L 9 U 203/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 19 U 72/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 203/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. In einem sozialgerichtlichen Verfahren kann (über § 202 Satz 1 SGG) kein wirksamer Prozessvergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen werden, weil § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG den Vergleich im schriftlichen Verfahren abschließend normiert.

2. Zur Anpassung eines Vergleichsvertrages nach § 59 SGB X.
 

I.    Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Änderung eines vor dem Sozialgericht geschlossenen Vergleichs.

Die 1964 geborene Klägerin erlitt am 31. Oktober 2012 einen Wegeunfall mit ihrem Pkw. Der am selben Tag aufgesuchte Durchgangsarzt Prof. Dr. C. diagnostizierte eine Commotio cerebri, eine HWS-Distorsion und eine Prellung der linken Lumbosakralregion. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 2. Mai 2014 die Bewilligung einer Rente wegen dieses Versicherungsfalls ab, weil die Klägerin lediglich an einer folgenlos ausgeheilten Gehirnerschütterung und einer Prellung der Halswirbelsäule leide. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2014 zurück. Am 6. November 2014 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden (S 19 U 134/14) und beantragte schriftsätzlich, den Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin „Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zur Verfügung zu stellen“. Am 10. Januar 2017 fand ein Erörterungstermin statt. Das Protokoll vom selben Tag enthält folgende Passage: „Es wird folgendes weiteres Vorgehen besprochen: Die Terminvertreterin der Beklagten erklärt sich bereit, die Kosten für eine Therapie im Laufe des Verfahrens zu übernehmen und der Klägerin geeignete Traumatherapeuten zu benennen. Es wird vereinbart, dass die Klägerin sich an die Beklagte wenden kann, um das weitere Vorgehen diesbezüglich zu besprechen.“

Die Klägerin nahm ab 6. April 2017 an einer ambulanten Traumatherapie bei Dr. D. teil, deren Kosten die Beklagte übernahm. 

Mit Schriftsatz vom 30. November 2017 schlug die Beklagte folgenden Vergleich vor: 

„Die Beklagte erklärt sich bereit, für den Zeitraum von zwei Jahren eine Rente nach einer MdE von 20 v.H. für die Diagnose einer unfallbedingten Anpassungsstörung zu gewähren. Über diesen Zeitraum hinaus sind unfallbedingte Funktionseinschränkungen nach Auffassung der Beklagten nicht mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die Beklagte beteiligt sich zur Hälfte an den notwendigen außergerichtlichen Kosten.“ 

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 übersandte das Sozialgericht dem Klägervertreter diesen Schriftsatz mit der Bitte um Mitteilung, ob er dem Vergleichsangebot der Beklagten zustimmen könne, um den Rechtsstreit zu erledigen. Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2017 teilte der Klägervertreter dem Sozialgericht mit, die Klägerin sei grundsätzlich bereit, dem unterbreiteten Vergleichsvorschlag zur Beendigung des Rechtsstreites näherzutreten. Allerdings lege die Klägerin Wert auf Kenntnis des Fortgangs der Angelegenheit. In der Anlage werde daher das Schreiben der Klägerin vom 12. Dezember 2017 in Vorlage gebracht mit der Bitte, dieses an die Beklagte zur weiteren Veranlassung weiterzuleiten. Im Anschluss hieran könne in Aussicht gestellt werden, dass der Rechtsstreit auf der Grundlage des unterbreiteten Vergleichsangebots beendet werden könne. 

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2017 schlug das Sozialgericht den Beteiligten zur Beendigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich vor: 

1.    Die Beklagte erklärt sich bereit, weiterhin die Kosten für die Therapie bei Frau Dr. D. zu übernehmen.
2.    Die Beklagte gewährt der Klägerin für den Zeitraum von zwei Jahren eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 20 % wegen einer unfallbedingten Anpassungsstörung.
3.    Über diesen Zeitraum hinaus sind unfallbedingte Funktionseinschränkungen nach Auffassung der Beklagten nicht mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen.
4.    Die Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten.
5.    Die Beteiligten sind sich einig, dass damit der Rechtsstreit insgesamt erledigt ist.

Die Beteiligten wurden gebeten, bis zum 31. Januar 2017 mitzuteilen, ob dem Vergleichsvorschlag zugestimmt werde. 

Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2018 übersandte die Beklagte dem Sozialgericht einen geänderten Vorschlag mit folgendem Inhalt:

1.    Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für die aufgrund der Unfallfolgen erforderliche Therapie bei Frau Dr. D. bis zum Abschluss der bereits genehmigten 10 Einheiten sowie die Kosten für die bei dem PZDT geplante Blocktherapie und ein etwaiges weiteres Abschlussgespräch bei Frau Dr. D. zu übernehmen.
2.    Die Beklagte gewährt der Klägerin für den Zeitraum von zwei Jahren nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit (vom 26.11.2012 bis 30.11.2013) eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 20 v.H. wegen einer unfallbedingten Anpassungsstörung.
3.    Über diesen Zeitraum hinaus sind unfallbedingte Funktionseinschränkungen nach Auffassung der Beklagten nicht mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen.
4.    Die Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten.
5.    Die Beteiligten sind sich einig, dass damit der Rechtsstreit insgesamt erledigt ist.

Das Sozialgericht leitete diesen Schriftsatz dem Klägervertreter mit der Bitte um Mitteilung weiter, ob dem Vergleichsvorschlag der Beklagten zugestimmt werde. 
Mit Schriftsatz vom 2. März 2018 entgegnete die Klägerin hierauf mit einem eigenen Vergleichsvorschlag folgenden Inhalts: 

1.    Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für die aufgrund der Unfallfolgen erforderlichen Therapie bei Frau Dr. D. bis zum Abschluss der bereits genehmigten 10 Einheiten sowie die Kosten für die bei der Praxis E. geplante Blocktherapie und ein weiteres Abschlussgespräch bei Frau Dr. D. zu übernehmen. Hierbei können auch die Ereignisse des Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik vom 18. bis 20.12.2013 und der psychologischen Untersuchungen in der Praxis E. vom 21.02.2014 und 14.03.2014 besprochen werden.
2.    Die Beklagte gewährt der Klägerin für den Zeitraum von zwei Jahren nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit (vom 26.11.2012 bis 30.11.2014) eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 20 v.H. wegen einer unfallbedingten Anpassungsstörung.
3.    Über diesen Zeitraum hinaus sind Funktionseinschränkungen nach Auffassung der Beklagten nicht mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen.
4.    Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für ein abschließendes Gespräch mit Herrn Dr. G. in der BG-Unfallklinik, 60389 Frankfurt am Main-Bornheim, zu übernehmen.
5.    Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für ein abschließendes Gespräch mit Frau Dipl.-Psychologin F. in der Praxis E., C-Straße, C-Stadt, zu übernehmen.
6.    Die Beklagte erklärt sich bereit, den Widerspruchsbescheid vom 09.10.2014 und den Rentenbescheid vom 02.05.2014 aufzuheben.
7.    Die Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten.

