L 1 U 248/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 1696/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 248/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente.

Der im Jahre 1970 geborene Kläger ist als Mechaniker tätig. Am 2. August 2016 stürzte der Kläger auf dem Firmengelände mit dem Fahrrad und verletzte sich hierbei am linken Arm. Der D-Arztbericht vom Unfalltag enthält die Diagnose einer Ellbogenluxationsfraktur links und einer Radiusköpfchenfraktur Mason IV.

In der Zeit vom 2. August 2016 bis zum 8. August 2016 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung. Am 5. August 2016 erfolgte die operative Versorgung der Ellbogenfraktur mit einer Radiuskopfprothese. In einer MRT Untersuchung des Handgelenks vom 17.10.2016 zeigte sich eine interstitielle Auflockerung des ulnaren TFCC-Komplexes sowie eine umschriebene Ödembildung im Bereich des interkarpalen Gelenkspalts.

Nach Beiziehung und Auswertung weiterer medizinischer Befunde holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres F vom 8. März 2017 ein, der von einer MdE 20 v.H. für acht Monate ausging. 

Mit Bescheid vom 27. März 2017 erkannte die Beklagte das Geschehen vom 2. August 2016 als Arbeitsunfall an und bewilligte dem Kläger eine Rente in Gestalt einer vorläufigen Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 22. Dezember 2016 bis 31. August 2017. Sie ging hierbei von folgende unfallbedingten Störungen aus: Endgradige Bewegungseinschränkung und Schwellneigung des Ellbogens (links) sowie Belastungsbeschwerden im Bereich des Unterarms und Muskelminderung des Arms nach Ellbogenluxationsfraktur mit Radiusköpfchentrümmerfraktur und Implantation einer Radiuskopfprothese.

Hiergegen erhob der anwaltlich vertretene Kläger Widerspruch und regte im späteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens die Einholung eines handchirurgischen Gutachtens an.

Wegen anhaltender Beschwerden im Bereich des linken Handgelenks erfolgte eine weitere Behandlung des Klägers in der Handchirurgischen Abteilung der O Klinik M(OKM). Der dortige Bericht von H vom 5. September 2017 führt aus, es könne eine deutliche Verbesserung festgestellt werden. Eine MdE im rentenberechtigenden Ausmaß werde nicht verbleiben. Im Bericht vom 12. September 2017 berichtete er über eine Verkrampfungsneigung der Extensor-Muskulatur. Die Hand könne weiter funktionell verwendet werden. Im weiteren Bericht vom 4. September 2018 wird eine nahezu normwertige Beweglichkeit des linken Handgelenks beschrieben. Die Beweglichkeit am Ellbogengelenk und im Schultergelenk sei frei, die Handspanne sei seitengleich. Faustschluss und Fingerstreckung gelängen vollständig. Es zeigten sich keine wesentlichen Atrophien am Unterarm. Es gebe aktuell auf handchirurgischem Gebiet keinen Handlungsbedarf.

Im Verlaufsbericht vom 25. Februar 2019 führte der T anlässlich einer Verlaufskontrolle aus, bei der klinische Untersuchung fände sich keine Rötung, keine Schwellung und eine freie Beweglichkeit sowie reizfreie Narbenverhältnisse.

Im Widerspruchsverfahren half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 20. Dezember 2018 teilweise ab. Sie erkannte als weitere Unfallfolge die Ulna-Plus-Situation sowie die Verkrampfungsneigung der Extensor-Muskulatur und die TFCC-Läsion (Schädigung an den knorpeligen Anteilen des Handgelenks) an und weitete die vorläufige Rentengewährung nach einer MdE von 20 v.H. bis zum 30. September 2018 aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2019 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 30. April 2019 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) auf Gewährung einer Verletztenrente auf Dauer erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, sein Handgelenk habe sich nach der arthroskopischen OP nicht gebessert. Die von der Beklagten angenommene MdE von 10 v.H. sei bzgl. der verbliebenen Unfallfolgen zu gering bemessen.

