L 9 R 3659/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2663/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3659/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. September 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1977 geborene Kläger hat eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker kurz vor der Abschlussprüfung abgebrochen. Seit 1997 war er als Fertigungsfachkraft bei der Audi AG in Neckarsulm versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt bestand seit dem 21.02.2017 Arbeitsunfähigkeit, vom 21.08.2018 bis Juli 2019 bezog der Kläger Arbeitslosengeld.

Vom 16.01. bis 20.02.2017 gewährte die Beklagte dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der C Psychosomatischen Fachklinik F gGmbH. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 06.03.2017 mit den Diagnosen generalisierte Angststörung, zönästhetische Schizophrenie, rezidivierende depressive Störung, somatoforme autonome Funktionsstörung des oberen Verdauungssystems, Arthrose des Akromioklavikulargelenks rechts mehr als links, Impingementsyndrom beidseits, Laktoseintoleranz, Fruktose-Malabsorpt mit einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen.

Am 14.03.2017 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Mit Bescheid vom 04.04.2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung ab, der Kläger könne noch über sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein. Die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Zur Begründung seines hiergegen am 13.04.2017 eingelegten Widerspruchs führte der Kläger aus, er sei aufgrund seiner schweren seelischen Erkrankung, seiner Depressionen mit Angstzuständen, einer immer wieder auftretenden Magen-Darm-Erkrankung, einer Gefühllosigkeit in den Armen, einer Erkrankung seines Schultergelenks sowie wegen seiner Verdauungsbeschwerden und einer Magen- und Speiseröhrenerkrankung nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch die B, die den Kläger ambulant untersuchte und in ihrem Gutachten vom 02.06.2017 eine leichte bis mittelgradige depressive Episode mit Somatisierung sowie akzentuierte Persönlichkeitszüge mit impulsiven und emotional instabilen Anteilen diagnostizierte. Aus nervenärztlicher Sicht seien dem Kläger mittelschwere körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne längere Zwangshaltungen sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zuzumuten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dem Kläger seien nach Einschätzung des sozialmedizinischen Dienstes unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und der sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen noch mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen, ständig im Sitzen, ohne Nachtschicht, ohne längere Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bestehe damit nicht.

Vom 31.08.2017 bis 29.09.2017 wurde der Kläger im Klinikum A, Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie, wegen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode, mit psychotischen Symptomen, einer abnormen Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle, nicht näher bezeichnet, sowie einer undifferenzierten Somatisierungsstörung behandelt.

Am 18.08.2017 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Durch die C Psychosomatische Klinik sei ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden angenommen worden. Vom 31.08.2017 bis 29.09.2017 habe er sich in stationärer Behandlung im Klinikum A befunden, vom 15.06.2017 bis 21.06.2017 im Klinikum P, so dass die Feststellungen von B erst Recht nicht nachvollziehbar seien. Der Kläger hat außerdem Berichte der A1 Praxisklinik, H, vom 09.05.2017 und vom 01.06.2017, ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg vom 12.04.2018 und einen Bericht des Zentrums für Radiologie F1 vom 14.05.2018 vorgelegt.

Die Beklagte hat sozialmedizinische Stellungnahmen der L vom 08.06.2018 und der D vom 19.06.2018 vorgelegt.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.

Der L1 hat in seiner Stellungnahme vom 18.12.2017 ausgeführt, den Kläger letztmalig am 09.06.2016 behandelt zu haben. Dieser leide an einer Cervicalneuralgie und seit dem 19.04.2016 an einem Impingementsyndrom an der rechten Schulter. Die Tätigkeit bei Audi als Teilesortierer könne er auch weiterhin vollschichtig ausüben, sofern regelmäßige Überkopfarbeiten vermieden würden. Insofern bestehe eine eingeschränkte Belastbarkeit. Aufgrund der von ihm erhobenen Befunde bestehe keine Einschränkung hinsichtlich der Wegefähigkeit. Die B1 hat unter dem 20.12.2017 mitgeteilt, der Kläger befinde sich seit 2011 in psychiatrischer und seit Juli 2015 in ihrer Behandlung. In dieser Zeit sei er achtmal in ihrer Sprechstunde gewesen, zuletzt am 04.10.2017. Sie hat auf die Diagnosen der C Klinik sowie des Klinikums A verwiesen. Trotz ihrer Behandlung habe sie keine Besserung der Befindlichkeit feststellen können, deshalb gehe sie davon aus, dass der Kläger nicht in der Lage sei, ohne Gefährdung seiner Gesundheit mehr als sechs Stunden in seinem zuletzt ausgeübten Beruf zu arbeiten. Ebenso könne er auch keine leichte körperliche Arbeit für sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Krankheitsbedingt sei der Kläger auf emotionaler Ebene nicht belastbar und deshalb eingeschränkt. Sie gehe davon aus, dass er nicht länger als eine Stunde täglich belastbar sei. Die Minderung der Leistungsfähigkeit sei in diesem Ausmaß seit November 2016 gesichert. Der Hausarzt des Klägers T hat unter dem 23.01.2018 ausgeführt, mehrmals im Quartal Kontakt mit dem Kläger zu haben. Dieser leide an schweren Depressionen mit Angst- und Panikzuständen, Somatisierungsstörungen, psychotischen Symptomen, intermittierender Selbstgefährdung, psychosomatischer Ausweitung, einem Thorakalsyndrom, einem Wirbelsäulenleiden, einem LWS-Syndrom mit akuten Lumbalgien und Wurzelreizsymptomatiken, akuten rezidivierenden Gastriden mit Refluxösophagitis, Histamin-, Fruktose- und Laktoseintoleranz, Reizdarm, Krämpfen, rezidivierenden Diarrhoeschüben, Hypothyreose, einer Fettleber, Koprostase, einer AC-Gelenksarthrose, einem Fersensporn, Fersenschmerzen, einer Wurzelreizsymptomatik der rechten Schulter und einem Tinnitus beidseits. Aufgrund dieser Diagnosen sei eine Leistungsfähigkeit von täglich unter drei Stunden anzunehmen. Mit einer Stellungnahme vom 29.03.2018 hat er u.a. noch die Diagnosen Carpaltunnelsyndrom links, Taubheitsgefühle an der linken Hand, Zeichen eines Fibromyalgiesyndroms, Tinnitus und Zeichen einer Schizophrenie ergänzt. Aufgrund seiner Multierkrankung sei der Kläger im Berufsleben nicht einsetzbar. Wegstrecken von über 500 m könne er nur langsam zurücklegen.

