L 12 SF 39/22

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 SF 106/21 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 SF 39/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze

Zur Bewertung von Synergieeffekten bei gleichlautenden Schriftsätzen in einer Vielzahl von parallel betriebenen Klage- bzw. Antragsverfahren.

 

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 12. Januar 2022, S 13 SF 106/21 E, sowie die Vergütungsfeststellung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 03. Februar 2021 abgeändert. Für das Antrags- sowie das Beschwerdeverfahren mit den Az.: S 18 AY 148/20 ER und L 19 AY 126/20 B ER werden die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf 629,30 Euro festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.


G r ü n d e :

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechts-anwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Erinnerungsgegner und Beschwerdeführer (Bf.) nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht.

Dem Kostenverfahren liegt folgender Sachverhalt aus dem Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) zugrunde: Der Asylantrag des in einer Ankereinrichtung wohnenden Antragstellers, der die algerische Staatsangehörigkeit besitzt und über Spanien nach Deutschland eingereist ist, wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als unzulässig abgelehnt. Zuständig für die Behandlung des Asylantrages sei aufgrund eines dort gestellten Antrages Spanien. Die Abschiebung nach Spanien wurde angeordnet. Dagegen wandte sich der Antragsteller mit Klage und (erfolglosem) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zum Verwaltungsgericht Würzburg.

In der Folge stellte der Antragsgegner mit Bescheid vom 19.10.2020 fest, dass der AsylbLG-Anspruch gem. § 1a Abs. 7 AsylbLG eingeschränkt sei, lehnte einen Antrag auf Leistungen nach § 3 AsylbLG für einen Zeitraum von 6 Monaten ab, hob den entsprechenden Bewilligungsbescheid auf und bewilligte für die Zeit lediglich Sachleistungen nach § 1a Abs. 7 iVm Abs. Satz 2 AsylbLG. Hiergegen ließ der Antragsteller Widerspruch erheben.

Am 27.10.2020 beantragte der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten, den Bf., beim Sozialgericht Würzburg, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs sowie der Klage anzuordnen und den Antragsgegner zu verpflichten, für den streitigen Zeitraum von 6 Monaten vorläufig Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen (S 18 AY 148/20 ER). Zugleich beantragte er die Gewährung von PKH. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde eingehend auf 15 Seiten unter Auswertung höchstgerichtlicher Entscheidungen begründet. Die Leistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG sei verfassungswidrig und verstoße gegen das durch Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantierten Grundrechts auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Antragsbegründung entsprach - bis auf die im Zusammenhang mit den auf den Antragsteller bezogenen Daten und Sachverhalte - in Bezug auf die rechtlichen Ausführungen einer Vielzahl von weiteren Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz, die der Bf. in ähnlich gelagerten Fällen bei verschiedenen Sozialgerichten erhoben hatte.

Das Sozialgericht Würzburg (SG) lehnte mit Beschluss vom 10.11.2020 sowohl den Antrag im Eilverfahren (Ziffer I.) als auch den Antrag auf die Gewährung von PKH (Ziffer III.) ab.

Dagegen erhob der Antragsteller Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG), wobei die Beschwerdebegründung dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entsprach (L 19 AY 126/20 B ER). Ein Eingehen auf die im ablehnenden Beschlusses vom 10.11.2020 genannte Argumentation erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 15.12.2020, L 19 AY 127/20 B PKH, hob das BayLSG Ziffer III. des Beschlusses des SG vom 10.11.2020 auf und bewilligte dem Antragsteller PKH für das Antragsverfahren unter Beiordnung des Bf. Dem Antrag auf PKH unter Beiordnung des Bf. für das Beschwerdeverfahren entsprach das Gericht ebenfalls mit Beschluss vom 15.12.2020. Nach einem richterlichen Hinweis vom 21.12.2020 auf die Aussichtslosigkeit des Beschwerdeverfahrens L 19 AY 126/20 B ER nahm der Bf. die Beschwerde mit Schreiben vom 28.12.2020 zurück.

