L 8 SO 69/21 KL

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
1. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 69/21 KL
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Vergütungsverhandlungen sind auch für Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) nach einem zweigliedrigen Muster durchzuführen: Zunächst sind die voraussichtlichen Kosten des Leistungserbringers abzuschätzen. Anschließend erfolgt die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit im Rahmen des sogenannten "externen Vergleichs".

 

2. Die voraussichtlichen Gestehungskosten müssen plausibel sein und die Kostenstruktur des Leistungserbringers erkennen lassen. Die Vorlage einer Kostenkalkulation genügt nicht. Der Leistungserbringer hat gegebenenfalls die nötigen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. Obergrenze der Vergütungsforderung ist - auch bei nachvollziehbar prognostischen Gestehungskosten - das Maß des auch im Vergleich mit der Vergütung anderer Einrichtungen wirtschaftlich Angemessenen unter Berücksichtigung des einrichtungsindividuellen Versorgungsauftrags.

 

3. Zur Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütungsforderung ist der externe Vergleich durchzuführen. Einzubeziehen sind dabei die Leistungserbringer, die in demselben Einzugsbereich vergleichbare Leistungen anbieten, und zwar unabhängig von ihrer Größe, ihrer sozialen Ausrichtung, ihrer Kostenstruktur, ihrer etwaigen Tarifbindung und ihrer Organisationsform.

 

4. Die Schiedsstelle hat nicht die Funktion eines staatlichen Gerichts und hat das Schiedsverfahren auch nicht wie ein Gerichtsverfahren durchzuführen.

 

5. Bei der Kostenentscheidung kann das vorprozessuale und prozessuale Verhalten der Beteiligten berücksichtigt werden.

     
   
 

 

      1. Der Schiedsspruch der Schiedsstelle für Vergütungen in der Sozialhilfe im Freistaat Sachsen – Az.: …. – vom 7. Juli 2021 wird aufgehoben.
      2. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.
      3. Die Revision wird nicht zugelassen.
      4. Der Streitwert wird auf 31.634,40 Euro festgesetzt.

 

 

 

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt vom Beklagten höhere Vergütungen für das Geschäftsjahr 2020.

 

Der Kläger ist ein privatrechtlich organisierter Verein, der im Gebiet der Stadt  Z....  volljährigen Menschen ambulant betreutes Wohnen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) anbietet. Der Kläger ist Mitglied des Diakonischen Werks und freier Träger der Wohnungslosenhilfe in A..... Dabei ist er dazu verpflichtet, die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) Diakonie in der für den Freistaat Sachsen jeweils gültigen Fassung anzuwenden.

 

Im Geschäftsjahr 2020 hat sich der Kläger wie folgt engagiert:

 

  • Wohnprojekt  Y....  mit 8 Plätzen und einem Betreuungsschlüssel von 1:14, 1:20 oder 1:40,
  • betreutes Wohnen in Gewährleistungswohnungen der Stadt  Z....  und in eigenem Wohnraum mit 66 Plätzen und einem Betreuungsschlüssel von 1:14, 1:20 oder 1:40,
  • Übergangswohnen im Wohnprojekt  X....  mit 24 Plätzen und einem Betreuungsschlüssel von 1:14.

 

Für das Geschäftsjahr 2019 hatten die Beteiligten auf der Grundlage eines Schiedsspruchs eine Gesamtvergütung von 431,41 Euro vereinbart und dabei eine "personelle Ausstattung" von 360,62 Euro zugrunde gelegt sowie einen "Strukturausgleich" von 30,79 Euro und die sächliche Ausstattung auf 40 Euro bemessen.

 

Am 5. November 2019 forderte der Kläger den Beklagten zum Abschluss von Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII auf der Grundlage des Rahmenvertrages gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII für den Freistaat Sachsen vom 29. Juni 2006 auf. Seiner Ansicht nach sollte sich die Gesamtvergütung für das Geschäftsjahr 2020 auf 469,73 Euro belaufen (personelle Ausstattung: 427,73 Euro, sächliche Ausstattung: 42 Euro). In seiner Kalkulation prognostizierte der Kläger Personalkosten von 441.735 Euro bei einem Personalschlüssel von 1:14 für 98 Klienten und 7 beschäftigten Vollzeitkräften. Für Leitungs- und Verwaltungsaufgaben seien 0,5 Arbeitskraftanteile (für zwei Mitarbeiter mit je 0,25 Arbeitskraftanteilen) anzusetzen mit einem Personalschlüssel von 1:196 und Overheadkosten ("Strukturausgleich") von 37.314 Euro. Jeweils auf den Monat bezogen ergäben sich somit Personalkosten von 375,63 Euro pro Klient und Overheadkosten von 31,73 Euro, insgesamt 407,36 Euro. Sodann setzte der Kläger jeweils 2 Prozent (= 8,15 Euro) von diesem Betrag zum Ausgleich eines allgemeinen Unternehmerrisikos sowie für das Risiko an, die oben genannten Projekte im Geschäftsjahr 2020 nicht auslasten zu können. Schließlich wollte er sogenannte "betriebliche Einzelrisiken" mit 1 Prozent (= 4,07 Euro) auf die Personal- und Overheadkosten berücksichtigt wissen. Die Sachkosten bezifferte er mit 42 Euro. Dabei setzte er einen Grundbetrag von 40 Euro an und addierte diesen mit den aufgezeigten Prozentsätzen für die angenommenen drei Risiken (40 Euro + 0,80 Euro + 0,80 Euro + 0,40 Euro). Der Kläger bot schließlich dem Beklagten seine Leistungen mit einer Gesamtvergütung von 469,73 Euro an.

 

Der Beklagte bat den Kläger mit Schreiben vom 18. Dezember 2019, die Kalkulation zu plausibilisieren und insbesondere die angenommenen Risiken zu erläutern. Zur Vermeidung größeren Aufwands regte er an, Personal-, Overhead- und Sachkosten auf der Basis der für das Geschäftsjahr 2018 maßgeblichen Ansätze pauschal – ohne weitere Nachweise – zu erhöhen. Der Kläger verwies sodann im Schreiben vom 23. Januar 2020 auf bereits vorgelegte Lohnjournale zur Plausibilisierung der Personalkosten und hinsichtlich des "allgemeinen Unternehmerrisikos" auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Mai 2013 (Az.: B 3 P 2/12 R). Das Auslastungsrisiko sei mit 2 Prozent zu bemessen, da in den abgelaufenen Geschäftsjahren eine entsprechende Überauslastung zu verzeichnen gewesen sei, die der Kläger künftig vermeiden wolle. Zu den "betrieblichen Einzelrisiken" zählte er die Kosten der Schiedsverfahren einschließlich der Aufwendungen für die Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten. Die Kosten für das Schiedsverfahren 2019 hätten sich auf rund 1 Prozent der Personalkosten in jenem Geschäftsjahr belaufen. Die Rechtschutzversicherung des Klägers habe bereits vor zehn Jahren darüber informiert, dass solche Risiken nicht versicherbar seien. Auf die aktuelle Anfrage habe der Rechtschutzversicherer seine Ansicht nochmals bestätigt.