G hat mit Schreiben vom 24.01.2018 mitgeteilt, dass der Kläger sich seit März 2017 bei ihr aufgrund einer depressiven Störung, einer psychosomatischen Störung, einer Panikstörung, einer sonstigen spezifischen Angststörung und einer gemischten Persönlichkeitsakzentuierung in Behandlung befinde. Er sei nicht in der Lage, Tätigkeiten mehr als sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben.

Aktenkundig geworden sind Entlassungsbriefe der S2 Kliniken, Klinikum P, vom 18.10.2016 über eine stationäre Behandlung vom 15.06. bis 21.06.2016 und des Klinikums A vom 28.09.2017.

Das SG hat bei dem B2 ein Gutachten eingeholt. In seinem Gutachten vom 04.10.2018 hat er folgende Gesundheitsstörungen angegeben: Dysthyme Verstimmung im inhaltlichen Kontext mit Konflikten, eine von jeher vorbestehende kombinierte Persönlichkeitsstörung bei gleichzeitig sehr niedrigem Persönlichkeitsstruktur-Niveau, anklingende Agoraphobie ohne weiteres Vermeidungsverhalten, Flugangst, sehr ausgeprägte Hinweise auf zusätzliche, aber auch für nicht authentische Beschwerdeanteile, bzw. simulative Tendenzen, Zustand nach OP Sulcus-Ulnaris-Syndrom links vor acht Jahren mit jetzt unauffälligem Befund, Nikotinabusus, Zustand nach zweitem Schultergelenkseingriff (neun Tage vor der Untersuchung), berichtete Schultergelenksbeschwerden, berichtete HWS-Beschwerden, berichteter beidseitiger Fersensporn, kompensierter Tinnitus, berichtetes Reizdarmsyndrom sowie Laktose- und Fruktoseintoleranz. Er hat ausgeführt, der Kläger könne eine körperlich leichte Tätigkeit vollschichtig verrichten, aus nervenärztlicher Sicht auch bis hin zu mittelschwer. Auch in der Zusammenschau mit fachfremden, etwa orthopädischen oder internistischen Aspekten würden keine quantitativen Leistungseinschränkungen plausibel. Insgesamt sei eine körperlich leichte bis nur gelegentlich mittelschwere Tätigkeit möglich, soweit diese zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne regelmäßig nervöse Anspannung, ohne Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, ohne fordernde soziale Interaktion, nicht im direkten Publikumsverkehr, ohne Stressfaktoren wie Nacht- und Wechselschicht erfolge. Bürotätigkeiten, Computertätigkeiten oder aber auch leichte Sortierarbeiten seien für den Kläger durchaus noch möglich. Eine quantitative Leistungseinschränkung sei jedoch nicht herleitbar, die Wegefähigkeit sei gegeben.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf eine sozialmedizinische Stellungnahme vom 14.01.2019 von S vorgetragen, die angefochtene Entscheidung sei rechtmäßig. Dem Kläger sei eine noch mindestens sechsstündige Erwerbstätigkeit möglich.

Nach vorheriger Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 25.09.2019 die Klage abgewiesen. Die – näher dargelegten – Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Der Kläger könne unter den noch üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Das SG stützte sich bei seinen Feststellungen auf die ihm vorliegenden ärztlichen Befundberichte und Gutachten, insbesondere auf das gerichtliche Sachverständigengutachten des B2 vom 04.10.2018. Der Gutachter habe nachvollziehbar ausgeführt, dass der Kläger an einer dysthymen Verstimmung im inhaltlichen Kontext mit Konflikten, Problemen, Kränkungen im psychosozialen Hintergrund leide. Zudem bestehe eine kombinierte Persönlichkeitsstörung bei gleichzeitig sehr niedrigem Persönlichkeitsstrukturniveau. Der Sachverständige habe auch nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger wegen seiner Beschwerden auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet nicht erwerbsgemindert sei.

