L 2 AS 371/22 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 38 AS 1288/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 371/22 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 19.01.2022 abgeändert.

Den Klägern wird für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H, N-Straße 12, L, bewilligt.

 

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, das auf die Übernahme von Mietrückständen gerichtet ist.

Die am 00.00.1959 geborene Klägerin zu 1) und der am 00.00.1948 geborene Kläger zu 2) sind miteinander verheiratet. Die Klägerin zu 1) bezieht bei dem Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger zu 2) bezieht eine Rente wegen Alters und gegenwärtig auch aufstockende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Im gemeinsamen Haushalt lebte zunächst auch die am 00.00.1997 geborene Tochter der Kläger.

Mit an die Klägerin zu 1) gerichtetem Bewilligungsbescheid vom 18.11.2019 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.11.2019 und 05.12.2019 bewilligte der Beklagte dieser sowie ihrer Tochter aufgrund des Weiterbewilligungsantrags vom 12.11.2019 für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von kopfanteiligen (ausgehend von 3 Bewohnern) tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von je 150,00 Euro Grundmiete und 66,67 Euro kalten Betriebskosten. Kosten der Heizung, die bis Dezember 2019 bei kopfanteiligen 42,33 Euro gelegen hatten, setzte der Beklagte bei der Errechnung des Bedarfs nicht (mehr) an. Der Antrag wurde im Übrigen abgelehnt, da der Kläger zu 2) wegen des Bezugs einer Altersrente keinen Leistungsanspruch habe (wie schon zuvor).

Mit einer Kostensenkungsaufforderung vom 05.12.2019 wies der Beklagte die Klägerin zu  1) darauf hin, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft nicht angemessen seien. Die tatsächliche Bruttokaltmiete betrage 650,00 Euro, angemessen seien für einen Drei-Personen-Haushalt allerdings nur 539,20 Euro. Die Klägerin zu 1) wurde mit Fristsetzung bis zum 30.06.2020 zu einer Kostensenkung aufgefordert. Zugleich wurde sie darüber informiert, dass ab Juli 2020 bei der Berechnung der Leistungen eine Berücksichtigung nur noch der angemessenen Kosten der Unterkunft erfolgen könne.

Da der Beklagte davon ausging, dass die Tochter der Kläger zum 31.05.2020 ausgezogen sei und geheiratet habe, erging unter dem 06.05.2020 ein weiterer Änderungsbescheid gegenüber der Klägerin zu 1), mit dem ab Juni 2020 nur noch dieser Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bewilligt und für die Zeit ab Juli 2020 als Bedarf lediglich 269,60 Euro (hälftige angemessene Kosten der Unterkunft für einen Drei-Personen-Haushalt) berücksichtigt wurden. Anknüpfend an den Auszug der Tochter der Kläger aus der Wohnung forderte der Beklagte die Klägerin erneut unter dem 06.05.2020 zur weiteren Kostensenkung bis zum 31.12.2020 auf. Für einen Zwei-Personen-Haushalt sei eine Bruttokaltmiete nur in Höhe von 431,60 Euro angemessen.

Am 18.09.2020 legten die Kläger kommentarlos ein Mietangebot über eine 54 qm große Wohnung in L, C-Straße 20, Erdgeschoss, mit einer Kaltmiete in Höhe von 370,00 Euro, Heizkosten in Höhe von 48,32 Euro und Nebenkosten in Höhe von 51,68 Euro sowie Kosten für eine Teilmöblierung (Einbauküche) in Höhe von 30,00 Euro monatlich, anmietbar zum 01.10.2020, vor. Unter dem 30.09.2020 erklärte der Beklagte seine Zustimmung zum Umzug; die Kosten der Unterkunft und Heizung seien angemessen. Jedoch seien die Kosten der Teilmöblierung nicht berücksichtigungsfähig.

