L 3 SB 902/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SB 5030/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 902/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.02.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aberkennung des Merkzeichens „außergewöhnliche Gehbehinderung“ (aG) streitig.

Bei der am 20.09.1962 geborenen Klägerin wurde ausweislich des Entlassungsberichts des Universitätsklinikums T vom 31.08.2010 über die vom 25.08.2010 bis zum 31.08.2010 durchgeführte stationäre Behandlung ein atypischer primitiver neuroektodermaler Tumor (PNET) am proximalen ventro-lateralen Unterschenkel rechts diagnostiziert und daher eine Chemo-Therapie empfohlen. Wegen eines Fiebers bei Immunsupression nach Chemo-Therapie erfolgte nach dem Entlassungsbericht des Universitätsklinikums T vom 10.09.2010 ein erneuter stationärer Aufenthalt vom 06.09.2010 bis zum 10.09.2010. Im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 02.11.2010 wurde in Bezug auf die Gehfähigkeit der Klägerin ausgeführt, der rechte Fuß habe sich zum Spitzfuß entwickelt, so dass die Klägerin den Fuß nicht mehr anheben könne und deshalb eine Schiene tragen müsse. Mittlerweile sei das rechte Knie, das noch abgewinkelt werden könne, ebenfalls erkrankt. Die Klägerin dürfe seit Feststellung der Erkrankung das rechte Bein nicht mehr belasten. Sie könne sich im Rollstuhl sitzend auf der Ebene auf kurzer Strecke fortbewegen und wenige Schritte mithilfe von Unterarmgehstützen gehen. Ein Stehen mit Abstützen auf beiden Unterarmgehstützen sei kurzfristig möglich. Das Treppensteigen sei auch mit Unterarmgehstützen nicht möglich. Die Klägerin bewältige die Treppen, indem sie sich auf das Gesäß setze und so rückwärts Stufe für Stufe die Treppe auf dem Gesäß hochrutsche. Das Treppensteigen herunter erfolge ebenfalls auf dem Gesäß. Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 19.11.2010 die Feststellung des Merkzeichens aG und teilte darin mit, sie sitze bereits seit 16.08.2010 im Rollstuhl und voraussichtlich werde nach der letzten Chemo-Periode im Januar 2011 das rechte Bein bis zum Oberschenkel amputiert. Im Rahmen der am 22.11.2010 erfolgten ambulanten Vorstellung wurde nach dem hierüber erstellten Befundbericht des Universitätsklinikums T vom 25.11.2010 die Fortführung der Chemo-Therapie empfohlen und dargelegt, bei fehlendem Ansprechen der Chemo-Therapie beziehungsweise bei Progress unter Chemo-Therapie sei eine Amputation des Unterschenkels durchzuführen. Nach Durchführung einer weiteren stationären Maßnahme vom 26.11.2010 bis zum 01.12.2010 wurde nach dem Entlassungsbericht des Universitätsklinikums T vom 30.11.2010 eine Amputation für unumgänglich erachtet. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2011 das Merkzeichen aG fest.

Am 25.01.2011 erfolgte die Oberschenkelamputation.