Gegen den ihm am 30.09.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.10.2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend hat er vorgetragen, der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit habe ihn nur noch als teilweise erwerbsfähig eingestuft, wodurch er eine erhebliche Einbuße des Arbeitslosengeldes gehabt habe. Er sei weiter in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung und vor allem aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigungen leide die gesamte Familie unter den gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die bereits in der ersten Instanz festgestellten erheblichen qualitativen Einschränkungen wirkten sich auf die berufliche Einsetzbarkeit aus. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Landesversorgungsamt sei ein Gutachten beim D1 Schmerzzentrum M eingeholt worden, aus dem hervorgehe, dass er an einer teilfixierten Rundrückenhaltung der Brustwirbelsäule leide, die von dem für das Lebensalter typischen körperlichen Zustand abweiche. Diese gesundheitliche Beeinträchtigung führe dazu, dass er im Verlauf des Tages eine Schmerzzunahme bei Ausführung von körperlichen Tätigkeiten hinzunehmen habe und sich nur noch sehr schlecht bewegen könne.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. September 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung nach den gesetzlichen Bestimmungen, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf sozialmedizinische Stellungnahmen von S vom 15.09.2020 und vom 12.02.2021.

Der Senat hat Gutachten aus dem beim SG geführten Verfahren wegen Schwerbehinderung (S 2 SB 2253/18) beigezogen, darunter das orthopädische Zusatzgutachten des W, vom 07.12.2018, des M1 vom 20.01.2019, des S1 vom 03.02.2019, das orthopädisch-schmerztherapeutische Zusatzgutachten des W1 und des G1 vom 09.12.2019.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen. 


Entscheidungsgründe

Die nach § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist nicht begründet, da das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.09.2019 zu Recht abgewiesen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 04.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: 115. EL, Juli 2021, § 43 SGB VI, Rdnr. 58 und 30 ff.).

An diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, ist der Kläger zur Überzeugung des Senats nicht voll erwerbsgemindert. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen oder körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen.

Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen, insbesondere des Gutachtens des B2 und des im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachtens der B sowie der ebenfalls im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren durch das SG im Verfahren wegen Schwerbehinderung (S 2 SB 2253/18) eingeholten Gutachten des W, des Sachverständigen M1 vom 20.01.2019, des S1, des W1 und des G1.

Der Senat stellt zunächst fest, dass der Kläger ausweislich der eingeholten Gutachten unter einer dysthymen Verstimmung im inhaltlichen Kontext mit Konflikten, Problemen, Kränkungen im psychosozialen Hintergrund und mit somatisch begründeten Einschränkungen, einer vorbestehenden kombinierten Persönlichkeitsstörung bei gleichzeitig sehr niedrigem Persönlichkeitsstrukturniveau, Agoraphobie, Flugangst, einer Schulterfunktionsstörung links nach zweifacher Operation, zuletzt am 11.09.2018, einer leichten Schulterfunktionsstörung rechts bei ACG-Arthrose, belastungsabhängigen Fersenschmerzen beidseits, einem HWS- und einem LWS-Syndrom, einer teilfixierten Rundrückenhaltung der BWS und dem Zustand nach Dekompression des Nervus ulnaris im Sulcus ulnaris links im April 2008, einer Refluxkrankheit der Speiseröhre, einem Reizdarm, Gastritis sowie einer Unverträglichkeit gegen Milch- und Fruchtzucker, Tinnitus und einer hochbetonten Schallempfindungsstörung beidseits leidet.

Diese Gesundheitsstörungen führen weder für sich genommen noch in ihrer Zusammenschau dazu, dass das Leistungsvermögen des Klägers auf unter sechs Stunden arbeitstäglich eingeschränkt ist.

