L 9 U 2377/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 1821/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2377/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Juni 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles.

Der 1960 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt selbstständiger Handelsvertreter in der Medienberatung und in dieser Tätigkeit bei der Beklagten freiwillig versichert. Die Versicherungssumme betrug ab dem 01.05.2017 (auf den Antrag des Klägers) 96.000 EUR. Seit November 2019 arbeitet der Kläger vollschichtig bei der Verkehrsüberwachung in S.

Im Unfallfragebogen der Beklagten gab der Kläger an, am Morgen des 24.05.2017 auf dem Weg von seinem Hotelzimmer (Landhotel B, W) zu einem Kunden (Immobilienbüro K, in K1) auf einer Gitterwendeltreppe mit dem linken Fuß umgeknickt zu sein und zunächst weitergearbeitet zu haben.

Am 29.05.2017 stellte er sich beim Durchgangsarzt H, S, vor, der ein Umknicken mit dem linken Fuß auf einer Gitterwendeltreppe und ein Einknicken mit dem rechten Knie festhielt. Ferner habe der Kläger einen stechenden Schmerz in der Lendenwirbelsäule (LWS) verspürt. Er stellte einen Druckschmerz am Ansatz des Innenbandes des rechten Knie und einen Valgusschmerz fest, aber keine Instabilität und keinen Erguss. Am Außenknöchel links stellte er eine Schwellung mit Druckschmerz im Bereich des Ligamentum fibulare, zudem eine diskrete Aufklappbarkeit mit einem Finger-Boden-Abstand (FBA) von 30 cm und einen Druckschmerz und Muskelhartspann der LWS links fest. Er diagnostizierte eine Zerrung der LWS, eine Distorsion des rechten Knies und eine Distorsion im linken oberen Sprunggelenk (OSG). Unfallunabhängig bestehe ein lumbaler Bandscheibenvorfall und eine Spinalkanalstenose an der LWS. Er bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis 30.06.2017.

Bei Beschwerdepersistenz erfolgte eine konservative Behandlung. H berichtete nach einer Nachuntersuchung am 21.06.2017 über ein Schonhinken, eine Schwellung am Außenknöchel und einen Druckschmerz im Bereich des Ligamentum fibulare. Im Bereich der linken Hüfte sei die Innenrotation etwas eingeschränkt und schmerzhaft. Unter dem 29.06.2017 berichtete er zudem über Schmerzen im HWS-Bereich aufgrund des Schonganges.

Eine von ihm veranlasste Kernspintomographie des linken OSG vom 05.07.2017 ergab eine ödematisierte Weichteilraumforderung dorsokaudal des Außenknöchels (DD: vermutlich als Folge einer Ruptur des Ligamentum fibulotalare posterius und Ligamentum fibulocalcaneare), eine geringgradige OSG-Arthrose mit osteophytärer Randkantenausziehung und eine ausgeprägte Arthrose im TMT II-Gelenk (S1, Radiologie Zentrum S, Bericht vom 06.07.2017).

Nach einer ambulanten Untersuchung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) T am 21.08.2017 wurden dort die Diagnosen anhaltende Schmerzen und Schwellneigung im Bereich des linken Sprunggelenkes nach OSG-Distorsion links vom 24.05.2017 mit Ruptur des Ligamentum fibulotalare posterius und fibulocalcaneare, eine endgradige Bewegungseinschränkung im linken Sprunggelenk, eine lokale Überempfindlichkeit im Bereich des Außenknöchels, Schmerzen linke Leiste bei Verdacht auf Leistenzerrung und subjektive Beschwerdehaftigkeit rechtes Kniegelenk gestellt. Unfallunabhängig bestehe ein beginnender Leistenbruch rechts mehr als links. Es wurde eine stationäre Rehabilitation im Sinne einer Komplexen-Stationären-Rehabilitation (KSR) empfohlen, die der Kläger ablehnte. Hierauf wurde eine Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP-Maßnahme) rezeptiert. Weitere Untersuchungen und Behandlungen fanden u.a. beim Durchgangsarzt  D am 07.09.2017 (Bl. 174 der Akten) und beim Durchgangsarzt Y am 25.09.2017 statt, der eine starke Schwellung am linken OSG und Fuß beschrieb (Bl. 266 der Akten).
Eine von Y veranlasste Kernspintomographie des linken Sprunggelenkes vom 28.09.2017 ergab einen Hinweis auf eine Rotationsanomalie im OSG, eine entsprechende chronische Überlastungssituation der Ligamente im OSG mit Tendinopathie, keine signifikante Bandruptur der Syndesmose oder der Außenbänder, auch nicht des Ligamentum fibulotalare anterius (LFTA), ferner eine chronische Insertionstendinose des LTFP an der distalen Fibula mit entsprechendem Markraumödem, ein subkutanes Ödem unter lateraler Betonung mit entsprechender Weichteilschwellung auf Höhe des Malleolus lateralis, eine deutliche und aktivierte Metatarsalgelenksarthrose MTT II, mäßiggradig MTT III, einen leichtgradigen Reizzustand bei plantarem und dorsalem ossärem Fersensporn und ein schmales semizirkuläres ventrolateral am unteren Sprunggelenk gelegenes Synovialganglion (K, Radiologie Zentrum S, Bericht vom 28.09.2017). Eine Kernspintomographie der Hüfte vom 10.10.2017 ergab u.a. einen sagital verlaufenden Einriss am Übergang anteriores Labrum zur Insertion der Hüftgelenkskapsel am Acetabulum mit regionalem fibrovaskulärem Reizgewebe (H1, Radiologie Zentrum S, Bericht vom 10.10.2017).
Der Durchgangsarzt Dr. W1 beschrieb nach einer Untersuchung des Klägers am 26.10.2017 eine massive Schwellung, eine Ödemeinlagerung über dem Außenknöchel, Berührung kaum möglich, klinisch entweder Bursitis, DD Aktivierung der Arthrose, Beweglichkeit aufgehoben, beinahe Spitzfußstellung, Sensibilität, Durchblutung intakt, Patient kann nicht aufrecht gehen. Er stellte die Diagnose schwerer Weichteilveränderungen mit Arthrose linkes OSG und Fuß und merkte an, dass der MRT-Befund vom 29.09.2017, der nur Bandläsion und Tendinitis beschreibe, nicht zum massiven klinischen Befund passe.

Weitere ambulante Untersuchungen erfolgten in der BGU T am 06.12.2017 und 15.01.2018 sowie bei H am 30.01.2018; ferner im Zentrum für ambulante Rehabilitation (ZAR) am 15.03.2018, ohne dass eine nachhaltige Beschwerdebesserung zu verzeichnen war.