Mit Schreiben vom 12. März 2018 übersandte das Sozialgericht der Beklagten diesen Schriftsatz mit der Bitte um Mitteilung, ob sie dem Vergleichsvorschlag der Klägerin zustimmen könne. Mit Schriftsatz vom 19. März 2018 stimmte die Beklagte dem Vergleichsvorschlag der Klägerin vollumfänglich zu. Die Beklagte gehe davon aus, dass der Rechtsstreit damit insgesamt erledigt sei. Diesen Schriftsatz übersandte das Sozialgericht unter dem 21. März 2018 an den Klägervertreter mit dem Zusatz, dass die Hauptsache durch gerichtlichen Vergleich erledigt sei. Mit Schriftsatz vom 26. November 2018 beantragte die Klägerin beim Sozialgericht eine vollstreckbare Ausfertigung des von der Beklagten angenommenen Vergleichs vom 2. März 2018. 

Daraufhin erließ das Sozialgericht am 18. Dezember 2018 folgenden Beschluss: 

Es wird festgestellt, dass der vorliegende Rechtsstreit zwischen den Beteiligten durch den folgenden Vergleich durch Angebot der Klägerin vom 2.3.2018 und Annahme der Beklagten vom 20.3.2018 erledigt ist:

1.    Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für die aufgrund der Unfallfolgen erforderliche Therapie bei Frau Dr. D. bis zum Abschluss der bereits genehmigten 10 Einheiten sowie die Kosten für die bei der Praxis E. geplante Blocktherapie und ein weiteres Abschlussgespräch bei Frau Dr. D. zu übernehmen. Hierbei können auch die Ereignisse des Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik vom 18. bis 20.12.2013 und der psychologischen Untersuchungen in der Praxis E. vom 21.02.2014 und 14.03.2014 besprochen werden.
2.    Die Beklagte gewährt der Klägerin für den Zeitraum von zwei Jahren nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit (vom 26.11.2012 bis 30.11.2014) eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 20 v.H. wegen einer unfallbedingten Anpassungsstörung.
3.    Über diesen Zeitraum hinaus sind Funktionseinschränkungen nach Auffassung der Beklagten nicht mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen.
4.    Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für ein abschließendes Gespräch mit Herrn Dr. G. in der BG-Unfallklinik, Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt am Main-Bornheim, zu übernehmen.
5.    Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für ein abschließendes Gespräch mit Frau Dipl.-Psychologin F. in der Praxis E., C-Straße, C-Stadt, zu übernehmen.
6.    Die Beklagte erklärt sich bereit, den Widerspruchsbescheid vom 09.10.2014 und den Rentenbescheid vom 02.05.2014 aufzuheben.
7.    Die Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten.

Gründe
Nach § 278 Abs. 6 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), der über § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anwendbar ist, kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten gegenüber dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach S. 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest, § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 202 SGG, §§ 278 Abs. 6 S. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Mit Bescheid vom 4. April 2018 hob die Beklagte „entsprechend dem im sozialgerichtlichen Verfahren geschlossenen Vergleich“ den Bescheid vom 2. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2014 auf, erstattete die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 50% und bewilligte wegen der Folgen des Arbeitsunfalls für den Zeitraum 26. November 2012 bis 30. November 2014 eine Rente in Höhe von insgesamt 6.316,13 Euro unter Anerkennung einer MdE von 20 v. H. Als gesundheitliche Beeinträchtigung wurde eine vorübergegangene unfallbedingte Anpassungsstörung nach Verkehrsunfall berücksichtigt. Hiergegen legte die Klägerin am 27. April 2018 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 17. September 2018 hob die Beklagte den Bescheid vom 4. April 2018 auf, weil er nicht dem Vergleichsvorschlag vom 2. März 2018 entsprochen habe, und bewilligte wegen der Folgen des Arbeitsunfalls wegen einer unfallbedingten Anpassungsstörung für den Zeitraum 26. November 2012 bis 30. November 2014 eine Rente i. H. v. 6.316,13 Euro bei einer MdE von 20 v. H. Über diesen Zeitraum hinaus seien Funktionseinschränkungen nicht mit dem notwendigen Beweischarakter hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen. Hiergegen legte die Klägerin unter dem 12. Oktober 2018 erneut Widerspruch ein. 

Unter dem 15. Oktober 2018 berichtete Dr. D. der Beklagten abschließend über die Behandlung der Klägerin nach insgesamt 25 Sitzungen. Für Dr. D. sei befremdlich, dass die Klägerin, ohne Rücksprache mit ihr, bei der Beklagten weitere Therapiestunden beantragt habe. Schon deswegen komme eine weitere Therapie bei ihr nicht in Betracht.

Der Antrag der Klägerin auf weitere Therapiestunden ging bei der Beklagten am 22. Oktober 2018 ein. Mit Schreiben vom 5. November 2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass über die im Vergleich festgehaltenen Einheiten hinaus keine therapeutischen Maßnahmen mehr übernommen werden könnten. Der Antrag werde zuständigkeitshalber an die Krankenkasse weitergeleitet. 

Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Änderung des Vergleichs.

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. September 2018 mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2019 zurück und legte zur Begründung im Wesentlichen dar, der Widerspruch sei unzulässig, da er sich gegen Inhalte des vor dem Sozialgericht geschlossenen, bindenden Vergleichs richte. Hiergegen erhob die Klägerin am 18. April 2019 Klage beim Sozialgericht Wiesbaden (S 19 U 28/19). 

Ebenfalls am 18. April 2019 hat die Klägerin beim Sozialgericht Wiesbaden eine weitere Klage erhoben und „gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB“ beantragt, den gerichtlichen Vergleich vom 18. Dezember 2018 folgendermaßen zu ändern: 