 

Auf neuerliche Bitten des Beklagten um weitere Nachweise und Erläuterungen zur Kalkulation im Schreiben vom 17. April 2020 reagierte der Kläger dahin, bereits mit dem Antrag alle Belege vorgelegt zu haben, die seiner Ansicht nach einen Abschluss für das Geschäftsjahr 2020 ermöglichten (Schreiben vom 27. April 2020).

 

Sodann wandte sich der Kläger am 8. Mai 2020 an die "Schiedsstelle für Vergütungen in der Sozialhilfe im Freistaat Sachsen", die beim Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt eingerichtet ist. Der Beklagte habe kein Gegenangebot unterbreitet. Vielmehr überziehe er den Kläger mit "nie dagewesenen" Anforderungen an Informationen und Nachweisen und biete als Alternative zu diesem dem Kläger in Aussicht gestellten Arbeitsaufwand die pauschale Erhöhung der für das Geschäftsjahr 2018 vereinbarten Gesamtvergütung an, obwohl damit nicht einmal die aufgrund ergangenen Schiedsspruchs für das Geschäftsjahr 2019 festgesetzte Gesamtvergütung von 431,41 Euro erreicht werde. Der Kläger verlangte nunmehr, eine Gesamtvergütung von 472,43 Euro monatlich pro Klient für das Geschäftsjahr 2020 festzusetzen (personelle Ausstattung: 427,73 Euro, sächliche Ausstattung: 44,70 Euro).

 

Der Beklagte trat in seinem am 12. Juni 2020 an die Schiedsstelle gerichteten Schreiben dem Begehren des Klägers auf Festsetzung der erwähnten Vergütungen entgegen. Die Forderung von 472,43 Euro habe der Kläger nicht plausibilisiert. Damit sei nicht ersichtlich, dass diese den Anforderungen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Leistungsfähigkeit und dem Maß des Notwendigen genüge (Bezug auf § 75 Abs. 1 Satz 4 SGB XII). Weder die Personal- und Sachkosten noch die aufgezeigten Risiken habe der Kläger belegt. Der Beklagte bat den Kläger nochmals darum, folgende Angaben zu machen bzw. Nachweise vorzulegen:

 

  • Vorgehaltene Plätze in der Zeit vom 1. Dezember 2018 bis zum 31. Dezember 2019 zuzüglich der darauf bezogenen Stellen,
  • Zuordnung der Mitarbeiter zu den jeweiligen Bereichen unter Berücksichtigung der Platzzahlen,
  • anonymisierte Einzel-Monatsjournale bezogen auf die Monate September 2019 bis Dezember 2019 für die im ambulant betreuten Wohnen tätigen Mitarbeiter,
  • Arbeitskraftanteile der Tätigkeiten des Klägers als Mieter, Vermieter bzw. Vereinsverwalter sowie der Nachweis, dass diese Tätigkeiten vollen Umfangs zusätzlich zum ambulant betreuten Wohnen erbracht würden,
  • Allgemeines Unternehmerrisiko und Auslastungsrisiko: konkrete Erfahrungswerte aus abgelaufenen Geschäftsjahren oder sonstige nachvollziehbare Anhaltspunkte, dass Kosten in solcher Höhe im Durchschnitt mehrerer Jahre voraussichtlich anfielen, ohne dass diese innerhalb der prospektiv vereinbarten Vergütung abgefedert werden könnten,
  • Betriebliche Einzelrisiken: Nachweis, dass keine Vermeidung des Risikos durch Versicherung möglich sei.

 

Da die Forderung des Klägers im Rahmen des sogenannten "externen Vergleichs" nicht im unteren Drittel vergleichbarer Leistungserbringer im Einzugsbereich der Stadt Z....  anzusiedeln sei, treffe den Kläger die erhöhte Darlegungslast, seine Kostenstruktur zu plausibilisieren. Der Beklagte überreichte dazu als Anlage 8 eine Übersicht über die Vergütungen vergleichbarer Leistungserbringer im Bereich des ambulant betreuten Wohnens mit Stand vom 12. Juni 2020. Darin sind die durchschnittlichen Personal- und Sachkosten von sechs Leistungserbringern aufgeführt. Die Personalkosten schwankten demnach zwischen 273,88 € (Minimalwert) und 370 € (Maximalwert), woraus der Beklagte einen Mittelwert 334,19 € ermittelte. Die Sachkosten erstreckten sich von 18,77 € auf bis zu 41,20 € bei einem errechneten Mittelwert von 33,95 €. Die Vergütungen des Klägers würden die der aufgeführten anderen Leistungserbringer deutlich übersteigen. Da dieser seine Kostenstruktur trotz entsprechender Nachfragen des Beklagten nicht näher erläutert habe, sei es diesem nicht möglich, dessen Forderung im Rahmen des externen Vergleichs zu bewerten. Deshalb könne der Beklagte noch kein Gegenangebot unterbreiten.

 

Der Kläger entgegnete im Schreiben vom 15. Juli 2020 daraufhin, dass die Ausführungen des Beklagten lediglich taktisch motiviert seien. Schließlich verfüge der Beklagte seit Jahrzehnten über „akkumuliertes Wissen“, was die Struktur des Klägers angehe. Aus den Verhandlungen der vergangenen Geschäftsjahre sei dem Beklagten bestens bekannt, wie viel Personal der Kläger beschäftige und in welcher Höhe Sachkosten anzusetzen seien. Zu keiner Zeit sei Personal des Klägers widerrechtlich zulasten eines Leistungsträgers beschäftigt worden. Dies ergebe sich bereits aus den umfangreichen Anlagen, die der Kläger seinem Schreiben vom 5. November 2019 beigefügt habe. Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, dass der Senat in seinem Urteil vom 10. Juni 2015 (L 8 SO 58/14 KL) ausgeführt habe, dass keine Unwirtschaftlichkeit darin zu erkennen sei, dass ein Leistungserbringer sein Personal – wie der Kläger – nach einschlägigen Tarifverträgen vergüte. Da die Vergütung prospektiv zu vereinbaren sei, komme es auf Belegungszahlen in abgelaufenen Geschäftsjahren nicht an. Die Vereinsverwaltung und Vorstandstätigkeit erfolge ehrenamtlich. Für die rechtliche Beratung und Vertretung im Rahmen eines Schiedsstellenverfahrens erteile die Rechtsschutzversicherung keine Deckung. Dies sei dem Beklagten bereits bekannt. Die unterschiedlichen Sichtweisen zur Berücksichtigung der erwähnten Risiken seien ebenfalls hinlänglich ausgetauscht. Es sei offenkundig, dass der Beklagte beabsichtige, durch überzogene Anforderungen an Informationen und Nachweisen das Vergütungsverfahren zu verschleppen. Die im Rahmen des externen Vergleichs vorgelegte Anlage 8 mit der Übersicht der Vergütungen anderer Leistungserbringer sei nicht seriös. Dem Beklagten sei bekannt, dass sich die Caritas mit einem Antrag auf Vergütungsfestsetzung an die Schiedsstelle gewandt habe. Deshalb könnten deren Werte von vornherein nicht angesetzt werden.