Im Rahmen des im September 2015 eingeleiteten Überprüfungsverfahren wurden diverse Befundberichte aktenkundig. So wurde in dem Entlassungsbericht der Fachklinik E vom 25.10.2014 über die vom 25.09.2014 bis zum 25.10.2014 erfolgte stationäre Behandlung ausgeführt, es sei eine Prothesenversorgung, zuletzt im Oktober 2012, erfolgt. Die letzte stationäre Gangschulung sei von April bis Mai 2013 durchgeführt worden. Nach den Angaben der Klägerin träten seit dem Frühjahr 2014 vermehrt kurzzeitige, stechende bis schneidende Phantomschmerzen im täglichen Verlauf sowie nächtliche, mehrstündige, eher brennende Schmerzen mit auch Unruhegefühl des rechten Oberschenkels circa einmal wöchentlich auf und bestünden Beschwerden im linken Kniegelenk. Die Klägerin zeige sich mit der Passform des Prothesenschaftes zufrieden und berichte, die Prothese weitgehend ganztägig tragen zu können, so dass der Behinderungsausgleich durch die Prothese erfolge. Schwierigkeiten bestünden insbesondere beim Überwinden von Schrägen und Hindernissen sowie Treppenabwärtssteigen. Hierbei fühle sich die Klägerin noch deutlich unsicher. Auf gezieltes Befragen seien Beeinträchtigungen der Teilhabe im Alltag und Beruf verneint worden. Im Rahmen des orthopädischen Eingangsbefundes wurde ein sicheres und flüssiges Gangbild ohne Gehhilfen in der Ebene, schmalspurig mit leicht eingeschränkter Kniegelenksbeugung rechts und ohne Benutzung von weiteren Hilfsmitteln beschrieben. Das Treppenaufwärtssteigen erfolge im Nachstellschritt, das Treppenabwärtssteigen erfolge alternierend. Ferner sei die Fortbewegung auf Schrägen vor allem abwärts unsicher. Bei der Betrachtung der Prothesenstatik falle ein fehlender Fersenkontakt auf. Das Rehabilitationsergebnis wurde dergestalt beschrieben, dass durch eine vorgenommene Änderung der Prothesenstatik mit mehr Dorsalextension im Fußpassteil das Gangbild habe deutlich gebessert werden können. In der Ebene erfolge ein flüssiges, sicheres Gangbild mit harmonischem Abrollvorgang. Das Treppenaufwärtssteigen erfolge im Nachstellschritt, das Treppenabwärtssteigen erfolge alternierend. Schrägen könnten in beide Richtungen sicher alternierend überwunden werden. Mit der Passform des Schaftes zeige sich die Klägerin zufrieden. Sie berichte, die Prothese weitgehend ganztägig tragen zu können. Schwierigkeiten bestünden insbesondere beim Überwinden von Schrägen und Hindernissen sowie Treppenabwärtssteigen. Ferner empfahl die Fachklinik E in ihrer ärztlichen Mitteilung vom 24.10.2014 Krankengymnastik, Gerätetraining, Amputationsgehschule und balneo-physikalische Maßnahmen. Der Radiologe O führte in seinem Befundbericht vom 09.04.2015 über die am 09.04.2015 erfolgte magnetresonanztomografische Untersuchung unter anderem aus, es bestehe eine gute Weichteildeckung des Stumpfes. Ferner erfolgte ausweislich des Befundberichts der Endokrinologie und Diabetologie im Zentrum in S vom 05.05.2015 eine Verlaufskontrolle wegen des bereits im Februar 2013 diagnostizierten Mikroadenoms der Hypophyse. Die F-Klinik in F führte in ihrem Befundbericht vom 05.06.2015 über die am 27.05.2015 erfolgte Vorstellung in der hämato-onkologischen Sprechstunde unter anderem aus, der Klägerin gehe es gut, sie komme mit ihrer Prothese am rechten Bein gut zurecht. Mit Schreiben vom 07.09.2015 teilte die Klägerin mit, aufgrund der nun vorhandenen Fehlstatik seien mehr Rücken- und Schulterprobleme sowie Schmerzen im linken Knie, eine Arthrose und massive Phantomschmerzen hinzugekommen. In dem vom Beklagten eingeholten Befundbericht vom 06.10.2015 führte M aus, der Gang sei unsicher, es bestünden große Schwierigkeiten beim Treppensteigen und Bergaufgehen sowie Phantomschmerzen, die benachbarten Gelenke seien überlastet und schmerzhaft, die Klägerin trage die ganze Zeit die Prothese. S gelangte in der zum Grad der Behinderung (GdB) und zu den Merkzeichen verfassten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.11.2015 zu der Einschätzung, der Einzel-GdB für den Verlust des rechten Beines im Oberschenkel betrage 70 und die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG seien nicht mehr gegeben. O führte in seinem Befundbericht vom 09.03.2016 über die am 09.03.2016 erfolgte magnetresonanztomografische Untersuchung erneut aus, es bestehe eine gute Weichteildeckung des Stumpfes. Auf die Anhörungsmitteilung des Beklagten zum beabsichtigten Entzug des Merkzeichens aG führte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 23.05.2016 aus, sie benutze als Hilfsmittel unter anderem einen Rollstuhl, eine Prothese und Gehstützen. Sie sei wegen Schmerzen, einer Schulterproblematik, einer Überlastung des linken Kniegelenks, offenen und schmerzenden Wunden am Stumpfende und im Schrittbereich, Phantomschmerzen sowie eines Taubheitsgefühls im Stumpf nicht in der Lage, die Prothese in wünschenswerter Weise zu benutzen. Sie verbringe die meiste Zeit im Rollstuhl. H blieb in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.06.2016 bei der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung.

Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 15.06.2016 den Bescheid vom 12.01.2011 auf, stellte weiterhin den GdB mit 90 sowie die Merkzeichen „erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr“ (G) und „Berechtigung für eine ständige Begleitung“ (B) fest und führte aus, die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens aG lägen nicht mehr vor. Den hiergegen mit Schreiben vom 23.06.2016 erhobenen und mit Schreiben vom 25.07.2016 begründeten Widerspruch, in dem die Klägerin ausführte, sie könne aufgrund der Amputation nicht mehr gehen und stehen, wies der Beklagte nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von S2 vom 23.08.2016 mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2016 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.09.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben. Das SG Stuttgart hat zunächst sachverständige Zeugenaussagen eingeholt. M hat in seiner Auskunft vom Februar 2017 die Amputation des rechten Oberschenkels, die Funktionsbehinderungen im linken Kniegelenk, in der Wirbelsäule und im rechten Schultergelenk sowie die Nervenwurzelreizerscheinungen und Phantomschmerzen als sehr schwer, den Zustand nach Bandscheibenoperation sowie die Blutgerinnungsstörungen als schwer und das Hypophysenadenom als mittel eingeschätzt und ausgeführt, die Klägerin werde dauerhaft auf Hilfe angewiesen sein und sich nur mit großer Anstrengung bewegen können. Die F-Klinik in F hat in ihrem Schreiben vom 02.02.2017 ausgeführt, eine Aussage über Gehstrecken, Schmerzen und körperliche Beeinträchtigungen könne nicht getroffen werden. G hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.04.2017 dargelegt, die von M getroffene Einschätzung sei anhand der bisher aktenkundigen Befunde zur Prothesenversorgung und -funktion nicht nachvollziehbar. Eine dauernde Unmöglichkeit des Tragens der Prothese gehe aus den aktenkundigen Unterlagen nicht hervor.