1.    Ziff. 1. des vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs erhält folgenden Wortlaut: „Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für die aufgrund der Unfallfolgen weiterhin erforderliche Therapie einer posttraumatischen Belastungsstörung bei einer geeigneten Therapeutin nach Wahl von Frau A. (z.B. Frau Dr. H.) bzw. einem anderen geeigneten Therapeuten bis hin zu einem Abschlussgespräch ohne zeitliche Begrenzung zu übernehmen. Hierbei können auch die Ereignisse des Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik vom 18. bis 20.12.2013 und der psychologischen Untersuchungen in der Praxis E. vom 21.02.2014 und 14.03.2014 besprochen werden.
2.    Zu Gunsten der Klägerin eine vollstreckbare Ausfertigung des antragsgemäß abgeänderten Vergleichs zu erteilen.
3.    Die Beklagte trägt die Kosten des hiesigen Abänderungsklageverfahrens.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, mit Beschluss vom 22. Dezember 2017 sei ein Vergleich nach § 101 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geschlossen worden. Nach Vergleichsabschluss hätten sich Umstände, die zur Grundlage des Vergleichsvertrages geworden seien, so schwerwiegend verändert, dass der Klägerin das Festhalten am unveränderten Vergleichsvorschlag nicht zugemutet werden könne, wenn man vom Parteiwillen der Klägerin ausgehe. Beide Parteien seien beim Abschluss des Vergleichsvertrags davon ausgegangen, dass Dr. D. weiterhin für die aufgrund der Unfallfolgen erforderliche und von ihr durchzuführende Therapie bis zu einem Abschlussgespräch zur Verfügung stehe und die Beklagte die dafür entstehenden Kosten auch für diese Dauer übernehmen werde. Dr. D. habe sich aber geweigert, für die erforderliche Therapie bei ihr weitere Gespräche über die Unfallfolgen zu führen. Folglich sei der Vergleich dahingehend abzuändern, dass die Klägerin bei einer anderen Psychotherapeutin bzw. einem anderen Psychotherapeuten unbefristet bis zu einem Abschlussgespräch eine erforderliche Therapie über die Unfallfolgen durchführen lasse, deren Kosten die Beklagte zu übernehmen habe. Ziel des Vergleiches sei es auch gewesen, dass die Kostentragungspflicht der Beklagten durch die Dauer der Notwendigkeit der vorgenannten Therapie bestimmt werde. Es entspreche nicht dem Parteiwillen der Klägerin, der Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, die Dauer ihrer Kostenübernahmepflicht losgelöst von der Dauer einer notwendigen Therapie und die dafür notwendigen Stunden von der Therapeutin selbst bestimmen zu können. Denn dies hätte zwangsläufig zu dem vom Parteiwillen der Klägerin nicht gedeckten Ergebnis geführt, dass die Beklagte damit durch die Entzugsmöglichkeit der Kostenübernahme Einfluss auf die Dauer der Therapie hätte nehmen können. Medizinisch gesehen benötige die Klägerin eine Langzeittherapie bei einer Psychotherapeutin mit Zusatzausbildung auf dem Gebiet der Traumaverarbeitung. Nachdem Dr. D. sich geweigert habe, weiter zur Verfügung zu stehen, habe die Klägerin zwischenzeitlich zwei Therapeutinnen gefunden, die für die Durchführung einer solchen Langzeittherapie zur Verfügung stünden, sofern die Kostenübernahme gesichert sei. Die Klägerin habe erst nach Vergleichsabschluss Kenntnis von einem Schreiben von Dr. D. an die Beklagte vom 15. Oktober 2018 erhalten, in dem sich jene dahingehend geäußert habe, dass eine weitere Therapie bei ihr nicht mehr in Frage komme. Dies sei Ursache für die hiesige Änderungsklage betreffend Ziffer 1 des Vergleichs. Bei dem geschlossenen Vergleich handele es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag und nicht um einen Verwaltungsakt. Deshalb könne eine Abänderungsklage erhoben werden. Dr. D. habe sich geweigert, die Themen „Ereignisse im MRT und psychologische Untersuchungen in der Praxis Dr. E.“ fachgerecht mit der Klägerin in den noch verbleibenden Einheiten zu besprechen. In dem Vergleich sei vereinbart worden, dass in der Therapie bei Dr. D. auch die Ereignisse des Aufenthaltes in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) vom 18. bis 20. Dezember 2013 und der psychologischen Untersuchung in der Praxis E. vom 21. Februar bis 14. März 2014 besprochen würden. Dieser Punkt sei bis heute nicht erfüllt.

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2019 hat die Klägerin hilfsweise beantragt, die Feststellung darüber zu treffen, dass die Funktionseinschränkung (Posttraumatische Belastungsstörung - PTBS -) mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis und auf die von der Beklagten beauftragten Untersuchungen in der BGU und die psychologischen Gespräche mit der Diplom-Psychologin F. zurückzuführen sind. Die Änderungsklage ziele auf die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten der Behandlung so lange zu tragen, wie die Behandlung der Klägerin zwecks Behebung der bei ihr nach wie vor vorhandenen PTBS notwendig sei, und zwar bei einer Therapeutin ihrer Wahl. Dass die PTBS von dem Autounfall herrühre, habe das Gericht in seinem Hinweis zum Ausdruck gebracht. Nach § 1 Nr. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) habe die Beklagte daher die dafür anfallenden Kosten zu tragen. Bereits mit Schreiben vom 12. Dezember 2017 habe die Klägerin ihren Parteiwillen geäußert, von der Beklagten Unterstützung zur Verarbeitung der traumatischen Ereignisse zu erhalten. Die Änderung der Verhältnisse sei auch dem Bericht von Dr. H. zu entnehmen. Nach Vergleichsabschluss sei festgestellt worden, dass die Ereignisse in der BGU und in der Praxis E. erheblich zu dem immer noch anhaltenden Krankheitszustand der Klägerin beigetragen hätten, sodass eine Langzeittherapie erforderlich sei, wobei für den Erfolg der Therapie zudem ein Mitspracherecht der Klägerin bei der Wahl der Therapeutin maßgeblich sei. Die Ziffer 1 des Vergleiches enthalte auch keine zeitliche Limitierung. Andernfalls verstieße sie gegen den Parteiwillen der Klägerin und die Feststellungen von Dr. J. Hätte die Klägerin zudem gewusst, dass Dr. D. die Therapie nicht länger gewährleisten könne, hätte sie sich nicht auf den Vergleich eingelassen.

Die Beklagte hat vorgetragen, Dr. D. habe am 17. Januar 2018 telefonisch mitgeteilt, dass die Therapie noch für fünf Sitzungen fortgeführt werden solle, dies entspreche den von ihr beantragten und genehmigten zehn Therapieeinheiten. Ein weiteres Gespräch sei angedacht gewesen, sofern die vorgesehene Blocktherapie in der BGU, PZDT – Praxis E. – durchgeführt worden wäre. Hierauf habe sich die Klägerin aber nicht eingelassen. Dies entspreche vollumfänglich dem Vergleich. Die insgesamt 25 Sitzungen seien von Dr. D. durchgeführt und die unfallbedingte Behandlung abgeschlossen worden. Dr. D. habe die Klägerin anschließend an die Krankenkasse verwiesen. Sie habe sich somit nicht geweigert, die erforderliche Therapie weiter zu führen. Die Klägerin habe bei der Beklagten einen Neuantrag auf Therapie gestellt, der mit der Beklagten abzusprechen und über sie zu genehmigen gewesen sei. Ein Neuantrag oder gar eine Langzeittherapie habe jedoch nicht zur Diskussion gestanden. Aus dem Vergleich sei auch eindeutig zu entnehmen, dass weitere therapeutische Maßnahmen über die zehn genehmigten Sitzungen hinaus nicht mehr zu Lasten der Beklagten gehen könnten. Über den Inhalt der therapeutischen Sitzungen und das Therapiekonzept entscheide die Therapeutin unter dem Fokus der unfallbedingten therapeutischen Anteile. Eine vollständige Aufarbeitung der Ereignisse sei nicht vereinbart worden. 

