L 9 R 3194/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2550/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3194/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die.1965 in der Türkei geborene Klägerin siedelte 1991 in die Bundesrepublik Deutschland über. Sie hat keinen Beruf erlernt und übte gelegentlich geringfügige, nicht versicherungspflichtige Beschäftigungen als Reinigungskraft aus. Im Versicherungskonto der Klägerin sind von April 1994 bis Dezember 2003 Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung und von März 1993 bis Dezember 2010 Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vermerkt. Seit Oktober 2007 bezieht sie durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Das Landratsamt G stellte mit Bescheid vom 30.10.2014 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 seit 06.08.2013 fest.

Am 10.03.2015 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung; sie gab an, wegen Depressionen, Schmerzen, Wirbelsäulenschäden, Ohnmacht, Schwindel und Zittern der Hände nicht mehr in der Lage zu sein, irgendeiner Tätigkeit nachzugehen. Aktenkundig wurden verschiedene ältere Arztbriefe, darunter Berichte des C G, Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie, über eine stationäre Behandlung im Jahr 1996 wegen einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und den Entlassungsbericht der MKlinik vom 25.04.2013 über einen stationären Aufenthalt vom 06.03.2013 bis 10.04.2013. Die Klägerin war mit den Diagnosen Somatisierungsstörung, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode ohne somatisches Syndrom, zervikozephales Syndrom, Lumboischialgie und Hypothyreose nach medizinischen Maßnahmen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr leistungsfähig entlassen worden.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch die H, die nach ambulanter Untersuchung der Klägerin in ihrem Gutachten vom 30.04.2015 die Diagnosen Somatisierungsstörung, rezidivierende depressive Störung, aktuell weitgehend zurückgebildet, Verspannung der paravertebralen Muskulatur, lumbaler Bandscheibenschaden ohne Funktionsminderung, Fußdeformitäten und - anamnestisch - paranoide Psychose (1996) angab und die Einschätzung vertrat, die Klägerin sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten.

Mit Bescheid vom 11.05.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, da die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei.

Zur Begründung ihres am 08.06.2015 eingelegten Widerspruchs reichte die Klägerin verschiedene Arztbriefe, insbesondere des behandelnden B, und das Gutachten nach Aktenlage des F für die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit G, vom 11.05.2015 zu den Akten. F vertrat die Auffassung, die Klägerin sei derzeit weniger als drei Stunden täglich leistungsfähig; die Leistungseinschränkung bestehe voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung der Klägerin durch die E. Die Sachverständige diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 15.09.2015 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und eine Dysthymie. Ein schizophrenes Residuum sowie eine geistige Retardierung, wie vom behandelnden B diagnostiziert, lägen nicht vor. Die Klägerin sei in der Lage, bei Beachtung qualitativer Einschränkungen leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Auf Vorschlag des B1 in seiner Stellungnahme vom 16.10.2015 gewährte die Beklagte der Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, die vom 24.11.2015 bis 22.12.2015 in der R-Klinik B2 durchgeführt wurde. Im Entlassungsbericht vom 18.01.2016 wurden die Diagnosen chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, histrionische Persönlichkeitsstörung, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, andere Kontaktanlässe mit Bezug auf den engeren Familienkreis sowie Ein- und Durchschlafstörungen angegeben. Die Klägerin sei in der Lage, sowohl eine Tätigkeit als Reinigungskraft als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Beachtung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung der eingeholten Gutachten, der zur Akte gelangten ärztlichen Berichte sowie des Entlassungsberichts der R-Klinik ergäben sich bei der Klägerin folgende bedeutsame Gesundheitsstörungen: Somatisierungsstörung, rezidivierende depressive Störung (aktuell weitgehend rückgebildet), Verspannung der paravertebralen Muskulatur, lumbaler Bandscheibenschaden (keine Funktionsminderung), Fußdeformitäten, anamnestisch paranoide Psychose (1996), chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Dysthymie, Angabe von Drehschwindel. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und der sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten.