Am 28.12.2020 beantragte der Bf., seine Vergütung für das einstweilige Rechtsschutzverfahren mit den Az. S 18 AY 148/20 ER und L 19 AY 126/20 B ER in Höhe von insgesamt 823,60 Euro festzusetzen. Die Angelegenheit sei überdurchschnittlich schwierig und habe überdurchschnittliche Bedeutung für den Antragsteller. Die Synergieeffekte mit dem parallel betriebenen Hauptsacheverfahren seien durch einen Abschlag in Höhe von knapp der Hälfte der Höchstgebühr angemessen berücksichtigt. Der Betrag setzte sich zusammen wie folgt:

Antragsverfahren S 18 AY 148/20 ER:

 

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

 300,00 Euro

 20,00 Euro

Beschwerdeverfahren L 19 AY 128/20 B ER:

 

Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG

  370,00 Euro

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 Euro

16% USt, Nr. 7008 VV RVG

113,60 Euro

Mit Beschluss vom 03.02.2021 stellte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG den dem Bf. zu erstattenden Betrag in beantragter Höhe fest und wies den Betrag in Höhe von 823,60 Euro zur Auszahlung an.

                                    
Gegen diese Vergütungsfeststellung hat der Erinnerungsführer und Beschwerdegegner am 03.12.2021 Erinnerung eingelegt. Unter Verweis auf einen Beschluss des Senats vom 30.07.2019, L 12 SF 194/19 wird geltend gemacht, durch die gleichlautenden Schriftsätze in einer Vielzahl von Parallelverfahren sei wegen der dadurch vorhandenen Synergieeffekte einen Abschlag von 40% auf die Mittelgebühr angemessen. Die zustehende PKH sei auf 512,72 Euro festzusetzen. Da die Staatskasse bereits 823,60 Euro erstattet habe, seien 310,88 Euro vom Bf. zurückzuerstatten.

Mit Beschluss vom 12.01.2022 hat das Sozialgericht die Kostenfeststellung vom 03.02.2021 dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse zu zahlende PKH-Vergütung auf insgesamt 512,72 Euro festgesetzt werde. Zur Begründung für den 40%igen Abschlag auf die Verfahrensgebühren wird ausgeführt, wegen des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz könne hier nicht von einer an sich überdurchschnittlichen, sondern nur von einer durchschnittlichen Bedeutung für den Antragsteller ausgegangen werden. Dessen Einkommensverhältnisse seien weit unterdurchschnittlich. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei wegen der gleichlautenden Schriftsätze in Parallelverfahren als unterdurchschnittlich einzuschätzen, da nur wenige persönliche Daten sowie die Antragshistorie hätten ausgetauscht werden müssen. Die dadurch entstandenen Synergieeffekte seien sehr ausgeprägt. Zudem hätten weder Befundberichte gesichtet noch Gutachten geprüft werden müssen. Auch habe die kurze Laufzeit des Verfahrens dazu geführt, dass keine wiederholte Einarbeitung über einen längeren Zeitraum hinweg notwendig gewesen sei, was ebenfalls zu einer Reduzierung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit geführt habe. Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit schätze das SG als unterdurchschnittlich ein. Der Streitgegenstand beinhalte keine größeren rechtlichen Probleme. Hinzu komme, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur eine Glaubhaftmachung von Tatsachen erforderlich sei, sodass hierdurch der Anforderungsmaßstab an die anwaltliche Tätigkeit herabgesetzt sei. Zudem werde der - bis auf die persönlichen Angaben zum Antragsteller nur aus Textbausteinen bestehende Schriftsatz als nicht besonders problembehaftet eingeschätzt. Daher erscheine ein 40%iger Abschlag auf die Mittelgebühren angemessen.

Gegen den Beschluss des SG hat der Bf. am 01.02.2022 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Nachdem die im Antragsverfahren streitige Rechtsfrage der Regelstufenproblematik derzeit sowohl dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wurde als auch beim Bundessozialgericht anhängig sei, erstaune die Auffassung des SG, es handle sich nicht um eine überdurchschnittlich schwierige Angelegenheit. Ein Abschlag allein wegen des Eilverfahrens dürfe nicht erfolgen. Die Rationalisierungseffekte durch gleichlautende Schriftsätze beeinflusse nicht die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, sondern allenfalls deren Umfang. Keine Rationalisierungseffekte würden sich aber für das Beschwerdeverfahren ergeben, denn dies würde einer Anrechnung der im Antragsverfahren entstandenen Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr im Beschwerdeverfahren gleichkommen. Die Angelegenheit weiche auch insofern vom Sachverhalt des dem Kostenverfahren L 12 SF 194/19 zugrundeliegenden Verfahrens ab, als vorliegend nicht nur persönliche Daten hätten ausgetauscht werden müssen. Da die Voraussetzungen für die Durchführung eines Asylverfahrens in den einzelnen EU-Ländern unterschiedlich seien, habe der konkrete Sachverhalt anhand unterschiedlicher Rechtsgrundlagen geprüft werden müssen. Die Behauptung, die Antragsschrift sei bis auf die persönlichen Daten identisch mit denen der Parallelverfahren, treffe daher nicht zu. Zudem sei die Toleranzgrenze von 20% zu berücksichtigen.