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörungsschreiben mit Gerichtsbescheid vom 5. Dezember 2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig, weil es an einem Vorverfahren nach § 78 SGG fehle. Die Klägerin habe zunächst über § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) einen Antrag bei der Beklagten stellen und die wesentliche Änderung der Verhältnisse darlegen müssen. Anstelle der Änderungsklage trete im SGG ein Antrag nach § 48 SGB X. Selbst wenn über § 202 SGG § 323a Zivilprozessordnung (ZPO) Anwendung fände, sei die Klage nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vortrage, die die Abänderung rechtfertigten. Die Klägerin streite aber um die Gewährung eines anderen Leistungsinhaltes. Sie verfolge mit der vorliegenden Klage das Ziel, über den Vergleich hinaus eine künftige, weil weiterhin erforderliche Behandlung ohne jegliche zeitliche Begrenzung zu erhalten. Dies sei zunächst bei der Beklagten geltend zu machen gewesen, damit diese ihrerseits die dafür erforderlichen Voraussetzungen prüfen und bescheiden könne. Nach der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 29. April 2014, L 6 VK 934/12, Rn. 20) solle durch den Vergleich eine Rücknahme nach § 45 SGB X bzw. eine Überprüfung nach § 44 SGB X ausgeschlossen werden, nicht aber eine Neufeststellung nach § 48 SGB X. Der Hilfsantrag sei ebenfalls unzulässig. Die begehrte Feststellung, dass eine PTBS mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis und auf die von der Beklagten beauftragten Untersuchungen in der BGU und die psychologischen Gespräche mit der Diplom-Psychologin F. zurückzuführen seien, sei abstrakt nicht möglich. Vielmehr ziele der Antrag auf die Anerkennung weiterer Unfallfolgen über die bereits anerkannten Unfallfolgen hinaus. Ob die Klägerin unfallbedingt an einer PTBS leide, sei zunächst ebenfalls bei der Beklagten zu beantragen. Die Zulässigkeit der Klage unterstellt, sei diese jedenfalls unbegründet. Eine Anpassung eines Vertrages sei nur unter engen Voraussetzungen möglich, die hier nicht vorlägen. Die wesentliche Änderung in § 59 SGB X verlange strengere Anforderungen als die wesentliche Änderung in § 48 SGB X. Eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse liege allerdings nicht vor. In dem Rechtsstreit S 19 U 134/14 habe die Klägerin einen umfassenden Vergleichsvorschlag unterbreitet, dem die Beklagte zugestimmt habe. Insofern hätten sich die Beteiligten vollständig auf den von der Klägerin vorgeschlagenen Inhalt des Vergleichs geeinigt. Die Unzufriedenheit eines der beiden Beteiligten mit einem Vertrag genüge aber nicht, um eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 59 SGB X anzunehmen. Dass die Therapie sich nicht so entwickelt habe, wie es sich die Klägerin vorgestellt habe und dass diese keinen Erfolg der gewählten Therapie bei der seinerzeit von ihr ausgewählten Therapeutin sehe, begründe keine Unzumutbarkeit im Sinne des § 59 SGB X. Die unter Ziffer 1 des Vergleichs durch die Beklagte übernommene Zusage der Kosten und Übernahme der darin festgehaltenen Therapien bei Dr. D. seien von der Beklagten auch gewährt worden. Insofern sei dieser Teil bereits erfüllt. Die Therapie sei auch zeitlich limitiert gewesen, wie sich aus dem geschlossenen Vergleich ergebe. Insofern sei unerheblich, ob Dr. D. eine weitere, zu Lasten der Krankenkasse durchzuführende Therapie vornehme oder nicht. Hinsichtlich der Anerkennung weiterer Unfallfolgen seien auch diese durch den geschlossenen Vergleich geregelt worden. Insoweit sei ebenfalls keine Unzumutbarkeit erkennbar, an dem Vergleich festzuhalten.

Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid am 17. Dezember 2019 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. 

Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, streitgegenständlich sei nur Ziffer 1 des Vergleichs. Da § 1 Nr. 2 SGB VII bzw. § 26 Abs. 2 SGB VII i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) nicht dispositiv seien, sei die davon abweichende Ziffer 1 des vom Sozialgericht protokollierten Vergleiches unwirksam und deshalb änderungsbedürftig. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe die Klägerin einen Antrag nach § 48 SGB X gestellt, nämlich im Schreiben vom 14. Februar 2019. Das Sozialgericht habe auch nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen, weil es mehrfach gegen die Grundrechte der Klägerin (Art. 103 Abs. 1, 19 Abs. 4, 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -, faires Verfahren) verstoßen habe und die Sache besondere Schwierigkeiten aufweise sowie grundsätzliche Bedeutung habe. Hinsichtlich der Hilfsanträge habe die Beklagte eine Anerkenntniserklärung bereits ausweislich der Niederschrift vom 10. Januar 2017 zu Gerichtsprotokoll gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG hätte folglich das Sozialgericht den Rechtsstreit durch Anerkenntnisurteil zu Lasten der Beklagten beenden müssen. Dies sei seitens des Sozialgerichts prozessordnungswidrig einfach übergangen worden. Das Sozialgericht habe auch entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag der Klägerin entgegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen. Die Klägerin ist der Auffassung, das Verfahren S 19 U 134/14 sei nicht durch „privatrechtlichen“ Vergleich, sondern durch „gerichtlich festgestellten“ Vergleich beendet worden. Dies habe die Kammervorsitzende nochmals in einem Schreiben festgestellt, wobei zudem seitens des Sozialgerichts eine vollstreckbare Ausfertigung übermittelt worden sei, was nur bei einem gerichtlichen Vergleich möglich sei. Über § 202 Satz 1 SGG sei auch § 278 Abs. 6 ZPO anwendbar. Ob § 278 Abs. 6 ZPO anwendbar sei, entscheide ausschließlich das Sozialgericht. Daher sei auch eine Abänderungsklage nach § 323a ZPO i. V. m. § 202 Satz 1 SGG zulässig. Nach § 1 Nr. 2 SGB VII sei es Aufgabe der Unfallversicherung, nach Eintritt von Arbeitsunfällen die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie durch Geldleistungen zu entschädigen. Gegen diese zwingende gesetzliche Vorgabe habe der gerichtliche Vergleich vom 18. Dezember 2018 in Ziffer 1 verstoßen, indem die dort genannte Dr. D. nicht mehr zur Verfügung stehe und die Beklagte sich zu Lasten der Klägerin weigere, weitere Behandlungen in Sachen PTBS bei einer anderen Therapeutin nach Wahl der Klägerin zu bezahlen. Die Abänderungsklage sei auch begründet. Die Klägerin habe einen Änderungsanspruch, weil die Ziffer 1 des gerichtlichen Vergleiches nicht mit § 1 Nr. 2 SGB VII in Einklang stehe, also gegen eine zwingende Norm verstoße. Es habe sich eine schwerwiegende Veränderung der im Vergleich beschriebenen Umstände ereignet. Zwar sei der Anspruch nach Ziffer 1 des Vergleichs, wonach die Beklagte die Kosten der Therapie bei Dr. D. bis zum Abschluss der genehmigten zehn Einheiten trage, bereits erfüllt. Für die Zeit danach weiche Ziffer 1 aber von der zwingenden Norm des § 1 Nr. 2 SGB VII ab. Die Formulierung der Beklagten im Protokoll vom 10. Januar 2017 sei zudem als Anerkenntnis auszulegen. Hierin liege mehr als nur eine Absichtserklärung. Eine ärztliche Behandlung sei auch Gegenstand des Verfahrens S 19 U 134/14 gewesen. Denn im Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2014 werde eine Kostenübernahme von Heilbehandlungsmaßnahmen abgelehnt. Das Sozialgericht habe nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen, so dass die Berufung zulässig sei und zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung seitens des LSG führen müsse. Der vom Sozialgericht zitierte § 48 SGB X sei nicht einschlägig, weil der gerichtliche Vergleich kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sei. Mit dem Bescheid vom 4. April 2018 habe auch das Vorverfahren begonnen, welches über einen Widerspruch der Klägerin zum „Bescheid Nr. 3“ der Beklagten vom 17. September 2018 führe. Im gerichtlichen Vergleich vor dem Sozialgericht sei nicht geregelt worden, was geschehen solle, wenn Dr. D., wie hier, sich weigere, weiter zur Verfügung zu stehen.