 

Der Beklagte erläuterte daraufhin, dass er mit der Caritas im Rahmen des vom Kläger vorgetragenen Schiedsstellenverfahrens eine vorläufige Vergütungsfestsetzung vereinbart habe, die er in der von ihm vorgelegten Anlage 8 bereits berücksichtigt habe. Die Vorbehaltsvereinbarung regele eine Vergütung der Caritas in der Höhe, die sie selbst im Antrag auf Vergütungsfestsetzung begehrt habe (Schreiben vom 5. August 2020).

 

Die Schiedsstelle hat mündlich verhandelt am 2. Juni 2021 und am 7. Juli 2021. Gegen Schluss der ersten Verhandlung empfahl die Schiedsstelle, die Personalkosten auf der Basis des Schiedsspruchs für das Geschäftsjahr 2019 um die tatsächlichen Tarifsteigerungen der AVR Diakonie Sachsen für die Geschäftsjahre 2020 und 2021 zu steigern, die Sachkosten für 2020 und 2021 um 3 Prozent anzuheben und den Strukturausgleich unverändert bei 30,79 Euro in beiden Geschäftsjahren zu belassen. Nachdem die Vertragsparteien dieser Empfehlung nicht gefolgt sind, hat die Schiedsstelle zum Schluss der zweiten Verhandlung den Tenor des Schiedsspruchs verkündet und sodann am 2. August 2021 ihre Entscheidung schriftlich abgesetzt (Az.: ….). Sie hat den Antrag des Klägers auf Festsetzung einer Gesamtvergütung von 472,43 Euro für das Geschäftsjahr 2020 abgelehnt. Auch das Gegenangebot des Beklagten auf Festsetzung einer Gesamtvergütung von 436,41 Euro hat die Schiedsstelle abgelehnt und stattdessen die Gesamtvergütung auf 445,53 Euro festgesetzt, bestehend aus Personalkosten von 369,52 Euro, einem Risikozuschlag von 3 Euro, Sachkosten von 41,20 Euro sowie einem Strukturausgleich von 31,81 Euro. Die Gebühr für das Schiedsverfahren wurden auf 1500 Euro festgesetzt, wobei der Kläger davon einen Anteil von zwei Dritteln und der Beklagte einen Anteil von einem Drittel zu tragen habe. Der vom Kläger geltend gemachte Zuschlag zum Ausgleich eines allgemeinen Unternehmerrisikos in Höhe von 2 Prozent, eines Auslastungsrisikos von 2 Prozent und zum Ausgleich von betrieblichen Einzelrisiken in Höhe von 1 Prozent auf die Personalkosten einschließlich des Strukturausgleichs und auf den Sachaufwand könne bei der Festsetzung der Vergütung nicht berücksichtigt werden. Dem Kläger stehe ein prozentual bemessener Zuschlag in Höhe von 5 Prozent als kalkuliertes Risiko auf die Personal- und Sachkosten nicht zu. Ein solcher Anspruch könne auch nicht aus dem Urteil des BSG vom 29. Januar 2009 (Az.: B 3 P 7/08 R) hergeleitet werden. Es sei bereits fraglich, ob die abstrakten Rechtssätze der zitierten Entscheidung, welche zum Recht der sozialen Pflegeversicherung entwickelt worden seien, auf das SGB XII übertragen werden könnten. Darüber hinaus habe das BSG im Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 P 2/12 R klargestellt, dass sich aus der Entscheidung vom 29. Januar 2009 kein Anspruch auf eine besonders zu ermittelnde Rechtsposition ergebe (Bezug auf Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern 20. Juni 2019 – L 9 SO 3/13 KL). Aus betrieblichen Risiken resultierende Kostenbelastungen könnten bei der Vergütungsfestsetzung nur dann berücksichtigt werden, sofern die Einrichtung anhand konkreter Erfahrungswerte in der Vergangenheit oder sonstiger nachvollziehbare Anhaltspunkte nachweise, dass Kosten in der Höhe, wie sie mit dem pauschalen Betrag von 5 Prozent der Personal- und Sachkosten gefordert würden, im Durchschnitt mehrerer Jahre beim Betrieb einer wirtschaftlich operierenden Einrichtung anfielen (Bezug auf LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 20. Juni 2019 – L 9 SO 3 /13 KL). Der Kläger habe jedoch nicht konkret dargelegt, welche möglichen Risiken sich im Geschäftsjahr 2020 verwirklichen könnten. Auch im Zuge der Einleitung des Schiedsverfahrens habe er entsprechenden Nachweise nicht vorgelegt. Die Gewährung des beantragten Risikoausgleichs setze jedoch voraus, dass konkrete Unwägbarkeiten prospektiv dargelegt und belegt würden, damit Aufschluss darüber bestehe, was im jeweiligen Zeitraum zu erwarten sei. Ein pauschaler Zuschlag wegen vermeintlicher allgemeiner, vom Kläger nicht konkretisierter Risiken bestünde jedoch nicht. Nachvollziehbar hingegen sei der Antrag des Klägers gewesen, einen Ausgleich für die auch im Jahr 2020 mit der Einleitung und Durchführung des Schiedsverfahrens und dem Betreiben eines sich möglicherweise anschließenden Gerichtsverfahrens verbundenen Anwalts- und Gerichtskosten in Form eines Zuschlags zu berücksichtigen. Der Kläger habe nachgewiesen, dass diese Risiken nicht von der Rechtsschutzversicherung abgedeckt würden. Bei der Festsetzung der Vergütung im Schiedsspruch vom 4. September 2019 für das Geschäftsjahr 2019 sei ein Betrag von 3 Euro als Risikoausgleich für Schiedsverfahren und Gerichtsverfahren pro Klient monatlich als angemessen angesehen worden. Der Kläger habe keine nachvollziehbaren Gründe dafür vorgetragen, dass sich bei prospektiver Betrachtung für das Geschäftsjahr 2020 ein höherer Wert ergebe. Nachdem die Personalkosten zwischen den Beteiligten nach der Ansicht der Schiedsstelle für das Geschäftsjahr 2019 im Wesentlichen unstreitig gewesen seien, entspreche es der Billigkeit, diese Kosten für das Geschäftsjahr 2020 um 3,33 Prozent bezogen auf den Betrag von 357,62 Euro monatlich in 2019 auf 369,52 Euro für das Geschäftsjahr 2020 anzuheben. Dabei seien allgemeine Tarifsteigerungen in Höhe von 2,1 Prozent ebenso berücksichtigt worden wie gestiegene Sozialversicherungsbeiträge im Arbeitgeberanteil von 1,08 Prozent sowie der um 0,15 Prozent höhere Beitrag zur Zusatzversorgungskasse. Ebenso wie die Personalkosten sei auch der Strukturausgleich um 3,3 Prozent anzuheben gewesen. Dieser habe sich im Schiedsspruch 2019 auf 30,79 Euro belaufen und Betrage nach erfolgter Erhöhung für im Geschäftsjahr 2020 insgesamt 41,20 Euro. Anders als vom Kläger gefordert, sei auch diesbezüglich kein Risikozuschlag (geltend gemacht in Höhe von 1,60 Euro) zu berücksichtigen gewesen. Im Hinblick auf die Verfahrensgebühr habe sich die Schiedsstelle ebenfalls am Schiedsspruch für das Jahr 2019 orientiert. Denn auch dieser Sachverhalt sei komplex gewesen. Es hätten zwei mündliche Verhandlungen durchgeführt werden müssen.