Daraufhin hat das SG Stuttgart das Gutachten des D vom 17.09.2017 eingeholt. Die Klägerin hat im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung, zu der sie im Rollstuhl erschienen ist, unter anderem angegeben, sie habe Phantom- und „Stummschmerzen“ (gemeint wohl Stumpfschmerzen). Sie sei die meiste Zeit außerhalb des Hauses mit dem Rollstuhl unterwegs. Die Beinprothese benutze sie zusätzlich mit 2 Unterarmgehstützen von der Haustüre zum Auto auf einer Strecke von 1 Meter bis 2 Metern und vom Auto zur Krankengymnastikpraxis auf einer Strecke von 10 Metern, ehe sie auch schon ein gehlimitierendes Ziehen mit Schmerzen in den Schultern bekomme. Zu Hause könne sie sich an Raumgegenständen festhalten, draußen gehe das nicht. Am Begutachtungstag habe sie ihre Prothese wegen Durchblutungsstörungen nicht anziehen können. Im orthopädischen Befund über die unteren Extremitäten hat der Sachverständige ausgeführt, bei der vergleichenden Inspektion der unteren Gliedmaßen zeige sich die Muskulatur des linken Beines als regelrecht kräftig ausgeprägt. Es bestehe keine augenfällige Beinachsenfehlstellung. Der Amputationsstumpf am rechten Bein zeige eine reizlose Weichteildeckung. In der Standphase könne das linke Kniegelenk durchgestreckt werden. Der Sachverständige hat die Einzel-GdB mit jeweils 10 für die Behinderungen in der Halswirbelsäule, der Lendenwirbelsäule und den Schultergelenken sowie mit 70 für den Zustand nach Amputation des rechten Oberschenkels eingeschätzt. In Bezug auf das Merkzeichen aG hat D dargelegt, die Klägerin könne deshalb als außergewöhnlich gehbehindert gelten, weil sie nach ihren Angaben die Beinprothese nicht tragen könne. Er hat jedoch hervorgehoben, dass dieses Unvermögen aufgrund der reizlosen Weichteile des Amputationsstumpfes orthopädischerseits nicht erklärt werden könne. Allerdings habe die Klägerin als Grund ihres Unvermögens, die Prothese ordnungsgemäß tragen zu können, subjektive Sensibilitätsstörungen, die nicht in Zweifel gezogen werden könnten, geschildert. Die Gehstrecke der Klägerin könne nicht beurteilt werden, da die individuelle Gehstrecke ganz entscheidend von der subjektiven Schmerztoleranz abhängig sei und die subjektive Schmerzsymptomatik nicht objektiviert werden könne.

G hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.12.2017 die Ansicht vertreten, eine dauernde Unmöglichkeit des Tragens der Prothese bei Zustand nach Amputation des rechten Beines im Oberschenkel sei nicht ausreichend anhand von objektivierbaren Befunden belegt. Auch die anamnestischen Angaben der Klägerin ließen nicht auf ein solches Unvermögen schließen. Auch habe  D den Beinverlust im rechten Oberschenkel mit einem Einzel-GdB von 70 bewertet, so dass ein Mindest-GdB von 80 für die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung nicht erreicht werde.

