S 13 VE 19/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 13 VE 19/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 VE 29/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.


Tatbestand

Der Kläger begehrt Erstattung der Kosten für die Anschaffung von Hörgeräten beidseits i.H.v. 5.841 €.

Der 1957 geborene Kläger war bis zum 30. September 1989 Soldat der Bundeswehr. Bei ihm wurde eine „Innenohrschwerhörigkeit beidseits“ als Wehrdienstbeschädigung nach Knalltrauma mit Bescheid vom 12. Februar 1986 bzw. 19. Oktober 1989 anerkannt und mit einem Grad der Schädigung von 30 bewertet.

Anfang des Jahres 2015 benötigte der Kläger eine neue Versorgung mit Hörgeräten. Von Februar 2015 bis Juli 2015 testete der Kläger verschiedene Hörgeräte bei dem Hörgeräteakustiker F. und entschied sich im Juli 2015 für das Hörgerät Bernafon Preciso 9 NRM zum Preis von 2.399 € pro Ohr (vergleiche Bl. 150 der Gerichtsakte). Unter dem 16.7.2015 erstellte der Hörgeräteakustiker F. dem Kläger einen Kostenvoranschlag über die Versorgung und den Gesamtpreis von 5.841 € (vergleiche Bl. 150 der Gerichtsakte). 

Die Beklagte trägt vor, den Kostenvoranschlag vom 16.Juli 2015 erstmals am 5. Februar.2016 erhalten zu haben (vergleiche Bl. 182 der Gerichtsakte).
Ausweislich der Akte der Beklagten erhielt diese den Kostenvoranschlag der Firma F. am 17.bzw. 22. Juli 2015 (Bl. 40 der Beklagtenakte sowie erneut unter dem 5. Februar 2016 (vgl. Bl. 2 der Beklagtenakte Band II). 

Im Auftrag der Beklagten erstattete Professor Dr. med. G. unter dem 2. Juli 2016 eine Hals-Nasen-Ohren-ärztliche beratende Stellungnahme und kam zu dem Ergebnis, dass eine Verschlechterung des Hörvermögenvermögens, die sich im Sprachaudiogramm dokumentiere, nicht auf die wehrdiensteigentümlichen Einflüsse zurückzuführen lasse, sondern auf außerdienstlichen oder degenerativen Einflüssen vor dem Hintergrund einer vorbestehenden Schwerhörigkeit beruhten (vergleiche Bl. 16 ff. der Gerichtsakte).

Am 20. Mai 2016 genehmigte die Beklagte gegenüber der Firma F. zwei Geräte zum Festbetrag in Höhe von 1387,46 Euro gesamt (vgl. Bl. 56 der Beklagtenakte).
Mit Bescheid vom 15. Juli 2016 lehnte die Beklagte die Versorgung des Klägers mit neuen Hörgeräten ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.September 2016 zurück.
Die Rechnung des Hörgeräteakustikers F. i.H.v. 5.841 € datiert vom 12. August 2016. Ausweislich des Überweisungsträgers hat der Kläger diesen Betrag am 26. August 2016 an den Hörgeräteakustiker überwiesen (vergleiche Bl. 184 der Gerichtsakte).

Gegen den Widerspruch erhob der Kläger am 12. Oktober 2016 Klage zum Sozialgericht Kassel.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von zwei Sachverständigengutachten, zunächst bei dem HNO-Arzt K. vom 1.12.2017 (vergleiche Bl. 86 ff. der Gerichtsakte). Der Sachverständige K. hat in seinem Gutachten nach persönlicher Untersuchung des Klägers festgestellt, dass der jetzige beidseitige Hörverlust als Schädigungsfolge zu werten sei (vergleiche Bl. 107 ff. der Gerichtsakte). Der Kläger habe sich für eine höherwertige Versorgung entschieden (vergleiche Bl. 95 der Gerichtsakte). 

Das Gericht holte sodann ein Gutachten bei dem Hörgeräteakustikermeister M. L. (vergleiche Bl. 215 ff. der Gerichtsakte) ein. M. L. ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass das gewählte Hörgerät das geeignetste im direkten Vergleich mit den damals getesteten Modellen gewesen sei. Allerdings seien die alten Modelle nicht mehr am Markt und daher nicht mehr zur vergleichenden Bewertung erhältlich.

