L 1 U 69/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2240/18
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 1 U 69/21
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung (behördliche Feststellung) eines Arbeitsunfalls. Zwischen den Beteiligten ist insbesondere die Entstehung eines Schadens (Erstschadens) streitig. Hilfsweise hat der Kläger im Berufungsverfahren die Einholung eines Wahlgutachtens beantragt.

Der Kläger ist im Jahre 1963 geboren und wohnt im Inland. Er ist als hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert.

Am Dienstag, dem 10. Oktober 2017, rutschte er beim Befüllen einer Sämaschine ab, während er einen 50 kg schweren Sack mit Saatgut trug. Der genauere Ablauf des Unfalls war zwischen den Beteiligten streitig, insbesondere, ob der Kläger beim Sturz mit dem linken Unterschenkel in den Bereich der Walzen der Maschine geriet. Ebenso war unklar, ob er unmittelbar nach dem Unfallereignis Beschwerden entwickelte (Schmerzen, Schwellung, Bewegungseinschränkung). Jedenfalls arbeitete er weiter, auch in den Tagen und Wochen nach dem Ereignis (vgl. seine Angaben im Fragebogen „Knieschaden“ vom 27. Dezember 2017).

Erstmals am 4. Dezember 2017, einem Montag, stellte sich der Kläger mit Schmerzen und Schwellungen am linken Kniegelenk bei dem B vor. Dieser diagnostizierte einen Gelenkserguss, eine Bakerzyste und eine Kniegelenkszerrung und äußerte den Verdacht auf eine Sehnenverletzung des linken Knies. Er erstellte keinen Bericht, gab aber auf seiner Rechnung an die Beklagte (13. Dezember 2017) einen „Unfalltag 10. Oktober 2017“ an. B überwies den Kläger an T („COC A“). Dort gab der Kläger am 11. Dezember 2017 an, er sei von der an der Sämaschine anhängenden Walze gestürzt und habe sich dabei das linke Knie verdreht. Unmittelbar danach hätten sich Schmerzen, eine Schwellung des linken Knies und Bewegungseinschränkungen beim Beugen und Knien entwickelt. T stellte einen Erguss, einen Druckschmerz medial bis dorsomedial, deutlich positive Innenmeniskuszeichen und klinisch intakte Bänder fest und diagnostizierte eine Kniegelenksdistorsion links mit Verdacht auf Innenmeniskusläsion links (D-Arzt-Bericht vom 11. Dezember 2017). Ferner veranlasste er eine MRT-Untersuchung bei dem M. Dort zeigten sich am 13. Dezember 2017 ein partieller Abriss des Innenmeniskushinterhorns an der ossären Insertion mit Medialisierung des Innenmeniskus, ein Ödem entlang des Innenbandes sowie eine Chondromalazie, diese leicht im Bereich des medialen Condylus und ausgeprägter retropatellar (Radiologiebericht vom 13. Dezember 2017). Auf Grundlage dieser Feststellungen empfahl das COC A in dem Zwischenbericht vom 14. Dezember 2017 eine arthroskopische Refixation des Innenmeniskus. Bei dieser Untersuchung gab der Kläger dem Bericht zufolge an, der Unfall habe sich bei „eingeklemmtem Unterschenkel“ ereignet.

Die betriebliche Unfallanzeige des Klägers ging zusammen mit dem Fragebogen am 29. Dezember 2017 bei der Beklagten ein.

Die Liste der bisherigen Versicherungsfälle des Klägers enthält mehrere Arbeitsunfälle seit 1990 und einen einmaligen Verdacht auf eine Berufskrankheit im Jahre 2011, durchgängig jedoch ohne Bezug zum linken Knie.

Mit Bescheid vom 22. Januar 2018 lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Es könne nicht mehr zweifelsfrei die Feststellung getroffen werden, dass es sich bei dem Ereignis vom 10. Oktober 2017 um einen versicherten Arbeitsunfall gehandelt habe und die jetzige Gesundheitsstörung ursächlich darauf zurückzuführen sei. Der Kläger erhob Widerspruch.

