L 14 U 73/21

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Oldenburg (NSB)
Aktenzeichen
S 75 U 98/16
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 14 U 73/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 4. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob bei dem Kläger eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zu chronischen oder chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen der LWS führen (im Folgenden: BK 2108) - vorliegt.

Der im Jahre 1982 geborene Kläger hat im Zeitraum 1. August 2000 bis 1. August 2002 den Beruf des Zimmerers erlernt und seit seiner Ausbildung auch immer in diesem Beruf gearbeitet. Zuletzt war er bis zum 15. Dezember 2012 bei dem Bauunternehmen G. in H. beschäftigt. Danach gab der Kläger seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen auf und absolvierte nach dem Bezug von Krankengeld ab dem 01. August 2013 eine Umschulung zum Bautechniker.

Mit am 21. Dezember 2012 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben machte der Kläger die Anerkennung seiner Bandscheibenerkrankung als BK geltend. Seinem Schreiben fügte er die Bescheinigung des Orthopäden und Chirurgen I. vom 9. November 2012 bei, wonach der Kläger für den Beruf des Zimmermanns aufgrund orthopädischer Leiden „berufsunfähig“ sei. Die Beklagte leitete daraufhin ein Feststellungsverfahren zu der BK 2108 ein, in welchem I. seine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine BK vom 1. März 2013 vorlegte, nach welcher der Kläger insgesamt seit drei Jahren an Schmerzen im mittleren Lendenwirbelbereich bei Hebe- und Tragebelastungen leide. Seiner Anzeige fügte er den Arztbrief des Radiologen J. vom 24. Oktober 2012 über eine Magnetresonanztomographie (MRT) der LWS des Klägers am selben Tag bei. Die Beklagte holte die Stellungnahme des Klägers zu seinen Wirbelsäulenbeschwerden und seiner beruflichen Laufbahn vom 10. April 2013 sowie von der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers dessen Vorerkrankungsverzeichnis mit Zeiten der Arbeitsunfähigkeit (vgl. deren Schreiben vom 12. April 2013) ein. Darüber hinaus holte sie die Stellungnahme des K. vom 17. April 2013 sowie den Befundbericht der L. vom 26. Juni 2013 ein. Weiterhin holte sie die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes zu den Arbeitsexpositionen des Klägers vom 21. Oktober 2013 (nach erfolgter Besprechung mit dem Kläger) ein. Daneben holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des M. vom 26. August 2013 ein. Im Anschluss lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. November 2013 die Anerkennung der BK 2108 für den Kläger ab: Es liege kein Krankheitsbild vor, das einer BK entspreche. Eine anerkennungsfähige Konstellation entsprechend der Konsensempfehlungen sei nicht gegeben.

Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06. Mai 2014).

In dem hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg angestrengten Klageverfahren (Aktenzeichen S 7 U 123/14) hat die Beklagte mit Schreiben vom 11. Februar 2015 ein Vergleichsangebot gemacht, in welchem sie sich verpflichtet hat, ihre angefochtenen Bescheide aufzuheben und den Antrag des Klägers auf Anerkennung der BK 2108 unter Durchführung weiterer, vor allem medizinischer Ermittlungen – insbesondere der Einholung eines Zusammenhangsgutachtens – neu zu bescheiden. Der Kläger hat dieses Vergleichsangebot mit Schreiben vom 04. März 2015 angenommen.