Am 12.08.2016 hat die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie sei voll erwerbsgemindert. Aufgrund der bei ihr festzustellenden Krankheitsbilder sei sie den Anforderungen eines „Normarbeitsplatzes“ nicht mehr gewachsen. Sie könne keine Arbeit von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Des Weiteren liege eine Therapieresistenz vor. Sie habe bereits an einer Rehamaßnahme teilgenommen, jedoch ohne einen spürbaren Erfolg zu erzielen. Trotz der langjährigen Behandlung sei bisher eine Heilung der Beschwerden nicht eingetreten. Dies spreche dafür, dass die Erwerbsminderung auf nicht absehbare Zeit bestehe.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte sowie eines Gutachtens bei dem D.

Die A hat unter dem 13.02.2017 mitgeteilt, ihr Praxisvorgänger habe die Klägerin von November 2010 bis Oktober 2012 behandelt. Nach einer vierjährigen Behandlungspause betreue sie die Klägerin seit Oktober 2016. Eine Leistungseinschätzung könne sie aufgrund der kurzen Behandlungsdauer nicht abgeben. Länger als sechs Monate lägen bei der Klägerin eine chronische Cervicocephalgie, Kreuzschmerz, eine Dysbalance der körperaufrichtenden Muskulatur, Spannungskopfschmerz, ein Zustand nach Suizidversuch, Anpassungsstörungen bei familiärer Konfliktsituation, anamnestisch eine paranoide Psychose, eine Depression, Anpassungsstörungen, chronische Schmerzstörungen mit somatischen und psychischen Faktoren, ein myofasciales Triggersyndrom, ein algogenes Psychosyndrom, chronischer Schmerz Chronifizierungsstadium III und eine chronische Lumboischialgie vor. B, hat in seiner Aussage vom 16.02.2017 berichtet, die Klägerin zuletzt im August 2015 behandelt zu haben. Schon vor der letzten Konsultation habe keine medikamentöse Therapie mehr stattgefunden, wobei sich zumindest bis zum letzten Kontakt keine Veränderung der klinischen Symptomatik ergeben habe. Die Klägerin sei wenig compliant und veränderungsbereit gewesen. Zu ihrer Leistungsfähigkeit könne er keine Aussage machen. Die Klägerin sei seit vielen Jahren nur im Haushalt tätig, hier nach Aussage der Tochter nur unter Mithilfe der Kinder. In seiner Stellungnahme vom 21.03.2017 hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Omitgeteilt, die Klägerin leide unter einer Myogelose der Schulter-Nacken-Muskulatur, einem Bandscheibenschaden lumbal degenerativ, Osteochondrose der Lendenwirbelsäule, einem Karpaltunnelsyndrom beidseits und einer Blockierung im Bereich C5-7 beidseits. Nach seinen Feststellungen sei die Klägerin in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mindestens fünf bis sechs Stunden täglich auszuüben. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Aydemir hat unter dem 02.05.2017 ausgeführt, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich seit November 2014 verschlechtert. Sie sei sehr aggressiv, antriebslos und freudlos. Die Beweglichkeit sämtlicher Gelenke sei endgradig eingeschränkt. Die Klägerin sei nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden täglich zu verrichten

D hat in seinem Gutachten vom 11.10.2017 nach ambulanter Untersuchung vom 10.10.2017 unter Hinzuziehung eines Dolmetschers eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, ein Minimalresiduum einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, einen Tinnitus aurium und ein Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit diagnostiziert. Außerhalb des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets seien ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Adipositas und eine Schilddrüsendysfunktion unter medikamentöser Substitution zu berücksichtigen. Die Klägerin sei noch in der Lage, bei Beachtung qualitativer Einschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Die Klägerin hat den Beschluss des Amtsgerichts Göppingen vom 20.01.2017 über die vorläufige stationäre Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung einer zur Unterbringung psychisch Kranker anerkannten Einrichtung und den vorläufigen Entlassungsbericht des C G vom 23.11.2018 über den stationären Aufenthalt vom 31.10.2018 bis 23.11.2018 sowie ein ärztliches Zeugnis vom 19.01.2017 vorgelegt sowie vorgetragen, D habe sich nicht ansatzweise mit den ärztlichen Berichten des C G auseinandergesetzt. Das Ergebnis des Gutachtens habe bereits von Vornherein festgestanden und sei ergebnisorientiert. Die Grunderkrankung der paranoiden Schizophrenie, welche trotz vorübergehender Stabilisierung vorhanden sei, habe der Sachverständige nicht ausreichend berücksichtigt.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2018 hat D zu den Einwänden der Klägerin Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass in seinem Gutachten eine sehr umfangreiche Auseinandersetzung mit den vorgefunden Befunden und Berichten erfolgt sei. Auch die zeitweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sei bei der Gutachtenserstellung bekannt gewesen.