Im Vordergrund der sich auf das Leistungsvermögen des Klägers auswirkenden Gesundheitsstörungen stehen die Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet. Diese führen, wie sich aus dem Gutachten von B, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, dem Gutachten von B2 und den ebenfalls urkundsbeweislich verwertbaren Gutachten der Sachverständigen M1 und G2 ergibt, nicht zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens. Bei geringfügig unterschiedlicher diagnostischer Einordnung gelangen B und B2 übereinstimmend zu der Einschätzung, dass dem Kläger Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich zugemutet werden können. Der Senat folgt aufgrund der ausführlichen Befunderhebung den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des B2. Danach leidet der Kläger unter einer dysthymen Verstimmung im inhaltlichen Kontext mit Konflikten, Problemen, Kränkungen im psychosozialen Hintergrund, aber auch im Kontext mit somatisch begründeten Einschränkungen bei – wie der Gutachter beschreibt und sich auch im psychopathologischen Befund zeigt – durchaus gut erhaltener affektiver und inhaltlicher Auslenkbarkeit und ungestörter Antriebslage. Auf psychiatrischem Fachgebiet stellt B2 darüber hinaus eine vorbestehende kombinierte Persönlichkeitsstörung bei gleichzeitig sehr niedrigem Persönlichkeitsstrukturniveau, eine anklingende Agoraphobie ohne weiterreichendes Vermeidungsverhalten (zum Teil herzphobisch gefärbt) und eine seit 30 Jahren bestehende Flugangst fest. Der Gutachter stellte insbesondere bei dem strukturierten Fragebogen simulierter Symptome (SFSS) extrem ausgeprägte Hinweise für auch nicht authentische Beschwerdeanteile bzw. simulative Tendenzen fest. Der Kläger erzielte bei einem zugrunde gelegten Cut-Off-Wert von 16 einen Gesamt-Score von 34. B2 hat sich aber trotz dieser Auffälligkeiten in der Lage gesehen, eine Leistungsbeurteilung vornehmen zu können. Nach seiner Einschätzung ist der Kläger aus nervenärztlicher Sicht noch in der Lage, eine körperlich leichte (bis gelegentlich mittelschwere) Tätigkeit vollschichtig zu verrichten. Diese ist nur zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne regelmäßige nervöse Anspannung, ohne Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, ohne fordernde soziale Interaktionen, nicht im direkten Publikumsverkehr, ohne Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht zu verrichten. Diese Einschätzung ist auch für den Senat überzeugend. Der Kläger zeigte im Rahmen der Begutachtung durch B2 keinerlei Erschöpfung oder Ermüdung und keine nachlassende Konzentration, wobei der Gutachter darauf hinwies, dass eine mehrstündige gutachterliche Untersuchungsprozedur (insgesamt von 9:30 Uhr bis 14:10 Uhr) zwangsläufig jedem Probanden eine überdurchschnittliche Anstrengung abverlangt. Der Kläger hat bei der Begutachtung ausdrücklich keine Pause verlangt. Die Antriebslage war bis zuletzt ausgesprochen lebendig, die affektive Resonanz gut erhalten. Gedächtnis, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit waren ungestört. Es ergaben sich keinerlei Hinweise für eine kognitive Störung. Interessen sowie eine Erlebnisfähigkeit waren erhalten. Der Kläger schilderte Interesse an Religion und Geschichte, an PC-Aktivitäten, arbeite gerne im Garten und grille gerne mit der Familie. Im Sommer 2018 war er mit der Familie 2.800 km mit dem Auto in die Türkei gefahren, wobei er teilweise auch selbst gefahren war. Er kümmert sich um die Mutter, wenn sie sich in Deutschland aufhält, besucht die Elternabende des noch schulpflichtigen Sohnes, geht viel im Wald spazieren und mit dem Sohn ins Schwimmbad. Darüber hinaus trifft er sich mit einem Freund. Der Gutachter führt nachvollziehbar aus, dass über die außerberufliche Teilhabe (körperlich wie psychisch) nicht auf Funktionsstörungen zu schließen ist, die weitreichende insbesondere quantitative Leistungseinschränkungen plausibel herleiten ließen. Die Leistungseinschätzung des B2 ist daher auch für den Senat überzeugend. Nicht zu folgen vermochte der Senat der Einschätzung der C Klinik. Warum trotz bestandener Arbeitserprobung Einschränkungen in quantitativer Hinsicht angenommen werden, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. B2 weist zutreffend darauf hin, dass bei einem für durchgehend mittelschwere Tätigkeiten, ständig sehend, gehend oder sitzend einschließlich in Früh- und Spätschicht angenommenen Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden nicht plausibel ist, warum bei einem geringeren Anforderungsprofil nicht auch ein quantitatives Leistungsvermögen von über sechs Stunden angenommen werden kann. Darüber hinaus ist die durch die C Klinik angenommene Diagnose einer schizophrenen  Störung, wie B2 nachvollziehbar darlegt, nicht nachvollziehbar. Für das Vorliegen einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis fand er keinen Anhalt. Ein psychotisches Erleben schließt auch G1 aus. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die Leistungseinschätzung der B1. B2 weist insoweit zutreffend darauf hin, dass sie allein die Diagnosen der C Klinik und des ZfP, Klinikum A, im Entlassungsbericht vom 28.09.2017 wiedergibt, ohne darzulegen, auf welcher Diagnose das von ihr angenommene eingeschränkte Leistungsvermögen beruht. Eine von B2 abweichende Leistungsbeurteilung folgt auch nicht aus den Gutachten der Sachverständigen M1 und G1. Der Sachverständige M1 sieht im Vordergrund der Gesundheitsstörungen eine Angststörung mit einer mäßig ausgeprägten Agoraphobie und Panikattacken, die nach Angaben gegenüber dem Gutachter derzeit etwa einmal monatlich auftreten, bei besonderem Stress oder wenn er sich unter Druck gesetzt fühle oder in phobischen Situationen oder aber auch jeden Tag. Er ordnet die Agoraphobie mit Panik als leicht bis mittelschwer ein. G1 diagnostiziert auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet Angst und Depression, gemischt, chronifizierte Schmerzen mit somatischem und psychosomatischem Hintergrund, Panikattacken, Agoraphobie und eine akzentuierte Persönlichkeit mit emotional instabilen Anteilen und Störung der Impulskontrolle. Auch er stuft die psychische Störung als leicht bis mittelgradig ein. Eine Verschlechterung der psychiatrischen Gesundheitsstörungen im Vergleich zur Begutachtung durch B2 ist damit nicht nachgewiesen, weshalb der Senat dessen überzeugender Leistungsbeurteilung auf psychiatrischem Fachgebiet auch weiterhin folgt.