Am 01.10.2020 reichten die Kläger den von ihnen und den Vermietern unterzeichneten Mietvertrag zum 01.10.2020 über die neue Wohnung ein. Mit Änderungsbescheid vom 06.10.2020 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) Leistungen für die Zeit vom 01.10.2020 bis 31.12.2020 unter Berücksichtigung der hälftigen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung. Nach Vorlage einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2019, aus der sich für die bisher innegehabte Wohnung in der S-Straße 61 in L eine Nachforderung in Höhe von 368,99 Euro ergab, bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) mit Änderungsbescheid vom 19.01.2021 weitere 72,00 Euro in Höhe des hälftigen Differenzbetrages zwischen den bei der Leistungsbewilligung berücksichtigten Vorauszahlungen und den höheren tatsächlichen Kosten.

Am 02.02.2021 übersandten die Kläger dem Beklagten eine Auflistung über Mietrückstände in der (alten) Wohnung und beantragten deren Übernahme. Danach lag der Negativsaldo zu Beginn des Jahres 2020 bei 2.391,82 Euro. In den Monaten Januar, Februar, April, Juni und Juli 2020 erfüllten die Kläger die laufenden Mietzinsforderungen vollständig, in den Monaten Februar, März, Mai, August 2020 zahlten sie statt der Betriebskostenabschläge in Höhe von 150,00 Euro lediglich 115,00 Euro, im September, Oktober und November 2020 leisteten sie (bis auf monatlich 35,00 Euro, wie zuvor, für die Garage) keine Zahlungen. Unter Berücksichtigung einer Sonderzahlung von 500,00 Euro im Februar 2020 und einer lediglich teilweisen Erfüllung in Höhe von 225,00 Euro auf eine Forderung in Höhe von 368,99 Euro für die „Abrechnung 2019“ betrug die offene Gesamtforderung 3.975,81 Euro, davon auf das Jahr 2020 entfallend 1.715,00 Euro.

Mit an die Klägerin zu 1) gerichtetem Bescheid vom 02.02.2021 lehnte der Beklagte die Übernahme von Mietrückständen gegenüber dieser ab. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 02.03.2021 machte die Klägerin zu 1) geltend, sie seien vom Beklagten zur Kostensenkung aufgefordert worden, es sei ihnen auch gelungen, eine kostenangemessene Wohnung zu finden. Allerdings hätten sie für die bisherige Wohnung keinen Nachmieter finden können. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2021 als unbegründet zurück: Die Kosten der Unterkunft und Heizung seien gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur für eine tatsächlich bewohnte Wohnung zu übernehmen; dies sei bezüglich der neu angemieteten Wohnung geschehen. Eine Übernahme der Mietrückstände als Darlehen nach § 22 Abs. 8 SGB II komme ebenfalls nicht in Betracht, da weder eine Wohnungslosigkeit drohe noch die Unterkunft aus anderen Gründen gesichert werden müsse.

Hiergegen haben die Kläger am 07.04.2021 Klage erhoben und für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H aus L, der seine Vertretungsbereitschaft erklärt hat, beantragt. Ohne anwaltliche Hilfe sei eine Begründung der Klage nicht möglich.

Mit Beschluss vom 19.01.2022 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg, da die Voraussetzungen für die Übernahme von Mietschulden gemäß § 22 Abs. 8 SGB II nicht erfüllt seien. Die Kläger seien zum 01.10.2020 in die neue Wohnung gezogen. Da sie bei Antragstellung am 02.02.2021 die Wohnung, für die die Mietrückstände aufgelaufen waren, schon nicht mehr bewohnt hätten, habe die Unterkunft im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr gesichert werden können.

Am Montag, dem 28.02.2022, haben die Kläger gegen den ihnen jeweils am 26.01.2022 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass die Mietschulden erst entstanden seien, nachdem der Beklagte zur Kostensenkung aufgefordert habe. Es sei ihnen trotz entsprechender Bemühungen nicht möglich gewesen, der ersten Kostensenkungsaufforderung mit Fristsetzung bis zum 30.06.2020 nachzukommen, da sie eine geeignete, der Behinderung des Klägers zu 2) angepasste Wohnung innerhalb dieser Frist nicht gefunden hätten. Vor Ablauf des zweiten Kostensenkungszeitraumes zum 31.12.2020 sei ihnen dann die Anmietung einer passenden Wohnung mit angemessenen Kosten gelungen. Ihnen dürften, auch wenn der Mietvertrag für die bisherige Wohnung nicht deckungsgleich zum Umzug habe gekündigt werden können, keine Nachteile daraus erwachsen, dass sie der Kostensenkungsaufforderung nachgekommen seien.