Die Beklagte holte daraufhin bei B die Auskunft vom 2. März 2018 ein, der die erstmalige Behandlung wegen Beschwerden im linken Kniegelenk am 4. Dezember 2017 bestätigte. Zur Akte gelangte ferner der Bericht von E vom 15. Februar 2018 über eine Untersuchung des Klägers am 12. Januar 2018. Darin waren eine traumatische Innenmeniskushinterhornläsion und eine retropatellare Chondromalazie 3. Grades genannt. Subjektiv bestanden belastungsabhängige Beschwerden in der Kniekehle. E empfahl eine weitere konservative Behandlung.

Der Beratungsarzt der Beklagten, M1, führte in seiner Stellungnahme vom 3. Mai 2018 aus, auf Grund des Unfallereignisses bestehe kein struktureller Erstkörperschaden, laut dem MRT vom 13. Dezember 2017 lägen eine vorauseilende und schicksalhafte Texturstörung des Hinterhorns am Innenmeniskus links ohne verletzungsspezifische Befunde an den Nachbarstrukturen, eine vorauseilende Verschleißschädigung mit Bakerzyste bei vorbestehendem chronischen Reiz­erguss und eine anlagebedingte Dysplasie des Kniescheibenlagers mit ausgebildeter Arthrose vor. All dies seien keine Unfallfolgen.

Daraufhin erließ die Beklagte den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2018.

Hiergegen hat der Kläger am 20. Juli 2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm erhoben. Er hat unter das Zeugnis seines Vaters und seiner Ehefrau gestellt, bereits ab dem Unfalltag sei das linke Kniegelenk geschwollen gewesen und habe Alltagsbeeinträchtigungen verursacht. Er habe die Beschwerden aber ausgehalten und sich erst am 4. Dezember 2017 ärztlich behandeln lassen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat zunächst auch das Unfallereignis selbst als nicht bewiesen erachtet. Ansonsten hat sie vor allem auf den langen zeitlichen Abstand zwischen diesem Ereignis und den ersten ärztlichen Feststellungen hingewiesen und gemeint, insbesondere nach den bildgebenden Befunden sei eher von einer degenerativen Genese auszugehen.

Das SG hat Vater und Ehefrau des Klägers uneidlich mündlich als Zeugen vernommen. Wegen ihrer Aussagen wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 3. Juni 2018 verwiesen. Ferner hat der Kläger Fotos der Sämaschine zu Protokoll gegeben.

Sodann hat das SG von Amts wegen den H zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat nach einer Untersuchung des Klägers im Oktober 2019 in seinem Gutachten vom 23. Oktober 2019 eine schmerzhafte Funktionsstörung des linken Kniegelenks diagnostiziert. Er hat diese Beschwerden auf eine Schädigung des Innenmeniskus zurückgeführt. Diese sei wesentlich ursächlich durch das Unfallereignis vom 10. Oktober 2017 bedingt. Insbesondere sei dieses Ereignis geeignet gewesen, die Schäden am Knie des Klägers zu verursachen. Dabei sei - so auch H - nicht davon auszugehen, dass der Unterschenkel in der Walze fixiert gewesen sei. Vielmehr habe sich der Kläger beim Auftreffen auf den Boden nach dem Sturz das Knie verdreht. Allerdings sei der genaue Unfallhergang nicht gesichert. Für eine traumatische Genese spreche ferner, dass bei den ersten Untersuchungen noch ein - kleiner - Erguss gesehen worden sei, der jetzt nicht mehr vorliege. Den kernspintomographisch nachgewiesenen degenerativen Gewebeveränderungen am Innenmeniskushinterhorn sei keine überragende Bedeutung zuzumessen.

Die Beklagte hat die beratungsärztlichen Stellungnahmen des O vom 28. November 2019 und vom 7. Juli 2020 vorgelegt. Dieser hat H widersprochen. Er hat nach Auswertung der MRT-Bilder vom 13. Dezember 2017 einen Verschleißschaden des Kniegelenks mit degenerativer Innenmeniskusläsion und degenerativer Knorpelschädigung angenommen. Eine begleitende Bandläsion oder eine sonstige relevante Schädigung des Kapselbandapparates hat er verneint. Es komme lediglich ein Stressödem zur Darstellung, das bei chronischer Zerrüttung von Menisken sowie Knorpeldegenerationen zu beobachten sei. Eine isolierte (Binnen)-Läsion des Innenmeniskus ohne begleitende Verletzungen zumindest am Kapsel-Band-Apparat wie hier sei nach ärztlicher Einschätzung nicht möglich.