Die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet führen ebenfalls zu keiner rentenrechtlich relevanten Einschränkung des Leistungsvermögens. Die orthopädischen Gesundheitsstörungen entnimmt der Senat im Wesentlichen den Gutachten des W und des W1. Beide Gutachter haben ausführlich selbst Befunde erhoben und sich mit der Krankheitsgeschichte des Klägers auseinandergesetzt. W1 hat in seinem Gutachten als spezieller Schmerztherapeut darüber hinaus insbesondere die durch die Gesundheitsstörungen ausgelösten Schmerzen mit einbezogen. Für den Senat steht daher fest, dass der Kläger unter einer Schulterfunktionsstörung links nach zweifach operativer Therapie (zuletzt am 11.09.2018) und einer Schulterfunktionsstörung rechts bei ACG-Arthrose leidet. Im Bereich der rechten Schulter zeigte sich bereits bei der Untersuchung durch W am 05.12.2018 eine kräftige Schulter- und Armmuskulatur; es fanden sich keine äußeren Entzündungszeichen, spontan war kein Schonverhalten festzustellen, auch nicht beim Greifen nach Gegenständen oder beim Ausziehen. Die Beweglichkeit der rechten Schulter war passiv und aktiv zufriedenstellend, es fand sich kein eindeutiges Impingement-Syndrom; die durch den behandelnden Orthopäden beschriebene Degeneration der Schultergelenke war laut W klinisch leicht prominent auf der rechten Seite, aber nicht druckschmerzhaft. Im Bereich der linken Schulter wurde am 01.06.2017 eine endoskopische subakromiale Dekompression mit lateraler Clavicularesektion, am 11.09.2018 nach einer Ruptur der Supraspinatussehne eine Arthroskopie mit subakromialer Dekompression und Sehnenrekonstruktion sowie Revision des AC-Gelenks durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Untersuchungen durch B2 am 20.09.2018 und durch W am 05.12.2018 befand sich der Kläger noch in Rekonvaleszenz. W1 beschreibt die zum Zeitpunkt seiner Untersuchung am 22.11.2019 noch bestehenden Beschwerden im Bereich des Schulter-Arm-Bereichs insgesamt als gering. Diese Einschätzung ist für den Senat anhand der von ihm mitgeteilten Befunde nachvollziehbar und überzeugend. Die Schulter-Nacken-Linie war bei seiner Untersuchung symmetrisch, beide Schultern standen auf gleicher Höhe. Es bestand eine mäßige Verspannung der Schulter-Nacken-Muskulatur beidseits, isolierte druckschmerzhafte Punkte wurden im cervikothorakalen Übergang in Höhe C6/7 am Dornfortsatz C7 angegeben, keine Druckschmerzen im oberen inneren Schulterblattwinkel, der Ansatzregion des Schulterblatthebemuskels, im Bereich des Musculus supraspinatus und der Musculi rhomboidei beidseits. Die Gelenke der oberen Extremitäten waren seitengleich symmetrisch aktiv und passiv frei beweglich, die Funktionsgriffe (Nacken, Überkopf, Schürze) konnten beidseits regelrecht ausgeführt werden. Es bestand keine Pseudoparalyse und kein Painful arc im Bereich beider Schultergelenke. Die Impingementzeichen waren im Bereich beider Schultergelenke negativ. Es bestand im Bereich der Schultergelenke, der Acromioclavicular-Gelenke und der Rotatorenmanschette keine Druckschmerzhaftigkeit. Klinisch fand sich an beiden Schultergelenken kein Anhalt für eine aktuelle Schädigung der Rotatorenmanschette, Anhaltspunkte für eine Schulterinstabilität fanden sich nicht. Unter Berücksichtigung dieser Befunde ist W1 lediglich noch von einer geringfügigen Funktionsstörung im Schulter-Arm-Bereich ausgegangen. Darüber hinaus leidet der Kläger im Bereich der Wirbelsäule unter einem HWS- und einem LWS-Syndrom sowie einer teilfixierten Rundrückenhaltung der BWS. Weder im Bereich der HWS noch der LWS liegen nach der Begutachtung durch W höhergradige degenerative Veränderungen vor, die Beweglichkeit war in beiden Bereich zufriedenstellend, sowohl die Nacken- als auch die Rücken- und Rumpfmuskulatur kräftig ausgebildet. Es ergaben sich keine sicheren Hinweise auf Lähmungen oder anhaltende Gefühlsstörungen in den oberen Extremitäten; eine MRT-Untersuchung der HWS zeigte am 15.11.2017 einen unauffälligen Befund, es zeigten sich keine degenerativen Veränderungen, kein Prolaps und keine Pelottierung von Nervenwurzeln. Im Bereich