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Dezember 2019 wird der vom Sozialgericht Wiesbaden am 18. Dezember 2018 protokollierte Vergleich gemäß § 313 Abs. 1 und 2 BGB wie folgt geändert:
Ziff. 1. des vom Sozialgericht Wiesbaden protokollierten Vergleichs erhält folgenden Wortlaut:
„Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für die aufgrund der Unfallfolgen weiterhin erforderliche Therapie einer posttraumatischen Belastungsstörung bei einer geeigneten Therapeutin nach Wahl von Frau A. (z.B. Frau Dr. H.) bzw. einem anderen geeigneten Therapeuten bis hin zu einem Abschlussgespräch ohne zeitliche Begrenzung zu übernehmen. Hierbei können auch die Ereignisse des Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik vom 18. bis 20. Dezember 2013 und der psychologischen Untersuchungen in der Praxis E. vom 21. Februar 2014 und 14. März 2014 besprochen werden.“,
hilfsweise,
unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Dezember 2019 wird der vom Sozialgericht Wiesbaden am 18. Dezember 2018 protokollierte Vergleich gemäß § 313 Abs. 1 und 2 BGB wie folgt geändert:
Ziff. 1. des vom Sozialgericht Wiesbaden protokollierten Vergleichs erhält folgenden Wortlaut:
„Die Beklagte hat ausweislich dem gerichtlichen Terminsprotokoll vom 10. Januar 2017, Seite 2 folgende Anerkenntniserklärung abgegeben:
„Die Terminsvertreterin der Beklagten erklärt sich bereit, die Kosten für eine Therapie im Laufe des Verfahrens zu übernehmen und der Klägerin geeignete Traumatherapeuten zu benennen.“
Aufgrund dieser Anerkenntniserklärung der Beklagten hat die Beklagte die Kosten für die aufgrund der Unfallfolgen weiterhin erforderliche Therapie einer posttraumatischen Belastungsstörung bei einer geeigneten Therapeutin nach Wahl von Frau A. (z.B. Frau Dr. H.) bzw. einem anderen geeigneten Therapeuten bis hin zu einem Abschlussgespräch über den eingetretenen Behandlungserfolg ohne zeitliche Begrenzung zu übernehmen. Hierbei können auch die Ereignisse des Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik vom 18. bis 20. Dezember 2013 und der psychologischen Untersuchungen durch Frau Dipl.-Psychologin F. in der Praxis E. vom 21. Februar 2014 und 14. März 2014 besprochen werden.“

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung auch in Ansehung der Berufungsbegründung für richtig. Alleine die Unzufriedenheit einer der Beteiligten mit dem Vertrag genüge nicht, um die Unzumutbarkeit am Festhalten im Sinne des § 59 SGB X anzunehmen. Die Anerkennung weiterer Unfallfolgen oder die weitere Therapie seien nicht Streitgegenstand in diesem Verfahren.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 20. März 2020 unter anderem darauf hingewiesen, dass in dem Verfahren S 19 U 134/14 kein gerichtlicher Vergleich geschlossen worden sei, weil § 278 Abs. 6 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht über § 202 Satz 1 SGG anwendbar sei. Die Klägerin hat daraufhin den Berichterstatter als befangen abgelehnt. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 14. Mai 2020 (L 9 SF 28/20 AB) zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Akten der sozialgerichtlichen Verfahren S 19 U 134/14 und S 19 U 28/19 und die Beklagtenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.


Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat ohne Verfahrensfehler (1.) im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Denn diese ist zwar zulässig (2.), aber unbegründet (3.).

1. Das Sozialgericht hat ohne Verfahrensfehler über die Klage entschieden.

Es konnte zum einen durch Gerichtsbescheid entscheiden. Denn die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten sachlicher oder rechtliche Art auf und der Sachverhalt ist geklärt, § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG. Die Beteiligten wurden auch vorher gehört, § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG. Selbst wenn diese Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten und das Sozialgericht daher den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen hätte, würde dieser Verfahrensverstoß durch die Entscheidung des Senats geheilt (siehe O. Schmitt, SGb 2015, 662, 668), weil dadurch die Entscheidung durch Gerichtsbescheid prozessual überholt ist (BSG, Beschluss vom 30. Oktober 2020, B 4 AS 267/20 B, juris, Rn. 8).

Das Sozialgericht hätte zudem auch nicht durch Anerkenntnisurteil entscheiden müssen. Denn die Beklagte hat in der Sitzung vom 10. Januar 2017 bereits kein Anerkenntnis abgegeben. Ein Anerkenntnis ist das im Wege einseitiger Erklärung gegebene uneingeschränkte Zugeständnis, dass der mit der Klage geltend gemachte Anspruch besteht; damit gibt der Beklagte „ohne Drehen und Wenden“ zu, dass sich das Begehren des Klägers aus dem von ihm behaupteten Tatbestand ergibt (B. Schmidt, in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 101 Rn. 20). Abgesehen davon, dass Streitgegenstand des Verfahrens S 19 U 134/14 kein Anspruch auf Heilbehandlung, sondern auf „Entschädigungsleistungen“ war, hat die Beklagte an diesem Tag bereits keine Erklärung mit hinreichend konkretem Rechtsbindungswillen abgegeben. Ausweislich des Protokolls sollte lediglich das weitere Vorgehen besprochen werden. Die Beklagte hat sich dazu bereit erklärt, „im Laufe des Verfahrens“ Kosten zu übernehmen, also noch nicht am 10. Januar 2017. Außerdem wurde der Umfang der Kostentragungspflicht nicht weiter konkretisiert.

2. Die Klage ist zulässig, allerdings nicht als Abänderungsklage nach § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 323a ZPO (a), sondern als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG (b).

a) Die Abänderungsklage nach § 202 Satz 1 SGG i. V. m. 323a ZPO ist nicht statthaft. Hierbei kann dahinstehen, ob diese Klage generell nicht statthaft ist, wenn es um die Abänderung eines sozialrechtlichen Vergleiches geht. Denn jedenfalls setzt die Abänderungsklage nach § 323a ZPO voraus, dass ein gerichtlicher Vergleich geschlossen oder in einem außergerichtlichen Vergleich die Regelung des § 323a ZPO vereinbart wurde (siehe BGH, FamRZ 60, 60; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 42. Aufl. 2021, § 323a Rn. 3, 5). Beides ist hier nicht der Fall. Eine Anwendung des § 323a ZPO wurde von den Beteiligten nicht vereinbart. 