Hierzu hat das SG Hs ergänzende Aussage vom 23. August 2020 eingeholt, der an seiner Einschätzung festgehalten hat. Auch O ist in der weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 28. September 2020 nicht von seiner bisherigen Einschätzung abgewichen.

Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 10. Dezember 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Dass der Kläger am 10. Oktober 2017 im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit einen Arbeitsunfall erlitten habe, als er bei beim Befüllen einer Sämaschine abgerutscht sei und sich das linke Knie verdreht habe, sei nicht festzustellen. Es sei nicht nachgewiesen, dass er einen Gesundheitserstschaden in Gestalt eines Innenmeniskushinterhornrisses erlitten habe, der wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Bereits der Zusammenhang im naturwissenschaftlich Sinne sei nicht wahrscheinlich. Zuzugeben sei dem Kläger zwar, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Unfallereignis und ersten Beschwerden bestehe und dass das geklagte Beschwerdebild Hinweise auf eine Meniskusverletzung gebe. Daraus sei jedoch nicht auf die Ursache dieses Schadens zu schließen. Die wesentlichen Indizien deuteten auf einen degenerativen Schaden hin. Insbesondere habe der Kläger seine Arbeit nicht alsbald niedergelegt. Der erste Arztkontakt habe annähernd zwei Monate später stattgefunden. Das strukturelle Schadensbild spreche gegen eine traumatische Schädigung. Es lägen keine Arthroskopie und keine histologische Untersuchung vor, die für eine Kausalitätsbetrachtung relevant wären. Der MRT-Befund vom 13. Dezember 2017 zeige einen typischen Verschleißschaden. Dies hätten insbesondere die Beratungsärzte M1 und O nachvollziehbar dargelegt. Ferner sei der Bandapparat unverletzt; dies spreche nach der gängigen unfallmedizinischen Literatur gegen einen traumatischen Meniskusschaden. Die aus ärztlicher Sicht einzige Ausnahme von diesem Grundsatz, ein „wuchtiger Drehsturz“, liege hier nicht vor. Vor diesem Hintergrund könne das SG auch nicht der Einschätzung des Sachverständigen folgen. H gehe davon aus, dass bei einem bloßen Verdrehen des Kniegelenks wie hier ein isolierter Meniskusschaden entstehen könne.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 5. Januar 2021 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er beruft sich insbesondere auf die Aussagen Hs. Ergänzend trägt er vor, auch D gehe in einem Gutachten von einem Unfallzusammenhang aus.

Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger das Gutachten des D vom 12. September 2019, das bislang nicht aktenkundig war, eingereicht. Es ist im Auftrag einer privaten Unfallversicherung erhoben worden. D teilt darin mit, ein weiteres MRT vom 6. September 2019 zeige weiterhin den Riss im Innenmeniskushinterhorn/Pars intermedia mit Extrusion des Innenmeniskus, fortgeschrittene Chondromalazie im medialen Kompartiment sowie nahezu aufgebrauchten retropatellaren Knorpel und eine Patelladysplasie. Aufgrund ausgebliebener Physiotherapie nach zehn Terminen sowie ausgebliebener operativer Sanierung des Innenmeniskus sei es zu einem eingeschränkten und zögerlichen Heilungsverlauf gekommen, sodass erhebliche Restbeschwerden beständen. Der Kläger sei weiterhin nicht zu einer arthroskopischen Untersuchung oder Operation bereit. Der Invaliditätsgrad betrage derzeit 2/20 und werde bei fortschreitender Arthrose auf Dauer voraussichtlich 3/20 Beinwert betragen. Die Schädigungen seien Folge des Unfalls. Die unfallunabhängigen Veränderungen - dar­unter die Chondromalazie retropatellar sowie am medialen Gelenkspalt beidseits - hätten nicht an den Gesundheitsschäden mitgewirkt.