der Lendenwirbelsäule zeigte sich bei der Untersuchung durch W eine normale Beweglichkeit, orientierend neurologisch fanden sich keine Hinweise auf periphere Nervenwurzelreizerscheinungen an den unteren Extremitäten. In einer MRT-Untersuchung der LWS am 15.11.2017 zeigten sich geringe degenerative Veränderungen; es bestand kein Bandscheibenvorfall, keine Bandscheibendehydration und keine Einengung der Foramina intervertebralia oder des Spinalkanals. Hinsichtlich der Schmerzen stellte W1 nackenbezogene Schmerzen mäßiger Ausprägung mit isoliert druckschmerzhaften Punkten im cervicothorakalen Übergang in Höhe C6/7 am Dornfortsatz C7 und geringer Einschränkung im cervico-thorakalen Übergang in Extension/Flexion bei teilfixierter Rundrückenhaltung der BWS mit Mehrbelastung der Halswirbelsäulenprotraktionseinstellung mit mäßiger Verspannung der Schulter-Nacken-Muskulatur beidseits sowie punktuelle Schmerzen im Übergang von BWS zur LWS ohne Funktionseinschränkung fest. Die Funktionsbeeinträchtigungen beschreibt W daher aufgrund der festzustellenden Befunde auch für den Senat überzeugend als „geringfügig“. Auch W1 hält eine Einordung als „Wirbelsäulenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen (anhaltende Bewegungseinschränkung geringen Grades, leichte Wirbelsäulensyndrome) aufgrund der von ihm festgestellten Bewegungseinschränkung der BWS mit Mehrbelastung der Anschlussregionen für gerechtfertigt. Darüber hinaus leidet der Kläger unter belastungsabhängigen Fersenschmerzen beidseits. Bei der Untersuchung durch W waren beide Füße äußerlich reizlos, es fand sich keine Rötung, keine Schwellung und keine Überwärmung. Der Kläger gab diffuse Druckschmerzen über der Ferse plantar und dorsal lateral beidseits an. Die Fußgelenke waren gut und schmerzfrei beweglich, die Beinmuskulatur normal kräftig; Zehen- und Hackengang sowie der Einbeinstand konnten sicher demonstriert werden, beim Hackengang gab der Kläger einen Fersenschmerz beidseits an. Das einbeinige Hüpfen gelang beidseits sicher. Eine MRT-Untersuchung am 16.05.2018 blieb ohne pathologischen Befund. W1 beschreibt ebenfalls fußbezogene Schmerzen beidseits, belastungsabhängig verstärkt, aber auch zum Zeitpunkt seiner Untersuchung ohne klinisch nachweisbare Reizzeichen. Die Funktionsstörung wird durch W noch als leicht, durch W1 als geringfügig beschrieben; eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens lässt sich hieraus zur Überzeugung des Senats nicht begründen. Schließlich resultieren aus dem Zustand nach Dekompression des Nervus ulnaris im Sulcus-Ulnaris links im April 2008 jetzt, wie sowohl B2 als auch W1 ausführen, keine Beschwerden mehr. Aus den wie dargestellt insgesamt geringfügigen bis leichten Funktionseinschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet resultiert, wie S zusammenfassend überzeugend darlegt, keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Wie S nachvollziehbar ausführt, sind körperliche Schwerarbeiten und Arbeiten mit längeren Zwangshaltungen der Hals- und Brustwirbelsäule nicht mehr leidensgerecht, aufgrund der erfolgreichen Operation wären nach seiner Einschätzung strenggenommen auch Über-Kopf-Arbeiten wieder in größerem Umfang zumutbar. Eine darüber hinausgehende Einschränkung folgt auch nicht aus den mit den orthopädischen Einschränkungen verbundenen Schmerzen. Zwar hat der Kläger auch gegenüber W1 detailliert seine Schmerzen dargestellt, soweit er aber ausführt, die Schmerzen bestünden „immer“, ist dies mit Blick auf die Angaben des Klägers bei genaueren Nachfragen nicht haltbar. Der Kläger beschreibt dann vielmehr, dass die Schmerzen nur bei ganz spezifischen Bewegungen auftreten. Auch zeigten sich keine Schonzeichen. Die muskulären und Beschwielungsverhältnisse waren im Rahmen der Begutachtung völlig normal und auch die Handuntersuchung zeigte, dass auch schwerere häusliche Arbeiten durchgeführt werden. Über die genannten qualitativen Leistungseinschränkungen hinaus ist auch aus Sicht des Senats daher eine zeitliche Leistungseinschränkung des Klägers aufgrund orthopädischer Beschwerden nicht anzunehmen.