Die Beklagte gab ein Gutachten beim Unfallchirurgen D1 in Auftrag. D1 führte in seinem Gutachten vom 26.06.2018 aus, dass die Befundproblematik im Bereich des linken Sprunggelenkes zweifelsfrei als Gesundheitserstschaden angenommen werden könne. Dasselbe sei bezüglich der distorsionsbedingten Schmerzen am rechten Kniegelenk anzunehmen. Auch die erst sekundär diagnostizierte Labrum-Verletzung im Bereich des linken Hüftgelenkes sei mit dem Unfallereignis in unmittelbarem Zusammenhang zu sehen. Zum Zeitpunkt des Unfallereignisses habe eine diskrete Arthrose des linken oberen Sprunggelenkes vorgelegen, im Sinne einer klinisch stummen Schadensanlage. Die festgestellten Gesundheitsschäden seien, was die Schmerzbedingtheit angehe, nicht auf nachgewiesene Vorschädigungen zurückzuführen. Es liege eine funktionelle Belastungseinschränkung des linken Beines vor, ursächlich bedingt durch die Schmerzproblematik von Seiten des linken Hüftgelenkes und des linken oberen Sprunggelenkes. Aufgrund dieser Symptomatik sei der Kläger derzeit nicht in der Lage, längere Strecken zurückzulegen. Auch das Tragen schwerer Lasten über 10 kg erscheine nur unter Schwierigkeiten zumutbar. Es bestehe weiterhin Behandlungsbedürftigkeit, eine stationäre Rehabilitation sei zu empfehlen. Eine MdE könne erst dann festgestellt werden.

In seinen beratungsärztlichen Stellungnahmen vom 24.07.2018 und 09.08.2018 vertrat K2 die Auffassung, dass das Gutachten nicht schlüssig sei und nicht nachvollzogen werden könne. Es sei nur schwerlich nachzuvollziehen, dass ein Unfallverletzter ein Jahr nach einem Unfall mit Außenbandverletzungen nicht in das Arbeitsleben zurückfinde. Die Rotationsanomalie des Außenknöchels sei nicht unfallbedingt, eine Kniedistorsion sei nach sechs Wochen ausgeheilt. Die Leistenschmerzen/Leistenhernie sei zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung weiterzubehandeln. Es liege keine Bildgebung der Hüfte/im Becken vor, die eine frische Traumafolge objektiviere. Das Bewegungsausmaß der unteren Extremitäten rechtfertige keine MdE. Es bestünden überaltersgemäße Gelenkabnutzungszeichen der Hüfte links in der Röntgenuntersuchung vom 04.10.2017. Diese seien als unfallunabhängig zu werten. Eine damit einhergehende Labrumläsion sei somit ebenfalls degenerativ einzuschätzen.

Mit Bescheid vom 22.08.2018 anerkannte die Beklagte das Umknicktrauma vom 24.05.2017 als Versicherungsfall. Ferner verfügte sie, dass ein Anspruch auf Heilbehandlung über den 06.08.2018 hinaus wegen der Folgen dieses Versicherungsfalles nicht besteht und dass ein Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld über den 06.08.2018 hinaus wegen der Folgen dieses Versicherungsfalles nicht besteht. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass als Folgen des Versicherungsfalles anzuerkennen sind: Ohne wesentliche Folgen verheilte Distorsion des linken oberen Sprunggelenkes, ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Distorsion des rechten Kniegelenkes, folgenlos ausgeheilte Zerrung der Lendenwirbelsäule. Keine Folgen des Versicherungsfalles seien am linken Sprunggelenk: Die Folgen der vorbestehenden verschleißbedingten Arthrose mit osteophytären Randkantenausziehungen (knöcherne Ausläufer), die chronische Insertionstendinose (chronische Reizung) des LTFP (hinteres Außenband), die vorbestehende Rotationsanomalie, die vorbestehende Tarsometatarsalgelenksarthrose (MTT II und III) sowie ein Fersensporn und Synovialganglion am unteren Sprunggelenk. Keine Folgen des Unfalles seien die vorbestehenden verschleißbedingten Veränderungen mit einhergehender Labrumläsion sowie Leistenbruch links im Bereich des linken Hüftgelenkes und der linken Leiste, die Folgen des vorbestehenden lumbalen Bandscheibenvorfalles (NPP), Spinalkanalstenose der Lendenwirbelsäule und auch die psychischen Beschwerden.

Mit Bescheid vom 15.11.2018 stellte die Beklagte das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld spätestens für den 20.11.2018 fest. Mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei nach dem medizinischen Sachverhalt in absehbarer Zeit nicht zu rechnen und qualifizierende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kämen nicht in Betracht, weshalb der Verletztengeldanspruch zum Ende der 78. Woche der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ende. Mit Bescheid vom 30.01.2019 berichtigte die Beklagte den Bescheid vom 15.11.2018 dahingehend, dass der Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld spätestens erst am 25.11.2018 ende, sollte nachträglich ein Anspruch auf Verletztengeld über den 06.08.2018 hinaus anerkannt werden (unter Bezugnahme auf § 38 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), wonach die Behörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen könne).

Am 07.09.2018 beantragte der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG), die Beklagte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verurteilen, ihm Verletztengeld über den 06.08.2018 zu zahlen. Unter Abweisung im Übrigen verpflichtete das SG die Beklagte, dem Kläger vorläufig Verletztengeld auch für die Zeit vom 24.09.2018 bis 25.11.2018 (dem Ende der 78. Woche, § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]) zu zahlen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2018 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.08.2018 zurück. Am 16.11.2018 erhob der Kläger Klage beim SG (S 1 U 6338/18) und beantragte zuletzt, ihm Verletztengeld auch für die Zeit vom 06.08.2018 bis 26.11.2018 zu gewähren. Mit Urteil vom 14.06.2019 wies das SG die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger Berufung zum Landesozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 9 U 2378/19) ein, das mit Beschluss vom 21.08.2020 das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat.

Mit dem hier streitigen Bescheid vom 13.02.2019 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Zur Begründung dieser Entscheidung wiederholte sie die bereits im Bescheid vom 22.08.2018 enthaltenen Ausführungen zu den anzuerkennenden Folgen des Versicherungsfalles bzw. den Erkrankungen und Befunden, die weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung als Unfallfolgen zu berücksichtigen waren. Der gutachterlichen Einschätzung hinsichtlich der Unfallfolgen werde nicht gefolgt, weil die bereits zum Unfallzeitpunkt bestehenden deutlich degenerativ bedingten Veränderungen im Bereich des linken Sprunggelenkes, der linken Hüfte und der Wirbelsäule nicht auf das Umknicktrauma zurückgeführt werden könnten.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, in seiner Erwerbsfähigkeit voll gemindert zu sein. Es sei absolut unzutreffend, dass die Unfallverletzungen folgenlos abgeheilt seien, insbesondere die Distorsion des linken oberen Sprunggelenkes, die Distorsion des rechten Kniegelenkes und die Zerrung der Lendenwirbelsäule. Insoweit verwies der Kläger auf das Gutachten von D1 und die Befundberichte der BGU T.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Auswertung der in dem Gutachten von D1 zur Zusammenhangsfrage erhobenen Befunde zeige, dass die auf die Folgen des Versicherungsfalls zu beziehende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit unter 20 v.H. korrekt eingeschätzt worden sei. Bereits zum Unfallzeitpunkt hätten deutlich degenerativ bedingte Veränderungen im Bereich des linken Sprunggelenkes, der linken Hüfte und der Wirbelsäule, die nicht auf den Unfall vom 24.05.2017 zurückzuführen seien, vorgelegen.