Der Kläger hatte bereits mit Schriftsatz vom 15. April 2021 hilfsweise die Erhebung eines Wahlgutachtens „beantragt“, ohne einen Sachverständigen zu benennen. Der Senat hat am 13. Juli 2021 Hinweise zur Sach- und Rechtslage gegeben und gebeten, weitere Beweisanträge kurzfristig zu stellen. Nachdem der Kläger am 1. September 2021 die Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den 21. Oktober 2021 erhalten hatte, hat er mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2021 zum einen einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt und zum anderen hilfsweise die Erhebung eines Wahlgutachtens bei E1 beantragt. Er hat dabei ausgeführt, es sei derzeit extrem schwierig, einen Arzt zu finden, der bereit sei, das Gutachten zu übernehmen. Nachdem die Beklagte zunächst nicht mit einer schriftlichen Entscheidung einverstanden war und der Senat daraufhin auf den 21. Oktober 2021 terminiert hatte, ist dieser Termin auf Antrag des Klägers aufgehoben worden. Der Senat hat am 26. Oktober 2021 auf den 6. Dezember 2021 geladen. Der Kläger hat am 2. Dezember 2021 telefonisch mitgeteilt, er werde nicht erscheinen. Noch am selben Tage haben beide Seiten schriftlich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet, der Kläger hat dabei seinen Antrag wegen eines Wahlgutachtens nicht wiederholt.

Der Kläger beantragt demnach,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. Dezember 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 22. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 2018 zu verpflichten, das Ereignis vom 10. Oktober 2017 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vortrags der Beteiligten im Einzelnen und der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird ferner auf die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet im Einvernehmen mit beiden Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung des Klägers.

Dabei ist eine Entscheidung in der Sache möglich.

Eine weitere Beweiserhebung von Amts wegen (§ 103 SGG) hält der Senat nicht für notwendig. Den äußeren Ablauf des Unfallereignisses hat das SG durch die Zeugenaussagen in erster Instanz, so gut es ging, ausermittelt. Die ärztlichen Feststellungen zu den Gesundheitsschäden des Klägers und die für die Bewertung relevanten medizinischen Erfahrungssätze ergeben sich ausreichend aus dem Gutachten von H nebst ergänzenden Stellungnahmen (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 402 ff. ZPO) und den Ausführungen der Beratungsärzte M1 und O. Zwar waren diese beiden nicht als (behördliche oder gerichtliche) Sachverständige beauftragt. Aber ihre Stellungnahmen können als Urkunden mit öffentlichem Glauben verwertet werden (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO) und kommen inhaltlich einer sachverständigen Einschätzung nahe, zumindest sind sie als qualifizierter Parteivortrag zu berücksichtigen.

Ein Antrag auf Erhebung eines Wahlgutachtens war am 15. April 2021 angekündigt und am 12. Oktober 2021 auch gestellt worden. Der Kläger hat ihn aber bei seiner Zustimmung zu einem Urteil ohne mündliche Verhandlung am 2. Dezember 2021 nicht aufrechterhalten, sodass er sich erledigt hat. Deshalb weist der Senat nur am Rande darauf hin, dass er diesen Antrag weiterhin nach § 109 Abs. 2 SGG abgelehnt hätte. Dass er im Hinblick auf den ursprünglich angesetzten Verhandlungstermin am 21. Oktober 2021 verspätet gestellt war und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte, ist offenkundig. Die Aussage des Klägers, einen Gutachter zu finden sei schwierig, reichte dabei zur Rechtfertigung nicht aus. Das Gleiche gilt im Ergebnis für den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats am 6. Dezember 2021. In den zwei Monaten seit Stellung des Antrags hätte das Wahlgutachten nach der Erfahrung des Senats nicht mehr erhoben und den Beteiligten zur Stellungnahme übermittelt werden können. Ferner ist bei diesem Punkt zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst die Verlegung des ersten Verhandlungstermins beantragt hatte.

Die Berufung ist nach § 143 SGG statthaft, insbesondere nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger eine behördliche Feststellung und keine Leistungen begehrt. Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 Abs. 1 SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Sie ist zwar als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zulässig. So hat die Beklagte vorab durch Bescheid und durch Widerspruchsbescheid (§ 78 Abs. 1 SGG) die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt. Die Klagebefugnis (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG) folgt dar­aus, dass die Unfallversicherungsträger nach § 102 SGG befugt sind, auch das Vorliegen eines Versicherungsfalls festzustellen. Eine gerichtliche Feststellung (§ 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 SGG) hat dabei keinen Vorrang vor einer Anerkennung durch den Leistungsträger selbst (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 20b).