 

Gegen den ihm am 18. August 2021 zugestellten Schiedsspruch wendet sich der Kläger mit der am 15. September 2021 vor dem Sächsischen Landessozialgericht erhobenen Klage. Der Schiedsspruch sei vollen Umfangs aufzuheben, da er unbillig sei. So habe der Kläger während der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2021 einen Befangenheitsantrag gegen ein Mitglied der Schiedsstelle gestellt. Dabei habe es sich um die Leiterin des Fachbereichs 2 (Eingliederung und Sozialhilfe) des Beklagten gehandelt. Der Niederschrift vom 2. Juni 2021 sei zu entnehmen, dass der Befangenheitsantrag abgelehnt worden sei, nachdem die Schiedsstelle in Abwesenheit der Vertragsparteien, aber unter Mitwirkung des betroffenen Schiedsstellenmitglieds beraten habe. Diese Person habe Gelegenheit gehabt, ihre Sicht darzulegen und zu erklären, dass sie am Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht beteiligt gewesen sei und versichert, dass sie die Verschwiegenheit wahren werde. Die Schiedsstelle habe dabei übersehen, dass die betroffene Person an der Entscheidung über den Antrag auf Ausschluss vom Schiedsstellenverfahren gemäß § 16 Abs. 4 S. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht mitwirken dürfe. Auch wenn diese Person im zweiten Verhandlungstermin nicht mitgewirkt habe und auch an der Entscheidungsfindung nicht beteiligt gewesen sei, handele es sich um einen durchgreifenden groben Verfahrensverstoß, der die Unbilligkeit des Schiedsspruchs nach sich ziehe gemäß § 7 Abs. 2 der Sächsischen Sozialhilfe-Schiedsverordnung. Der Schiedsspruch sei auch in materieller Hinsicht unbillig, weil er zu einem willkürlichen Ergebnis gelangt sei. Die angenommene Steigerung der Personalkosten 2019 aufgrund Tariferhöhung von 2,1 Prozent sei bereits unzutreffend. Die AVR Diakonie Sachsen hätten in den Jahren 2019 und 2020 jeweils Steigerungen um 1,5 Prozent ab Juni 2019 sowie um 2,1 Prozent ab Dezember 2019 vorgesehen. Dieselbe Tarifsteigerung sei für das Jahr 2020 vereinbart worden. Insgesamt belaufe sich die Tarifsteigerung von 2019 auf 2020 auf 3,63 Prozent. Darüber hinaus verbleibe der Kläger bei seiner Ansicht, dass prospektiv Risiken zu berücksichtigen seien, da es ihm verwehrt sei, Vergütungen nachzufordern. Deshalb sei der Begriff „Gewinnzuschlag“ in diesem Zusammenhang irreführend. Solange diese Risiken nicht von Leistungserbringern und Leistungsträgern in Rahmenvereinbarungen fixiert seien, müssten diese in die Vergütungsvereinbarung eingebracht werden. Dabei sei es aus der Sicht des Klägers sachgerecht, die Risiken prozentual durch Zuschläge abzusichern, da der Eintritt von Risiken grundsätzlich unabhängig von der Größe einer Einrichtung sei und der Schaden bei Eintritt eines Risikos regelmäßig proportional zum Umfang der wirtschaftlichen Betätigung ausfalle. Deshalb sei das nötige Augenmaß gewahrt, wenn man von einem allgemeinen Unternehmerrisiko von 2 Prozent und einem ebenso großen Auslastungsrisiko ausgehe und das betriebliche Einzelrisiko wegen der Kosten für Schiedsverfahren auf 1 Prozent fixiere. Hinsichtlich der vom Beklagten angeführten Entscheidung des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Juni 2019 wies der Kläger darauf hin, dass das BSG die Revision zugelassen habe, die unter dem Az. B 8 SO 8/20 R anhängig sei.

 

 

Der Kläger beantragt,

 

den auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2021 am 2. August 2021 ausgefertigten Schiedsspruch der Schiedsstelle für Vergütungen in der Sozialhilfe im Freistaat Sachsen – Az.: …. aufzuheben.

 

 