Im Rahmen des am 06.02.2018 stattgefundenen Erörterungstermins hat die Klägerin ausgeführt, sie könne die Prothese aufgrund verschiedener Probleme nicht tragen. Sie habe Phantomschmerzen und Sensibilitätsstörungen. Hinzu kämen Durchblutungsstörungen. Sie habe kein Gefühl im Stumpf und könne die Prothese deshalb auch nicht auslösen. Ohne Gefühl in der Prothese am Bein stürze man dann auch häufiger. Sie sei deshalb auch in der Vergangenheit schon mehrfach gestürzt. Die Phantomschmerzen seien in den letzten Jahren immer stärker geworden. Im Haushalt nutze sie die Prothese häufig, um beispielsweise ein Glas aus dem Schrank zu holen. Aufgrund der Durchblutungsstörungen solle sie sich zudem auch bewegen, also auch einmal aufstehen. Deshalb sei sie auch froh, dass sie die Prothese habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.02.2018 hat das SG Stuttgart die Klage abgewiesen. Die Klägerin gehöre jedenfalls im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht zum ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten, da im Anschluss an den Erstanerkennungsbescheid eine prothetische Versorgung des rechten Beines erfolgt sei. Dabei seien die von der Klägerin beschriebenen Probleme mit dem Tragen der Prothese am rechten Bein begrifflich nicht im Sinne einer dauerhaften Unmöglichkeit, ein Kunstbein zu nutzen, auszulegen. Die dauerhafte Unmöglichkeit, ein Kunstbein zu tragen, setze voraus, dass der davon betroffene Behinderte die Prothese praktisch überhaupt nicht nutzen könne und darauf verzichten müsse. Diese Qualität hätten die dokumentierten Prothesenschwierigkeiten der Klägerin bei weitem nicht erreicht. So hätten zwar zeitweise Prothesenanpassungen erfolgen müssen, jedoch hätten diese nach den Berichten der Fachklinik E und der F-Klinik in F positive Ergebnisse erbracht. Hiernach habe die Klägerin die Prothese ganztägig tragen können, sei die Klägerin mit ihr gut zurechtgekommen und habe die Klägerin lediglich beim Überwinden von Hindernissen und Treppen Schwierigkeiten gezeigt. Eine völlige oder weitgehende Veränderung des Einsatzes der rechten Beinprothese bei der Klägerin sei damit nicht belegt. Auch eine Gleichstellung der Klägerin mit dem Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten sei im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht möglich. Ihr Gehvermögen sei nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt gewesen beziehungsweise die Klägerin habe sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der straßenverkehrsrechtlichen Verwaltungsvorschrift genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen können. Dies ergebe sich aus den Berichten der Fachklinik E und der F-Klinik in F. Zwar habe M die für die Klägerin geltenden Erschwerungsgründe in Form von Phantomschmerzen sowie Fuß-, Wirbelsäulen- und Schulterbehinderung gewürdigt, jedoch könne hiermit eine Gleichsetzung nicht begründet werden. Das beschriebene unsichere Gangbild und die Schwierigkeiten beim Treppensteigen und Bergaufgehen deuteten auf eine verschlechterte Gehfähigkeit hin, rechtfertigten jedoch nicht die Annahme einer schwersten Geheinschränkung im Sinne des Merkzeichens aG. Auch die von D in seinem Gutachten hervorgehobenen subjektiven Sensibilitätsstörungen im Bereich des Amputationsstumpfes, die bereits im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestanden haben dürften, rechtfertigten nicht die Beibehaltung des Merkzeichens aG. Denn zugleich werde von D dargelegt, dass aufgrund der reizlosen Weichteile des Amputationsstumpfes orthopädischerseits nicht erklärbar sei, weshalb die Beinprothese nicht getragen werden könne. Damit gründe die schlussendliche Einschätzung des Gutachters, das Merkzeichen aG anzuerkennen, weitgehend auf den subjektiven Angaben der Klägerin, ohne dass diese zu objektivieren gewesen wären. Der Gutachter verkenne an dieser Stelle den Unterschied von Anamnese und Befund. Ersteres könne als subjektive Beschwerdeschilderung nicht Grundlage der sozialmedizinischen Bewertung sein, die vielmehr durch objektivierte medizinische Befunde begründet werden müsse. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG lägen demnach auch unter Zugrundelegung der bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Phantomschmerzen nicht vor.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.03.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.02.2018 und den Bescheid des Beklagten vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hat im Rahmen des am 17.10.2018 stattgefundenen Erörterungstermins zum Krankheitsverlauf ausgeführt, als im August 2010 der Tumor festgestellt worden sei, sei sie mit dem Taxi vom Krankenhaus R zur Universitätsklinik T gebracht worden sowie in den Rollstuhl gesetzt worden, da sie nicht habe laufen dürfen, weil im Falle eines Sturzes eine Streuung der Krebserkrankung befürchtet worden sei. Infolge der Chemo-Therapie habe sie Nervenschmerzen bekommen, so dass sie ein Dreivierteljahr im Rollstuhl gesessen sei. Im Januar 2011 sei die Amputation des rechten Beines vorgenommen worden. Im März/April 2011 habe die erste Rehabilitationsmaßnahme stattgefunden. Sie sei mit einer Überbrückungs- beziehungsweise Interimsprothese versorgt worden, da zum damaligen Zeitpunkt der Beinstumpf noch recht dick gewesen sei. Damals habe sie nur stehen können und versucht, ein paar Schritte mit der Prothese zu gehen. Im Jahr 2012 sei eine Versorgung mit der endgültigen Prothese erfolgt. Im weiteren Verlauf sei es zu Phantomschmerzen und nach Nutzung der Prothese offenen Stellen im Stumpf gekommen. Ihr Bein sei schon immer etwas gehandicapt gewesen, da sie zuvor eine Beckenvenenthrombose gehabt habe. Sie habe im Stumpfgebiet kein Gefühl. Die Probleme mit der Prothese hätten seit 2012 zugenommen. In aller Regel bewege sie sich im Rollstuhl fort. Sie ziehe zwar jeden Tag die Prothese an, damit sich die Prothese nicht verforme. Allerdings sei eine dauerhafte Fortbewegung mit der Prothese nicht möglich. Ihre Wohnung sei rollstuhlgerecht. Ohne Rollstuhl bewege sie sich nur ein paar Schritte zu Hause oder vom Rollstuhl in ihr Auto. Den Rollstuhl könne sie im Auto nicht alleine verstauen, hierzu benötige sie Hilfe. Ferner hat die Klägerin Fotomaterial vorgelegt, aus dem sich offene Stellen an ihrem Stumpf ergeben. Die Klägerin hat ferner den Befundbericht der F-Klinik in F vom 24.07.2018 vorgelegt, in dem für den Bereich des Stumpfes eine deutliche Hautreizung infolge Prothesenbelastung beschrieben worden ist.