Hiergegen hat der Kläger am 18.04.2019 Klage zum SG erhoben. Es sei unzutreffend, dass die Unfallfolgen folgenlos ausgeheilt seien. Auch die von der Beklagten abgelehnten Unfallfolgen seien unfallbedingt. Es handele sich hierbei nicht um sonstige Erkrankungen des Klägers. Die psychischen Beschwerden beruhten auf der stereotypen Ablehnungshaltung und Hinhaltetaktik, welche den Kläger in den wirtschaftlichen Ruin treibe, sodass auch diese unfallbedingt seien. Im Termin der mündlichen Verhandlung beantragte er, eine Verletztenrente ab 27.11.2018 nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat darauf hingewiesen, dass es sich bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen nicht um Unfallfolgen handeln könne. Hinsichtlich der geltend gemachten psychischen Beschwerden setzten solche eine Diagnosestellung voraus. Die Bezeichnung „psychische Beschwerden“ genüge diesen Anforderungen nicht. Nach der Argumentation im Klageverfahren handele es sich insoweit auch um keine Unfallfolge, sondern um eine enttäuschte Erwartungshaltung.

Mit Urteil vom 14.06.2019 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte in der streitgegenständlichen Entscheidung die Folgen des anerkannten Unfalles zutreffend und umfassend festgestellt habe und diese funktional keine rentenberechtigende MdE um 20 v.H. verursachten. Insoweit werde auf die Begründung der Beklagten verwiesen. Ergänzend weise die Kammer darauf hin, dass der Durchgangsarzt H, den der Kläger allerdings erst am fünften Tag nach dem Unfallereignis aufgesucht habe, lediglich eine Zerrung der LWS sowie eine Distorsion des rechten Knies und im linken oberen Sprunggelenk diagnostiziert und beschrieben habe. Bei der Untersuchung habe H keine Instabilität oder einen Erguss feststellen können. Er weise zusätzlich darauf hin, dass beim Kläger unfallunabhängig ein lumbaler Bandscheibenvorfall und eine Spinalkanalstenose im Bereich der LWS vorliegen. Auch die durch die MRT-Untersuchung vom 28.09.2017 festgestellte Rotationsanomalie im oberen Sprunggelenk sei, worauf K2 für die Kammer überzeugend hingewiesen habe, als nicht unfallbedingt einzuschätzen. Dieser habe nach einer Röntgenuntersuchung vom 04.10.2017 darüber hinaus überzeugend darauf hingewiesen, dass beim Kläger überaltersgemäße Gelenkabnutzungserscheinungen im Bereich der linken Hüfte bestehen, weshalb der durch die MRT-Untersuchung vom 10.10.2017 festgestellte Einriss am Übergang des anterioren Labrums zur Insertion der Hüftgelenkskapsel ebenfalls als degenerativ und unfallunabhängig einzuschätzen sei. Die geltend gemachten psychischen Beschwerden seien schon nicht genau benannt und bezeichnet worden, was für die Feststellung als Unfallfolgen notwendig wäre. Auf die von D1 im Gutachten beschriebenen Messwerte und Funktionseinschränkungen im Bereich des linken Sprunggelenkes und des rechten Kniegelenkes ergebe sich für die Kammer unter Berücksichtigung der Zwischenberichte von S2 und H2 keine rentenberechtigende MdE. Aufgrund der mündlichen Hauptverhandlung habe die Kammer den Eindruck gewonnen, der Kläger sei darauf fixiert, dass alle bei ihm vorhandenen oder für ihn empfindbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf den Unfall zurückzuführen seien. Hierfür mache er allein einen sich für ihn ergebenden zeitlichen Zusammenhang verantwortlich, ohne dabei die nachgewiesenen degenerativen Vorbefunde im Bereich des Fußes und der LWS zu beachten.

Gegen das am 21.06.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Das Gutachten von D1 vom 26.06.2018 habe nach seiner Auffassung den Nachweis erbracht, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen unfallbedingt sind. Die vorangegangenen Gutachten (gemeint: Berichte) der BGU T vom 22.08.2017, 03.11.2017 und vom 06.12.2017 stünden dem nicht entgegen, denn diese hätten aufgrund der beschriebenen Diskrepanz zwischen lokaler Schmerzhaftigkeit, subjektivem Empfinden und objektiv erhobenen Befunden die Einholung eines Gutachtens angeraten, welches durch D1 vorgelegt worden sei. Die Beklagte habe kein unabhängiges Gegengutachten in Auftrag gegeben, sondern die Sache durch ihren „Haus- und Hofmediziner“ K2 beurteilen lassen. Der unfallbedingte Beeinträchtigungsstatus bestehe bis dato fort (unter Verweis auf den vorgelegten Bericht der S-Klinik B1 S gGmbH vom 11.09.2019). Das SG habe außerdem nicht berücksichtigt, dass er durch den Umstand, dass er unfallbedingt nicht mehr arbeiten könne, depressiv geworden sei. Ferner hat er den Bericht des Radiologie Zentrums S vom 19.09.2019 über eine Kernspintomographie des linken Sprunggelenkes vom 15.08.2019 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Juni 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2019 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 24. Mai 2017 ab 27. November 2018 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf das erstinstanzliche Urteil.