Die Klage ist aber nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, das Ereignis vom 10. Oktober 2017 als Arbeitsunfall festzustellen.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder § 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, B 2 U 8/06 R, Juris), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Ereignisses der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Ereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Während hiernach ein Gesundheitsschaden unmittelbar durch das Ereignis begrifflich zum Arbeitsunfall selbst zählt, ist das Entstehen länger andauernder, ggfs. auch anderer Unfallfolgen (Gesundheitsfolgeschäden) auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG, § 286 ZPO) der volle Beweis für die genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 -, SozR 2200, § 555a Nr. 1, Juris).

Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Zusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 -, SozR 3-2200, § 548 Nr. 11, Juris).

Sofern mehrere Ursachen an der Entstehung eines Gesundheitserst- oder eines Folgeschadens mitgewirkt haben, gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung wie allgemein im Sozialrecht die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R -, SozR 4-2700, § 8 Nr. 15, Juris). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Wenn der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre, dann war dieses nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das es die wesentliche Ursache des Schadens war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu ihm wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, SozR 4-2700, § 8 Nr. 17, Juris).

Ebenso wie das SG legt der Senat zu Gunsten des Klägers zu Grunde, dass er am 10. Oktober 2017 eine Tätigkeit im Zusammenhang mit seinem landwirtschaftlichen Betrieb ausübte, also versichert war, und dass dabei ein von außen kommendes Ereignis auf seinen Körper eingewirkt hat. Dieser Hergang war zumindest der Sturz von der Sämaschine, aber auch das vorherige Abrutschen und Einklemmen des Unterschenkels in den Walzen der Maschine, wenn es denn vorlag, erfüllt die Anforderungen dieses Teils des Unfallbegriffs.

Jedoch kann ein Gesundheitserstschaden, der unmittelbar durch das Unfallereignis verursacht worden wäre, nicht mit dem dafür nötigen Maß der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

Gesichert sind bei dem Kläger insoweit ein Gelenkserguss, eine Bakerzyste und eine Kniegelenkszerrung (diese Diagnosen hatte bereits B am 4. Dezember 2017 gestellt) sowie der Einriss des Innenmeniskushinterhorns, der bildgebend bei der MRT-Untersuchung am 13. Dezember 2017 festgestellt worden ist.

Diese Einbußen - wobei der Senat offen lässt, ob eine „Zerrung“ überhaupt begrifflich als Gesundheitsschaden eingestuft werden kann - sind nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis am 10. Oktober 2017 zurückzuführen.

Ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang kann nur durch Indizienbeweis festgestellt werden. Dieser Beweis setzt sich zusammen aus einem äußeren Umstand und einem Erfahrungssatz zusammen - der hier in der Regel medizinisch ist -, der den Schluss von dem jeweiligen Umstand auf die gesuchte Folge zulässt. Für die äußeren Umstände, die ein solches Indiz bilden sollen, gelten die normalen Beweislastregeln. Die jeweiligen Erfahrungssätze sind in der Regel gutachterlich zu ermitteln, das Gericht kann sie aber auch, solange sie hinreichend gesichert und weitgehend unstreitig sind, der Fachliteratur entnehmen. Dabei spricht das völlige Fehlen eines Indizes nicht automatisch in die Gegenrichtung. Vielmehr fällt es lediglich aus. So geht das Fehlen eines Pro-Indizes in der Regel zu Lasten des Klägers, das Fehlen eines Contra-Indizes, das gegen einen Zusammenhang spricht, in der Regel zu Lasten des Unfallversicherungsträgers.

Im Falle des Klägers liegen insgesamt sehr wenig verwertbare Indizien vor, und diese sprechen insgesamt eher dagegen, dass das Unfallereignis für die genannten Schädigungen, die im Dezember 2017 festgestellt wurden, verantwortlich war.