Die Klägerin hat weiter vorgetragen, sie sei bei dem D1 in Behandlung und nehme die dort verordneten Medikamente regelmäßig ein. Sie nehme insbesondere auch durchgehend Psychotherapie in Anspruch, insbesondere seit ihrer letzten Entlassung aus dem C G.

Die Beklagte hat auf eine sozialmedizinische Stellungnahme der H vom 07.06.2017 verwiesen.

Mit Urteil vom 23.05.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die – näher dargelegten – Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei, wie sich aus dem Gutachten des D, dem Entlassungsbericht der R-Klinik sowie dem im Urkundenbeweis verwerteten Gutachten von E ergebe, in der Lage, eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts im Wechselrhythmus unter Beachtung qualitativer Einschränkungen für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Wegen der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren könne sie keine schweren Gegenstände heben, tragen oder bewegen. Nicht mehr leidensgerecht seien Wirbelsäulenzwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Tätigkeiten mit besonderer Unfall- oder Absturzgefahr beispielsweise auf Leitern, Treppen oder Gerüsten. Ferner sei sie wegen des schizophrenen Residualzustandes in ihrer psychischen Belastbarkeit reduziert und in ihrer Stresstoleranz vermindert. Sie könne daher keine Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck wie Fließbandarbeiten, Akkordtätigkeiten sowie taktgebundene Arbeiten mehr verrichten. Schließlich seien Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen oder Publikumsverkehr und in Nacht- oder Wechselschicht nicht mehr leidensgerecht. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit sei vorliegend nicht erforderlich, denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stünden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich sei. Schließlich sei die Klägerin auch nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da sie nach dem Stichtag 01.01.1961 geboren sei.