Es liegt auch kein Prozessvergleich vor, sondern lediglich ein außergerichtlicher Vergleich mit dem Inhalt des Angebotes der Klägerin vom 2. März 2018, der mit Zugang der Annahme der Beklagten vom 19. März 2018 zustande gekommen ist. Insbesondere konnten die Beteiligten keinen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO schließen. Denn diese Norm ist in einem sozialgerichtlichen Verfahren nicht - über § 202 Satz 1 SGG - anwendbar (siehe dazu ausführlich O. Schmitt, NZS 2020, 649, 650 ff.).

Da der Prozessvergleich eine verfahrensbeendende Prozesshandlung und einen Vollstreckungstitel darstellt, ist – im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Beteiligten – Formstrenge geboten, sodass er nur dann wirksam sein kann, wenn er nach den maßgeblichen gesetzlichen Formvorschriften geschlossen wurde (BGH, Urteil vom 14. Juli 2015, VI ZR 326/14, NJW 2015, 2965, 2966; O. Schmitt, NZS 2020, 649, 650). Das SGG kennt – ebenso wie § 106 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – zwei Formen, wie ein gerichtlicher Vergleich zustande kommt, nämlich durch Protokollierung in einem Termin (§ 101 Abs. 1 Satz 1) oder durch schriftliche oder zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung erklärte Annahme eines in Beschlussform ergangenen Vergleichsvorschlags des Gerichts (§ 101 Abs. 1 Satz 2). 

Nach § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten (oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklären) - 1. Alt. - oder einen schriftlichen (oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten) Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz (oder Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung) gegenüber dem Gericht annehmen - 2. Alt. -. Das Gericht stellt sodann das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs durch Beschluss fest (§ 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO). Vor der Anfügung des Satzes 2 in § 101 Abs. 1 SGG (durch Art. 7 Nr. 9 des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 19. Oktober 2013, BGBl. I 2013, 3836) sah das SGG nur den Vergleichsschluss in einem Termin vor. Ob daneben § 278 Abs. 6 ZPO angewendet werden konnte, war umstritten (dafür z. B. offenbar BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 17/13 R, NZS 2014, 276, 279; a. A. z. B. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. August 2013, L 20 SO 50/12, BeckRS 2013, 71883). Die unklare Rechtslage war Anlass für den Gesetzgeber, § 101 Abs. 1 SGG um einen Satz 2 zu ergänzen. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zu dem (unverändert verabschiedeten) Entwurf heißt es dazu: „Die Regelung dient der Verfahrensbeschleunigung. Die weitere Vergleichsmöglichkeit kann die Verfahrensbeendigung durch Vergleich beschleunigen und unnötige Gerichtstermine vermeiden. Mit dieser Regelung wird eine ausdrückliche Bestimmung zur schriftlichen Annahme eines Vergleichs in das Sozialgerichtsgesetz eingefügt, so dass auch der Streit um die Rechtsfrage beendet ist, ob die entsprechende Regelung in § 278 Abs. 6 ZPO über § 202 SGG anwendbar ist. Die Regelung dient insoweit der Klarstellung. Sie entspricht § 106 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.“ (BT-Drs. 17/12297, S. 39). Das BSG hat für diese neue Rechtslage die Frage der Anwendbarkeit des § 278 Abs. 6 ZPO (1. Alt.) ausdrücklich offengelassen (BSG, Urteil vom 29. August 2019, B 14 AS 43/18 R, BeckRS 2019, 31808, Rn. 15).

Die Gesetzesbegründung spricht aber (unabhängig davon, dass § 202 Satz 1 SGG auf § 278 Abs. 5 ZPO, nicht aber auch auf Abs. 6 verweist) recht deutlich dafür, dass § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG den Vergleich im schriftlichen Verfahren abschließend regelt, mithin ein Rückgriff auf § 278 Abs. 6 ZPO gerade ausgeschlossen werden soll (O. Schmitt, NZS 2020, 649, 650; ähnlich Roller, in: Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 101 Rn. 11; im Ergebnis ebenso BeckOK/Hintz, 53. Ed. 1.6.2019, SGG, § 101 Rn. 3b). Durch die Neuregelung wird das Ziel des Gesetzgebers, Gerichtstermine nicht lediglich zur Protokollierung eines Vergleichs durchzuführen, erreicht. Dass dies zur Verfahrensbeschleunigung führt, ist evident. Zwar hätte der Ausschluss eines Rückgriffs auf § 278 Abs. 6 ZPO in der Gesetzesbegründung noch etwas ausdrücklicher formuliert werden können (vgl. dazu die Kritik von Hahn, NZS 2014, 368, 372). Wenn aber der Gesetzgeber eine Regelung im SGG einführt, die zumindest strukturell überwiegend § 278 Abs. 6 ZPO entspricht, und zugleich den Streit um dessen Anwendbarkeit beenden will, dann kann dies nur so verstanden werden, dass § 278 Abs. 6 ZPO gerade nicht gelten soll (O. Schmitt, NZS 2020, 649, 651; in diesem Sinne bereits Schütz, jurisPR-SozR 4/2017 Anm. 6). Dieser gesetzgeberische Wille ist dann vom Rechtsanwender zur respektieren, auch wenn ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO für prozessökonomisch sinnvoll gehalten wird (O. Schmitt, NZS 2020, 649, 650). Denn eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in dessen Kompetenzen ein (BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018, 1 BvL 7/14 u. a., NJW 2019, 351, 354). 

Dennoch halten Teile der Literatur § 278 Abs. 6 ZPO (weiterhin) für insgesamt anwendbar. Als Begründung wird angeführt, dass es für dessen Ausschluss weder Hinweise im Wortlaut oder Gesetzgebungsverfahren noch einen sachlichen Grund gebe; § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO differiere zudem lediglich „im Verfahren“, weise jedoch keinen „grundsätzlichen Unterschied“ i. S. d. § 202 Satz 1 SGG auf; die Rechtsfolgen seien identisch (Müller, NZS 2014, 166, 167); im Ergebnis ebenso Hennig/Hauck, SGG, § 101 Rn. 6, 15, Stand: September 2016), wobei der Gesetzgeber mit der Neuregelung eine Verfahrensbeschleunigung und keine „hindernde Formalisierung“ angestrebt habe (Müller, in: Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl. 2021, § 101 Rn. 19). Nach einer vermittelnden Auffassung soll immerhin die 1. Alt. des § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO anwendbar sein; § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG sei lediglich im Hinblick auf einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag abschließend (B: Schmidt, in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 101 Rn. 9; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Mai 2019, L 31 AS 727/19 B, BeckRS 2019, 15538). Wenn der Gesetzgeber eine Verfahrensbeschleunigung habe erreichen wollen, könne damit nicht gemeint sein, dass das Gericht ein ihm mitgeteiltes Ergebnis einer außergerichtlichen Verhandlung den Beteiligten anschließend als seinen Vergleichsvorschlag präsentieren und die Annahmeerklärungen abwarten müsse, da dies formalistisch sei und zu Verfahrensverzögerungen führe; der besondere Schutz der strukturell benachteiligten Seite im SGG komme nicht zum Tragen, wenn die Initiative zum Vergleich von den Beteiligten ausgehe; generell lasse sich ein Bedürfnis feststellen, Gerichtsverfahren möglichst effizient zu betreiben (Breitkreuz, ASR 2014, 52, 55). 