 

II.

1.

Die Beschwerde ist statthaft, weil der Beschwerdestreitwert von mehr als 750,00 Euro (vgl. §§ 172 Abs. 3 Nr. 2b, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) erreicht wird. Ihr Rechtsschutzziel im Hauptsacheverfahren auslegend, begehren die Kläger einen Ausgleich der offenen Mieten. Selbst bei Zugrundelegung nur der parallel ab dem Bezug der neuen Wohnung angefallenen Doppelmieten für die alte Wohnung liegt der Betrag bei zwei Mal 650,00 Euro, also bei zumindest 1.300,00 Euro. Die Beschwerde ist fristgerecht erhoben worden (vgl. § 173 Satz 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig. 

2.

Die Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu Unrecht abgelehnt.

Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder - verteidigung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Rechtsstandpunkt des Klägers für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 73a Rn. 7a ff. m.w.N.). Bei nur teilweise zu bejahender Erfolgsaussicht ist Prozesskostenhilfe unbeschränkt zu bewilligen (Schmidt, a.a.O.).

a.

Streitgegenstand des Klageverfahrens ist der Ablehnungsbescheid vom 02.02.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2021, mit dem der Beklagte den Antrag der Kläger vom 02.02.2021 auf Übernahme von Mietrückständen abgelehnt hat. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist dabei so zu lesen, dass der Beklagte die Abänderung (vgl. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) der im streitgegenständlichen Zeitraum bereits ergangenen, bestandskräftigen Bewilligungsbescheide unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mietrückstandes und damit die Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung weiterer Unterkunftskosten ablehnte. Streitgegenständlich ist daher auch der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 18.11.2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 05.12.2019 und vom 06.10.2020. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG i.V.m. § 56 SGG).

b.

Bei der am 07.04.2021 beim Sozialgericht erhobenen Klage der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) handelt es sich um eine subjektive Klagehäufung (§ 74 SGG i.V.m. § 59 ZPO). Bei einer subjektiven Klagehäufung ist im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung der klagenden Personen zu differenzieren (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.12.2010 – L 5 AS 371/09 B, Rn. 27, juris; LSG NRW, Beschluss vom 30.01.2019 – L 19 AS 1810/18 B, Rn. 21, juris).

aa.

Rechtsgrundlage eines Anspruchs der Klägerin zu 1) auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ist § 22 SGB II. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden im Rahmen der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Durch diese existenzsichernden Leistungen soll der persönliche Lebensbereich „Wohnung“ geschützt werden, sodass sich der Leistungsanspruch nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf die Sicherung des Grundbedürfnisses des Wohnens bezieht und deshalb grundsätzlich nur die Übernahme der Aufwendungen für die tatsächlich genutzte konkrete Wohnung umfasst, die den aktuellen räumlichen Lebensmittelpunkt bildet und den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt (st. Rspr. vgl. etwa BSG, Urteil vom 25.06.2015 – B 14 AS 40/14 R, Rn. 15, juris; BSG, Urteil vom 17.02.2016 – B 4 AS 2/15 R, Rn. 17, juris; BSG, Urteil vom 30.03.2017 – B 14 AS 13/16 R, Rn. 13, juris). Der Grundsatz, wonach die gleichzeitige Sicherung mehrerer Unterkünfte nicht in Betracht kommt, lässt indes Ausnahmen zu (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2019 – B 14 AS 2/19 R, Rn. 15 ff., juris).