Der Senat hat mit Verfügung vom 20.08.2020 den Chefarzt der Sklinik S B2 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In dem von B2 und dem Oberarzt E unterzeichneten Gutachten vom 17.05.2021 wurde festgestellt, dass sich die Beschwerden am rechten Kniegelenk in keinem Befundbericht nachvollziehen ließen. D1 habe bis auf einen geringen Unterschied in der Beweglichkeit keine Auffälligkeiten bezogen auf Bandinstabilität, Reizzustand im Sinne eines Ergusses oder auch bei der Überprüfung der Menisken festgestellt. Es sei nicht nachvollziehbar, wie im Verlauf nach dem Treppensturz eine relevante Schädigung im Bereich des rechten Kniegelenkes eingetreten sein könnte. Eine gewisse Distorsion könne eingetreten sein, jedoch kein struktureller Schaden im Sinne einer anhaltenden Beschwerdesymptomatik mit klarer Diagnose eines Erstschadens. Es sei im Bereich des rechten Kniegelenkes zu keiner strukturellen Schädigung gekommen, es liege kein Gesundheitserstschaden vor. Bezogen auf die Beschwerden im Bereich der linken Hüftregion könne unter Berücksichtigung des im Gutachten beschriebenen Sturzereignisses auf der Wendeltreppe davon ausgegangen werden, dass eine gewisse Stauchung und Beugung in der Hüfte stattgefunden habe. Im Röntgenbild vom 04.10.2017 habe sich eine zentral betonte Coxarthrose mit komplett aufgehobenem Gelenkspalt und Pfannenbodenosteophyt gezeigt. Die Abspreizaufnahme zeige zudem eine knöcherne Eindellung des vorderen Schenkelhalses als Zeichen einer langjährigen Impingementproblematik. Unter Berücksichtigung des MRT der linken Hüfte vom Oktober 2017 lasse sich ein deutlicher Vorschaden feststellen, der altersbedingt nicht untypisch sei. Die Veränderungen des Schenkelhalses im vorderen Bereich sprächen für eine langjährige Kontaktzone, das heißt ein Impingement/Engpasszone. Hierbei komme es zum Einquetschen des vorderen Pfannenrandes am vorderen Schenkelhals und damit naturgemäß zur Entwicklung einer Labrumschädigung. Dass im Rahmen eines Treppenstolperns eine relevante Labrumschädigung primär entstehen könne, sei höchst unwahrscheinlich. Sie sei existent und könne durch eine normale Gelegenheitsursache im Alltag jederzeit Beschwerden verursachen. Eine unfallabhängige Labrumläsion bezogen auf das Ereignis vom 24.05.2017 sei im Rahmen eines Stolperns ohne Sturzereignis nicht möglich, weil ein Rasanztrauma mit endgradiger Beugung fehle und des Weiteren die bereits bestehende Vorschädigung der linken Hüfte des Klägers so gravierend sei, dass die Labrumläsion bereits bestanden habe und bezogen auf den Alterungsprozess des Gesamtlabrums eine typische Entwicklung sei.
Bezogen auf die Beschwerden im Bereich des linken Fußes sei unter Berücksichtigung der MRT-Befunde 2017 festzustellen, dass es zu keiner Schädigung der Syndesmose als wichtigstes Halteband des Wadenbeines zum Schienbein gekommen sei. Ferner sei auch das wichtigste Halteband für die Stabilität, das LFTA, in allen MRTen im Jahr 2017 als unauffällig oder nur leicht verändert dargestellt worden, ohne Anzeichen einer Ruptur. Es sei eindeutig darauf hinzuweisen, dass Berichte, die von einer kompletten Bandruptur des Außenbandapparates bezogen auf LFTA, LFC und LFTP beim Kläger sprechen, falsch seien. Das LFTA sei zu keinem Zeitpunkt anfänglich relevant geschädigt gewesen. Die Berichte lägen alle schriftlich vor und dennoch würden in ärztlichen Berichten falsche Stellungnahmen abgegeben. Als Gesundheitserstschaden liege unter Berücksichtigung der kernspintomographischen Befunde eine dorsal betonte Veränderung der Strukturen im Bandverlauf des LFTP und auch des LFC mit Auflockerung und ödematöser Veränderung vor. Im Rahmen des Unfallgeschehens an der Treppe mit Anschlagphänomen und unklarer Umknickbelastung bestehe eine Teilruptur/Teilschädigung der dorsalen Außenbänder bezüglich des LFTP und des LFC. Insgesamt zeigten die kernspintomografischen Aufnahmen von Juli und September 2017 aber auch, dass im Bereich des linken Fußes mehrere degenerative Prozesse vor dem Unfallereignis vorgelegen haben (Fersensporn und Insertionstendinopathie der Achillessehne, ventral betonte beginnende Arthrose des OSG mit Randkantenausziehungen, hochgradige Arthrose des TMT II und angrenzend III/IV, chronische Veränderungen der Fußform mit Krallenzehenbildung und Schwielenbildung an Zehen beidseits und erkennbare Plattfußkomponente). Als wesentlich seien diese unfallunabhängigen Begleiterkrankungen nicht zu sehen, jedoch erklärten sie einen verlängerten Heilungsverlauf nach dem Unfall. Der laut den Unterlagen vorliegende Behandlungszeitraum mit Auszahlung des Verletztengeldes bis 06.08.2018 sei im Rahmen der Beurteilung des körperlichen Befundes sowie der Nachbehandlung als adäquat festzusetzen. Zusätzlich sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger seit November 2019 vollschichtig beruflich tätig sei und hier im Rahmen der Verkehrsüberwachung im wechselnden Tätigkeitsfeld im Tagesverlauf mit doch anhaltendem Außeneinsatz und längeren Fahrzeiten sowie Bürotätigkeiten berufstätig sei. Die Beurteilung der MdE sei aufgrund des körperlichen Befundes mit guter Beweglichkeit des linken oberen Sprunggelenkes und einer fehlenden Instabilitätskomponente bei kernspintomografisch nur teilgeschädigter Bandstrukturen im dorsalen Sprunggelenksbereich (Außenknöchel) mit 10 v.H. zu bewerten.

Der Kläger hat gegen das Gutachten eingewandt, der vom Senat beauftragte B2 habe das Gutachten nicht selbst erstattet, was sich schon aus dem Rubrum des Schreibens vom 17.05.2021 ergebe, das auf Herrn E hindeute. B2 habe ihn weder untersucht oder beurteilt, noch ein Arztgespräch geführt, sondern ihm gegenüber keine ärztliche Tätigkeit oder Begutachtung vorgenommen. Dies sei ausschließlich durch E erfolgt. Das Gutachten sei damit nicht verwertbar. Aus dem Schreiben vom 04.09.2020 ergebe sich zudem, dass B2 das Gutachten nicht habe erstellen wollen, das Schreiben des Gerichts habe ihn nicht bewogen, das Gutachten selbst zu erstellen. Ferner müsse der Kläger von der sachlichen Unbegründetheit des Gutachtens ausgehen, was sich insbesondere aus den persönlichen Anfeindungen des E gegenüber dem vorgerichtlichen Gutachter D1 ergebe. Ferner habe E versäumt, eine schmerztherapeutische Untersuchung bezogen auf ein komplex regionales Schmerzsyndrom zu veranlassen. Es sei auch deshalb wertlos, weil die vorangegangenen Behandlungsunterlagen, insbesondere die bildgebenden Aufzeichnungen weder angefordert noch verwertet worden seien.

Hierzu hat B2 im Rahmen einer ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, der Vorwurf, keinen Kontakt mit dem Kläger gehabt zu haben, sei nicht korrekt. B2 hat den Ablauf der Gutachtenerstellung dargelegt und darauf hingewiesen, dass die entscheidende Frage im Gutachten auf den damaligen Unfalltag und auf die unfallabhängigen und unfallunabhängigen Schädigungen speziell in der Dokumentation nach dem Unfallereignis bezogen sei. Diese gutachterlichen Fragen seien nicht durch eine nochmalige ganz detaillierte persönliche Untersuchung durch ihn zu klären. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass die gesamte medizinische Historie seit dem Unfallgeschehen bis zum Tag der Begutachtung in der Sklinik S keinen Anlass ergeben habe, auf diesem Fachgebiet ein Zusatzgutachten einzuholen.