Im weiteren Verlauf hat die Klägerin den Therapiebericht der Physiotherapie G vom 11.12.2018 vorgelegt, in dem über von der Klägerin geklagte Phantomschmerzen und Durchblutungsstörungen berichtet worden ist. Ferner ist darin ausgeführt worden, dass in der Zeit von September 2010 bis Sommer 2011 ausschließlich Hausbesuche durchgeführt worden seien. In ihrer behinderten- und rollstuhlgerecht eingerichteten Praxis sei die Klägerin unter Aufsicht und mit Anstrengung meistens in der Lage gewesen, ein paar wenige Schritte mit den Hilfsmitteln Prothese und Unterarmgehstützen zu gehen. Ansonsten benutze sie einen Rollstuhl. Eine normale Gehfähigkeit sei bei der Klägerin seit der Amputation im Jahr 2011 nicht mehr gegeben und werde es auch in Zukunft nicht mehr geben. Die Klägerin könne ohne Hilfsmittel überhaupt nicht gehen, da das amputierte Bein nicht nachwachse. Erschwerend komme hinzu, dass die Klägerin in den letzten Jahren öfter offene Hautstellen an ihrem Stumpf bekomme und dann die Prothese nicht anlegen könne.

Der Senat hat die Praxisnachfolger des M unter dem 29.01.2019, die R-D unter dem 29.01.2019, die F-Klinik in F unter dem 07.02.2019, die Endokrinologie und Diabetologie im Zentrum S unter dem 14.02.2019 sowie O unter dem 26.03.2019 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Keiner dieser Ärzte und Kliniken hat Angaben zur Gehfähigkeit der Klägerin machen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 21.02.2018, mit dem das SG Stuttgart die auf die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2016 gerichtete Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG abgewiesen hat.

Das SG Stuttgart hat zutreffend entschieden, dass der Beklagte zu Recht den Bescheid vom 12.01.2011 in Bezug auf die Feststellung des Merkzeichens aG aufgehoben hat.

Ermächtigungsgrundlage für die vom Beklagten verfügte Aufhebung ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), wonach ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben ist, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Vorliegend war daher zu prüfen, ob in dem Zeitraum zwischen dem Erlass des Feststellungsbescheides vom 12.01.2011 und dem Erlass des Aufhebungsbescheides vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2016 eine den Wegfall der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG bedingende Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin eingetreten ist.

Rechtsgrundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG im streitgegenständlichen Zeitraum ist zunächst § 2 Abs. 1 und 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Verbindung mit § 69 Abs. 4 und 5 SGB IX, jeweils in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (a. F.) und § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) sowie die Regelung des Abschnitts II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO).

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX a. F. sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 2 SGB IX a. F. sind Menschen im Sinne des Teils 2 des SGB IX a. F. schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX a. F. rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben. Nach § 69 Abs. 4 SGB IX a. F. treffen die zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen. Nach § 69 Abs. 5 SGB IX a. F. stellen auf Antrag des behinderten Menschen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus.

Zu diesen Merkmalen gehört auch das Merkzeichen aG. Das Merkzeichen aG im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Vierte Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes (SchwbAwV) im Schwerbehindertenausweis einzutragen. Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne des § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie nach § 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr nach § 145 Abs. 1 SGB IX a. F. und gegebenenfalls zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Sie macht die steuerliche Geltendmachung von Kosten des Kraftfahrzeuges, soweit sie nicht schon Werbungs- oder Betriebskosten sind, als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) in angemessenem Umfang möglich.

Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung war bis zum 29.12.2016 Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO. Dies ist, obwohl nach Art. 84 Abs. 2 Grundgesetz (GG) erlassene Verwaltungsvorschriften keine unmittelbare Außenwirkung entfalten (Kirchhof in Maunz-Dürig, GG, Kommentar, Stand Januar 2011, Art. 84, Rn. 176 bis 180), ständige höchstrichterliche Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 5/06 R, juris). Danach ist gemäß Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen gemäß Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie gemäß Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind.