Im Rahmen des daraufhin neu eingeleiteten Verwaltungsverfahrens hat die Beklagte diverse Arztbriefe von verschiedenen Radiologen beigezogen (N. vom 11. Oktober 2012 über eine MRT der Halswirbelsäule – HWS – am 10. Oktober 2012, O. vom 21. Oktober 2014 über eine MRT der HWS am 20. Oktober 2014, P. über eine MRT der LWS am 19. Mai 2015, Q. über eine MRT der LWS am 20. April 2011) sowie die Gutachten des Neurologen R. vom 26. August 2015 und des I. vom 28. Juli 2015 eingeholt. Darüber hinaus hat sie die beratungsärztliche Stellungnahme des M. vom 25. Oktober 2015 eingeholt. I. hat in seinem Gutachten die Einschätzung vertreten, dass bei dem Kläger die Konstellation B2 der Konsensempfehlungen vorliege. Für den Kläger sei die BK 2108 anzuerkennen. Daraufhin bat die Beklagte ihren Präventionsdienst um Überprüfung ihrer Berechnung zu den Expositionen des Klägers in seinem früheren Beruf als Zimmermann unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die beim Kläger vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS erstmalig im April 2011 manifestiert habe. In seiner Stellungnahme vom 14. Dezember 2015 kam der Präventionsdienst der Beklagten nach erneuter Berechnung der Arbeitsexposition für den Kläger zu der Einschätzung, dass sich aus den Erhebungsdaten nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) eine berufliche Gesamtdosis in Höhe von 11,2 Meganewtonstunden (MNh) ergebe. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2015 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung der BK 2108 für den Kläger erneut ab, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK nicht gegeben seien. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien ab einem Gesamtdosisrichtwert von 12,5 MNh die arbeitstechnischen Voraussetzungen als wahrscheinlich erfüllt anzusehen. Mit den beim Kläger berechneten 11,2 MNh sei diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2016).

Hiergegen hat der Kläger am 26. Mai 2016 vor dem SG Oldenburg Klage erhoben und sein Begehren unter Vorlage diverser medizinischer Unterlagen (u.a. Ärztliches Attest des S. vom 11. August 2016, Arztbrief des Prof. T. vom 4. Dezember 2019, Arztbriefe des Radiologen J. über eine Computertomographie – CT – des lumbalen Spinalkanales am 18. Dezember 2017, Arztbrief der U. vom 28. November 2017 über eine MRT der LWS am selben Tag sowie Stellungnahme des J. vom 22. März 2018, Stellungnahmen des I. vom 14. Mai 2020 und 2. Juli 2020) weiterverfolgt.

Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten.

Das SG Oldenburg hat von Amts wegen das orthopädisch-unfallchirurgische Gutachten des V. vom 3. März 2017 nebst dessen ergänzenden Stellungnahmen vom 20. Juni 2018, 24. September 2018, 2. Januar 2019 sowie auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Gutachten des W. vom 18. September 2017 und des Radiologen X. vom 14. März 2020 nebst dessen ergänzenden Stellungnahmen von Juni 2020 und vom 21. September 2020 eingeholt. Alle drei Sachverständigen kommen in ihren Gutachten zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegt, die nach den Konsensempfehlungen der Konstellation B10 zuzurechnen ist, welche nicht als BK 2108 anerkannt werden könne.

Mit Gerichtsbescheid vom 04. Mai 2021 hat das SG Oldenburg die Klage abgewiesen und seine Entscheidung auf die drei im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen gestützt.

Hiergegen hat der Kläger am 25. Mai 2021 Berufung eingelegt. Er ist nach wie vor der Ansicht, dass die von I. in diesem Rechtsstreit vertretene Auffassung zutreffend ist.

 

Der Kläger beantragt,

  1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 04. Mai 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2016 aufzuheben,
  2. festzustellen, dass bei ihm die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.

 

Die Beklagte beantragt,

       die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG Oldenburg für zutreffend. Die BK 2108 könne für den Kläger nicht anerkannt werden, weil weder die für diese BK erforderlichen medizinischen Voraussetzungen noch deren arbeitstechnische Voraussetzungen gegeben seien.

Mit Beschluss vom 15. September 2021 hat der Senat die Entscheidung über die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatterin übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte über die Berufung in der Besetzung mit seiner Berichterstatterin und den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem er die Entscheidung über die Berufung mit Beschluss vom 15. September 2021 auf die Berichterstatterin übertragen hatte.

Die nach §§ 143 f. SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG Oldenburg hat die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der BK 2108.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung der begehrten BKen ist § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) i. V. m. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV. BKen sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur diejenigen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden.

Die durch Art. 1 Nr. 4 der Zweiten Verordnung über die Änderung der BKV vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I, S. 2343), in die Anlage 1 aufgenommene BK 2108 umfasst (nunmehr noch nach Aufhebung des Unterlassungszwangs mit dem 7. SGB IV ÄndG vom 12. Juni 2020 [BGBl. I S. 1248] m.W.v. 01. Januar 2021) „bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zu chronischen oder chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen (der LWS) geführt haben.“

Die Anerkennung einer BK 2108 setzt demnach voraus, dass der Versicherte auf Grund von Verrichtungen bei einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet hat und hierdurch eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden ist und noch besteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Verrichtungen (sachlicher Zusammenhang), diesen Verrichtungen und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) und den Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsbegründende Kausalität) erforderlich. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R -, Juris Rz. 23; Urteil vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 R -, Juris Rz. 16 f.).