Gegen das ihr am 26.09.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.09.2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Feststellungen des D, auf denen das Urteil des SG im Wesentlichen beruhe, seien unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes nicht nachvollziehbar; allenfalls schienen sich diese punktuell auf den Zeitpunkt der Untersuchung zu beschränken. Vor allem stelle sich die Frage, was mit dem unbestimmten Begriff der „Stabilisierung“ gemeint sei. Sie sei zum wiederholten Mal vom 31.10.2018 bis 23.11.2018 im Klinikum C wegen der paranoiden Schizophrenie in Behandlung gewesen. Es werde auch klargestellt, dass sich ihr Zustand nach medikamentöser Optimierung stabilisiert habe und eine deutliche Besserung der Symptomatik eingetreten sei. Die deutliche Besserung führe aber nicht dazu, dass sie arbeitsfähig geworden sei. Wie dem Entlassungsbericht des Klinikums C zu entnehmen sei, sei sie trotz der Besserung arbeitsunfähig entlassen worden. Es liege auch weiterhin die paranoide Schizophrenie vor; so sei es am 25.11.2019 nochmals zu einer Untersuchung durch den sozialmedizinischen Dienst der Agentur für Arbeit G gekommen. Auch hier sei nochmals festgestellt worden, dass eine chronifizierte psychische Minderbelastbarkeit und eine schwerwiegende Minderbelastbarkeit des Stütz- und Bewegungsapparates vorliege, was zu einer Arbeitsunfähigkeit von voraussichtlich bis zu sechs Monaten führe. Dem Gutachten von K sei zu folgen. Der Gutachter habe zutreffend festgestellt, dass kein Zweifel daran bestehe, dass es sich bei den durch die Klägerin geschilderten Konflikten mit dem Ehemann im Jahr 2017 um paranoide Verfolgungs- und Beeinträchtigungsideen handle. Vor allem im Punkt der Darstellung der psychischen Beschwerden bestehe eine erhebliche Diskrepanz zwischen B und K. Es werde beantragt, die Akte des Amtsgerichts Göppingen (1 XIV 19/17 L) beizuziehen, die Klägerin habe sich gegen die Unterbringung gewehrt, da sie der Auffassung gewesen sei, dass ihre Wahnvorstellungen der Wahrheit entsprächen. Die Wertung des K sei eher nachvollziehbar als die des B. Es werde zur Klärung der Frage, ob eine Voreingenommenheit des B vorliege, außerdem um Mitteilung gebeten, wie viele Gutachten dieser im Auftrag der Beklagten erstattet habe und wie oft es vorgekommen sei, dass er eine Verrentung befürwortet habe. Diese Informationen seien notwendig, um Beurteilung zu können, ob eine wirtschaftliche Abhängigkeit des B von der Beklagten bestehe. Ferner werde dessen Methodik beanstandet, so dass einer Verwertung des Gutachtens widersprochen werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Mai 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. März 2015 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtenen Bescheide und die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat den B mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach Untersuchung der Klägerin am 08.09.2020 hat er in seinem Gutachten vom 27.09.2020 ausgeführt, auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet bestehe bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren, die sich in der subjektiven Wahrnehmung von Schmerzen am Körper (Wirbelsäule, Extremitäten, Füße, Nacken), die sich durch die durchaus bestehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke nicht ausreichend objektivieren ließen, zeige. Des Weiteren bestehe seit langer Zeit zwar eine paranoide Psychose, die sich in der Regel nur in einem gering ausgeprägten Residuum zeige, d.h. in einer leichten Antriebsminderung, geringeren Motivation, reduzierten Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit. Dies außerhalb der in der Aktenlage aufgeführten psychischen Dekompensationen, die sich jedoch innerhalb recht kurzer Zeit im Rahmen einer stationären Therapie weitgehend stabilisiert hätten. Die Klägerin neige aus gutachterlicher Sicht zu einer histrionischen Ausgestaltung der konflikthaften Ehe, ziehe im Rahmen ihrer langjährigen Symptomatik durchaus einen sekundären Krankheitsgewinn und somit eine positive Verstärkung ihrer Neigung zur Regression, die sich im Rahmen der Begutachtungssituation durchaus bei der Exploration gezeigt habe, in welcher die Klägerin vorwiegend den Ehemann für ihren Zustand verantwortlich gemacht habe. Es bestünden durchaus degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, die Einschränkungen in Bezug auf die Arbeitsschwere und qualitative Belastbarkeit der Klägerin nach sich zögen. Durch die somatoforme Schmerzstörung und die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sei die Klägerin noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten durchzuführen, im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, dies in Tagschicht, Früh- und Spätschicht, ohne Nachtschicht. Ein Heben von Lasten von mehr als 5 kg, längere wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, ein Steigen auf Leitern, Treppen und Gerüsten sowie gefahrgeneigte Tätigkeiten sollten vermieden werden. Wegen des schizophrenen Residuums bestehe eine reduzierte psychophysische Belastbarkeit, so dass Arbeiten in Akkord oder sonstigem Zeittakt, Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit und Tätigkeiten mit Anforderungen an die deutsche Sprache vermieden werden sollten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen bestehe quantitativ ein vollschichtiges Leistungsvermögen, d.h. die Klägerin sei in der Lage, täglich mindestens sechs Stunden zu arbeiten.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat den K mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 26.04.2021 hat der Gutachter die Diagnosen mittelschwere Depression, chronisches somatoformes Schmerzsyndrom, paranoide Schizophrenie, teilremittiert, und schizophrenes Residuum gestellt. Die Klägerin sei aufgrund der psychischen Erkrankungen in ihren kognitiven Fähigkeiten sowie im Antrieb, der Konzentration und dem Durchhaltevermögen deutlich eingeschränkt. Sie sei noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung näher dargelegter qualitativer Einschränkungen zu verrichten und einfache Aufgaben wie das Sortieren, Anreichen, reinigen und Zusammensetzten von Werkstücken zu erledigen. Aufgrund des bestehenden schizophrenen Residuums sei die Klägerin in ihrer psychischen Belastbarkeit, ihrem Arbeitstempo, ihrer Konzentrationsfähigkeit und ihrem Durchhaltevermögen so stark eingeschränkt, dass sie leichte körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich ausführen könne. Der festgestellte Gesundheitszustand bestehe seit Antragstellung, während des Verfahrens sei keine wesentliche Änderung eingetreten.

Hierzu hat die Beklagte die sozialmedizinische Stellungnahme der H vom 13.10.2021 vorgelegt.

Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 12.01.2022, die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.01.2022 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die nach § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist nicht begründet, da das SG die Klage mit Urteil vom 23.05.2019 zu Recht abgewiesen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 11.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: 116. EL, September 2021, § 43 SGB VI, Rdnr. 58 und 30 ff.).

An diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht voll erwerbsgemindert. Sie hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen oder körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Gutachten von D und B sowie der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von H und E und des Entlassungsberichts der R-Klinik, die der Senat jeweils im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat.

Der Senat stellt zunächst fest, dass die Klägerin unter einer somatoformen Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren, einer paranoiden Psychose, die sich noch in einem gering ausgeprägten Residuum zeigt, einer Myogelose der Schulter-Nacken-Muskulatur, einem lumbal degenerativen Bandscheibenschaden, einer Osteochondrose der Lendenwirbelsäule, einem Karpaltunnelsyndrom beidseits und einer Blockierung im Bereich C5-7 leidet.

Diese Gesundheitsstörungen führen weder für sich genommen noch in ihrer Zusammenschau dazu, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auf unter sechs Stunden arbeitstäglich eingeschränkt ist.

Hinsichtlich der neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen stützt der Senat sich im Wesentlichen auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des B. Der Senat hat keinerlei Anlass, an der Objektivität des Gutachters zu zweifeln. Soweit der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 17.01.2021 andeutet, B sei ggf. nicht objektiv bzw. voreingenommen, handelt es sich um reine Unterstellungen. Allein der Umstand, dass B auch Gutachten für die Beklagte, die im Regelfall auf Gutachter ihres sozialmedizinischen Dienstes und nicht auf niedergelassene Ärzte zurückgreift, oder andere Rentenversicherungsträger erstellt, führt nicht dazu, dass er bei der Erstellung der Gutachten nicht neutral wäre. Der Senat hat aufgrund des Hinweises von B, die Klägerin in der Vergangenheit behandelt zu haben, die Beteiligten um Stellungnahme gebeten, die jeweils mitteteilt haben, keinerlei Einwände gegen eine Begutachtung durch B zu haben. Der Gutachter ist für den Senat schlüssig und überzeugend zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet unter einer somatoformen Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren leidet, die sich in der subjektiven Wahrnehmung von Schmerzen am Körper (Wirbelsäule, Extremitäten, Füße, Nacken), die sich durch die bestehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke nicht ausreichend objektivieren lassen, zeigten. Des weiteren besteht zwar eine paranoide Psychose, die sich in der Regel nur in einem gering ausgeprägten Residuum zeigt, d.h. in einer leichten Antriebsminderung, geringeren Motivation, reduzierten Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit. Dies außerhalb der aktenkundigen psychischen Dekompensationen, die sich innerhalb recht kurzer Zeit im Rahmen einer stationären Therapie weitgehend stabilisiert haben. Die Klägerin neigt nach Auffassung von B zu einer histrionischen Ausgestaltung der konflikthaften Ehe, zieht im Rahmen ihrer langjährigen Symptomatik daraus einen sekundären Krankheitsgewinn und somit eine positive Verstärkung ihrer Neigung zu Regression, die sich im Rahmen der Begutachtungssituation durchaus bei der Exploration zeigte, in der die Klägerin vorwiegend den Ehemann für ihren Zustand verantwortlich macht. Es bestehen darüber hinaus degenerative Einschränkungen der Wirbelsäule, die Einschränkungen in Bezug auf die Arbeitsschwere und qualitative Belastbarkeit der Klägerin nach sich ziehen.

B gelangte zusammenfassend für den Senat überzeugend zu der Einschätzung, dass die Klägerin durch die somatoforme Schmerzstörung und die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule nur noch in der Lage ist, körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, in Tagesschicht, Früh- und Spätschicht und ohne Nachtschicht durchzuführen. Ein Heben von Lasten von mehr als 5 kg, längere wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, ein Steigen auf Leitern, Treppen und Gerüsten, sowie gefahrgeneigte Tätigkeiten sollten vermieden werden. Wegen des schizophrenen Residuums besteht eine reduzierte psychophysische Belastbarkeit, so dass Arbeiten in Akkord oder sonstigem Zeittakt, Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit vermieden werden sollen.

Unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen sind der Klägerin nach den überzeugenden Ausführungen des B zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden arbeitstäglich möglich und zumutbar. B leitet die von ihm erhobenen Diagnosen nachvollziehbar aus dem erhobenen psychischen Befund ab. Die Klägerin war im Rahmen der Untersuchung wach, bewusstseinsklar und in allen Qualitäten (zeitlich, örtlich, situativ und zur eigenen Person) voll orientiert. Sie war affektiv nur mäßig herabgestimmt, nur leicht reduziert schwingungsfähig, zum Teil verbittert bei der Schilderung ihrer ehelichen Probleme. Sie war die ganze Zeit konzentriert, manchmal etwas weitschweifig und ausweichend bei der Sache. Der Antrieb war im Rahmen der Exploration im Wesentlichen normal, teilweise agitiert. Die Klägerin vermittelte im Rahmen der Exploration ein regressives, sozial zurückgezogenes Bild von sich, hat aber auch soziale Kontakte. Es zeigten sich Schlafstörungen in Form von Ein- und Durchschlafstörungen, eine deutlich regressive Haltung in Bezug auf die Leistungsfähigkeit bei noch teilweise erhaltener Tagesstruktur. Suizidale Gedanken zeigten sich im Rahmen der Begutachtung nicht. Formal war die Klägerin sehr auf ihre körperlichen Symptome eingeengt, dabei zeigte sich eine belle indifference, d.h. eine Differenz zwischen dem Eindruck des Gutachters in Bezug auf die Schmerzen und die Intensität, wie sie durch die Klägerin berichtet werden. Inhaltliche Denkstörungen waren während der Untersuchung nicht feststellbar. Es zeigten sich während der Exploration und Untersuchung keine Störung der Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassung. Das Altgedächtnis war intakt, die durch die Klägerin geschilderte Amnesie konnte B nicht nachvollziehen, da die Klägerin zum Teil auch sehr präzise Angaben zur Vergangenheit machen konnte. Die Klägerin machte vom intellektuellen Standpunkt her einen durchaus normal strukturierten Eindruck, wobei eine reduzierte Introspektionsfähigkeit festzustellen war. Insgesamt beschreibt der Gutachter das Verhalten der Klägerin während der Exploration als im Sinne der Vermittlung eines deutlichen Leidensdrucks geprägt. Es zeigte sich ein deutlicher sekundärer Krankheitsgewinn mit Verstärkung der Isolation, einer Externalisierung der Schuld und einem Versorgungsbegehren. Eine deutliche Aggravationsneigung wurde auch durch die testpsychologischen Untersuchungen bestätigt. Insgesamt ist der Gutachter auf Grundlage dieser Befunde für den Senat überzeugend zu den genannten Diagnosen gelangt und hat hierauf seine Leistungsbeurteilung gestützt. Mit dem zum Zeitpunkt der Untersuchung geringen Residuum der paranoiden Psychose und der somatoformen Schmerzstörung stellt der Gutachter eine psychische Symptomatik fest, die zwar qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens zur Folge hat, aber keine Einschränkungen hinsichtlich des zeitlichen Leistungsvermögens. Die reaktive depressive Symptomatik sieht er im Rahmen der somatoformen Schmerzstörung subsumiert sowie als geringe Antriebsminderung als Teil des bestehenden Residuums. Der Senat schließt sich im Ergebnis der überzeugend hergeleiteten Leistungseinschätzung des B an, die sich im Übrigen auch mit derjenigen des D in seinem Gutachten vom 11.10.2017, der R-Klinik im Entlassungsbericht vom 18.01.2016 sowie der E in ihrem Gutachten vom 15.09.2015 deckt.