Der zum 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008“ (AHP) getretenen Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 – BGBl. I S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) ließen sich bislang im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Merkzeichens aG entnehmen. Denn die VG waren hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche aG, G, B, „Gehörlosigkeit“ (Gl) und „Blindheit“ (Bl) als unwirksam anzusehen, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlte. Eine solche Ermächtigung fand sich nämlich – mit Ausnahme des Merkzeichens „Hilflosigkeit“ (H) – weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30.06.2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 01.07.2011 (BGBl. I S. 2904) noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Beschluss des Senats vom 15.12.2014, L 3 SB 3922/13; Urteil des Senats vom 28.05.2013, L 3 SB 5383/12, juris; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 09.06.2011, L 6 SB 6140/09, juris, vom 09.05.2011, L 8 SB 2294/10, juris, vom 04.11.2010, L 6 SB 2556/09, juris, vom 24.09.2010, L 8 SB 4533/09, juris, und vom 14.08.2009, L 8 SB 1691/08, juris; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4). Dies hat sich mit Wirkung ab dem 15.01.2015 (BGBl. II S. 15) mit Einführung des § 70 Abs. 2 SGB IX a. F. geändert. Danach wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Jedoch hat der Gesetzgeber von dieser Verordnungsermächtigung noch keinen Gebrauch gemacht. Allerdings hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 15.01.2015 (BGBl. II S. 15) in § 159 Abs. 7 SGB IX a. F. eine Übergangsregelung erlassen. Danach sollen, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX a. F. erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung (BGBl. I S. 2904) erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Für eine Übergangszeit bleibt es bis zum Erlass einer neuen Rechtsverordnung bei der bisherigen Rechtslage und ist daher die VersMedV auch für die Feststellung des Merkzeichens aG heranzuziehen (BSG, Urteil vom 11.08.2015, B 9 SB 2/14 R, juris).

Mithin sind die in den VG vorgenommenen näheren Konkretisierungen verbindlich. Im Übrigen übernehmen die VG, Teil D, Nr. 3 Buchst. b vollständig die Vorgaben der VwV-StVO zum Merkzeichen aG und verweisen die VG, Teil D, Nr. 3 Buchst. a insoweit ausdrücklich auf das StVG, welches bis zum 29.12.2016 als Ermächtigungsgrundlage für die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens aG bestanden hat. Zusätzlich ist in den VG, Teil D, Nr. 3 Buchst. c ergänzend dargelegt, dass die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden darf. Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist danach zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt nach dieser Regelung auch dann, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen: Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde; die Betroffenen müssen vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil sie sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen können. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen.

Während die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Schwerbehinderten relativ einfach zu bestimmen sind, ist dies bei der Gruppe der gleichgestellten Schwerbehinderten nicht ohne Probleme möglich. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11.08.2015, B 9 SB 2/14 R, juris). Schwierigkeiten bereitet hierbei der Vergleichsmaßstab, weil die verschiedenen, in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgezählten Gruppen in ihrer Wegefähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertreter dieser Gruppen – bei gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung – ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen können. Auf die individuelle prothetische Versorgung der zu vergleichenden Behindertengruppe kommt es jedoch nicht an, zumal solche Besonderheiten angesichts des mit der Zuerkennung des Merkzeichens aG bezweckten Nachteilsausgleichs nicht als Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung herangezogen werden können (BSG, Urteil vom 11.08.2015, B 9 SB 2/14 R, juris). Vielmehr muss sich dieser strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies war Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO beziehungsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG (BSG, Urteil vom 10.12.2002, B 9 SB 7/01 R, juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BT-Drucks. 8/3150, S. 9 und 10 in der Begründung zu § 6 StVG). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (so zuletzt BSG, Urteil vom 16.03.2016, B 9 SB 1/15 R, juris).

Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Dabei lässt sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren (BSG, Urteil vom 16.03.2016, B 9 SB 1/15 R, juris; BSG, Urteil vom 10.12.2002, B 9 SB 7/01 R, juris). Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich daher auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 5/06 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 5/05 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, juris).

Auch soweit diese großen körperlichen Anstrengungen festzustellen sind, kann nicht allein auf eine gegriffene Größe wie die schmerzfrei zurückgelegte Wegstrecke abgestellt werden. Unabhängig von der Schwierigkeit, eine solche Wegstrecke objektiv fehlerfrei und verwertbar festzustellen, ist die Tatsache, dass ein Betroffener nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für die Zuerkennung des Merkzeichens aG reichen überdies nicht irgendwelche Erschöpfungszustände aus. Sie müssen in ihrer Intensität vielmehr gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Gradmesser hierfür kann die Intensität der Schmerzen beziehungsweise der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich unter anderem aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den durch die Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 5/06 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 5/05 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, juris).

Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel, wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck, stützen kann. Gerade bei multimorbiden Schwerbehinderten liegt auf der Hand, dass allein das Abstellen auf ein starres Kriterium keine sachgerechte Beurteilung ermöglicht, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert. Gerade die Anwendung eines einzelnen starren Kriteriums birgt die Gefahr eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 5/06 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 5/05 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, juris).

Ein an einer bestimmten Wegstrecke und einem Zeitmaß orientierter Maßstab liegt auch nicht wegen der Methode nahe, mit der die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt werden. Denn für den Nachteilsausgleich aG gelten gegenüber dem Nachteilsausgleich G nicht gesteigerte, sondern andere Voraussetzungen (so zuletzt BSG, Urteil vom 16.03.2016, B 9 SB 1/15 R, juris).