Der Kläger hat dem widersprochen und hält daran fest, dass ihn B2 weder untersucht noch zum medizinischen Gutachten befragt habe. Er habe auch weiterhin erhebliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit von B2.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.



Entscheidungsgründe

Die nach § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor. Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente.

Gegenstand des Rechtsstreits ist im Rahmen der zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalles vom 24.05.2017.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.


Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; st. Rspr.; vgl. zuletzt BSG, Urteile vom 26.11.2019 - B 2 U 24/17 R -, vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R -, vom 05.07.2016 - B 2 U 16/14 R - und vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R -, alle juris).

Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung als Unfallfolge bei der Bemessung der MdE ist grundsätzlich u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der „wesentlichen Bedingung“. Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und juris).
Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 09.05.2006 (a.a.O., Rdnr. 15) nicht „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“ sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R -, SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Nach Aktenlage und mit B2 und E geht der Senat zunächst von folgendem Unfallgeschehen aus: Danach ist der Kläger am Morgen des 24.05.2017 nach Verlassen seines Hotelzimmers mit je einer Tasche in jeder Hand auf dem Weg zu einem Kunden auf der Wendeltreppe des Hotels und beim Hinabsteigen dieser Treppe mit dem linken Fuß abgerutscht und mit dem linken Außenknöchel gegen eine Treppenkante gestoßen. Hierbei ist es – wie der Kläger gegenüber E und B2 angab – nicht zu einem Sturz gekommen und auch nicht zu einem von ihm wahrgenommenen Anprallen anderer Körperregionen. Vorherrschend empfand der Kläger einen Leistenschmerz links neben dem Hauptproblem am linken Sprunggelenk und am rechten Kniegelenk, die im Durchgangsarztbericht vom 29.05.2017 angegebene Beschwerdesymptomatik an der Lendenwirbelsäule war unerheblich.

Ausgehend hiervon befand sich der Kläger, und dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit, auf einem nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherten (Betriebs-)Weg, als er stolperte und es zu dem Anpralltrauma kam.

Das Gutachten B2 und E legt damit unter Berücksichtigung der gemachten Angaben als Unfallmechanismus nachvollziehbar ein Abrutschen des linken Fußes auf der Treppe mit Anschlagphänomen am Außenknöchel, mit zusätzlichem ausgleichenden Einknicken des rechten Kniegelenkes und einer Stauchung der Hüftregion, nachdem der linke Fuß durch das Abrutschen auf der Treppe wieder Halt fand, zugrunde.

Im Rahmen des Unfallgeschehens, ausgelöst durch das Umknick-Ereignis ist es mit B2 als anzuerkennendem Gesundheitserstschaden zu einer Teilruptur/Teilschädigung der dorsalen Außenbänder bezüglich des LFTP (Ligamentum Fibulo-Talare posterius) und des LFC (Ligamentum Fibulo-Calcaneare) gekommen. Dies steht aufgrund der vorliegenden MRT vom 28.09.2017 (K2) und vom 15.08.2019 (W1) fest und lässt sich auch unter Berücksichtigung der von B2 angegebenen und dem Gutachten beigelegten medizinischen Fachliteratur auch biomechanisch plausibel nachvollziehen. Die Schädigung betrifft das mittlere (zwischen Wadenbein und Fersenbein – LFC-) und das hintere (Verbindung zwischen Wadenbein und Sprungbein – LFTP-) Band, nicht aber auch das vordere (Verbindung des Außenknöchels zum Sprunggelenk – LFTA- (Ligamentum Fibulo-Talare anterius)) Band.

Ferner hat B2 in Auswertung der MRT vom 28.09.2017 und in Übereinstimmung mit den Angaben des Radiologen klargestellt, dass die Syndesmose als Hauptstabilisator der sogenannten Malleolengabel nicht geschädigt ist. Damit ist eine Verschiebung zwischen Waden- und Schienbein ausgeschlossen. Eine veränderte Fibulaposition, wie teilweise spekuliert wurde, liegt damit nicht vor, wie B2 überzeugend hergeleitet und ausgeführt hat. Schließlich hat er nachvollziehbar und überzeugend belegen können, dass Berichte, die eine komplette Bandruptur des Außenbandapparates bezogen auf LFTA, LFC und LFTP annahmen, unzutreffend sind, nachdem auch das wichtigste Halteband für die Stabilität, das LFTA, in allen MRT 2017 als unauffällig oder nur leicht verändert und ohne Anzeichen einer Ruptur beschrieben ist. Dies entspricht auch dem vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht des Radiologie Zentrums S vom 19.09.2019, das in Auswertung der MRT vom 15.08.2019 des linken Sprunggelenks im Vergleich zur letzten Voruntersuchung (09/2017) unverändert eine deutliche Verdickung des LFTP und des LFC, nicht aber auch eine Schädigung des LFTA befundet hatte (vgl. W1, Bl. 31 d. Akten). Durch W1 wird darüber hinaus die Einschätzung von B2 bestätigt, dass sich auch die Peroneussehnen mit einer nur diskreten Signalanhebung unauffällig darstellen. Dies stellt B2 in Übereinstimmung mit dem MRT von 2017 auch für die Zeit unmittelbar nach dem Unfall fest. Eine Schädigung der Führungsrinne der Peronealsehnen ist durch die MRT vom 28.09.2017 ausgeschlossen.

Weitere Unfallfolgen liegen nicht vor, was der Senat ebenfalls dem Gutachten von B2 entnimmt. Für die Beschwerden am rechten Kniegelenk fehlt es am Nachweis eines Gesundheitserstschadens. So wurden die Beschwerden radiologisch nur einmalig am 04.10.2017 abgeklärt. Eine weiterführende MRT-Diagnostik oder auch nachweisbare Darstellung einer Schädigung des rechten Kniegelenkes findet sich in den Akten nicht. Im Gutachten vonD1 lässt sich bis auf einen geringen Unterschied in der Beweglichkeit kein auffälliger Befund hinsichtlich Bandstabilität, Reizzustand im Sinne eines Ergusses oder auch bei der Überprüfung der Menisken feststellen. Eine entsprechende Diagnose hat auch D1 nicht gestellt. Bei der gutachterlichen Untersuchung in der Sklinik S wurde das Röntgenbild vom 04.10.2017 befundet und als altersentsprechendes Kniegelenk ohne jegliche Arthrosezeichen bei harmonischem Gelenkspalt medial und lateral beurteilt. Mit B2 ist auch für den Senat weder eine schädigende Einwirkung noch ein Gesundheitserstschaden ersichtlich, Diagnosen; die überdauernde Beschwerden erklären könnten, finden sich auch in den Befundberichten nicht.