Das SG hat Beweis erhoben u.a. durch die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen auf handchirurgischem Fachgebiet bei M1. In seinem Gutachten vom 17. August 2020 hat dieser reizlose Narben des linken Ellbogens und des linken Handgelenks, einen Z.n. Implantation einer Radiuskopfendoprothese links und Refixation der beugeseitigen Gelenkkapsel linker Ellbogen mit noch leichter Einschränkung bzgl. der Außendrehung des Unterarms, der Herabsetzung der groben Kraft der linken Hand mit mäßiger Atrophie der Unterarmmuskulatur sowie radiologische Veränderungen mit leichter Herabsetzung des Kalksalzgehalts im Bereich des Ellbogens und einer minimalen Ulna-Plus-Variante im Bereich des linken Handgelenks beschrieben. Die MdE ab dem 1. Oktober 2018 sei mit 10 v.H. zu bemessen.

Mit Gerichtbescheid vom 17. Dezember 2020 hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierbei auf das Gutachten des M1 gestützt.

Hiergegen hat der Kläger die vorliegende Berufung eingelegt und zur Begründung u.a. ausgeführt, M1 habe die bei ihm bestehenden Defizite nicht richtig dargestellt. Er sei seit dem Arbeitsunfall im Bereich des Handgelenkes zu keinem Zeitpunkt schmerzfrei. Nach wie vor seien aufgrund der verminderten groben Kraft im linken Handgelenk sowie im gesamten linken Arm Abstützbelastungen und Impactbelastungen nicht möglich.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. Dezember 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27. März 2017 in Fassung des Teilabhilfebescheides vom 20. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2019 zu verurteilen, ihm aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 2. August 2016 für die Zeit ab 1. Oktober 2018 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend und hat darauf verwiesen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ein fachorthopädisch/unfallchirurgisches Gutachten bei B eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 7. Juli 2021 ausgeführt, beim Kläger bestehe unfallbedingt eine posttraumatische partielle Bewegungseinschränkung des Unterarmes für Pro- und Supination nach operativ versorgter Ellenbogenluxation links mit Radiuskopftrümmerfraktur und Prozessus coronoideus Fraktur mit operativer Stabilisierung und Implantation einer Radiuskopfprothese links. Zudem hat er eine messbare Muskelatrophie des Unterarmes links und eine Ulna Plus Variante mit Impaction Syndrom linksseitig diagnostiziert. Der bisherigen MdE Bewertung sei zu widersprechen, da bereits die Implantation einer Ellenbogenköpfchenprothese bei guter Funktion eine MdE von 10 bedinge. Zusätzlich sei eine deutliche Atrophie der Unterarmmuskulatur mit Verkrampfungsneigung sowie eine verminderte Unterarmdrehfähigkeit sowie Abspreizfunktion in den Fingergelenken im Sinne der Handspannenmessung zu berücksichtigen. Insgesamt sei eine MdE von 20 korrekt.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters M1 eingeholt. Dieser hat am 24. August 2021 ausgeführt, er bleibe bei seiner Beurteilung und MdE Bewertung. Beim Kläger sei die Ellbogenfunktion fast normal, bis auf eine geringe Einschränkung der Drehbewegung des Unterarmes. Die Atrophie der Unterarmmuskulatur links im Vergleich zu rechts sei als gering zu bezeichnen und werde in der Einschätzung der MdE in Folge der Implantation der Radiuskopfprothese mitberücksichtigt. Die Verkrampfungsneigung der Unterarmmuskulatur sowie die Einschränkung der Abspreizfunktion der Finger hätten keine organischen Ursachen. Die fachneurologische Untersuchung hätten keine pathologischen Veränderungen ergeben, die solche Einschränkungen erklären können.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die auf Gewährung einer Verletztenrente gerichtete, zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) zutreffend abgewiesen. Der streitige Bescheid der Beklagten vom 27. März 2017 in Fassung des Teilabhilfebescheides vom 20. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2019 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente bis 30. September 2018 bewilligt und einen weitergehende Rentengewährung abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger hat, jedenfalls ab dem 1. Oktober 2018, keinen Anspruch mehr auf Gewährung einer Verletztenrente.

Nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII. Entsprechende Stützrententatbestände sind auch nach Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Bei dem Ereignis vom 2. August 2016 hat es sich - was von der Beklagten bereits mit Bescheid vom 27. März 2017 zutreffend in der Sache anerkannt wurde - um einen Arbeitsunfall gehandelt. Beim Kläger sind infolge dieses Arbeitsunfalls jedoch jedenfalls seit der hier streitigen Zeit ab 1. Oktober 2018 keine gesundheitlichen Schäden in rentenberechtigendem Ausmaß, d.h. mit einer MdE von mindestens 20 v.H. verblieben. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf das Gutachten des M1.

1.)
M1 hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass die beim Kläger vorhandenen unfallbedingten Beeinträchtigungen mit einer MdE von 10 v.H. zutreffend bewertet sind und keine MdE im rentenberechtigenden Ausmaß besteht.

Um das Vorliegen einer MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen, ausgehend von konkreten Funktionseinbußen, beeinträchtigt ist, und in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R –, juris, Rn. 15, 17). Maßgeblich ist die anhand allgemeiner Erfahrungssätze zu bestimmende – durch die jeweiligen Funktionseinschränkungen verursachte – in Prozent oder vom Hundert ausgedrückte Möglichkeit, sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Lebensgrundlage in Form eines Erwerbs zu verschaffen, wobei gleiche gesundheitliche Einschränkungen prinzipiell zur gleichen Höhe der MdE führen (sog. Prinzip der abstrakten Schadensberechnung, vgl. Scholz, in: jurisPK-SGB VII, § 56 Rn. 17, Stand: 15. März 2014). Die Feststellung der durch den Versicherungsfall bedingten MdE erfolgt durch Vergleich der unmittelbar vor dem Versicherungsfall bestehenden individuellen Erwerbsfähigkeit (einschließlich etwaiger Vorschädigungen) mit der Situation nach dem Versicherungsfall (Scholz, a.a.O.). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, das dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil – B 2 U 5/10 R –, a.a.O., Rn. 16).

Die funktionelle Wertigkeit des Ellenbogengelenks schlägt sich in den MdE-Sätzen bei Bewegungseinschränkungen nieder. Für die meisten Tätigkeiten des täglichen Lebens werden lediglich die Scharnierbewegungen im Ellenbogen zwischen 30° und 130° sowie die Pro- und Supinationsbewegung von je 55° benutzt, sodass Streckdefizite weniger behindern als Beugedefizite (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Ziffer 8.6.5.1, Seite 567). Eine eingeschränkte Ellbogengelenksbeweglichkeit führt nach dem wissenschaftlichen Standardwerk zur medizinischen Unfallbegutachtung bei freier Unterarmdrehung und einer Bewegungseinschränkung für Streckung/Beugung 0/30/90° zu einer MdE von 20 v.H. und bei einer Bewegungseinschränkung für Streckung/Beugung 0/30/120° zu einer MdE von 10 v.H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 568). Erfasst werden nach allgemeiner Übereinkunft in all diesen Bewertungsansätzen die mit dem Grad der Bewegungseinschränkung üblicherweise verbundenen Schmerzen und die damit typischerweise einhergehende Kraftminderung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Ziffer 5.7.7, Seite 244). Bei einem Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegung um insgesamt 40°rechtfertigt sich ebenfalls lediglich eine MdE von 10 v.H., wohingegen eine MdE von 20 v.H. bereits eine Einschränkung der Handgelenksbewegung um insgesamt 80°voraussetzt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Ziffer 8.7.7.2.3, S. 580).

Ausgehend hiervon sind die bei dem Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen zumindest ab dem streitigen 1. Oktober 2018 nicht mit einer MdE von mindestens 20 v.H. zu bewerten.