Zu keiner anderen Beurteilung führt der Umstand, dass die Klägerin aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Göppingen vom 20.01.2017 wegen einer paranoiden Schizophrenie vom 16.01.2017 bis 10.02.2017 stationär in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie G untergebracht war und dort vom 31.10.2018 bis 23.11.2018 ein erneuter stationärer Aufenthalt erfolgte. Den stationären Aufenthalt 2017 hat D in seinem Gutachten gewürdigt und in der Leistungsbeurteilung berücksichtigt. Hinsichtlich der paranoiden Schizophrenie hat er auf Grundlage der von ihm erhobenen Befunde überzeugend dargelegt, dass die noch bestehende Symptomatik unspezifisch ist, insbesondere eindeutige kognitive Störungen, wie sie bei schizophrenen Residualsyndromen häufig anzutreffen sind, fehlen. Wäre aus der Vorgeschichte keine eindeutig schizophrene Symptomatik nachweisbar, würde der Gutachter nach seinen Ausführungen die noch bestehende chronifizierte depressive Symptomatik als Dysthymie bezeichnen. Unter der Annahme, dass sich vor zwanzig Jahren eine eindeutig schizophrene Episode ereignet hat, hielt aber auch D die Diagnose eines schizophrenen Minimalresiduums für gerechtfertigt. Auch er hat für den Senat überzeugend aus den von ihm erhobenen Befunden keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens festgestellt, wie das SG bereits ausführlich ausgeführt hat. Hinsichtlich des stationären Aufenthalts im Jahr 2018 weist B darauf hin, dass eine Entlassung bereits nach 23 Tagen „nach deutlicher Verbesserung der Symptomatik“ mit einer geringen antipsychotischen Medikationsdosis (Risperidon 0,5 mg, wie auch bereits zum Zeitpunkt der Begutachtung durch D) erfolgen konnte. Hieraus leitet auch B für den Senat überzeugend lediglich eine vorübergehende Einschränkung des Leistungsvermögens, aber keine dauerhafte Erwerbsminderung ab. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass während der stationären Klinikaufenthalte im C G, insbesondere auch 2017 aufgrund der richterlich angeordneten Unterbringung, die in den Entlassungsberichten genannten Diagnosen vorlagen und die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, weshalb auch keine Veranlassung besteht, die Akten des Amtsgerichts Göppingen, wie durch den Klägervertreter angeregt, beizuziehen. Allerdings geht der Senat mit D und B von einer vorübergehenden Symptomatik aus, die nicht zu einer dauerhaften Erwerbsminderung führt.

Nicht zu folgen vermochte der Senat der Einschätzung des K, der von einem auf drei bis unter sechs Stunden täglich eingeschränkten Leistungsvermögen ausgeht. H1 führt insoweit nachvollziehbar und überzeugend aus, dass die Leistungseinschätzung nicht plausibel ist. K, der eine mittelschwere Depression, ein chronisches somatoformes Schmerzsyndrom, eine teilremittierte paranoide Schizophrenie und ein schizophrenes Residuum diagnostiziert, stützt die von ihm angenommene Leistungseinschränkung im Wesentlichen auf die angenommenen mittelschweren kognitiven Leistungseinschränkungen. H1 weist insoweit zutreffend darauf hin, dass zur Validierung lediglich zwei Testverfahren Anwendung gefunden haben. Der Syndromkurztest zur Beurteilung von Störungen des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit wird vorwiegend eingesetzt zur Schweregradbestimmung und Verlaufskontrolle von Demenzerkrankungen bzw. nach Verletzung oder Erkrankung des Gehirns aufgrund substanzinduzierter kognitiver Veränderungen. Beides liegt bei der Klägerin unstreitig nicht vor. Mit dem Screening (Uhrenzeichentest nach Shulman) wird die Visuokonstruktion und das Problemlösen hauptsächlich bei der diagnostischen Abklärung demenzieller Erkrankungen geprüft. Das Testergebnis der Klägerin bei dem Syndromkurztest wäre sogar mit einer schweren kognitiven Beeinträchtigung vereinbar, mit einem Score von 3 im Uhrentest bestanden Hinweise auf eine Demenz. H1 weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass K trotz der sowohl von D als auch durch B festgestellten eindeutigen Hinweise auf eine Aggravation auf Beschwerdevalidierungstests verzichtet hat. Der Verdacht auf Aggravation wurde damit nicht ausgeräumt, was im Hinblick darauf, dass die durchgeführten Tests von Mitarbeit und Anstrengungsbereitschaft abhängen, erforderlich gewesen wäre. Die durch K mitgeteilten mittelschweren kognitiven Leistungseinschränkungen sind damit nicht nachgewiesen. Soweit K Bagatellisierungstendenzen hinsichtlich der psychischen Beschwerden annimmt, ist dies im Hinblick auf die Vorgutachten und die dort ausführlich geschilderten – auch psychischen – Beschwerden, nicht nachvollziehbar.