Der Beklagte beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Die Entscheidung der Schiedsstelle sei formell und materiell rechtmäßig. Insbesondere sei der Befangenheitsantrag zutreffend abgearbeitet worden. Entgegen des Vortrags des Klägers habe bereits kein Ausschlussgrund vorgelegen. Die Fachbereichsleiterin 2 beim Beklagten sei dazu berechtigt gewesen, als Schiedsstellenmitglied an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Die Fachbereichsleiterin 2 sei nicht als Vertreterin des Beklagten im Vergütungsfestsetzungsverfahren tätig geworden. Denn die allgemeine rechtliche Vertretungsbefugnis des Beklagten als Partei obliege ausschließlich dem Verbandsdirektor gemäß § 16 Abs. 1 des Gesetzes über den Kommunalen Sozialverband Sachsen (SächsKomSozVG). Die Beauftragung oder Bevollmächtigung wiederum zur Vertretung des Verbandsdirektors in einzelnen Aufgaben und Angelegenheiten, darunter die Unterzeichnung der Vereinbarungen in Erfüllung des Schriftformerfordernisses nach § 75 Abs. 1 S. 1 SGB XII in Verbindung mit §§ 56, 61 S. 2 SGB X, § 126 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei gerade nicht als Ermächtigung dahin misszuverstehen, dass eine allgemeine rechtliche Vertretung des KSV bestehen könne. Ebenso wenig liege darin die Erteilung der Befugnis zur Parteivertretung im konkreten, durch die Schiedsstelle geführten Verwaltungsverfahren zum Aktenzeichen ….. Die Vertretung des Beklagten im Schiedsstellenverfahren sei per Vollmacht explizit nur den Justiziaren des Beklagten übertragen. Daher sei die Parteivertretung im streitgegenständlichen Schiedsstellenverfahren zu keiner Zeit von dem betroffenen Schiedsstellenmitglied wahrgenommen worden. Das Sächsische Landessozialgericht habe bereits in einer vergleichbaren Fallgestaltung entschieden, dass die Mitwirkung eines Mitgliedes der Schiedsstelle nach § 76 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), das zuvor an den vorangegangenen Vertragsverhandlungen zur Vergütungsvereinbarung teilgenommen habe, nicht verfahrensfehlerhaft sei (vgl. Beschluss vom 18. März 2021 – Az.: L 9 P 27/20 ER). Nachdem der Befangenheitsantrag demnach zutreffend abgelehnt worden sei, begründe die Teilnahme des betroffenen Schiedsstellenmitglieds an der weiteren Verhandlung vom 2. Juni 2021 ebenfalls keinen Verfahrensverstoß. Ebenso unerheblich seien die hypothetischen Erwägungen des Klägers, dass ein am 2. Juni 2021 gegebenenfalls gefällter Schiedsspruch unwirksam geworden sein würde, nachdem der Schiedsspruch tatsächlich am 7. Juli 2021 ergangen sei und das erwähnte Schiedsstellenmitglied nachweislich an jener mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen habe. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sei der Schiedsspruch nicht zu beanstanden. Die Schiedsstelle habe die Tarifsteigerungen in den Geschäftsjahren 2019 und 2020 akribisch ermittelt. Die darauf beruhenden Berechnungen seien allesamt zutreffend. Der Kläger hingegen habe bei seinen Berechnungen unberücksichtigt gelassen, dass die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 2019 zu 2020 gesunken seien. Gegen die behauptete Willkür und Unbilligkeit der Schiedsstellenentscheidung zulasten des Klägers spreche darüber hinaus, dass die Schiedsstelle Gesamtkosten senkende, für den Kläger nachteilige Aspekte bei ihrer Abwägungsentscheidung zwar gewürdigt, im Interesse einer schlichtenden Entscheidung aber letztlich zugunsten des Klägers nicht herangezogen habe. Dies betreffe die Berücksichtigung von Leitung und Verwaltungstätigkeit über den Umfang von 0,5 Arbeitskraftanteilen mittels Strukturausgleichs hinaus, also die Eingruppierung und volle Refinanzierung von zwei Stellen mit der Entgeltgruppe 10, obwohl dies sowohl vom Beklagten als auch von der Schiedsstelle als unwirtschaftlich und für die Aufgabenerfüllung des ambulant betreuten Wohnens als nicht notwendig angesehen bzw. hinterfragt worden sei. Daher sei nicht ersichtlich, dass die Schiedsstelle Erwägungen angestellt habe, die ihr gesetzlich verwehrt gewesen sein oder außerhalb ihres Beurteilungsspielraums gelegen haben könnten und die zu einer rechtlichen Vorgaben widersprechenden Vergütungsfestsetzung geführt hätten. Schließlich sei die Schiedsstelle auch zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Kläger angeführten Risiken nicht durch prozentuale Zuschläge abgefedert werden dürften. Eine Rechtsgrundlage für ein solches Vorgehen existiere nicht. Zwar habe der Senat im Urteil vom 1. April 2015 (L 8 SO 87/12 KL) ausgeführt, dass einem Einrichtungsträger im Rahmen der Entgeltvereinbarung der §§ 75 ff. SGB XII eine Gewinnchance eröffnet sei. Der Senat habe sich dabei auf die Regelungen in § 84 Abs. 2 SGB XI und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt, die er insoweit 1:1 für übertragbar gehalten habe. Eine solche „unbesehene“ vollumfängliche Übertragbarkeit von Sachverhalten aus dem SGB XI auf Sachverhalte aus dem SGB XII habe das BSG später jedoch explizit verneint, in dem es in seiner Entscheidung vom 7. Oktober 2015 (Az.: B 8 SO 21/14 R) festgestellt habe, dass im Hinblick auf die andersgeartete Struktur des SGB XII und die geringere Normdichte keine Veranlassung dazu bestehe, diese Rechtsprechung in der Form zu übertragen, dass die Schiedsstellen zu einem entsprechenden Vorgehen vollumfänglich und in jedem Fall gezwungen wären, wenn dies nicht anders in den Verträgen oder Verordnungen der §§ 75 ff. SGB XII vorgeschrieben sei. Die §§ 75 ff. SGB XII würden jedoch nach der Ansicht des Beklagten keine Verpflichtung vorsehen, in den Vereinbarungen einen Risikoausgleich oder eine Gewinnerzielung per se zu garantieren. Dies ließe sich, so der Beklagte, mit der gesetzlichen Vorgabe auch nicht in Einklang bringen, dass die Vereinbarungen dem Maß des Notwendigen zu entsprechen hätten (Bezug auf § 75 Abs. 1 S. 4 SGB XII). Zudem sehe das SGB XII keine dem §§ 84 Abs. 2 S. 4 SGB XI entsprechende Formulierung vor. Aus der Sicht des Beklagten sei die Übertragbarkeit der Regelungen des §§ 84 Abs. 2 S. 4 SGB XI weder zwingend noch naheliegend. Diese Ansicht werde bestätigt durch das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 9. Mai 2018 (Az.: L 23 SO 300/15 KL). Das LSG Mecklenburg-Vorpommern habe im Urteil vom 20. Juni 2019 (Az.: L 9 SO 3/13 KL) sogar unmissverständlich einen Anspruch auf einen prozentual bemessenen Zuschlag für kalkulierte Unternehmensrisiken verneint. Nachdem die Revision unter dem Az. B 8 SO 8/20 R beim BSG anhängig sei, sei anzunehmen, dass diese Rechtsfrage in absehbarer Zeit höchstrichterlich geklärt sei. Selbst wenn man davon ausginge, dass Unternehmensrisiken berücksichtigt werden dürften, seien diese im Anschluss an das Urteil des BSG vom 16. Mai 2013 plausibel zu machen. Der Leistungserbringer habe nachvollziehbar konkrete Risiken darzulegen einschließlich der gebotenen Abgrenzung einer bereits erfolgten Risikoabfederung durch in den Sachkosten abgegoltenen Versicherungen zuzüglich Nachweisen für die Höhe der als risikobedingt geltend gemachten Vergütungsforderung. Diesen Anforderungen genüge nur der plausible und mit Nachweisen untersetzte Vortrag der Kosten, die dem Kläger in den vorangegangenen Jahren mit der Rechtsdurchsetzung in Schiedsstellen und anschließenden Klageverfahren entstanden seien. Ergänzend wies der Beklagte darauf hin, dass er diesen – aus seiner Sicht rein hilfsweisen Ansatz der Schiedsstelle – im Interesse einer kompromissweisen Lösung nicht angefochten habe. Dabei bestehe aus seiner Sicht kein Anspruch auf eine Vergütung dieses Risikos im Umfang von 3 Euro pro Klient monatlich.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die statthafte, form- und fristgerecht erhobene Klage erweist sich als begründet. Der Schiedsspruch vom 7. Juli 2020 ist rechtswidrig. Zwar sind nicht die vom Kläger für rechtswidrig erachteten Aspekte dazu geeignet, den Schiedsspruch wegen Unbilligkeit aufzuheben. Die Schiedsstelle hat allerdings die Vergütungsforderung des Klägers weder auf ihre Plausibilität hin überprüft noch diese einem externen Vergleich unterzogen. Damit ist offen geblieben, ob die Vergütungsforderung leistungsgerecht sein könnte.