Dabei müssen die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung“, „Einwirkungen“ und „Krankheit“ im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Hingegen genügt für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 11/12 R -, Juris Rz. 12; Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R -, Juris Rz. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, Juris Rz. 20). Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs bejahen zu können, muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 12. September 2012 - B 3 KR 10/12 R -, Juris Rz. 47 m. w. N.; Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, Juris Rz. 20 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Ein Anspruch des Klägers scheitert bereits an den fehlenden medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108. Eine durch die berufliche Tätigkeit verursachte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS des Klägers im Sinne der BK 2108 ist nicht nachgewiesen. Zwar geht der Senat in Übereinstimmung mit sämtlichen in vorliegendem Verfahren zur Wirbelsäulenerkrankung des Klägers gehörten Gutachtern davon aus, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS des Klägers im Vollbeweis nachgewiesen ist. Diese Feststellung verlangt nach den Maßgaben zur Beurteilung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS, wie sie u.a. im weiterhin den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergebenden Merkblatt zur BK 2108 (vgl. die Fassung vom 1. September 2006, veröffentlicht im Bundesarbeitsblatt 10/2006 Seite 30 ff) sowie in den Konsensempfehlungen (vgl. hierzu Bolm-Audorff u.a., Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, in Trauma und Berufskrankheit, 3 und 4 / 2005, S. 211 und 320 ff; zur Aktualität insgesamt vgl. BSG Urteil vom 23. April 2015, B 2 U 10/14 R, Juris) niedergelegt sind, neben einem entsprechenden, durch bildgebende Untersuchungen belegten Befund ein klinisch-funktionell eindeutiges Symptombild. In diesem Zusammenhang ist u.a. der Sachverständige V. in seinem Gutachten vom 03. März 2017 unter Berücksichtigung der genannten Kriterien in Auswertung der aktenkundigen medizinischen Befunde schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei dem Kläger diagnostisch um ein seit Jahren bestehendes, mittlerweile chronifiziertes Lumbalsyndrom mit teils radikulären, teils pseudoradikulären Lumboischialgien auf dem Boden radiologisch nachweisbarer Veränderungen (so u.a. eine sensible Radikulopathie S1 rechts auf dem Boden eines flachen Bandscheibenvorfalls L5/S1) handele.

Jedoch scheitert der Anspruch des Klägers an der Nichtfeststellbarkeit des ursächlichen Zusammenhangs. In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, könnte allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der BK 2108, BArBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff.). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK 2108 bedarf es weiterer Kriterien für die Beurteilung der beruflichen Verursachung. Diese medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten BKen der LWS sind in den o.g. sogenannten Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbeurteilung niedergelegt.