M1 berichtete in seinem Gutachten vom 17. August 2020 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. August 2021 im Bereich des linken Ellenbogens über eine ca. 6 cm lange bogenförmige reizlose Operationsnarbe auf der lateralen Seite. Er konnte weder eine Berührungs- oder Druckempfindlichkeit noch eine Schwellung oder Deformierung feststellen. Er beschrieb den Ellenbogen als vollkommen stabil und frei beweglich. Beim Bewegen des Ellenbogens zeigte sich kein Knirschen oder Reiben und keine Lockerungszeichen.
Zusammenfassend bewertete er die Ellenbogenfunktion als „fast normal, bis auf eine geringe Einschränkung der Drehbewegung des Unterarmes um 20° (von 180°)“. Das linke Handgelenk wertete er als äußerlich unauffällig, keine Deformierung, keine Schwellung, bei einer kaum sichtbaren, kleineren unauffälligen Narbe streckseitig. Er berichtete über einen Druckschmerz im Bereich des ulnocarpalen Gelenkes sowie bei extremer Abstützung und Ulnarabduktion. Das distale Radioulnargelenk beschrieb er als stabil, die Handwurzelknochen als nicht druckempfindlich und ebenfalls vollkommen stabil. Er konnte kein Klickphänomen und beim Bewegen des Handgelenkes auch kein Knirschen oder Reiben sowie keine Instabilitätszeichen feststellen. Auch das Handgelenk beschrieb er als weitgehend frei beweglich. Der Faustschluss war vollständig, das Ab- und Anspreizen der Finger nicht beeinträchtigt und die Sensibilität intakt. Die Röntgenaufnahmen zeigen nach seiner Auswertung einen achsengerechten Sitz der Prothese, keine Lockerungs- oder Arthrosezeichen. Den beim Kläger bestehenden Zustand nach Implantation einer Radiuskopfendoprothese links und Refixation der beugeseitigen Gelenkkapsel linker Ellbogen mit noch leichter Einschränkung bzgl. der Außendrehung des Unterarms, der Herabsetzung der groben Kraft der linken Hand mit mäßiger Atrophie der Unterarmmuskulatur sowie radiologische Veränderungen mit leichter Herabsetzung des Kalksalzgehalts im Bereich des Ellbogens und einer minimalen Ulna-Plus-Variante im Bereich des linken Handgelenks bewertete vor diesem Hintergrund nachvollziehbar und überzeugend mit einer MdE von 10 v.H. ab dem 1. Oktober 2018. Die Befunderhebung M1s und dessen MdE Bewertung entspricht in allen wesentlichen Punkten den Berichten des H vom OKM. Auch dort wurde eine verbliebene MdE im rentenberechtigenden Ausmaß ausgeschlossen und es wurde eine nahezu normwertige Beweglichkeit des linken Handgelenks beschrieben, sowie eine freie Beweglichkeit am Ellbogengelenk und im Schultergelenk. Ein Handlungsbedarf auf handchirurgischem Gebiet wurde explizit verneint. Auch der T konnte anlässlich der Verlaufskontrolle vom 25. Februar 2019 keine rentenrelevanten Einschränkungen feststellen, sondern berichtete darüber, dass sich bei der klinischen Untersuchung keine Rötung, keine Schwellung und eine freie Beweglichkeit sowie reizfreie Narbenverhältnisse zeigten.

2.)
Demgegenüber vermochte die MdE Bewertung des B, der von einer MdE von 20 v.H. ausging, den Senat nicht zu überzeugen. Zur Überzeugung des Senats besteht kein eine MdE von mindestens 20 v.H. bedingendes Funktionsdefizit im Bereich des linken Ellbogens und Handgelenks.