So fehlt es an ärztlichen Feststellungen aus einer arthroskopischen Untersuchung des Knies und auch an einer histologischen Untersuchung von Meniskusmaterial, die erfahrungsgemäß Hinweise darauf geben kann, ob eine länger andauernde, degenerative Schädigung vorliegt oder ein ggfs. erst kurz zurückliegendes Trauma. Der Kläger hat solche Untersuchungen bis heute nicht durchgeführt. Auch die Beklagte konnte sie nicht durchführen lassen - wobei nur eine zeitnahe Durchführung beweiskräftig gewesen wäre -, weil der Kläger nicht zum Arzt gegangen ist.

Auch der zeitliche Abstand zwischen dem Unfallereignis und der Feststellung des Gesundheitsschadens spricht hier letzten Endes weder für noch gegen einen Unfallzusammenhang. Zwar geht auch der Senat davon aus, dass der Kläger unmittelbar ab dem 10. Oktober 2017 Beschwerden hatte. Er selbst gab dies bereits in dem Fragebogen Ende Dezember so an. Auch hat die Vernehmung seiner Ehefrau und seines Vaters durch das SG in erster Instanz bestätigt, dass das Knie geschwollen war, Bewegungseinschränkungen vorlagen und der Kläger über Schmerzen klagte. Der Senat hat keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt dieser Aussagen zu zweifeln. Allerdings wiegt dieser enge zeitliche Zusammenhang nur schwach. Ärztliche Feststellungen wurden erst fast zwei Monate später gestellt, zunächst am 4. Dezember 2017 durch B. Für die Zeit zuvor liegen nur die Aussagen der Angehörigen über Symptome vor, die aber als Laienzeugen (vgl. § 414 ZPO) nicht geeignet sind, medizinische Aussagen zu treffen. Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das klinische Bild mit Schmerzen, Blockierung und Schwellung, das die Zeugen gezeichnet haben, zwar Hinweise auf eine Meniskusverletzung gibt, dass aber daraus keine Rückschlüsse auf die Ursache des Meniskusschadens gezogen werden können (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 659). Denn auch ein bis zum Unfallereignis schicksalhaft, schleichend entstandener und unbemerkter Meniskusschaden, der anlässlich einer ganz normalen Bewegungs- und Belastungsabfolge erstmals - durch Verlagerung von Meniskus­anteilen - symptomatisch wird, geht mit dem beschriebenen Beschwerdebild einher (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 658). Auf der anderen Seite liegen hier im Bereich des zeitlichen Zusammenhangs auch Umstände vor, die eindeutig gegen einen Unfallzusammenhang sprechen. Der Kläger legte seine körperlich belastende Arbeit als Landwirt nicht nieder, sondern arbeitete wochenlang weiter. Ein Arztkontakt auf Grund von Kniebeschwerden fand erst am 4. Dezember 2017 statt. Dieses Verhalten des Klägers spricht gegen eine traumatische Schädigung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 650), zumal der Kläger nicht angegeben hat, welcher Umstand ihn nach wochenlangen Beschwerden Anfang Dezember veranlasst hat, nun doch zum Arzt zu gehen. Auf diese Umstände hat insbesondere der Beratungsarzt O in seinen Stellungnahmen im Verfahren vor dem SG hingewiesen.