Auf internistischem Fachgebiet bestehen im Wesentlichen eine Refluxkrankheit der Speiseröhre und ein Reizdarmsyndrom, die, wie S in seiner Stellungnahme vom 12.02.2021 ausführt, für das Leistungsvermögen nicht relevant sind und sich auf das quantitative Leistungsvermögen nicht auswirken. Die internistischen Gesundheitsstörungen wurden zuletzt durch das Gutachten des S1 vom 03.02.2019 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 05.12.2018 ausführlich untersucht und gewürdigt. Nach ausführlicher Untersuchung, die u.a. eine Laboruntersuchung, ein EKG in Ruhe und bei Belastung sowie eine Lungenfunktionsprüfung umfasste, stellte er auf internistischem Fachgebiet die Diagnosen Refluxkrankheit der Speiseröhre, Reizdarmsyndrom, Gastritis sowie Unverträglichkeit von Milch- und Fruchtzucker. Diese Diagnosen decken sich im Wesentlichen auch mit den durch die S2 Kliniken im Entlassungsbericht vom 13.03.2018 und den durch T gegenüber dem SG mitgeteilten Diagnosen. Bei dem Ruhe-EKG waren, abgesehen von einer beschleunigten Herzfrequenz von 107 Schlägen/min, die mit der emotionalen Stresssituation im Rahmen der Begutachtungssituation erklärt werden kann, keine Auffälligkeiten erkennbar. Befunde, die auf eine organische Herzerkrankung hinweisen würden, konnten ebenso wenig wie Hinweise auf eine Herzminderleistung gefunden werden. Entsprechende Hinweise finden sich auch in den vorliegenden Befund- und Entlassungsberichten nicht. Im Entlassungsbericht der S2 Kliniken vom 15.03.2018, wo sich der Kläger u.a. wegen einschießender stechender Schmerzen im Brustbereich vorgestellt hatte, war eine kardiale Genese der Beschwerden ausgeschlossen und eine muskuloskelettale angenommen worden. Die Schilddrüsenfunktion war bei der Untersuchung durch S1 normal. Nicht verwertbar war die Lungenfunktionsprüfung, da der Kläger deutlich vermindert in das Gerät eingeblasen hat, was sich nach der schlüssigen Einschätzung des Gutachters an den verzitterten Fluss-Volumen-Kurven sowie den unterschiedlichen Ergebnissen bei drei verschiedenen Versuchen (Vitalkapazität 1,5 l, 1,4 l und 2,89 l bei einem Sollwert vom 4,49 l) zeigte. Es bestanden aber keine Hinweise auf eine relevante Erkrankung des Lungen- und Bronchialsystems. Zusammenfassend gelangte S1 nach den von ihm erhobenen Befunden zu der Einschätzung, dass bei dem Kläger eine Neigung zu Beschwerden bei Refluxkrankheit der Speiseröhre besteht, weswegen regelmäßig Pantoprazol eingenommen wird. Unter Behandlung dieses hoch wirksamen Medikaments bestehen aber keine relevanten Funktionsbehinderungen. Dies gilt auch für das nach Einschätzung von S1 wahrscheinlich vorliegende Reizdarmsyndrom mit Neigung zu Durchfall und Verstopfung. Die während des stationären Aufenthalts in den S2 Kliniken im Juni 2016 festgestellte Koprostase konnte durch Abführmaßnahmen behandelt werden. Spätere Beschwerden wurden nicht berichtet, die am 05.12.2017 durch D2 durchgeführte Ösophagogastroduodenoskopie sowie die Koloskopie zeigten allein eine C-Gastritis und blieben ansonsten ohne pathologischen Befund. Die Unverträglichkeiten gegen Milchzucker und Fruchtzucker können nach Auffassung von S1 durch entsprechende Diät vollständig kompensiert werden. Insgesamt stuft S1 die auf internistischem Fachgebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen als leicht ein und hält einen Grad der Behinderung (GdB) von 10 v.H. für gerechtfertigt. Darüber hinausgehende Gesundheitsstörung, die sich auf das Leistungsvermögen des Klägers rentenrechtlich relevant auswirken könnten, liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Soweit der Kläger wiederholt über eine Dysphagie mit Globusgefühl und rezidivierende Aspirationsneigung bei Nahrungsaufnahme geklagt hatte, zeigte ausweislich des Entlassungsbriefs des Klinikums A2 vom 18.10.2018 weder die klinische Untersuchung wesentliche pathologische Befunde noch ergaben sich bei der durchgeführten Panendoskopie Auffälligkeiten. Die Schlussfolgerung des S, wonach die auf internistischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen und die daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen das quantitative Leistungsvermögen des Klägers nicht tangieren, ist daher auch für den Senat überzeugend.

