabei beschreibt sie das Gehen als unsicher, das Überwinden von Bordsteinen und Treppen als nicht möglich und Bodenschwellen als problematisch. Korrespondierend hierzu hat die Fachlehrerin für Köperbehinderte F beschrieben, dass der Kläger nach circa 20 Meter unsicher wird, sich auf die Knie fallen lässt oder einen Gegenstand braucht um sich festzuhalten. Das Pflegegutachten aus 2018 beschreibt auch im häuslichen Umfeld eine Gang- und Standunsicherheit. Es wird darauf hingewiesen, dass das Gehen zwar ohne Hilfsmittel, jedoch nur mit Abstützen bei Fallneigung möglich ist. Weiter wird bestätigt, dass in der Schule und im Außenbereich der Rollstuhl benutzt wird, das Verlassen der Wohnung ist damit einhergehend konsequent als überwiegend/völlig unselbstständig beurteilt worden, das Fortbewegen außerhalb der Wohnung als nur mit personeller Hilfe möglich, ebenso die Nutzung des Nahverkehrs. Passend hierzu ist der Kläger in der Schule über die Leistungen der Eingliederungshilfe mit einer Betreuungskraft versorgt, die ihn – insbesondere im Außenbereich – bei der Fortbewegung unterstützt. Abschließend wird die Verbesserung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten als nicht zu erwarten bezeichnet.

Die genannten Befunde belegen plausibel, dass der Kläger weiterhin faktisch nicht in der Lage ist, überhaupt alleine das Haus zu verlassen, und er sich nur mit fremder Hilfe und größter Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeuges bewegen kann. Selbst im häuslichen Bereich wird eine deutlich eingeschränkte Mobilität mit bestehender Standunsicherheit und Fallneigung beim Gehen durch das Pflegegutachten belegt. Wenn sich B4 gut ein Jahr nach dem maßgebenden Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides anhand dieser Befunde nicht in der Lage sieht, eine Bewertung hinsichtlich des Merkzeichens „aG“ vorzunehmen und eine Begutachtung für erforderlich erachtet, wird dadurch letztlich bestätigt, dass sich auch aus versorgungsärztlicher Sicht der Nachweis einer Befundbesserung aus den Befunden nicht ableiten lässt.

Die Erhebungen der S3 haben zur Überzeugung des Senats ebenfalls bestätigt, dass bei dem Kläger weiterhin eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung besteht, die einem mobilitätsbezogenen GdB von 80 entspricht. Nach ihren Feststellungen hat der Kläger im Bereich der Bewegungskoordination Defizite bei raschen Folgebewegungen und gegensinnigen Bewegungen. Es bestehen deutliche Einschränkungen im Bereich des Gleichgewichtsorgans, sodass er verschiedene Gangvarianten nicht beherrscht, so nicht auf einem Bein stehen, nicht auf einer Linie laufen und sich auch nicht wenden kann. Ausfallschritte bei Unebenheiten oder das Manövrieren bei Hindernissen sind ihm nicht möglich, was die beschriebene Fallneigung plausibel macht. Daneben beschreibt sie Muskelschmerzen, die den Kläger nach kurzer Zeit ebenfalls an einer selbstständigen Fortbewegung hindern, nach einer vorangegangenen Überlastung kann dies über mehrere Tage andauern. Dies korrespondiert einerseits damit, das vorbeschrieben ist, dass sich der Kläger nach wenigen Metern auf die Knie fallen lässt oder einen Gegenstand zum Festhalten braucht. Andererseits wird dadurch belegt, dass das Fallenlassen auf die Knie organischen Ursachen geschuldet ist und nicht lediglich eine psychische Auffälligkeit darstellt.

Indem die Sachverständige das mögliche Gehvermögen unter „Laborbedingungen“, also auf einem glatten Untergrund ohne Hindernisse, beschreibt und dieses mit der Qualität des Gangs im Straßenverkehr und in der Natur vergleicht, zeigt deutlich, dass sie sich sehr differenziert mit den Einschränkungen des Klägers auseinandergesetzt und die Vorbefunde berücksichtigt hat. Das bedeutet aber keineswegs, wie der Versorgungsarzt W argumentiert, dass er unter Alltagsbedingungen frei laufen kann, denn schon jede Bordsteinkante stellt ein nicht selbständig überwindbares Risiko für ihn dar. Die Sachverständige hat deswegen keineswegs unter Alltagsbedingungen ein Gehvermögen von 200 Metern festgestellt, „Laborbedingungen“ sind keine solchen.

Relevant abweichende Befunde hat der W1 auch nicht erhoben, sondern ebenfalls das ataktische Gangbild mit den Gleichgewichtsstörungen beschrieben. Er verweist darauf, dass sich nur eine Verbesserung des Gehbildes, nicht aber der Gehleistung gezeigt und die Operation 2015 daher keinen anhaltenden Effekt bewirkt hat.