Gegen eine traumatische Schädigung des Innenmeniskus und der weiteren betroffenen Strukturen spricht der bildgebende Befund. Wie ausgeführt, liegt insoweit lediglich das MRT vom 13. Dezember 2017 vor. Diese Bilder hat O ausgewertet. Nach seiner überzeugenden Darlegung sind darin keine verletzungsspezifischen oder gar verletzungsbeweisenden strukturellen Veränderungen erkennbar, sondern vielmehr der typische Befund eines Verschleißschadens des Kniegelenks mit degenerativer Innenmeniskusläsion und Knorpelschädigung. Neben dem Innenmeniskusschaden zeigen sich eine deutliche degenerative Knorpelschädigung, eine Extrusion des Corpus Menisci als Indiz für eine chronisch-progrediente Verschleißschädigung des Meniskus durch langjährige Fehlbelastung sowie ein Stressödem, wie es bei chronischer Zerrüttung von Meniskus und Knorpel zu beobachten ist. Darüber hinaus kommt der Bandapparat am Kniegelenk unauffällig zur Darstellung; insbesondere das vordere und das hintere Kreuzband, und auch die Seitenbänder sind durchgehend und unverletzt. Sowohl O als auch schon im Verwaltungsverfahren M1 weisen zutreffend darauf hin, dass in der medizinischen Literatur der Erfahrungssatz besteht (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 657), dass eine isolierte Meniskusverletzung ohne Begleitläsion am Kapsel-Bandapparat nach heutigem Erkenntnisstand kaum mehr vorstellbar ist. Sie wird nur noch diskutiert in Fällen eines sog. „wuchtigen Drehsturzes“, bei dem das gebeugte und rotierte Kniegelenk bei fixiertem Unterschenkel/Fuß plötzlich passiv in die Streckung gezwungen wird, sodass die physiologische Schlussrotation nicht mehr ablaufen kann. Ein solcher Hergang lag hier nicht vor. Auch der Sachverständige H geht nicht davon aus, dass der Fuß bzw. Unterschenkel des Klägers eingeklemmt war, in diesem Fall wäre auch ein Sturz von der Maschine schwer vorstellbar.

Gerade vor diesem Hintergrund kann sich auch der Senat nicht Hs Schlussfolgerungen anschließen. Er hat seine Einschätzung, der Meniskusschaden im linken Knie des Klägers beruhe wahrscheinlich auf dem Unfallereignis, im Wesentlichen damit begründet, der geschilderte Hergang sei geeignet gewesen, den Meniskusschaden und auch alle anderen Schäden zu verursachen. Wie ausgeführt, geht aber auch er nicht von einem „wuchtigen Drehsturz bei eingeklemmtem Unterschenkel“ aus. Dies hat er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. August 2020 ausdrücklich ausgeführt. Mit seiner medizinischen Annahme, ein Hergang wie hier sei geeignet, isolierte Meniskusschäden zu verursachen, weicht er daher von einem anerkannten medizinischen Erfahrungssatz ab. Die dafür nötige Begründung gibt er nicht. Hinzu kommt, dass auch seine Annahme zu der Verdrehung des Knies, die er beim Aufkommen auf dem Boden annimmt, nicht gesichert ist und auch nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich erscheint.

Das Gutachten von D vom 12. September 2019, das im Berufungsverfahren zur Akte gelangt ist, kann die Entscheidung des SG ebenfalls nicht erschüttern. Zum einen geht D von dem - wie gesagt nicht gesicherten und eher auszuschließenden - Hergang aus, es sei zu einer Distorsion gekommen, während der Unterschenkel des Klägers in der Walze fixiert gewesen sei. Die weiteren Umstände, die bei der Beurteilung eines Kausalzusammenhangs berücksichtigt werden müssen, würdigt D nicht. Insbesondere berücksichtigt er nicht ausreichend, dass bei dem Kläger am 13. Dezember 2017 eine Chondromalazie 3. Grades festgestellt worden war, also eine degenerative Verschleißerscheinung, und dass z.B. mit der vorbestehenden anlagebedingten Patelladysplasie eine mögliche Ursache für diese Veränderungen angenommen werden kann. Seine Einschätzung, wegen der Schwere des Meniskusschadens habe die Chondromalazie nicht zur Steigerung der Unfallschäden beigetragen, erscheint wenig überzeugend. Insgesamt kann das Gutachten von D generell wenig zur Entscheidung in dem Rechtsstreit hier beitragen, weil es für eine private Unfallversicherung erstattet worden ist und daher von zivilrechtlichen Kausalitätskriterien (Adäquanz, Mitverursachungsquoten) ausgeht, während hier in der gesetzlichen Unfallversicherung die Lehre von der wesentlichen Bedingung und damit das „Alles-oder-nichts-Prinzip“ gelten.

Bei einer Abwägung derjenigen Indizien, die überhaupt aussagekräftig sind - also im Wesentlichen nur der bildgebende Befund und die Frage, ob der Hergang geeignet war -, kann der Senat nicht mit Wahrscheinlichkeit einen wesentlichen Beitrag des Unfallereignisses annehmen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.

Rechtskraft
Aus
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