 

Gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 81 SGB XII ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet (§ 77 Abs. 2 Satz 3 SGB XII). Streitgegenstand des Klageverfahrens ist die Aufhebung der Entscheidung der Schiedsstelle, gegen die sich der Kläger mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. Januar 2021 – B 8 SO 6/19 R – juris Rn. 11; Urteil vom 23. Juli 2014 – B 8 SO 2/13 R) erstinstanzlich gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an das Sächsische LSG gewandt hat. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG, da der Kläger seinen Sitz im Freistaat Sachsen hat. Die Klage richtet sich zutreffend nicht gegen die Schiedsstelle, sondern gegen den Beklagten als Verhandlungspartner gemäß § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII. Dabei ist die Klage auf die Gegenstände beschränkt, über die keine Einigung zwischen den Vertragsparteien erzielt werden konnte (§ 77 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Der Beiladung der Schiedsstelle gemäß § 75 Abs. 2 SGG bedurfte es nicht, da ihr keine eigenen Rechte zustehen (BSG, Urteil vom 23. Juli 2014 – B 8 SO 2/13 R). Die Klagefrist nach § 87 SGG ist gewahrt: Der am 2. August 2021 schriftlich abgefasste Schiedsspruch wurde dem Kläger am 18. August 2021 zugestellt. Die Klage ist am 15. September 2021 und damit fristgerecht erhoben worden.

 

Die Entscheidung der Schiedsstelle stellt eine Schlichtungsmaßnahme eines sachnahen, weisungsfreien, mit Interessenvertretern paritätisch zusammengesetzten Gremiums dar, deren Entscheidungsspielraum sich am Vereinbarungsspielraum der Vertragsparteien misst, und ist gerichtlich im Rahmen der normativen Vorgaben der §§ 75 ff SGB XII regelmäßig nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob die verfahrensrechtlichen Regelungen eingehalten sind, der Sachverhalt ermittelt ist und die Schiedsstelle bei der Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ihren Gestaltungsspielraum nicht verkannt hat (BSG, Urteil vom 28. Januar 2021 – B 8 SO 6/19 R – juris Rn. 12; Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 19/14 R – juris Rn. 12; Urteil vom 23. Juli 2014 – B 8 SO 2/13 R – juris Rn. 14).

 

Die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts für das Schiedsverfahren sind eingehalten. Die Regelungen des Zehnten Kapitels des SGB XII für die von der Schiedsstelle zu ersetzenden Vereinbarungen finden dabei auch auf ambulante Dienste Anwendung, nachdem § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht mehr zwischen Diensten und Einrichtungen differenziert (vgl. dazu H. Schellhorn/Busse in: Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII, 20. Aufl. 2020, § 75 Rn. 12). Der Beklagte ist auch der für den Ort der Leistungserbringung zuständige Träger der Sozialhilfe, der für den Abschluss der Vergütungsvereinbarungen verantwortlich ist (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten als überörtlichem Sozialhilfeträger ergibt sich aus § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Sächsisches Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches [SächsAGSGB] in der seit dem 31. März 2021 gültigen Fassung). Danach ist der Beklagte zuständig für den Abschluss von Vereinbarungen mit den Trägern von teilstationären und stationären Einrichtungen sowie Diensten des ambulant betreuten Wohnens nach dem Zehnten Kapitel des SGB XII. Dazu zählen die vom Kläger angebotenen Leistungen. Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (§ 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG, § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB XII). Der Mindestzeitraum von drei Monaten für das Vereinbarungsverfahren (§ 77 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) ist eingehalten: Der Kläger hat den Beklagten mit Schreiben vom 5. November 2019 zu Vergütungsverhandlungen für das Geschäftsjahr 2020 aufgefordert. Bis zum 4. Februar 2020 ist keine Vereinbarung geschlossen worden.

 

Der Kläger hat das Schiedsverfahren mit Schreiben vom 8. Mai 2020 eingeleitet und dabei die Vorgaben nach § 8 SächsSozSchiedsVO eingehalten.

 

Der Schiedsspruch ist nicht deshalb formell rechtswidrig, weil er unter Mitwirkung eines befangenen oder gesetzlich ausgeschlossenen Mitglieds getroffen worden ist. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 SGB X darf in einem Verwaltungsverfahren nicht tätig werden, wer einen Beteiligten kraft Gesetzes oder Vollmacht allgemein oder in diesem Verwaltungsverfahren vertritt oder als Beistand zugezogen ist bzw. wer bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt ist oder bei ihm als Mitglied eines Vorstandes, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs tätig ist; dies gilt nicht für den, dessen Anstellungskörperschaft Beteiligte ist, und nicht für Beschäftigte bei Betriebskrankenkassen.

 

Anders als der Kläger meint, führt die Teilnahme der Fachbereichsleiterin 2 des Beklagten an der mündlichen Verhandlung vom 2. Juni 2021 nicht zur Unbilligkeit des Schiedsspruchs. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass dieses Mitglied an der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2020 nicht mitgewirkt und demgemäß an der Entscheidung nicht beteiligt gewesen ist. Nach der Ansicht des Senats war dieses Mitglied der Schiedsstelle bereits deshalb nicht nach § 16 SGB X ausgeschlossen noch dazu verpflichtet, sich wegen der Besorgnis der Befangenheit der weiteren Mitwirkung zu enthalten gemäß § 17 SGB X. Wer an einer Sitzung nicht teilnimmt, kann weder ausgeschlossen noch befangen sein. Darüber hinaus ist bei der Anwendung der Regelungen über die Befangenheit nach den §§ 16, 17 SGB X wegen der Eigenart der Zusammensetzung der Schiedsstelle aus Mitgliedern, die direkt oder indirekt mit einer an den Vereinbarungen nach § 76 Abs. 1 SGB XII beteiligten Partei verbunden sind, Zurückhaltung geboten. Das BSG spricht sich diesbezüglich für eine teleologische Reduktion der Regelungen aus, soweit die Besonderheiten des Schiedsstellenverfahrens eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Dies ist insbesondere hinsichtlich der Ausschlussgründe des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 SGB X der Fall, wonach in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden darf, wer einen Beteiligten kraft Gesetzes oder Vollmacht allgemein oder in diesem Verwaltungsverfahren vertritt, bzw. wer bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt ist. Denn diese Ausschlussgründe berücksichtigen nicht die gesetzliche Zusammensetzung der Schiedsstelle, die aus Vertretern der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe in gleicher Zahl besteht (§ 81 Abs. 2 SGB XII), also gerade denjenigen, die nach den allgemeinen Regelungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 SGB X von der Mitwirkung ausgeschlossen wären.