In der Folgezeit des Gerichtsverfahrens haben sich die Beteiligten neben der Notwendigkeit der Versorgung mit dem gewählten Hörgerät sowie der Kausalität der Verschlechterung der Hörleistung auf der Wehrdienstbeschädigung vornehmlich noch mit der Frage der Einhaltung des Beschaffungswegs beschäftigt. Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe den Beschaffungsweg im Sinne des § 18 Abs. 4 S. 1 BVG nicht eingehalten, weil der Antrag auf Hörgeräteversorgung vom 5.2.2016 datierte und die Beklagte erst mit Bescheid vom 15.7.2016 über die beantragte Hörgeräteversorgung abschlägig entschieden hat. Selbst beschafft habe sich der Kläger die Hörgeräte allerdings bereits im Juli 2015.

Der Kläger ist der Ansicht, dass eine Übereignung der Hörgeräte noch nicht im Juli 2015 stattgefunden habe, sondern erst im August 2016 mit Begleichung der Rechnung.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die beidseitige Hörgeräteversorgung mit den Hörgeräten Bernafon Preciso 9 NRM, Seriennummer: 28669291 bzw. 28395291 gemäß der Rechnung vom 12. August 2016 in Höhe von insgesamt 5.841 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten.


Entscheidungsgründe

Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG war möglich, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zu der Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, vorab gehört wurden.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Versorgung mit den selbstbeschafften Hörgeräten zum Gesamtpreis von 5.841 €.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Gemäß § 82 Abs. 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.V.m. den §§ 10 Abs. 1 und 3, 11 ff. Bundesversorgungsgesetz (BVG) umfasst der Anspruch auf Heilbehandlung auch die Versorgung mit Hilfsmitteln. Die Ausstattung mit Hilfsmitteln ist in der auf Grundlage des § 24 Aa BVG erlassenen Orthopädieverordnung (OrtV) geregelt. Nach § 17 Abs. 1 OrtV hat der hörbehinderte Soldat einen Anspruch auf Lieferung von Hörgeräten, der im Umfang durch die allgemeine Regelung des § 1 Nr. 1 OrtV begrenzt ist.

Die Erstattung der Kosten für die selbst angeschafften Hilfsmittel scheidet vorliegend jedoch aufgrund der Vorschrift des § 18 Abs. 4 BVG aus.

Der Sozialleistungsträger hat die Leistungen nach den §§ 10-24 a BVG als Sachleistung zu erbringen. In dem Fall, in dem unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde unmöglich gemacht haben, gewährt § 18 Abs. 4 S. 1 BVG daneben einen Kostenerstattungsanspruch.

Solche unvermeidbaren Umstände, die eine Inanspruchnahme der Beklagten oder der Krankenkasse vor Selbstbeschaffung ausschließen würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind für das Gericht auch nicht ersichtlich.

Zur Überzeugung des Gerichts hat sich der Kläger die beantragten Hörgeräte bereits im Juli 2015 selbst beschafft. 
Selbst verschafft ist ein Hilfsmittel zwar nicht schon mit deren Auswahl (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12 R, juris) bzw. in Fällen vergleichbarer Art mit einer probeweisen Hörgeräteüberlassung. Vorliegend fand das den Kläger bindende Verpflichtungsgeschäft jedoch bereits mit der endgültigen – unter Eigentumsvorbehalt – stehenden Überlassung der Hörgeräte zum dauerhaften Gebrauch im Juli 2015 statt (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, L 16 R 656/14, juris). Denn zu diesem Zeitpunkt hatte er sich für den angepassten Gerätetyp entschieden. 

Hierfür sprechen folgende Umstände: Der Kläger hat die Beklagte mit E-Mail vom 10. Februar 2016 angeschrieben und um Begleichung der Rechnung des Hörgeräteakustikers F. gebeten. Der Kläger hat hier wörtlich Folgendes geschrieben:

„Von Februar 2015 bis Juli 2015 testete ich neue Hörgeräte und entschied mich dann im Juli 2015 für ein Produkt. Mein zuständiger Hörgeräteakustiker F. übersendete Ihnen daraufhin einen Kostenvoranschlag. Dieser Kostenvoranschlag/Rechnung ist bis heute nicht bezahlt“ (vergleiche Bl. 151 der Gerichtsakte). 
Nachdem die Beklagte unter dem 20. Mai 2016 das wohl günstigste vergleichbare Modell („Festbetragsmodell“) nach der Anpassung gegenüber dem Hörgeräteakustiker genehmigt hatte, hat der Kläger erneut eine E-Mail mit Datum vom 7. Juni 2016 an die Beklagte versandt. Hierin hat er ausgeführt:

„Mit Verwunderung habe ich von der Firma F. OHG Ihr Schreiben vom 20.5.2016 erhalten, nachdem Sie das günstigste Modell genehmigen, welches ich im Februar 2015 getestet habe. Dieses Modell ist in keinster Weise für mich ausreichend, ich habe vom Februar bis Juli 2015 verschiedene Hörgeräte getestet und mich für das von der Firma F., an Sie berechnete, Modell entschieden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass nach nun fast einem Jahr seitdem ich die Hörgeräte habe diese von Ihnen immer noch nicht bezahlt wurden. Die Firma F. rennt seit fast einem Jahr hinter der Bezahlung her. Ich bin der Geschädigte und kann in Verbindung mit dem Hörgeräteakustiker am besten beurteilen und entscheiden welche Hörgeräte und Hilfsmittel für mich geeignet sind und welche nicht, eine Entscheidung über den Schreibtisch papiermäßig Ihrerseits lehne ich ab. Ich setze Ihnen eine Frist bis zum 30.6.2016 um die offenstehende Rechnung der Firma F. vom 16.7.2015 zu begleichen“ (vergleiche Bl. 154 der Gerichtsakte).

Hieraus folgt für das Gericht, dass der Kläger sowohl zum damaligen (im Jahr 2015/2016) Zeitpunkt, als auch in der Folgezeit, nicht bereit gewesen ist, ein anderes, als das von ihm gewählte Modell zu akzeptieren und sich gegenüber dem Hörgeräteakustiker zur Abnahme der Hörgeräte bindend verpflichtet hat. Er hat die gewählten Hörgeräte dann auch folgerichtig mit nach Hause genommen und – nicht nur leihweise auf Probe - benutzt. 

Dass der Kläger den Rechnungsbetrag tatsächlich erst über ein Jahr später, am 26. August 2016 beglichen hat, spielt dabei keine Rolle mehr, da das bindende Verpflichtungsgeschäft bereits vorher, am 16. Juli 2015 stattgefunden hat. Nach dem klägerischen Vortrag und der Aktenlage ist es nicht so gewesen, dass der Kläger die Hörgeräte nur leih- oder probeweise vom Hörgeräteakustiker erhalten hatte und der Kauf von der entsprechenden Genehmigung und Rechnungsbegleichung der Beklagten abhängig gemacht werden sollte.

Die Beklagte hat im sozialgerichtlichen Verfahren vorgetragen, den Antrag vom Hörgeräteakustiker F. erstmals am 5. Februar 2016 erhalten zu haben, was aber durch den aktenkundigen Schriftverkehr (vgl. nur Eingangsstempel vom 17. bzw. 22 Juli 2015 auf dem Kostenvoranschlag vom 16.Juli 2015, Bl. 40 der Beklagtenakte sowie die Anfrage an den ärztlichen Dienst vom 13. August 2015, Bl. 43 der Beklagtenakte) widerlegt ist. Die Beklagte hatte dann am 20. Mai 2016 Geräte zum Festbetrag gegenüber dem Hörgeräteakustiker für die Versorgung des Klägers genehmigt. Dessen ungeachtet hat die Beklagte dann nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme den Antrag des Klägers auf die Neuversorgung mit Hörhilfen mit Bescheid vom 15. Juli 2016 insgesamt abgelehnt. Dass mithin die Beklagte zunächst einer anderweitigen Versorgung zum Festbetrag des Klägers bereits zu einem früheren Zeitpunkt zugestimmt hatte, ändert im Ergebnis nichts daran, dass die Selbstbeschaffung auch hier bereits stattgefunden hatte.

Da die Klage bereits wegen formeller Voraussetzungen abzuweisen war, kommt es auf die Ergebnisse der eingeholten Gutachten nicht an.

Die Kostenfolge beruht auf § 193 SGG

Rechtskraft
Aus
Saved