Ebenso wenig lässt sich ein allein maßgebliches Wegstrecken-Zeit-Kriterium aus dem straßenverkehrsrechtlichen Zweck des Nachteilsausgleichs aG herleiten. Insofern kommt es nicht auf die üblicherweise auf Großparkplätzen zurückzulegende Strecke zwischen allgemein nutzbaren Parkplätzen und Gebäudeeingängen an. Der Nachteilsausgleich aG soll die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der Wege infolge der gewährten Parkerleichterungen ausgleichen (so zuletzt BSG, Urteil vom 16.03.2016, B 9 SB 1/15 R, juris). Ein bestimmtes Wegstreckenkriterium erschiene nur dann als sachgerecht, wenn die betreffende Wegstrecke grundsätzlich geeignet wäre, den bestehenden Nachteil auszugleichen. Das könnte es nahelegen, auf die Platzierung gesondert ausgewiesener Behindertenparkplätze abzustellen. Aber auch diesem Ansatz ist nicht zuzustimmen. Abgesehen davon, dass es keine empirischen Untersuchungen zur durchschnittlichen Entfernung zwischen gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen und den Eingängen zu Einrichtungen des sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gibt, greift die alleinige Ausrichtung auf Behindertenparkplätze (Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) zu kurz. Denn daneben werden nach Abschnitt I Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO weitere umfangreiche Parkerleichterungen, wie zum Beispiel die Ausnahme vom eingeschränkten Halteverbot, gewährt (BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 5/06 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 5/05 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, juris).

An dieser oben dargestellten Rechtslage für die Zuerkennung der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG hat sich auch durch das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (UN-Behindertenrechtskonvention [UN-BRK]) nichts geändert. Allerdings kann die UN-BRK als Auslegungshilfe orientierend herangezogen werden. Insoweit ist entsprechend Art. 1 der UN-BRK, wie bereits in § 2 Abs. 1 SGB IX vorgesehen, die individuelle Beeinträchtigung des behinderten Menschen an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 11.08.2015, B 9 SB 2/14 R, juris).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist in dem Zeitraum zwischen dem Erlass des Feststellungsbescheides vom 12.01.2011 und dem Erlass des Aufhebungsbescheides vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2016 eine den Wegfall der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG bedingende Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin eingetreten.

Im Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheides vom 12.01.2011 litt die Klägerin infolge des ausweislich des Entlassungsberichts des Universitätsklinikums T vom 31.08.2010 dokumentierten atypischen primitiven neuroektodermalen Tumors (PNET) am proximalen ventro-lateralen Unterschenkel rechts nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 02.11.2010 an einer Spitzfußstellung des rechten Fußes und einer Erkrankung des rechten Kniegelenks. Die Klägerin durfte seit Feststellung der Erkrankung das rechte Bein nicht mehr belasten und konnte sich nur noch im Rollstuhl sitzend auf der Ebene auf kurzer Strecke fortbewegen, wenige Schritte mithilfe von Unterarmgehstützen gehen, kurzfristig mit Abstützen auf beiden Unterarmgehstützen stehen und Treppen auf dem Gesäß sitzend rückwärts Stufe für Stufe hoch- und herunterrutschen. Nach ihren Angaben im Schreiben vom 19.11.2010 war sie bereits seit 16.08.2010 rollstuhlpflichtig. Mithin gehörte sie zu diesem Zeitpunkt zu dem in Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, da sie sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen konnte beziehungsweise gemäß Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO dem in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO genannten Personenkreis der Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten, Doppelunterschenkelamputierten, Hüftexartikulierten und einseitig Oberschenkelamputierten, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, gleichzustellen war.