Bezüglich der linken Hüftregion gilt insoweit nichts wesentlich Anderes. Unter Berücksichtigung, dass es zu keinem Sturzereignis auf der Wendeltreppe gekommen war, sondern zu einem linksseitigen Fehltritt des Fußes mit einer Ausgleichsrotationsbewegung rechts, ist allenfalls davon auszugehen, dass eine gewisse Stauchung und Beugung in der Hüfte stattgefunden hat. In der Röntgenuntersuchung am 04.10.2017 zeigte sich bereits eine deutlich zentralbetonte Coxarthrose mit komplett aufgehobenem Gelenkspalt und Pfannenbodenosteophyt. Zusätzlich zeigte sich in der Abspreizaufnahme eine knöcherne Eindellung des vorderen Schenkelhalses als Zeichen einer langjährigen Impingementproblematik. Eine weitere MRT im Oktober 2017 beschreibt degenerative Veränderungen und Verkalkungsstrukturen des gesamten Labrums und einen Labrumriss in der anterioren Zone, des Weiteren klare, zum Teil komplette Knorpelschädigungen im Pfannenbereich sowie auch am Hüftkopf als Zeichen einer Arthrose. B2 hat nachvollziehbar und überzeugend unter Verweis auf medizinische Fachliteratur dargelegt, dass es sich insoweit um eine langjährige Erkrankung handelt mit einer naturgemäßen Entwicklung einer Labrumschädigung, wodurch eine traumatische Schädigung als Ursache des Labrumrisses aufgrund des Unfallherganges und der vorbestehenden degenerativen Veränderungen höchst unwahrscheinlich ist. Die Vorschädigung am Labrum war bereits existent und auch eine normale Gelegenheitsursache im Alltag hätte jederzeit Beschwerden im Bereich der linken Hüfte auslösen können. Auch die biomechanische Beurteilung des Bewegungsablaufs mit einem Stolpern ohne Sturzereignis spricht wegen eines fehlenden Rasanztraumas mit endgradiger Beugung gegen eine unfallbedingte Verursachung, weswegen auch im Bereich der linken Hüfte kein mit der hierfür erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzuerkennender Gesundheitserstschaden besteht.

Aufgrund der oben ausgeführten, unfallbedingt zu berücksichtigenden Bandschädigung im Bereich des linken Fußes ist eine rentenberechtigende MdE nicht anzunehmen. Auch insoweit folgt der Senat den Ausführungen von B2. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine chronische Instabilität des oberen Sprunggelenkes durch die Schädigung der dorsalen Außenbandstrukturen im Übergang LFTP und LFC ohne Schädigung des LFTA nicht vorliegt. Ferner hat B2 dargelegt, dass bei erhaltenem LFTA und erhaltener Syndesmosebänder ohne Verschiebung der Fibula in der Sprunggelenksgabel – wie hier – von einer folgenlosen Ausheilung in der Regel nach einem Zeitraum von sechs bis zwölf Wochen auszugehen ist. Bei einer gut erhaltenen Beweglichkeit über den gesamten Zeitraum kann – nach den Ausführungen von B2 – auch nicht nachvollzogen werden, warum die Arbeitsfähigkeit bei der geringen Schädigung der dorsalen Außenbänder nicht im weiteren Verlauf wiedereingetreten ist. Soweit B2 nebenbefundlich im Bereich des linken Fußes eine unfallunabhängige hochgradige TMT-Arthrose II und geringer angrenzend III/IV sowie eine beginnende OSG-Arthrose ventral betont mit Tibiavorderkantenausziehung, eine Insertionstendopathie der Achillessehne und einen begleitenden plantaren Fersensporn feststellte, sind diese nach seinen Ausführungen zwar nicht wesentlich für die Entstehung der Bandschäden, sie erklären aber einen verlängerten Heilungsverlauf nach dem Unfall vom 24.05.2017, wobei die dadurch verursachte Arbeitsunfähigkeit von B1 für die Dauer bis 06.08.2018 (wie von der Beklagten anerkannt) als adäquat bestätigt wurde. Im Seitenvergleich ist das Heben und Senken des linken oberen Sprunggelenkes nach der Neutral-Null-Methode nur um 5° (Heben/Senken rechts 15-0-45 zu links 10-0-40) und damit allenfalls endgradig eingeschränkt. Im unteren Sprunggelenk ist die Einschränkung der Gesamtbeweglichkeit im Seitenvergleich um die Hälfte reduziert angegeben, dies aufgrund einer Schätzung des Sachverständigen, nachdem aufgrund der Schmerzhaftigkeit eine genaue Ausmessung nicht möglich war. Der Senat geht insoweit jedenfalls nicht von einer mit einer Versteifung des unteren Sprunggelenkes vergleichbaren Situation aus. Bei fehlender Instabilität und guter Beweglichkeit des linken OSG und nur teilgeschädigter Bandstruktur im dorsalen Sprunggelenksbereich ist eine MdE um 20 v.H. nach den Vergleichswerten in der Rentenliteratur, denen der Senat folgt, nicht erreicht.

So wird in der Rentenliteratur eine MdE um 20 v.H. für einen Fersenbeinbruch mit deutlicher Abflachung des Tubergelenkwinkels, einer mittelgradigen Arthrose und schmerzhafter Wackelsteife des unteren Sprunggelenkes, einer Fehlstellung des Rückfußes im Varus- oder Valgussinn und noch ausreichender Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk und in der Fußwurzel vorgeschlagen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. S. 713). Die Versteifung des oberen Sprunggelenkes in Funktionsstellung wird hingegen mit 15 v.H. bewertet. Eine Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenkes soll dagegen bereits eine MdE um 25 v.H. rechtfertigen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.). Im Gegensatz zu den beschriebenen Vergleichswerten beurteilt der Senat den Unfallfolgezustand beim Kläger funktionell als besser.