Diese Argumentationen berücksichtigen die Gesetzesbegründung nur unzureichend und setzen letztlich die eigenen (rechtspolitischen) Vorstellungen von einem ökonomischen Gerichtsverfahren an die Stelle der gesetzgeberischen Grundentscheidung; Prozessökonomie kann nur dann eine verfahrensrechtliche Auslegungsrichtlinie sein, wenn keine zwingenden Vorschriften entgegenstehen (vgl. Schöplin, JR 2003, 485, 490; Berchtold, NZS 2001, 401, 408), was hier aber angesichts des eindeutigen gesetzgeberischen Willens gerade der Fall ist (O. Schmitt, NZS 2020, 649, 651). Zudem gibt es sehr wohl einen sachlichen Grund für die von § 278 Abs. 6 ZPO abweichende Regelung im SGG: In Sozialgerichtsverfahren stehen sich häufig rechtsunkundige, nicht anwaltlich vertretene Kläger (für die es um existenzielle Leistungen geht) und Behörden gegenüber; ein von ihnen (ohne Beteiligung des Gerichts) ausgehandelter Vergleichsvorschlag würde die Gefahr einer den Kläger benachteiligenden Regelung in sich bergen; von einer Verhandlung auf Augenhöhe kann hier häufig nicht die Rede sein; würde ein solcher Vergleichsvorschlag dem Gericht nach § 278 Abs. 6 Satz 1, 1. Alt. ZPO vorgelegt werden, könnte das Gericht einen Feststellungsbeschluss nur ablehnen, wenn der Vergleich unwirksam wäre (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2017, XII ZB 71/16, NJW 2017, 1946, 1949); Müller-Teckhof, MDR 2014, 249, 250); kommt hingegen der Vorschlag vom Gericht, bietet dies hinreichende Gewähr für eine faire und ausgewogene Regelung; es entspricht daher gerade der sozialen Schutzkonzeption des SGG, dass ein schriftlicher Vergleich nur nach gerichtlichem Vorschlag zu Stande kommen kann (O. Schmitt, NZS 2020, 649, 651). Ebenfalls kein stichhaltiges Argument für die Anwendung von § 278 Abs. 6 ZPO ist die Formulierung in der Gesetzesbegründung, wonach es sich bei § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG um eine „weitere Vergleichsmöglichkeit“ handelt (so aber Stäbler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 101 SGG Rn. 5, Stand: 06.01.2020). Denn die andere Möglichkeit ist diejenige nach § 101 Abs. 1 Satz 1 SGG, nicht aber eine nach § 278 Abs. 6 ZPO (O. Schmitt, NZS 2020, 649, 651). 

Dass der Gesetzgeber von einer abschließenden Regelung des schriftlichen Vergleichs im sozialgerichtlichen Verfahren durch § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG und einer Nichtanwendbarkeit von § 278 Abs. 6 ZPO ausgeht, wird auch durch die Gesetzesbegründung zur Änderung der beiden Vorschriften zum 1. Januar 2020 bestätigt: „§ 101 Absatz 1 Satz 2 SGG (…) erleichtert die Modalitäten eines gerichtlichen Vergleichsabschlusses in Verfahren vor den Sozialgerichten in entsprechender Weise wie § 278 Absatz 6 Satz 1 ZPO-E für Verfahren vor den Zivilgerichten.“ (BT-Drs. 19/13828, S. 24).

Schließen die Beteiligten – wie hier - dennoch einen Vergleich in der Form des § 278 Abs. 6 ZPO, beendet dieser den Prozess nicht (LSG Sachsen, NZS 2010, 796, 799; O. Schmitt, NZS 2020, 649, 651). 

Eine andere Frage ist, ob ein schriftlicher Vergleich nach der Nr. 3104/3106 VV-RVG vorliegt, der zur Entstehung der Terminsgebühr führt. Überwiegend wird als „schriftlicher Vergleich“ in diesem Sinne auch ein Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO angesehen (z. B. vom LSG Thüringen, Beschluss vom 20. Februar 2019, L 1 SF 294/18 B, BeckRS 2019, 3626), während die Gegenpositionen entweder einen außergerichtlichen Vergleich ausreichen lassen (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 14. März 2018, L 13 SB 1/17 B, BeckRS 2018, 5720) oder umgekehrt einen Vergleich nach § 101 Abs. 1 SGG für notwendig erachten (LSG Bayern, Beschluss vom 29. November 2016, L 15 SF 97/16 E, ASR 2017, 121; a. A. nun der 12. Senat des LSG Bayern, BeckRS 2020, 8462 Rn. 21). Lediglich im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens ist insofern aber die Entscheidung des Prozessgerichts über die Anwendbarkeit des § 278 Abs. 6 ZPO zugrunde zu legen (LSG Thüringen, Beschluss vom 20. Februar 2019, L 1 SF 294/18 B, BeckRS 2019, 3626; O. Schmitt, NZS 2020, 649, 652). 

b) Die Klage ist allerdings als allgemeine Leistungsklage zulässig, § 54 Abs. 5 SGG. Sie ist statthaft. Denn die Vertragspartei, die eine Anpassung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages begehrt, kann Leistungsklage mit dem Ziel einer entsprechenden Vertragsanpassung erheben; ein der Klage stattgebendes Urteil ersetzt nach § 202 SGG i. V. m. § 894 ZPO die verweigerte Willenserklärung zur Vertragsänderung (P. Becker, in: Hauck/Noftz, § 59 SGB X Rn. 81, Stand: 2014). Das für das Rechtsschutzbedürfnis notwendige vorausgegangene Anpassungsverlangen (P. Becker, in: Hauck/Noftz, § 59 SGB X Rn. 82, Stand: 2014) der Klägerin gegenüber der Beklagten liegt ebenfalls vor. 

3. Die Klage ist aber sowohl im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag unbegründet. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Anpassung des geschlossenen (außergerichtlichen) Vergleiches. 

Anspruchsgrundlage hierfür kann nur § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X sein. § 313 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - (Wegfall der Geschäftsgrundlage) ist nicht über § 61 SGB X anwendbar, weil § 59 SGB X eine einschlägige vorrangige Regelung enthält (P. Becker, in: Hauck/Noftz, § 61 SGB X Rn. 111 m. w. N., Stand: 2014; jurisPK-SGB X, 2. Aufl./Hissnauer, § 59 Rn. 7, Stand: 13.05.2019).

a) Es kann dahinstehen, ob § 59 SGB X im Falle eines Vergleichsvertrages regelmäßig zugunsten von § 48 Abs. 1 SGB X abbedungen ist (so Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, § 48 SGB X Rn. 12; offen gelassen von BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 16/09 R, juris, Rn. 16) oder ob umgekehrt § 48 SGB X wegen der Vertragsbindung der Beteiligten gegenüber § 59 SGB X zurücktritt (so Engelmann, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 59 Rn. 7).

b) Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Anpassung des Vergleichsvertrages nach § 59 SGB X nicht erfüllt.

(1) Die Vorschrift ist anwendbar. Denn ein wirksamer öffentlich-rechtlicher Vertrag i. S. d. § 53 SGB X liegt vor. 