Zunächst überzeugt die sinngemäße Argumentation Bs, die Implantation einer Ellenkopfprothese (Radiuskopfprothese) bedinge auch bei guter Funktion immer und einzelfallunabhängig eine Verminderung der gesamten Hand- und Armfunktion und damit eine MdE von 10 v.H. (zu der dann weitere Funktionsbeeinträchtigungen hinzuzuaddieren seien), den Senat nicht. M1 hat vielmehr für den Senat überzeugend darauf hingewiesen, dass die Belastbarkeit der Endoprothese und somit des Armes nicht wie von B angenommen pauschal und einzelfallunabhängig auf 5 kg begrenzt werden kann, sondern von vielen Faktoren abhängig ist, wie z.B. Prothesentyp, Muskelstatus, zusätzliche Veränderungen des Gelenkes wie Instabilität, Achsenfehlstellung, Knorpel- und Bandschädigung usw. Richtig ist, dass nach Implantation einer Radiuskopfprothese eine Minderung der Belastbarkeit und eine geringgradige Bewegungseinschränkung zurückbleiben kann, die die genannte MdE von 10 v.H. bedingt. In Abweichung von der pauschalisierenden Sichtweise Bs hat M1 zutreffend angemerkt, dass für die MdE Bewertung die konkret im Einzelfall verbliebene Funktionsbeeinträchtigung entscheidend ist. Rentenbegutachtung ist im Kern Funktionsbegutachtung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Ziffer 4.1, Seite 124), so dass sich bei einer annähernd normgerechten Ellbogenfunktion und einem achsengerechten Sitz der Prothese, ohne Lockerungs- oder Arthrosezeichen entgegen den Ausführungen Bs eine MdE von 10 v.H. nicht allein durch das Vorhandensein einer Radiuskopfprothese begründen lässt.

Auch die beim Kläger bestehende Atrophie der Unterarmmuskulatur bedingt keine funktionellen Beeinträchtigungen, die eine MdE Bewertung mit 20 v.H. rechtfertigen. M1 hat die von B festgestellte Atrophie der Unterarmmuskulatur links im Vergleich zu rechts (mit 1,5 bis 2 cm) wertend als gering beschrieben und darauf hingewiesen, dass diese in der Einschätzung der MdE in Folge der Implantation der Radiuskopfprothese bereits mitberücksichtigt ist. Er hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass beim Kläger als Rechtshänder eine Umfangsdifferenz am Unterarm von 0,5 bis 1cm im Normbereich liegt. Weder wurde dieser Aspekt im Gutachten Bs berücksichtigt, noch hat er konkrete funktionelle Auswirkungen der bestehenden Atrophie der Unterarmmuskulatur beschrieben. Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen die ergänzende Stellungnahme M1s eingewandt hat, dieser habe den Kläger am 7. Juli 2020 letztmalig gesehen und könne damit keine Angaben zu der jetzt vorliegenden Atrophie des Unterarmes machen, ist darauf hinzuweisen, dass auch bereits M1 eine Atrophie der Unterarmmuskulatur beschrieben hatte und in seiner ergänzenden Stellungnahme im Übrigen die von B aktuell mitgeteilten Maße zu Grunde gelegt hat.

Soweit B seine MdE Bewertung ergänzend mit einer Verkrampfungsneigung der Unterarmmuskulatur begründet, hat die Beklagte diese mit Teilabhilfebescheid vom 20. Dezember 2018 als Unfallfolge anerkannt. Die von M1 geäußerten Zweifel, dass es sich hierbei nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit um eine unfallbedingte Funktionsstörung handelt, sind daher zu Gunsten des Klägers unberücksichtigt zu lassen. Auch unter Berücksichtigung der Verkrampfungsneigung vermochte sich der Senat allerdings nicht von einer MdE in Höhe von 20 v.H. zu überzeugen. Die Verkrampfungsneigung der Extensor Muskulatur wurde bereits im Bericht des H (OKM) vom 12. September 2017 beschrieben, ohne dass insoweit eine maßgebliche Einschränkung bei der funktionellen Verwendung der Hand festgehalten wurde, so dass bei nahezu vollständig fehlenden Bewegungseinschränkungen auch die unspezifische Verkrampfungsneigung keine MdE von mindestens 20 v.H. bedingt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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