Keine weitergehende zeitliche Einschränkung folgt aus den Gesundheitsstörungen auf anderen Fachgebieten. Auf orthopädischem Fachgebiet berichtet O über eine Myogelose der Schulter-Nacken-Muskulatur, einen lumbal degenerativen Bandscheibenschaden, Osteochondrose der Lendenwirbelsäule, ein Karpaltunnelsyndrom beidseits und eine Blockierung im Bereich C5-7. Er geht von einem Leistungsvermögen von fünf bis sechs Stunden täglich aus. Die zeitliche Einschränkung auf unter sechs Stunden ist für den Senat anhand der Befunde nicht nachvollziehbar, vielmehr ist aufgrund der genannten Diagnosen unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen von einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen auszugehen, wie es D und B auch unter Berücksichtigung der orthopädischen Erkrankungen angenommen haben.

Damit kann der Senat sich nicht davon überzeugen, dass die Erkrankungen der Klägerin für sich genommen wie auch insgesamt betrachtet seit der Rentenantragstellung zu einer mindestens sechs Monate andauernden auch zeitlichen Leistungseinschränkung geführt haben. Die vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen können somit zwar das Spektrum der für die Klägerin in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keinen Zweifel an ihrer weitgehend normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung kann vorliegend auch nicht auf die Grundsätze einer schweren spezifischen Leistungsbeeinträchtigung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gestützt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine volle Erwerbsminderung ausnahmsweise selbst bei einer mindestens sechsstündigen Erwerbsfähigkeit vor, wenn der Arbeitsmarkt wegen besonderer spezifischer Leistungseinschränkungen als verschlossen anzusehen ist. Dem liegt zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.1983 - 5a RKn 28/82 -, Juris). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei Versicherten mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. Eine Verweisungstätigkeit ist erst dann zu benennen, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen daher entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der „Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG, Urteile vom 20.08.1997 - 13 RJ 39/96 -, vom 11.05.1999 - B 13 RJ 71/97 -, vom 24.02.1999 - B 5 RJ 30/98 - und vom 09.09.1998 - B 13 RJ 35/97 R -, Juris). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27.04.1982 - 1 RJ 132/80 -, Juris) jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen von Gegenständen, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich sind. Dass Versicherte, die nur noch körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten – ggf. unter weiteren gesundheitlichen Einschränkungen – wenigstens sechs Stunden täglich verrichten können, regelmäßig in der Lage sind, „erwerbstätig zu sein“, hat das BSG zuletzt mit Urteil vom 11.12.2019 (- B 13 R 7/18 R -, Juris) bestätigt. Bei der Klägerin sind, wie sich insbesondere den Gutachten von B und D entnehmen lässt, qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens zu berücksichtigen. B gelangte zusammenfassend für den Senat überzeugend zu der Einschätzung, dass die Klägerin durch die somatoforme Schmerzstörung und die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule nur noch in der Lage ist, körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, in Tageslicht, Früh- und Spätschicht und ohne Nachtschicht durchzuführen. Ein Heben von Lasten von mehr als 5 kg, längere wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, Überkopfarbeiten, ein Steigen auf Leitern, Treppen und Gerüste, sowie gefahrgeneigte Tätigkeiten sollten vermieden werden. Wegen des schizophrenen Residuums besteht eine reduzierte psychophysische Belastbarkeit, so dass Arbeiten in Akkord oder sonstigem Zeittakt, Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit und Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen nicht mehr leidensgerecht sind. Auch unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen sind der Klägerin die durch das BSG aufgezeigten Tätigkeitsfelder noch möglich und zumutbar. Dass der Klägerin bislang keine leidensgerechte Arbeit vermittelt werden konnte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Vermittlung einer grundsätzlich möglichen und leidensgerechten Tätigkeit ist Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit. Das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG, Urteile vom 25.06.1986 - 4a RJ 55/84 – und vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R -, Juris). Der Klägerin ist trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen und der daraus folgenden qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten eröffnet, sodass keine Summierung ungewöhnlicher oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung vorliegt und keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss.

Die Klägerin ist auch trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen in der Lage, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Die sog. Wegefähigkeit der Klägerin ist nicht in rentenrechtlich relevantem Ausmaß eingeschränkt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - und - B 13 R 79/11 R -, vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R -, Juris m.w.N., vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -, a.a.O.). Dazu gehört z.B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (vgl. BSG, Urteile vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R - und vom 30.11.1965 - 4 RJ 101/62 -, Juris). Anhaltpunkte dafür, dass sich die Gesundheitsstörungen auf die Wegefähigkeit der Klägerin auswirken würden, bestehen nicht.

Die Klägerin hat nach alledem keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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