(a) Der Vergleichsvertrag ist wirksam zustande gekommen. Denn es liegen zwei übereinstimmende Willenserklärungen vor (§ 61 Satz 2 SGB X i. V. m. §§ 145 ff. BGB), ohne dass ein Nichtigkeitsgrund nach § 58 SGB X (oder eine schwebende Unwirksamkeit nach § 57 SGB X) einschlägig wäre. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Ziffer 1 des Vergleichs nicht unwirksam. Die Nichtigkeitsgründe des § 58 SGB X sind abschließend und eng normiert. Ein dort geregelter Fall liegt nicht vor. Ein bloßer Rechtsverstoß, z. B. gegen § 1 Nr. 2 SGB VII, würde noch nicht die Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge haben.

(b) Der Vertrag wurde auch von der Klägerin nicht (mit der Folge der Nichtigkeit ex tunc) angefochten, § 62 Satz 1 SGB X i. V. m. § 142 Abs. 1 BGB.

Wäre der Vergleich nichtig, wie die Klägerin meint, würde dies einen Anspruch nach § 59 SGB X sogar ausschließen. 

(2) Einem Änderungsanspruch hinsichtlich der Ziff. 1 des Vertrages steht es nicht entgegen, dass die Beklagte ihre entsprechende Verpflichtung bereits erbracht hat. 

Zwar erlischt nach § 362 BGB das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Das betrifft aber nur den Anspruch des Gläubigers auf die Leistung. Damit endet nicht notwendigerweise auch das Schuldverhältnis im weiteren Sinn. Das Schuldverhältnis wirkt jedenfalls als Rechtsgrund für die empfangene Leistung (§ 812 BGB) fort. Bezogen auf die Rechtswirkung kommt mithin eine Anpassung des Vertrages auch nach Erfüllung noch in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012, 8 C 4/11, juris, Rn. 48, zu § 60 VwVfG; a. A. Wehrhahn, in: Kasseler Kommentar, § 59 SGB X Rn. 2, Stand: 117. EL Dezember 2021).

Soweit das Begehren der Klägerin (auch) auf die ordnungsgemäße Erfüllung des Vergleiches abzielt, ist eine Klage auf Anpassung nach § 59 SGB X dafür zudem der falsche Weg.

(3) Die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen allerdings nicht vor. Danach kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhaltes an die geänderten Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass der Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen Regelung nicht zuzumuten ist. 

Die Vorschrift durchbricht als einfachrechtliche Normierung des Grundsatzes der „clausula rebus sic stantibus“ (Vorbehalt gleichbleibender Verhältnisse) den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz „pacta sunt servanda“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012, 8 C 4/11, juris, Rn. 46, zu § 60 VwVfG).

(a) Es liegt bereits keine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. d. § 59 SGB X vor.

(aa) Diese Verhältnisse, d. h. die Geschäftsgrundlagen, umfassen die dem Vertrag zugrundeliegenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien und die von einer Partei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei, auf denen der Vertrag aufbaut (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012, 8 C 4/11, juris, Rn. 57, zu § 60 VwVfG; P. Becker, in: Hauck/Noftz, § 59 SGB X Rn. 39, Stand: 2014).

Entgegen dem Vortrag der Klägerin sind die Parteien nicht davon ausgegangen, dass Dr. D. weiterhin für die aufgrund der Unfallfolgen erforderliche und von ihr durchzuführende Therapie bis zu einem Abschlussgespräch zur Verfügung stehe und die Beklagte die dafür entstehenden Kosten auch für diese Dauer übernimmt. Eine solche Vorstellung der Klägerin war für die Beklagte auch nicht erkennbar. Gegen beides spricht bereits die ausdrückliche Begrenzung der bewilligten Einheiten in der Ziffer 1 des Vergleiches sowie dessen Ziffer 3, wonach Funktionseinschränkungen nach dem 30. November 2014 nach Auffassung der Beklagten nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Von einer PTBS war im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses auch offenbar keine Rede. Vielmehr folgt aus dem Vergleich, dass es um eine Anpassungsstörung als zu behandelnde Krankheit ging. Es handelt sich bei den vorgetragenen Vorstellungen der Klägerin vielmehr um inneren Motive und Beweggründe, die indes keine „Verhältnisse“ i. S. d. § 59 SGB X darstellen (vgl. P. Becker, in: Hauck/Noftz, § 59 SGB X Rn. 40, Stand: 2014).

(bb) Selbst, wenn eine Änderung der Verhältnisse eingetreten wäre, wäre diese jedenfalls nicht wesentlich. 

Die Anforderungen an die Wesentlichkeit sind angesichts des Wortlauts („so“) und der Vertragsbindung höher als nach § 48 SGB X (BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012, B 11 AL 15/11 R, juris, Rn. 34). Erforderlich ist unter anderem, dass die Partei bei Kenntnis der Änderung den Vertrag nicht (mit diesem Inhalt) geschlossen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012, 8 C 4/11, juris, Rn. 57, zu § 60 VwVfG). Davon kann aber bereits nicht ausgegangen werden, da der Vergleich angesichts der konkreten Situation für die Klägerin bei objektiver Betrachtung durchaus günstig war. Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens war nämlich weder eine konkrete Behandlung noch die Feststellung einer Unfallfolge, sondern „Entschädigungsleistungen“, also Verletztengeld und Verletztenrente. Durch den Vergleich hat die Klägerin eine zeitnahe Leistungszusage der Beklagten erreicht, für die andernfalls die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens und evtl. eines weiteren Gerichtsverfahrens notwendig gewesen wäre.

(b) Erst Recht wäre ein Festhalten an der Ziffer 1 im Falle einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse für die Klägerin nicht unzumutbar. 

Davon wäre nämlich erst dann auszugehen, wenn das Festhalten an der ursprünglichen Regelung mit Recht und Gerechtigkeit sowie Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr zu vereinbaren wäre und zu einem eklatanten Missverhältnis der Leistungspflichten und einem schwerwiegenden Nachteil für die Partei führen würde (siehe z. B. jurisPK-SGB X, 2. Aufl./Hissnauer, § 59 Rn. 15 ff., Stand: 13.05.2019). Hierbei ist nicht auf das subjektive Empfinden der Vertragspartei abzustellen, sondern ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012, 8 C 4/11, juris, Rn. 64, zu § 60 VwVfG). 

Von einer solchen Situation kann aber nicht im Ansatz die Rede sein. Dass sich über die von der Beklagten bewilligten Einheiten hinaus weiterer Behandlungsbedarf ergeben könnte, war vielmehr ein Risiko, welches vertraglich der Klägerin zugewiesen wurde. Denn durch die Ziffer 1 des Vertrages wurde die Kostenpflicht der Beklagten explizit begrenzt. Das Nachgeben der Klägerin beim Abschluss des Vergleiches war auch nur äußerst geringfügig, sodass ein Missverhältnis der Leistungspflichten nicht vorliegt. Bezogen auf die verfahrensgegenständliche Ziffer 1 lag überhaupt kein Nachgeben vor, weil ein Anspruch auf Therapie nicht Streitgegenstand war.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

III. Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.

Rechtskraft
Aus
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