Der Senat sieht es unter Würdigung der Ergebnisse der gerichtlichen Beweisaufnahme sowie der vorangegangenen Sachverhaltsaufklärung der Beklagten nicht als überwiegend wahrscheinlich an, dass die bei dem Kläger belegte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS wesentlich durch die potentiell gesundheitsschädigenden Einwirkungen während seiner beruflichen Tätigkeit verursacht worden ist. In diesem Zusammenhang bilden die bereits erwähnten Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 (U.  Bolm-Audorff u. a., Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S. 211, 216 ff, 228 ff) nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2018 – B 2 U 10/17 R -, Rz. 25; Urteil vom 27. Oktober 2009
B 2 U 16/08 R -, Rz. 15; Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 20/14 R -, jeweils in Juris), der sich der erkennende Senat anschließt, nach wie vor eine hinreichende Grundlage für die Bestimmung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands und sind der Beurteilung der BK 2108 weiterhin zugrunde zu legen. Hiernach lässt sich im Fall des Klägers ein belastungstypisches Schadensbild nicht feststellen. Der Senat stützt seine Auffassung auf das Gutachten des V. vom 03. März 2017, der nach sorgfältiger Auswertung aller medizinischen und arbeitstechnischen Ermittlungsergebnisse und ambulanter Untersuchung des Klägers in sich schlüssig und überzeugend ausgeführt hat, dass die beim Kläger vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit auf dessen berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden kann. In diesem Zusammenhang hat er zutreffend dargelegt, dass der Kläger nach den Konsensempfehlungen der Konstellation „B“ zuzuordnen sei, weil bei ihm eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS (Etage L5/S1) vorliege. Weil beim Kläger keine Begleitspondylose vorliege, allerdings im Hinblick auf die bandscheibenbedingte Erkrankung (zur beruflichen Tätigkeit des Klägers) konkurrierende Ursachen (wesentliche prädiskotische Deformität in Form einer Facettenarthropathie) gegeben seien, sei die Erkrankung des Klägers der Konstellation „B10“ zuzuordnen, bei welcher ein Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS nicht wahrscheinlich sei. Die umbauenden Veränderungen der Wirbelgelenksfacetten seien nach herrschender unfallmedizinischer Meinung geeignet, das Auftreten einer Bandscheibenschädigung zu bahnen. Da mehrere lumbale Segmente von den Hypertrophien der Wirbelgelenksfacetten betroffen seien, jedoch ausschließlich im Segment L5/S1 ein zusätzlicher Bandscheibenvorfall erkennbar werde, sei hier von einer „primären Facettenarthropathie“ mit erst nachfolgender Entwicklung einer „sekundären Bandscheibenschädigung“ auszugehen, so V. in seinem Gutachten weiter. Das Entstehen dieser primären mehrsegmentalen Facettenarthropathie sei dabei auch durch die beim Kläger bestehende kurzbogige linkskonvexe Skoliose beeinflusst worden.

Hiermit im Ergebnis im Wesentlichen übereinstimmend führen auch W. in seinem Gutachten vom 18. September 2017 und der Radiologe X. in seinem Gutachten vom 14. März 2020 aus, dass die beim Kläger bestehende bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nicht als BK 2108 anerkannt werden kann. Dabei führt W. in seinem Gutachten weiter aus, dass die LWS-Erkrankung des Klägers innerhalb der Konsensempfehlungen in die B-Konstellation einzuordnen sei, wobei keine anerkennungsfähige B-Konstellation vorliege.

Entgegen der Auffassung des Klägers vermag das von I. im Verwaltungsverfahren erstellte Gutachten vom 28. Juli 2015 ebenso wenig eine andere Beurteilung zu rechtfertigen wie dessen im Gerichtsverfahren eingeholte Stellungnahmen. Zwar kommt dieser Sachverständige zu dem Ergebnis, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2108 gegeben sind, weil nach seiner Ansicht beim Kläger die Konstellation „B2“ der Konsensempfehlungen vorliegt, bei welcher die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 gegeben sind. Allerdings begründet er diese Meinung nicht schlüssig, denn er hat bei der Erstellung des Gutachtens wesentliche Befunde, denen nach den Konsensempfehlungen bei der Frage der Anerkennung einer BK 2108 eine wichtige Rolle zukommt, vollkommen ignoriert. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige V. in seinem Gutachten für den Senat plausibel ausgeführt, dass I. in seinem Gutachten eine eingehende Diskussion der konkurrierenden Kausalitäten vermissen lasse.

Der Senat hält entgegen der Auffassung des Klägers auch keine weiteren Ermittlungen für erforderlich. Insbesondere hält er die medizinischen Ermittlungen mit dem Vorliegen der Gutachten der Sachverständigen V., W. und X., welche die LWS-Erkrankung des Klägers in Kenntnis der Konsensempfehlungen umfassend in chirurgisch-orthopädischer und radiologischer Hinsicht begutachtet haben, für umfassend und ausreichend.

Scheitert ein Anspruch des Klägers bereits an den fehlenden medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der begehrten BK 2108, musste nicht mehr weiter diskutiert werden, dass auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die begehrte BK 2108 beim Kläger nicht gegeben sind. Insoweit hatte der Präventionsdienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 14. Dezember 2015 festgestellt, dass sich unter Berücksichtigung der Erstmanifestation der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers am 31. März 2011 eine berufliche Gesamtdosis nach dem MDD in Höhe von 11,2 MNh ergebe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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