Bei der im Gutachten festgestellten gut erhaltenen Beweglichkeit des OSG liegt schon keine einer Versteifung des OSG oder beider Sprunggelenke vergleichbare Situation vor. Der Senat verkennt nicht, dass bei der gutachterlichen Untersuchung die Standprüfungen (Einbeinstand, Fersengang, Zehenspitzengang) links nur erschwert oder gar nicht möglich gewesen sind. Diese Belastungsminderung beruht jedoch zumindest nicht ausschließlich auf dem als Unfallfolge zu berücksichtigenden Bandschaden. Denn der Kläger leidet zudem an unfallunabhängigen arthrotischen Veränderungen im Bereich des linken Fußes (hochgradige TMT-Arthrose, also einer Arthrose der Mittelfußgelenke, die im Bericht über die MRT vom 28.09.2017 – Bl. 289 f. der Akten der Beklagten – als deutliche und aktivierte Arthrose im MTT II angegeben wurde), an einer beginnenden OSG-Arthrose mit Tibiavorderkantenausziehung und insbesondere einer Insertionstendinopathie der Achillessehne. Insertionstendinopathien sind Schmerzzustände, die durch Reizungen des osteoligamentären Übergangs entstehen, d.h. dort, wo Sehnen im Knochen inserieren. Der betroffene Muskelansatz schmerzt bei Druck und Bewegung. Kraftvolle Bewegungen, an denen der ansetzende Muskel beteiligt ist, führen zu einer Schmerzverstärkung (Belastungsschmerz). Zusätzlich besteht ein Druck- und Dehnungsschmerz (vgl. https://www.flexikon.doccheck.com zu dem Stichwort Insertionstendinopathie, abgerufen am 08.07.2022). Ferner bestehen die Belastung einschränkende und Schmerzen verursachende Einschränkungen unfallunabhängig von Seiten des rechten Knies und des linken Hüftgelenkes. Hierzu hat bereits D1 die Auffassung vertreten, dass für den erschwerten Einbeinstand auch die Schmerzproblematik an der linken Hüfte verantwortlich ist (vgl. dessen Gutachten Seite 6). Ferner stellt der Senat insoweit in die Beurteilung ein, dass sowohl bei der Untersuchung bei D1 als auch bei der Untersuchung in der Sklinik S keinerlei Muskelminderung des linken Beines festzustellen waren. Damit vermag der Senat Einschränkungen, die mit einer oben beschriebenen schmerzhaften Wackelsteife nach Fersenbeinbruch mit deutlicher Abflachung des Tubergelenkwinkels und einer mittelgradigen Arthrose (die hier schon nicht unfallbedingt vorliegt) und Fehlstellung des Rückfußes vergleichbar sind, zumindest nicht unfallbedingt festzustellen. Der Senat bezieht sich hierbei auf die Einlassungen von B2, wonach bei einem 100 kg schweren, fast 2 m großen Mann, der im gesamten Verfahren angibt, sein Bein nicht belasten zu können und über Monate hinweg höchstgradige Einschränkungen erfahren zu haben ohne jede Möglichkeit der Alltagsbelastung, eine Muskelminderung im Bereich der Wade und im Bereich des Oberschenkels zu erwarten gewesen wäre und hätte aufweisen müssen. Lagen solche bereits bei der Untersuchung für das Gutachten des D1, welches im Juni 2018 und damit lange vor Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit erstellt wurde, nicht vor, spricht dies gegen eine damals bereits bestehende Funktionseinschränkung in einer Ausprägung, die eine MdE um 20 v.H. rechtfertigen könnte. Die fehlende Muskelminderung bei der Untersuchung bei B2 sieht der Senat als Beleg dafür, dass funktionelle Einschränkungen nicht in einem rentenberechtigenden Ausmaß vorliegen, da eine geltend gemachte Schonung der linken unteren Extremität aufgrund einer besonderen Schmerzhaftigkeit nicht plausibel wird. Hinzu kommt, dass außer der Einnahme von Schmerztabletten keine besondere Schmerztherapie und auch keine sonstigen weitergehenden anderen Behandlungsmaßnahmen stattfinden. Trotz Empfehlung eines operativen Vorgehens (vgl. den vorgelegten Bericht der S-Klinik S vom 11.09.2019) sah der Kläger – so die Angaben im Gutachten – auch „keinen operativen Handlungsbedarf für seinen Fuß“.

Das Gutachten von D1, das sich insoweit nur zu Unfallfolgen äußerte, vermochte nicht zu überzeugen. Zu Recht weist B2 darauf hin, dass dieses – was den Vollbeweis eines Gesundheitserstschadens als auch die Kausalitätserwägungen anbelangt – nicht dem zu erwartenden Standard entspricht. Allein die Bezeichnung „die Befundproblematik im Bereich des linken Sprunggelenkes kann zweifelsfrei als Gesundheitserstschaden angenommen werden“, kann ohne die Nennung konkreter Diagnosen nicht als ausreichende Beschreibung von als Gesundheitserstschaden anzuerkennenden Gesundheitsstörungen ausreichen. Für den Fortbestand von distorsionsbedingten Schmerzen im rechten Kniegelenk findet sich ohne Darlegung konkret verletzter Strukturen keine Begründung. Eine Auseinandersetzung mit bestehenden Vorschädigungen am linken Hüftgelenk und des kausalen Zusammenhangs des Unfallgeschehens mit Blick auf die Verursachung des Labrumrisses findet sich in diesem Gutachten ebenfalls nicht. Eine über die in der tatsächlichen Untersuchung gewonnenen Befunde hinausgehende Verwertbarkeit im Sinne einer Berücksichtigung von Unfallfolgen bei der Bemessung der MdE kommt dem Gutachten daher nicht zu.

Die Einwendungen des Klägers stehen einer Verwertbarkeit des Gutachtens von B2 nicht entgegen. Das Gutachten ist verwertbar.

Der Sachverständige ist zwar nach § 407a Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt (§ 407a Abs. 2 Satz 2 ZPO). Nach der zu § 407a Abs. 2 ZPO ergangenen Rechtsprechung des BSG muss der Sachverständige die zentralen Aufgaben der Begutachtung selbst erbringen (Keller in Egle, Kappis u.a. Die Begutachtung chronischer Schmerzen, 1. Auflage 2014, S. 168/169 m.w.N.). Inwieweit die Durchführung der persönlichen Untersuchung des Probanden zum sogenannten unverzichtbaren Kern der vom Sachverständigen selbst zu erfüllenden Zentralaufgaben zählt, hängt von der Art der Untersuchung ab. Je stärker die Untersuchung auf objektivierbare und dokumentierbare organmedizinische Befunde bezogen ist, umso eher ist die Einbeziehung von Mitarbeitern möglich. Bei psychologischen und psychiatrischen Gutachten muss der Sachverständige die persönliche Begegnung mit dem Probanden und das explorierende Gespräch im wesentlichen Umfang selbst durchführen (BSG, Beschluss vom 17.04.2013 - B 9 V 36/12 B - zitiert nach juris).

Mit dem Gutachten zu der Frage, ob wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 24.05.2017 Gesundheitsbeeinträchtigungen vorliegen, die eine MdE in rentenberechtigenden Grad begründen, hat der Senat als Sachverständigen B2 beauftragt. Das Gutachten vom 17.05.2021 trägt die Unterschriften von B2 und des Leitenden Oberarztes E. Noch oberhalb der Unterschriften war vermerkt „Einverstanden aufgrund eigener Überprüfung und Urteilsbildung“. Auf Nachfrage des Senats hat B2 in einer Stellungnahme vom 17.05.2021 mitgeteilt, dass er den Kläger am Untersuchungstag persönlich befragt und sich sein Sprunggelenk habe zeigen lassen, ferner habe er dann den Fuß konkret untersucht und weiter den Kläger befragt zu seinen Problemen. Der Kläger habe ihm dann ganz speziell seine Existenzängste aufgrund der schwierigen Lebenssituation geschildert.  E habe die Überprüfung des Unfallgeschehens und die Überprüfung der über 1.500 Seiten vorliegenden BG-Akte sowie der Akten des Vorverfahrens und der festgehaltenen medizinischen Behandlungsabläufe oblegen. Ein Gutachtenentwurf sei dann zusammen mit E erstellt worden, der von ihm (B2) speziell und persönlich nachbearbeitet, ergänzt und konkretisiert worden sei.