Eine Ausnahmelage kann der Monat des Umzugs von einer alten in eine neue Wohnung sein, in dem für beide Wohnungen vertragliche Verpflichtungen zu Zahlungen für Unterkunft und Heizung bestehen, sog. „Doppelmiete“ bzw. „Überschneidungskosten“ (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2019, a.a.O., Rn. 15). Wird der Unterkunftsbedarf im Monat eines Umzugs durch die tatsächliche Nutzung sowohl der alten als auch der neuen Wohnung gedeckt, können die tatsächlichen Aufwendungen für beide in diesem Monat einen Lebensmittelpunkt bildenden Wohnungen als Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzuerkennen sein (vgl. BSG, a.a.O.). Dagegen kommt bei einer zeitlichen Überschneidung allein der vertraglichen Verpflichtungen zu Zahlungen für Unterkunft und Heizung für die alte und die neue Wohnung die Anerkennung der Aufwendungen für die nicht tatsächlich genutzte Unterkunft nur im Rahmen des § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II in Betracht, was insbesondere eine vorherige Zusicherung erfordert (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2019, a.a.O., Rn. 17). Die Anerkennung der Aufwendungen für die tatsächlich genutzte Unterkunft als Bedarf im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II setzt grundsätzlich voraus, dass die zeitliche Überschneidung sowohl der vertraglichen Verpflichtungen als auch der tatsächlichen Nutzung im Einzelfall nicht vermeidbar ist und die Bedarfe sich in diesem Sinne auch als konkret angemessen darstellen (BSG, Urteil vom 30.10.2019, a.a.O., Rn. 15 und Rn. 19).

Die Prüfung einer nach diesen Grundsätzen zu übernehmenden „Doppelmiete“ für den Umzugsmonat Oktober 2020 hat das Sozialgericht unterlassen. Das Sozialgericht ist ohne weitere Prüfung in seinem Beschluss davon ausgegangen, dass der Umzug in die neue Wohnung zum 01.10.2020 erfolgte. Nach Aktenlage ergibt sich allerdings, dass die Kläger am 18.09.2020 das Mietangebot für die neue Wohnung einreichten und der Beklagte seine Zustimmung zum Umzug am 30.09.2020 erklärte. Am 01.10.2020 ging der neue Mietvertrag mit Kostenvoranschlägen von drei Umzugsunternehmen im Rahmen der beantragten Bewilligung von Umzugskosten beim Beklagten ein. Der Beklagte, der aufgrund der körperlichen Beeinträchtigungen beider Kläger einen Umzug in Eigenregie für unzumutbar hielt, erklärte mit Schreiben vom 09.10.2020 die Zusicherung für eine Kostenübernahme in Höhe von 1.645,00 Euro für die Umzugsfirma Umzüge R. Ausweislich der Rechnung der Umzüge R vom 12.10.2020 erfolgte der Umzug der Kläger vom 10.-12.10.2020. Diese Aktenlage spricht dafür, dass es nach den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht möglich war, die Laufzeiten der vertraglichen Verpflichtungen für beide Unterkünfte so aufeinander abzustimmen, dass keine „Doppelmiete“ entsteht und die tatsächliche Nutzung beider Wohnungen im Umzugsmonat zu unterlassen. Der Frage, ob und ggf. ab wann eine zeitliche Überschneidung tatsächlich unvermeidbar war, muss das Sozialgericht durch weitere Tatsachenfeststellungen nachgehen. Insbesondere bedarf es auch Feststellungen dazu, ob und ggf. warum ein Umzug in die neue Wohnung und die Übergabe der alten Wohnung nicht früher durchgeführt werden konnten (etwa zum 15.10.2020) sowie ob und ggf. warum es nicht möglich war, dem Vermieter der alten Wohnung vor Ablauf der Kündigungsfrist einen von diesem zu akzeptierenden Nachmieter anzubieten. Aus dem Mietkonto ergibt sich, dass die alte Wohnung erst zu Ende November 2020 gekündigt wurde, so dass auch in diesem Monat Mietrückstände entstanden sind. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass im November 2020 keine tatsächliche Nutzung der Wohnung erfolgte, so dass es sich hierbei nur um Kosten nach § 22 Abs. 6 SGB II handeln kann, für die es an einer vorherigen Zusicherung fehlt (zu einer möglichen Ausnahme von diesem Erfordernis vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2019, a.a.O., Rn. 24, insbesondere im Hinblick auf eine möglicherweise fehlende einschlägige Beratung des Beklagten). Für die Monate Juli 2020 bis September 2020 wird das Sozialgericht, da in diesen Monaten ausweislich des Schriftsatzes des Beklagten vom 09.05.2022 nicht die tatsächlichen, sondern lediglich die aus Sicht des Beklagten angemessenen Kosten der Unterkunft übernommen wurden, auch noch die Frage nach der konkreten Angemessenheit der Unterkunftsaufwendungen zu prüfen haben, da es sich insgesamt um einen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung weiterer Unterkunftsaufwendungen handelt. Dabei ist auch dem Vortrag der Kläger nach einer subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung nachzugehen, als sie vortragen, dass sie der Kostensenkungsaufforderung mit einer Fristsetzung bis zum 30.06.2020 nicht nachkommen konnten, weil sie bis zu diesem Zeitpunkt trotz entsprechender Bemühungen eine ihren körperlichen Bedürfnissen entsprechende Wohnung nicht finden konnten. Die Angemessenheit der Unterkunftsaufwendungen ist auch für die Monate Oktober 2020 und November 2020 von Bedeutung, da bei einer Übernahme der Doppelmiete die Höhe der Aufwendungen für die alte Wohnung konkret beziffert werden müssen. Im Übrigen wird das Sozialgericht auch die Frage zu überprüfen haben, ob der Beklagte verfahrensrechtlich überhaupt die Bedarfe für die Unterkunft während des laufenden Bewilligungsabschnitts auf die angemessenen Bedarfe absenken durfte. Sofern sich der zeitliche Streitgegenstand auch auf die Zeit ab Januar 2020 erstreckt, wird das Sozialgericht zu ermitteln haben, ob und ggf. in welcher Höhe bei der Klägerin zu 1) ab 01.01.2020 bis zum Auszug aus der alten Wohnung Kosten der Heizung anzuerkennen sind.