Der Hilfebedarf des Klägers wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass die Fachlehrerin für Körperbehinderte F beschreibt, dass der Kläger sich ohne fremde Hilfe selbst im Rollstuhl nur auf ebenen Untergründen fortbewegen kann, bei schiefen Ebenen und auch unebenen Gründen aber auf die Hilfe eines Erwachsenen angewiesen ist. Hierzu ist er mit einer Betreuungskraft versorgt (siehe oben).

Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren ausführt, dass nach der Rechtsprechung kein vollständiger Verlust der Gehfähigkeit vorliegen muss, sondern es dem Betroffenen nur unzumutbar sein muss, längere Wegstrecken zu Fuß zurückzulegen und weiter darauf, dass Wegstrecken von Sonderparkplätzen in die Eingangsbereiche von Gebäuden in der Regel unter 100 Meter betragen, sodass die Fähigkeit, 100 Meter ohne Erholungspausen zurückzulegen, ein gewichtiges Indiz für ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen ist, folgt daraus nichts anderes.

Es ergibt sich lediglich, dass auch der Beklagte hinsichtlich des anzulegenden Prüfungsmaßstabs darauf abstellt, ob der Kläger in der Lage ist, sich in der Außenwelt in einem hinreichenden Radius um ein Kraftfahrzeug herum selbstständig zu bewegen. Die korrespondiert mit der Rechtsprechung des Senats. Danach sind die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „aG“ nach dessen Sinn und Zweck des behinderungsbedingten Mobilitätsausgleichs und der damit verbundenen Integration schwerbehinderter Menschen in die Gesellschaft auszulegen. Im Hinblick auf dessen nachteilsausgleichenden Wirkung durch die Nutzbarkeit von Behindertenparkplätzen und damit der Verkürzung der Gehstrecke bei der Verrichtung alltäglicher Angelegenheiten wie dem Besuch der Schule, der Arbeitsstätte, des Arztes, von kirchlichen und kulturellen Einrichtungen oder beim Einkaufen ist es insofern allein maßgeblich, in welchem Ausmaße das Gehvermögen bei diesen Verrichtungen eingeschränkt ist. Der streitige Nachteilsausgleich mit der einhergehenden Vergünstigung des Parkens ist schon vom Verständnis her auf eine fremde Umgebung ausgerichtet. Ob das Gehvermögen in einer bekannten Umgebung nicht so eingeschränkt ist, ist unerheblich. Allein unter diesem Gesichtspunkt ist auch das Tatbestandsmerkmal „dauernd“ zu bestimmen (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2021 – L 6 SB 3843/19 –, juris, Rz. 62). Abgesehen davon, dass der Kläger schon in der häuslichen Umgebung relevant eingeschränkt ist (vgl. oben), vermag sich der Senat nach den dargelegten Maßstäben der versorgungsärztlichen Auffassung des W zu den Begebenheiten auf üblicherweise zurückzulegenden Wegen nicht anzuschließen.

Durch den Befundbericht der B3 und das Sachverständigengutachten der S3 ist belegt, dass der Kläger zwar unsicher circa 20 Meter laufen, aber keine Bordsteine überwinden kann, sich Bodenschwellen als problematisch erweisen und Unsicherheiten beim Umdrehen bestehen. Ausfallschritte sind nicht möglich und der Kläger kann sich weder auf der Stelle drehen, noch bei Hindernissen manövrieren. Daneben ist eine Standunsicherheit beschrieben, die er durch Fallenlassen auf die Knie und Losrennen kompensiert, wobei beim Rennen die Spitzfußstellung zunimmt und das Sturzrisiko ansteigt. Es ist nach Überzeugung des Senats somit belegt, dass der Kläger den üblichen Anforderungen, die der Straßenverkehr stellt, nicht gewachsen ist, sondern sogar ernsthaft damit gerechnet werden muss, dass er zur Vermeidung der Gleichgewichtsstörung unkontrolliert losrennt und sich damit gefährdet, gerade weil er z. B. an einer Ampel nicht stehen bleiben kann. Wenn schon eine Bordsteinkante ein unüberwindbares Hindernis darstellt und eine Standunsicherheit besteht, kann dem Kläger schon keine Fähigkeit bescheinigt werden, selbstständig ohne Gefahr für sich und andere eine Straße zu überqueren. Es überzeugt daher nicht, wenn W meint, dass der Kläger nur auf Wegen, die voller Unebenheiten und Hindernissen seien, eingeschränkt sei, es solche Wege im Alltag aber faktisch nicht gebe.

Auf die Berufung des Klägers war daher das Urteil des SG abzuändern und der Bescheid vom 8. Januar 2018 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 31. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2018 aufzuheben, soweit das Merkzeichen „aG“ aufgehoben worden ist. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger im Verlauf des Verfahrens weitgehend obsiegt hat und der von Senat bestätigten Herabsetzung des GdB von 100 auf 80 im Vergleich zu den Merkzeichen nur eine geringere Bedeutung beizumessen ist. Die Kostenentscheidung des SG war wegen des weiteren Obsiegens des Klägers im Berufungsverfahren ebenfalls abzuändern.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2
 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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