 

Gründe, die in der Person des Schiedsstellenmitglieds die Besorgnis der Befangenheit
(§ 17 SGB X) nahelegen könnten, können aus den genannten Erwägungen heraus ebenfalls nicht an seine Stellung als Behördenmitarbeiter geknüpft werden (vgl. Urteil vom
7. Oktober 2015 – B 8 SO 1/14 R – juris Rn. 14). Auf die Überlegungen der Beteiligten zu § 7 Abs. 2 Sächsische Sozialhilfe-Schiedsstellenverordnung (SächsSozSchiedsVO) vom
1. September 2020, wonach ein Mitglied nicht als Vertreter einer Partei auftreten darf, kommt es daher ersichtlich nicht an. Gegen die Wertung des Senats lässt sich auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Schiedsstelle in der Sitzung vom 2. Juni 2021 eine Empfehlung ausgesprochen hat. Denn im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2021 war die Schiedsstelle unzweifelhaft dazu berechtigt, die Empfehlung zu modifizieren und auch sonst in der Sache grundlegend anders zu entscheiden, da sie an ihre Empfehlung rechtlich nicht gebunden gewesen ist.

 

Der Schiedsspruch ist aber materiell rechtswidrig, da die Schiedsstelle weder die Schlüssigkeit der Vergütungsforderung des Klägers geprüft noch diese im Rahmen des externen Vergleichs mit anderen Leistungserbringern bewertet hat. Die prozentuale Erhöhung der Personal- und Sachkosten ohne Schlüssigkeitsprüfung und Vergleichsbewertung widerspricht den Vorgaben nach § 75 Abs. 2 SGB XII in der seit dem 1. Januar 2020 gültigen Fassung. Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII darf der Träger der Sozialhilfe Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel des SGB XII mit Ausnahme der Leistungen der häuslichen Pflege, soweit diese gemäß § 64 SGB XII durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahestehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen werden, durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe besteht. In der schriftlichen Vereinbarung sind gemäß § 76 Abs. 1 SGB XII zu regeln Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen (Leistungsvereinbarung) sowie die Vergütung der Leistung (Vergütungsvereinbarung). Kommen solche Vereinbarungen – wie im Falle der Beteiligten – nicht zustande und haben die Vertragspartner die Schiedsstelle angerufen, verlangen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit für die Festsetzung einer entsprechenden Vergütung durch die Schiedsstelle im Grundsatz einen Vergleich mit anderen Leistungserbringern. Dabei war es nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht zu beanstanden, wenn eine sozialhilferechtliche Schiedsstelle sich im Rahmen des ihr zustehenden Entscheidungsspielraums an der Rechtsprechung des für die soziale Pflegeversicherung zuständigen 3. Senats zum sogenannten "externen Vergleichs" orientiert hat (vgl. Urteil vom 28. Januar 2021 – B 8 SO 6/19 R – juris Rn. 17 m.w.N.).

Nachdem der externe Vergleich zum 1. Januar 2020 in § 75 Abs. 2 Satz 10 SGB XII ausdrücklich fixiert worden ist, dürften insoweit letzte Bedenken ausgeräumt sein. Insbesondere dürfte sich der Hinweis auf die anders geartete Struktur des SGB XII, die geringere Normdichte und fehlende Regelungen über die Mitwirkungspflichten im Schiedsstellenverfahren nicht aufrechterhalten lassen, nachdem §§ 75 Abs. 2 und 77 SGB XII entsprechende Normen vorsehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 15,16).

 

Nach § 75 Abs. 2 Satz 10 SGB XII ist die durch den Leistungserbringer geforderte Vergütung wirtschaftlich angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Leistungserbringer im unteren Drittel liegt (externer Vergleich). Liegt die geforderte Vergütung oberhalb des unteren Drittels, kann sie wirtschaftlich angemessen sein, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruht und wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht (§ 75 Abs. 2 Satz 11 SGB XII). In den externen Vergleich sind die im Einzugsbereich tätigen Leistungserbringer einzubeziehen (§ 75 Abs. 2 Satz 12 SGB XII). Tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind grundsätzlich als wirtschaftlich anzusehen, auch soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt (§ 75 Abs. 2 Satz 13 SGB XII). Dabei kann zur Herleitung – wie oben erwähnt – auf die Rechtsprechung des BSG zum Kranken- und Pflegeversicherungsrecht zurückgegriffen werden.

 

Nach dem Grundkonzept ist das Vergütungsrecht für Pflegeeinrichtungen – und zwar für ambulante Pflegedienste wie für stationäre Pflegeeinrichtungen gleichermaßen – maßgeblich von der Erwartung bestimmt, durch eine Wettbewerbsorientierung Anreize für möglichst kostengünstige Leistungen setzen zu können. Grundlage hierfür ist die Regelung in § 132 a Abs. 4 Satz 1 SGB V, wonach für jeden zugelassenen Pflegedienst die Vergütung gesondert festzulegen ist. Hierdurch soll - wie im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - anstelle einer für alle Pflegedienste und Pflegeheime jeweils einheitlichen Preisgestaltung eine im Preiswettbewerb ausdifferenzierte Preisbildung gefördert werden. Getragen ist dies von der Erwartung, dass die Pflegeeinrichtungen ihre Leistungen in einer Wettbewerbssituation aus eigenem Interesse möglichst kostengünstig anbieten. Der Wettbewerb unter den Pflegeeinrichtungen soll gefördert werden (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris Rn. 56; Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 P 3/08 R – juris Rn. 46; ebenso BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 1/14 R – juris Rn. 22).

 

Die Vergütung soll gemäß § 132 a Abs. 4 Satz 5 SGB V – wie die Pflegevergütung nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI - "leistungsgerecht" sein. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass sich das Kostendeckungsprinzip nicht bewährt habe und einer wirtschaftlichen Leistungserbringung entgegenstehe. Vielmehr habe die Selbstkostendeckungsgarantie eine grundsätzliche Fehlsteuerung bewirkt; sie habe die Erstattung nachgewiesener Betriebskosten zur nahezu automatischen Folge und biete keinen Anreiz für eine wirtschaftliche Betriebsführung. Daher müssten künftig nicht die Kosten, sondern die Leistungen maßgeblich sein (BT-Drucks. 12/3608, S. 130 ff). Die Vorgabe der leistungsgerechten Vergütung bedeute eine klare Absage an jegliche Form der Kostenerstattung (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 P 3/08 R – juris Rn. 47; Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 1/14 R – juris Rn. 22).