Der Staatskasse ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Erinnerungsverfahrens (S 13 SF 106/21 E) und des Antragsverfahrens (Az.: S 18 AY 148/20 ER, L 19 AY 126/20 B ER und L 19 AY 127/20 B PKH) verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) in der ab dem 01.08.2013 bis 31.12.2020 geltenden Fassung gemäß dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.), denn der unbedingte Auftrag i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG (idF des KostRÄG 2021, BGBl 2020 I S. 3229) ist dem Beschwerdeführer nach dem 31.07.2013, aber vor dem 01.01.2021 erteilt worden.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.

2. Die Beschwerde ist teilweise begründet.

Das Sozialgericht hat die Verfahrensgebühren (Nrn. 3102 und 3204 VV RVG) zu niedrig festgesetzt. Jedoch hat der Bf. seinerseits die Gebühren zu hoch veranschlagt, so dass seine Gebührenbestimmung auch unter Berücksichtigung der Toleranzgrenze von 20% nicht mehr billigem Ermessen entspricht und damit für die Staatskasse nicht verbindlich ist.

a) Zentrale Bedeutung hat bei der Gebührenfestsetzung § 14 RVG. Ausgangspunkt für die Vergütungsfestsetzung bei Betragsrahmengebühren gemäß § 3 Abs. 1 RVG, um die es hier geht, ist die Bestimmung der konkreten Gebühr durch den Rechtsanwalt. Das Leistungsbestimmungsrecht des Rechtsanwalts gehört in seiner Ausübung zum Entstehungstatbestand des Vergütungsanspruchs (vgl. die Entscheidung des 15. Senats des BayLSG vom 29.04.2016, Az.: L 15 SF 15/14 E). Dies gilt auch, wenn der Rechtsanwalt einen Anspruch auf die Vergütung nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von PKH geltend macht (a.a.O.).

Der Gesetzgeber hat dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt, um nach Möglichkeit Streit über die billige Gebühr zu vermeiden. Der Rechtsanwalt hat die Gebühr nach billigem Ermessen zu bestimmen und dabei die Kriterien des § 14 RVG zu berücksichtigen. Verbindlich ist die von ihm vorgenommene Bestimmung der Gebühr nur, wenn sie tatsächlich billigem Ermessen entspricht.
Im Fall einer nicht verbindlichen, d.h. nicht der Billigkeit entsprechenden Bestimmung der Gebühr durch den Rechtsanwalt, wird die Gebühr im Kostenfestsetzungsverfahren bestimmt (a.a.O.). Der gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (Kostenbeamter), im Fall der Erinnerung das gemäß § 56 Abs. 1 RVG zuständige Gericht und im Fall der Beschwerde das Beschwerdegericht gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG sind befugt und verpflichtet, die vom Rechtsanwalt bestimmten Gebühren auf ihre Billigkeit hin zu überprüfen und bei Feststellung der Unbilligkeit die Gebühr selbst festzusetzen.

Bei der Bestimmung der billigen Gebühr anhand der Kriterien von § 14 Abs. 1 RVG wird dem Rechtsanwalt zu Recht und im Einklang mit der Systematik des § 315 BGB ein gewisser Spielraum bzw. Toleranzrahmen zugestanden. In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung hält der Senat nach wie vor eine vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr für noch verbindlich, wenn sie bis zu 20% von der Gebühr abweicht, die der Kostenbeamte und ggf. das Gericht bzw. Beschwerdegericht für angemessen halten (vgl. auch Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., § 14, Rdnr. 12, m.w.N.; Toussaint, Kostengesetze, 52. Aufl., § 14, Rdnr. 24). Auch unter Berücksichtigung des Toleranzrahmens war die Gebührenanforderung des Beschwerdeführers unbillig. Bei Betrachtung der o.g. Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG lag der Rechtsstreit im leicht unterdurchschnittlichen Bereich anderer Streitigkeiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

b) Dem Bf. steht für das Antragsverfahren eine Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 225,00 Euro zu.

Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 19.08.2011, Az.: L 6 SF 872/11 B m.w.N., nach juris) leicht unterdurchschnittlich. Der Senat geht davon aus, dass eine anwaltliche Tätigkeit jedenfalls dann durchschnittlich umfangreich ist, wenn Klage erhoben, Akteneinsicht genommen, die Klage begründet und zu den (z.B. medizinischen, sonstigen tatsächlichen oder auch rechtlichen) Ermittlungen des Gerichts Stellung genommen wird, einschließlich der eben genannten Tätigkeiten. Zu berücksichtigen ist dabei der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieb und objektiv verwenden musste (vgl. Bundessozialgericht BSG, Urteil vom 01.07 2009, Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris). Gleiches gilt entgegen der Auffassung des SG auch für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. In diesen findet zwar nur eine summarische Prüfung durch das Gericht statt, allerdings hat der Beschwerdeführer sowohl den Anordnungsgrund als auch den Anordnungsanspruch so darzulegen, dass das Gericht innerhalb kurzer Zeit zu einer Entscheidung in der Lage ist. Insbesondere die Darstellung des Anordnungsgrundes, also der Eilbedürftigkeit, kompensiert die aufgrund der kurzen Verfahrensdauer häufig eingeschränkte Anzahl an gewechselten Schriftsätzen. Die Tatsache, dass es sich um ein Eilverfahren handelt, darf sich demnach grundsätzlich nicht gebührenmindernd auswirken (vgl. hierzu auch Beschluss des Senates vom 15.11.2018, L 12 SF 124/14 sowie bereits BayLSG, Beschluss vom 05.10.2016, L 15 SF 282/15).

Hier fertigte der Bf. zur Begründung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Antragsschrift samt Antragsbegründung, die eine kurze individuelle Sachverhaltsdarstellung sowie ausführliche rechtliche Ausführungen zum Anordnungsanspruch sowie zum Anordnungsgrund enthielt. Weitere Schriftsätze reichte der Bf. nicht ein. Akteneinsicht erfolgte nicht, Gutachten oder medizinische Ermittlungen waren nicht erforderlich. Besprechungen mit dem Mandanten unter Einschaltung eines Dolmetschers haben laut Akte nicht stattgefunden.
Zudem bestehen vorliegend Synergieeffekte, die zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu den Grundsatzbeschluss des BayLSG vom 02.12.2011, Az.: L 15 SF 28/11 B E, sowie z.B. vom 10.02.2016, Az.: L 15 SF 395/13 E und vom 13.04.2016, Az.: L 15 SF 270/14 E).
Die Gebührenbemessung folgt aus der schlichten Anwendung des § 14 RVG, ohne dass es eines Rückgriffs auf den Begriff "Synergieeffekt" bedarf. Fest steht, dass der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durch den Umstand beeinflusst werden, dass die Bearbeitung zweier oder mehrerer gleichgelagerter Rechtsstreitigkeiten regelmäßig mit einer erheblichen Arbeitserleichterung für die weiteren Verfahren verbunden ist. Wenn die notwendige anwaltliche Arbeit im Wesentlichen schon in einem anderen Verfahren geleistet worden ist, fällt in/im Parallelverfahren bei vergleichbarer oder sogar identischer Sach- und Rechtslage für den Rechtsanwalt weniger Arbeit an (BayLSG, Beschluss vom 29.04.2016, Az.: L 15 SF 15/14 E) Diese Selbstverständlichkeit wird in der Rechtsprechung nicht in Frage gestellt (vgl. a.a.O., m.w.N.).