Der Senat vermag sich angesichts dieser schlüssigen und überzeugenden Angaben nicht davon zu überzeugen, dass der Kern der fachorthopädisch-unfallchirurgischen Begutachtung nicht durch B2 selbst erfolgt ist. Deren Schwerpunkt lag im konkreten Fall aufgrund der anzustellenden Kausalitätserwägungen im Wesentlichen in der Auswertung der aktenkundigen Befunde im zeitlichen Zusammenhang, insbesondere der Berichte der behandelnden Ärzte und Kliniken, sowie in der Auswertung der vom Gericht zur Verfügung gestellten sowie im Rahmen der Begutachtung angefertigten Röntgen- und MRT-Bilder und nicht zuletzt in einer wissenschaftlich begründeten Einordnung der kausalen Zusammenhänge. Nach den Angaben des B2, an dessen Einlassungen der Senat keinen Zweifel hegt, wurde nach einer gemeinsamen Besprechung und Würdigung der Befunde eine Vorfassung des Gutachtens durch E erstellt, worauf die Durchsicht, Ergänzung und Korrektur durch ihn selbst erfolgt ist. B2 hat sich aufgrund eigener Überprüfung und Urteilsbildung mit dem Gutachten einverstanden erklärt, und es sich damit zu eigen gemacht. Ferner hat er damit persönlich die volle zivil- und strafrechtliche Verantwortung für das Gutachten übernommen. Nach § 118 SGG i.V.m. § 407a Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz ZPO ist es dem Sachverständigen erlaubt, sich zur Erledigung des Gutachtensauftrags anderer Personen – auch anderer Ärzte – zu bedienen. Seine uneingeschränkte persönliche Verantwortung für das Gutachten erklärt der beauftragte Sachverständige nämlich durch seine Unterschrift mit dem sinngemäßen Zusatz, er habe die Arbeit seines qualifizierten Mitarbeiters selbst nachvollzogen und sich zu eigen gemacht, er sei aufgrund eigener Überzeugung und Urteilsbildung einverstanden (st. Rspr., vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 15.07.2004 - B 9 V 24/03 B -, SozR 4-1750 § 407a Nr. 2, Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 VU 2/03 B -, zit. n. juris, m.w.N.). Erst wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit des weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine – das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden – Zentralaufgaben delegiert (vgl. BSG, a.a.O.), ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten und liegt ein unverwertbares Gutachten vor. Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte, da aufgrund der im Wesentlichen auf apparativen Untersuchungen (Röntgenbilder, MRT, etc.) beruhenden Einschätzung der Unfallfolgen selbst eine weitgehende Überlassung der Gutachtenserstellung an einen anderen Arzt nicht zu beanstanden gewesen wäre, sofern sich der beauftragte Sachverständige dieses Gutachten, wie oben ausgeführt, zu eigen macht. Denn weder die Auswertung der Befunde durch  E noch die schriftliche Abfassung des Gutachtens gehören in jedem Fall zu den unverzichtbaren Kernaufgaben, die der Sachverständige selbst erledigen muss. Soweit sich nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird, reicht es aus, wenn dieser die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht. Entscheidend ist, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt (BSG, Beschluss vom 30.01.2006 - B 2 U 358/05 B -, juris, m. w. N.). Damit kommt es nach Überzeugung des Senats letztlich auch nicht entscheidend darauf an, ob der Kläger nun zu Recht oder zu Unrecht behauptet, B2 nicht persönlich gesehen zu haben.

Der Senat teilt auch nicht die Zweifel des Klägers an der Unvoreingenommenheit des B2, die der Kläger im Wesentlichen mit dem Verhalten des B2 gegenüber dem Gericht (Zurücksendung der Akten) und den Einlassungen des E (Anfeindungen gegenüber D1) begründet. Aus diesen Einlassungen ergibt sich schon nicht schlüssig, weshalb sich die behauptete Unvoreingenommenheit gegen die Person des Klägers gerichtet haben sollte. Dem Gutachten lässt sich an keiner Stelle eine solche Unvoreingenommenheit entnehmen. Entsprechendes wird auch vom Kläger nicht vorgetragen. Dass sich ein gerichtlich bestellter Sachverständiger kritisch mit bestehenden Vorbefunden und Gutachten auseinanderzusetzen hat, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Hierzu gehört auch die Qualifizierung eines Vorgutachtens als mangelhaft, wenn diese – wie hier – ausführlich begründet und belegt wird, auch wenn dies vom Kläger für unkollegial gehalten wird. Der Senat teilt die von B2 und E vertretene Wertung im Übrigen, worauf bereits hingewiesen wurde.

Soweit der Kläger auch im Berufungsverfahren die Anerkennung und Berücksichtigung von psychischen Unfallfolgen geltend macht, ergibt sich insoweit nichts Anderes. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von solchen ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern und die aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen soll (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris). Dies sind namentlich die Diagnosesysteme ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, sowie das DSM ((Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) in der jeweils gültigen Fassung. Der Kläger macht auch im Berufungsverfahren lediglich geltend, durch den Umstand, dass er unfallbedingt nicht mehr arbeiten könne, depressiv geworden zu sein. Dies erfüllt die oben genannten Voraussetzungen nicht. Eine konkrete Behandlung wegen solcher Einschränkungen, eine in diesem Sinne von einem Arzt gestellte Diagnose behauptet der Kläger nicht, sondern verweist auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hierzu sah sich der Senat indes mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine die Erwerbsfähigkeit zusätzlich beeinträchtigende Erkrankung nicht veranlasst, zumal der Kläger seit November 2019 auch wieder einer Erwerbstätigkeit vollschichtig nachgeht.

Mit B2 ist auch mangels einer fachärztlichen Befundung und fehlender weiterer Anknüpfungstatsachen einem geltend gemachten komplex regionalen Schmerzsyndrom nicht weiter nachzugehen.

Weitere Ermittlungen von Amts wegen sind aufgrund des geklärten Sachverhaltes nicht erforderlich. Aufgrund der Verwertbarkeit des Gutachtens von B2 bestand auch keine Verpflichtung, von Amts wegen ein weiteres Gutachten einzuholen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers auch im Berufungsverfahren.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtskraft
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