Soweit der Kläger, wie sich aus dem Bericht des K vom 15.12.2017 ergibt, unter einem Tinnitus beidseits und einer hochbetonten Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits leidet, führt dies zur Überzeugung des Senats zu keiner rentenrechtlich relevanten Einschränkung des Leistungsvermögens. B2 hat im Rahmen des von ihm erhobenen Befundes den Tinnitus erwähnt, aber über die - von ihm als extrem lange beschriebene - gutachterliche Untersuchungsprozedur hinweg keine Gesprächsbeeinträchtigung durch den Tinnitus feststellen können. Überzeugend ist er daher von einem kompensierten Tinnitus ausgegangen. Eine Beeinträchtigung der Verständigung durch eine Schwerhörigkeit wird durch B2 ebenfalls nicht erwähnt.

Damit kann der Senat sich nicht davon überzeugen, dass die Erkrankungen des Klägers für sich genommen wie auch insgesamt betrachtet seit der Rentenantragstellung zu einer mindestens sechs Monate andauernden auch zeitlichen Leistungseinschränkung geführt haben. S weist in seiner Stellungnahme vom 12.02.2021 zutreffend darauf hin, dass nicht nur im Renten-, sondern auch im parallel geführte Schwerbehindertenverfahren eine intensive Sachverhaltsaufklärung betrieben wurde, die letztlich zu dem gleichen Ergebnis geführt hat, dass eine schwergradige Beeinträchtigung weder auf einem Fachgebiet noch auf verschiedenen Fachgebieten zusammengenommen vorliegt. Die vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen können somit zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keinen Zweifel an seiner weitgehend normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung kann vorliegend auch nicht auf die Grundsätze einer schweren spezifischen Leistungsbeeinträchtigung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gestützt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine volle Erwerbsminderung ausnahmsweise selbst bei einer mindestens sechsstündigen Erwerbsfähigkeit vor, wenn der Arbeitsmarkt wegen besonderer spezifischer Leistungseinschränkungen als verschlossen anzusehen ist. Dem liegt zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.1983 - 5a RKn 28/82 -, Juris). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei Versicherten mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. Eine Verweisungstätigkeit ist erst dann zu benennen, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen daher entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der „Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG, Urteile vom 20.08.1997 - 13 RJ 39/96 -, vom 11.05.1999 - B 13 RJ 71/97 -, vom 24.02.1999 - B 5 RJ 30/98 - und vom 09.09.1998 - B 13 RJ 35/97 R -, Juris). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27.04.1982 - 1 RJ 132/80 -, Juris) jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen von Gegenständen, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich sind. Dass Versicherte, die nur noch körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten – ggf. unter weiteren gesundheitlichen Einschränkungen – wenigstens sechs Stunden täglich verrichten können, regelmäßig in der Lage sind, „erwerbstätig zu sein“, hat das BSG zuletzt mit Urteil vom 11.12.2019 (B 13 R 7/18 R) bestätigt.

Bei dem Kläger sind, wie sich aus den Gutachten von B und B2 ergibt, aufgrund der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens zu berücksichtigen.
 
Zu vermeiden sind Arbeiten an unmittelbar gefährdenden Maschinen, besonderer Zeitdruck, regelmäßige nervöse Anspannung, Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, fordernde soziale Interaktionen, direkter Publikumsverkehr sowie Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht. Darüber hinaus sind Überkopfarbeiten und Arbeiten in längeren Zwangshaltungen zu vermeiden; die Arbeiten sollten grundsätzlich zu ebener Erde ausgeführt werden können.

Auch unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen sind dem Kläger die durch das BSG aufgezeigten Tätigkeitsfelder noch möglich und zumutbar. Dass dem Kläger bislang keine leidensgerechte Arbeit vermittelt werden konnte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Vermittlung einer grundsätzlich möglichen und leidensgerechten Tätigkeit ist Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit. Das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG, Urteile vom 25.06.1986 - 4a RJ 55/84 – und vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R -, Juris). Dem Kläger ist trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen und der daraus folgenden qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten eröffnet, sodass keine Summierung ungewöhnlicher oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung vorliegt und keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss.

Der Kläger ist auch trotz der sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Gesundheitsstörungen in der Lage, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Die sog. Wegefähigkeit des Klägers ist nicht in rentenrechtlich relevantem Ausmaß eingeschränkt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - und - B 13 R 79/11 R -, vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R -, Juris m.w.N., vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -, a.a.O.). Dazu gehört z.B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (vgl. BSG, Urteile vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R - und vom 30.11.1965 - 4 RJ 101/62 -, Juris). Der Senat konnte sich von einer rentenrechtlich relevanten Einschränkung der Wegefähigkeit nicht überzeugen. Auf die Gehfähigkeit des Klägers könnten sich allein die Fersenschmerzen auswirken; insoweit hat W1 aber ausdrücklich eine Einschränkung der Gehstrecke verneint. Mit der durch B2 mitgeteilten „anklingenden“ Agoraphobie ist nach Einschätzung von B2 kein Vermeidungsverhalten verbunden; soweit G1 ein deutliches Vermeidungsverhalten insbesondere im Hinblick auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angibt, führt dies nicht zu einer Einschränkung der sog. Wegefähigkeit. Der Kläger verfügt, wie er gegenüber B2 angegeben hat, über ein Kfz und einen Führerschein, so dass bereits aus diesem Grund die Wegefähigkeit als erhalten anzusehen ist.

Der Kläger hat nach alledem keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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