Im Zeitpunkt des Aufhebungsbescheides vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2016 stellte sich der die Gehfähigkeit betreffende Gesundheitszustand der Klägerin so dar, dass sie in Folge der am 25.01.2011 erfolgten Oberschenkelamputation ausweislich des Entlassungsberichts der Fachklinik E vom 25.10.2014 mit Prothesen versorgt worden war, wobei zwar seit dem Frühjahr 2014 vermehrt kurzzeitige, stechende bis schneidende Phantomschmerzen im täglichen Verlauf sowie nächtliche, mehrstündige, eher brennende Schmerzen mit auch Unruhegefühl des rechten Oberschenkels circa einmal wöchentlich auftraten und Beschwerden im linken Kniegelenk bestanden, ferner Schwierigkeiten insbesondere beim Überwinden von Schrägen und Hindernissen sowie Treppenabwärtssteigen bestanden und die Klägerin sich noch deutlich unsicher fühlte, sich aber mit der Passform des Prothesenschaftes zufrieden zeigte, die Prothese weitgehend ganztägig tragen konnte sowie Beeinträchtigungen der Teilhabe im Alltag und Beruf verneinte und nach durchgeführter Rehabilitationsmaßnahme ein sicheres und flüssiges Gangbild ohne Gehhilfen in der Ebene mit harmonischem Abrollvorgang, schmalspurig mit leicht eingeschränkter Kniegelenksbeugung rechts und ohne Benutzung von weiteren Hilfsmitteln zeigte, die Fortbewegung beim Treppenaufwärtssteigen im Nachstellschritt, beim Treppenabwärtssteigen alternierend und auf Schrägen in beide Richtungen sicher alternierend erfolgte. Ferner zeigte sich nach den Befundberichten des Radiologen O vom 09.04.2015 und 09.03.2016 magnetresonanztomografisch eine gute Weichteildeckung des Stumpfes. Ausweislich des Befundberichtes der F-Klinik in F vom 05.06.2015 kam die Klägerin mit ihrer Prothese am rechten Bein gut zurecht. Ferner trug die Klägerin nach dem Befundbericht des M vom 06.10.2015 die ganze Zeit die Prothese bei unsicherem Gang, großen Schwierigkeiten beim Treppensteigen und Bergaufgehen sowie Phantomschmerzen sowie Überlastung und Schmerzhaftigkeit der benachbarten Gelenke. Bei dieser Sachlage haben S1, H und S2 in ihren versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 09.11.2015, 13.06.2016 und 23.08.2016 zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nun nicht mehr gegeben waren. Denn die Klägerin war aufgrund der Fähigkeit, sich mit ihrer Prothese ohne Gehhilfen fortbewegen zu können, nun nicht mehr zu dem in Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO beschriebenen Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG zuzurechnen. Insoweit als das Gangbild der Klägerin einerseits von der Fachklinik E als in der Ebene sicher und flüssig, andererseits von M als unsicher beschrieben worden ist, weist der Senat darauf hin, dass die Angaben der Fachklinik E ausführlich im dortigen Entlassungsbericht beschrieben worden sind und sich die von M angegebene Unsicherheit auf die Fortbewegung der Klägerin beim Treppenaufwärts- und abwärtssteigen sowie auf schräger Ebene – wie auch von der Fachklinik E bestätigt – beziehen dürften, zumal die Klägerin nicht nur gegenüber der Fachklinik E, sondern auch gegenüber der F-Klinik in F angegeben hat, mit der Prothese gut zurechtzukommen. Der Senat ist mithin davon überzeugt, dass es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so war, dass sie sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen konnte oder zu dem in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO genannten Personenkreis der Oberschenkelamputierten, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, gehörte. Eine dauerhafte Unmöglichkeit, ein Kunstbein zu tragen, in dem Sinne, dass die Klägerin die Prothese praktisch überhaupt nicht nutzen konnte und darauf verzichten musste, lässt sich nicht objektivieren. Ferner gibt es keine genügenden Anhaltspunkte, davon ausgehen zu können, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt gemäß Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO dem in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO genannten Personenkreis der Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten, Doppelunterschenkelamputierten, Hüftexartikulierten und einseitig Oberschenkelamputierten, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, gleichzustellen war.

Diese Beurteilung hat in dem im Gutachten des D vom 17.09.2017 beschriebenen orthopädischen Befund ihre Bestätigung gefunden. Danach zeigte der Amputationsstumpf am rechten Bein eine reizlose Weichteildeckung, so dass D zutreffend dargelegt hat, dass das von der Klägerin geschilderte Unvermögen der ordnungsgemäßen Prothesennutzung orthopädischerseits nicht erklärt werden kann.

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus den Ausführungen der Klägerin in ihrem Schreiben vom 07.09.2015. Sie hat darin zwar auf eine nun vorhandene Fehlstatik, vermehrte Rücken- und Schulterprobleme, Schmerzen im linken Kniegelenk, eine Arthrose und massive Phantomschmerzen hingewiesen. Sie hat allerdings in ihrem Schreiben vom 23.05.2016 ausgeführt, sie benutze als Hilfsmittel unter anderem einen Rollstuhl, eine Prothese und Gehstützen. Der von ihr in diesem Schreiben beschriebene Zustand in Form von offenen und schmerzenden Wunden am Stumpfende und im Schrittbereich sowie eines Taubheitsgefühls im Stumpf ist ärztlicherseits für den streiterheblichen Zeitraum zwischen Erlass des Feststellungsbescheides und Erlass des Aufhebungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht dokumentiert. Im Übrigen hat sie darin lediglich dargelegt, die Prothese nicht in wünschenswerter Weise benutzen zu können und die meiste Zeit im Rollstuhl zu verbringen. Objektivieren lässt sich dies allerdings nach der Aktenlage nicht. Auch die sachverständige Zeugenauskunft des M vom Februar 2017 führt zu keinem anderen Ergebnis, da daraus eine Beurteilung der Gehfähigkeit im Zeitpunkt zwischen Erlass des Feststellungsbescheides und Erlass des Aufhebungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht hervorgeht. Nichts anderes gilt für den Therapiebericht der Physiotherapie G1 vom 11.12.2018, da darin letztlich lediglich eine normale Gehfähigkeit seit der Amputation im Jahr 2011 für nicht mehr als gegeben erachtet worden ist. Von einer normalen Gehfähigkeit wird aber weder vom Beklagten noch vom Gericht ausgegangen. Auch dass die Klägerin ohne Hilfsmittel überhaupt nicht mehr gehen kann, ist unstreitig.

Mithin haben der Beklagte und das SG Stuttgart zu Recht entschieden, dass in dem Zeitraum zwischen dem Erlass des Feststellungsbescheides vom 12.01.2011 und dem Erlass des Aufhebungsbescheides vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2016 eine den Wegfall der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG bedingende Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin eingetreten und mithin zutreffend die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG aufgehoben worden ist.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Urteil des Senats von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.

Rechtskraft
Aus
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