bb.

Auch für das Begehren des Klägers zu 2) besteht eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit. Als Altersrentner bleibt er in einer Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1) (vgl. Leopold, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 7 Rn. 271), ein individueller Leistungsanspruch (zum Individualanspruch jedes Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R, Rn. 12 f., juris) gegenüber dem beklagten Jobcenter kommt in seiner Person allerdings nicht in Betracht. Eine Leistungsberechtigung kann sich in seiner Person aber aus dem SGB XII ergeben mit der Folge, dass das Sozialgericht eine Beiladung des örtlichen Sozialhilfeträgers gemäß § 75 SGG in Erwägung ziehen muss. Der Aktenlage ist nicht zu entnehmen, seit wann der Kläger zu 2) Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII bezieht; im PKH-Heft findet sich nur der Bewilligungsbescheid vom 26.03.2021 für den Zeitraum vom 01.02.2021 bis 31.01.2022. Das Sozialgericht wird daher aufzuklären haben, ob der Kläger zu 2) im streitigen Zeitraum gegenüber dem örtlichen Sozialhilfeträger Ansprüche (etwa aus §§ 3536 SGB XII) herleiten kann. Einem Anspruch kann jedenfalls eine fehlende Antragstellung nicht entgegen gehalten werden, da die Antragstellung beim unzuständigen Leistungsträger die nach § 18 SGB XII erforderliche Kenntnis vermittelt (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, Rn. 39 m.w.N., juris; BSG, Urteil vom 30.08.2017 – B 14 AS 31/16 R, Rn. 55, juris) und insoweit eine Beratungspflicht zu einer Antragstellung gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bestanden hätte, falls noch kein Leistungsbezug vorgelegen haben sollte.

cc.

Sofern das Sozialgericht bei der Prüfung der bei der Klägerin zu 1) anzuerkennenden Heizkosten einen kopfanteiligen Anspruch feststellt, hat es ggf. auch einen entsprechenden Anspruch der Tochter der Kläger bis zu ihrem Auszug aus dem gemeinsamen Haushalt zu prüfen. Der Umstand, dass die Tochter bisher keine Klage erhoben hat, steht dem nicht entgegen. Da die Kläger anwaltlich nicht vertreten sind, können Kenntnisse zu den Einzelansprüchen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht gefordert werden.

c.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung war auch nicht mutwillig und die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich.

Die Kläger beziehen Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII und haben glaubhaft gemacht, dass sie die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen können.

3.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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