Deutliche Synergieeffekte sind vorliegend insoweit zu berücksichtigen, als die Antragsbegründung weitgehend - mit Ausnahme der persönlichen Daten des Antragstellers sowie der Daten in den streitgegenständlichen Bescheiden - identisch ist mit einer Vielzahl von Antragsbegründungen in ebenfalls vom Bf. vertretenen Antrags- und Beschwerdeverfahren (z.B. S 18 AY 158 /20 ER, S 12 AY 143/20 ER, L 19 AY 112/20 B ER), die dem Senat aufgrund weiterer Beschwerden in Kostenangelegenheiten bekannt sind. Der daraus resultierende Synergieeffekt mindert den Arbeitsaufwand im konkreten Verfahren jedenfalls erheblich. Dies gilt auch dann, wenn die weiteren Verfahren nicht den Antragsteller, sondern andere Personen betreffen, solange die eingereichten Begründungen weitgehend identisch sind. Denn auch in diesem Fall profitiert der Beschwerdeführer von den bereits in den Parallelverfahren gefertigten Schriftsätzen. Der Senat verkennt zwar nicht, dass im Unterschied zu dem dem Kostenstreit mit dem Az.: L 12 SF 194/19 zugrundeliegenden Rechtsstreit im Vorfeld durch den Bf. der Leistungsanspruch des Antragstellers zumindest summarisch individuell geprüft werden musste, diese individuelle Prüfung fand jedoch vorliegend schriftsätzlich keinen Eingang in den Antragsschriftsatz. Jedenfalls wirkte sich diese - sicherlich erforderliche - individuelle Vorprüfung nicht dergestalt auf die anwaltliche Tätigkeit aus, dass sie deren Umfang trotz der Synergieeffekte maßgeblich erhöht hätte. Die bausteinhafte Antragsschrift schildert z.B. im Sachverhalt, dass der Antragsteller gegen den streitgegenständlichen Bescheid Widerspruch erhoben habe, über den noch nicht entschieden wurde, beantragt im Eilverfahren wird jedoch gleichzeitig, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Dennoch sind die Synergieeffekte wegen der erforderlichen zusätzlichen Prüfungsschritte in Bezug auf den individuellen Leistungsanspruch des Antragstellers nicht so hoch zu bewerten wie in dem auch vom Bf. zitierten Verfahren L 12 SF 194/19, sodass sich durch die Synergieeffekte nur ein leicht unterdurchschnittlicher Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ergibt.

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bewertet der Senat objektiv als durchschnittlich, da auch hier Synergieeffekte durch die Vorarbeit der in den Parallelverfahren gefertigten Schriftsätzen zu berücksichtigen sind. Maßgeblich für die Bewertung einer Angelegenheit als schwierig bzw. aufwändig ist, wenn vom Rechtsanwalt zu bestimmten Problemkreisen des Verfahrens vertiefte rechtliche Ausführungen gemacht werden, ob diese auf den individuellen Fall zugeschnitten sind oder ob es sich dabei nur um allgemeine Ausführungen handelt     (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. Januar 2016 - L 15 SF 386/13 E -, juris). Vorliegend ist die grundsätzliche Problematik zwar als schwierig einzuschätzen, ein Zuschnitt der rechtlichen Ausführungen auf den individuellen Fall des jeweiligen Antragstellers hat jedoch nicht stattgefunden, sodass in der Abwägung die Synergieeffekte durch die in den Parallelverfahren gefertigten Schriftsätze auch bei der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen sind.

Die Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller bewertet der Senat angesichts der Kürzungshöhe als überdurchschnittlich, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers als weit unterdurchschnittlich. Ein besonderes Haftungsrisiko des Bf. ist nicht ersichtlich.

Somit ist die Höhe der Mittelgebühr - wie vom Beschwerdeführer veranschlagt - nicht berechtigt. Die Festsetzung einer Verfahrensgebühr von 180,00 Euro ist aber zu gering. Die Gebühr ist vielmehr auf 225,00 Euro (Mittelgebühr abzüglich 25%) zu erhöhen.
Eine höhere Verfahrensgebühr kommt wegen der vorliegenden Synergieeffekte nicht in Betracht.

c) Gleiches gilt für die Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG, die auf 277,50 Euro (Mittelgebühr abzüglich 25%) festzusetzen ist.

d) Die übrigen Pauschalen sind nicht streitig und im Übrigen zutreffend festgestellt worden.

e) Die Gebühren sind demnach wie folgt festzusetzen:

Antragsverfahren S 18 AY 148/20 ER:

 

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

 225,00 Euro

 20,00 Euro

Beschwerdeverfahren L 19 AY 128/20 B ER:

 

Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG

  277,50 Euro

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 Euro

16% USt, Nr. 7008 VV RVG

86,80 Euro

Gesamtsumme

629,30 Euro

Da der Bf. bereits 823,60 Euro aus der Staatskasse erhalten hat, hat der Bf. nunmehr 194,20 Euro an die Staatskasse zurückzuerstatten.

Einer Entscheidung über die Kosten bedarf es nicht, weil das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Der Beschluss ist unanfechtbar, eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).         

 

Rechtskraft
Aus
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