 

Daraus folgt, dass ausschließlich auf Gestehungskosten gestützte Vergütungsansprüche im geltenden Recht keine Grundlage finden. Andererseits ist aber auch nicht die Annahme gerechtfertigt, dass sich die Vergütung im Wesentlichen nach Marktpreisen bestimmt und die kalkulatorischen Gestehungskosten regelmäßig außer Betracht bleiben. Vielmehr muss die Vergütung auf einem marktorientierten Versorgungskonzept beruhen, weil Ansprüche nach einem reinen Selbstkostendeckungsprinzip nicht bestehen. Maßgeblich ist, welche Leistungen der Pflegedienst erbringt und welcher Aufwand "einem" Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung dafür "im Allgemeinen" entsteht. Ein Abstellen auf die voraussichtlichen Kosten des jeweiligen Trägers reicht dazu nicht aus (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 P 3/08 R – juris Rn. 48).

 

Grundsätzlich sind Vergütungsverhandlungen und nachfolgende Schiedsstellenverfahren auch im ambulanten Bereich nach einem zweigliedrigen Prüfungsmuster durchzuführen. Grundlage der Verhandlungen über die Entgelte ist zunächst die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der vom Pflegedienst zu erbringenden Leistungen. Daran schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit an. Maßgebend dafür sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen bei anderen Pflegediensten (externer Vergleich). Im Ergebnis sind die Entgelte dann leistungsgerecht, wenn erstens die voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden und sie zweitens in einer angemessenen und nachprüfbaren Relation zu den Sätzen anderer Einrichtungen für vergleichbare Leistungen stehen. Geltend gemachte Entgelte sind dann nicht angemessen, wenn Kostenansätze und erwartete Kostensteigerungen nicht plausibel erklärt werden können oder wenn die begehrten Sätze im Verhältnis zu anderen Pflegediensten unangemessen sind (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 P 3/08 R – juris Rn. 50).

 

Zunächst ist die Plausibilität der einzelnen Kostenansätze festzustellen. Dabei sollen sich die Entgelte trotz ihrer Wettbewerbsorientierung nicht nur an der marktüblichen Vergütung für solche Leistungen orientieren, sondern auch an den voraussichtlichen Gestehungskosten. Eine Vergütung für ambulante Pflegeleistungen ist deshalb im Grundsatz erst dann leistungsgerecht, wenn sie die Kosten einer Einrichtung hinsichtlich der voraussichtlichen Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes sowie einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals deckt. Die voraussichtlichen Gestehungskosten müssen plausibel und nachvollziehbar sein, also die Kostenstruktur des Pflegedienstes erkennen und die Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen. Deshalb hat der Pflegedienst zunächst geeignete Nachweise beizubringen; die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne weitere Angaben reicht in aller Regel nicht aus. Die Kostenkalkulation ist vielmehr hinreichend zu belegen und muss tatsächlich nachvollziehbar sein. Diesem Plausibilitätserfordernis wird genügt, wenn Kostensteigerungen z.B. auf erhöhte Sachkosten (Kfz, Büro) zurückzuführen sind oder im Personalbereich auf die normale Lohnsteigerungsrate begrenzt sind. Nicht von vornherein als unplausibel ausgeschlossen ist die Erhöhung von Kostenansätzen, die in den Vorjahren aufgrund fehlerhafter Kalkulation oder sogar bewusst – etwa um Marktsegmente zu erobern – zu niedrig angesetzt worden sind; im letzteren Fall besteht allerdings eine besonders substantiierte Begründungspflicht des Pflegedienstes (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 P 3/08 R – juris Rn. 53). Reichen die Angaben des Pflegedienstes für eine abschließende Plausibilitätskontrolle der Kostenansätze nicht aus, sind zusätzliche Unterlagen vorzulegen und/oder Auskünfte zu erteilen. Dies kann von der weiteren Konkretisierung der zu erwartenden Kostenlast über die Angabe von Stellenbesetzungen und Eingruppierungen bis zu vergütungserheblichen Auskünften zum Jahresabschluss entsprechend den Grundsätzen ordnungsgemäßer Pflegebuchführung reichen und besteht auf Verlangen einer Vertragspartei, soweit dies zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit eines Pflegedienstes im Einzelfall erforderlich ist.

 

Aber auch insoweit kommt es nur auf eine Plausibilitätsprüfung an. Zusammengefasst folgt daraus, dass der Pflegedienst seine Vergütungsforderung in tatsächlicher Hinsicht so zu belegen hat, dass die für die Zukunft geltend gemachte Entwicklung seiner Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar ist. Das Vergütungsregime zielt im Interesse von Kostenträgern und Einrichtungen gleichermaßen auf möglichst ausdifferenzierte und den Einrichtungsbesonderheiten Rechnung tragende Vergütungen. Soweit danach Angaben über Kostenstrukturen und betriebswirtschaftliche Kennzahlen verlangt werden, die im allgemeinen Geschäftsverkehr üblicherweise nicht zu offenbaren sind, ist dies aufgrund der sozialrechtlichen Bindung aller Beteiligten hinnehmbar. Zu beachten ist jedoch, dass die Anforderung solch weitgehender Auskünfte durch die Leistungsträger bzw. die Schiedsstellen einen besonders intensiven Eingriff in die Rechtssphäre eines Pflegedienstes darstellt und deshalb auf Ausnahmen zu beschränken ist, in denen die prognostische Angemessenheit der geltend gemachten Kostenansätze anders nicht ermittelbar ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 P 3/08 R – juris Rn. 55).

 

Auch nachvollziehbare prognostische Gestehungskosten rechtfertigen den geltend gemachten Vergütungsanspruch nur, soweit er dem Vergütungsvergleich mit anderen Einrichtungen standhält und sich insoweit als leistungsgerecht erweist. Denn schließlich muss die Vergütung einer wirtschaftlichen Betriebsführung entsprechen. Wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht der Vergütungsanspruch danach regelmäßig ohne weitere Prüfung, wenn die geforderte Vergütung im unteren Drittel der zum Vergleich herangezogenen Vergütungen anderer Pflegedienste liegt. Ist dies nicht der Fall, sind die von der Einrichtung geltend gemachten Gründe auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit zu überprüfen. Die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter sind dabei stets als wirtschaftlich angemessen zu werten (vgl. § 132a Abs. 4 Satz 7 SGB V).

 

Obergrenze der Vergütungsforderung ist – auch bei nahvollziehbar prognostischen Gestehungskosten – das Maß des auch im Vergleich mit der Vergütung anderer Einrichtungen wirtschaftlich Angemessenen. Insoweit sind die Entgelte einerseits an den individuellen Besonderheiten des Pflegedienstes auszurichten, als es um "seinen Versorgungsauftrag" geht; Bezugspunkt hierfür ist der einrichtungsindividuelle Versorgungsauftrag, wie er sich aus dem Versorgungsvertrag und etwaigen weiteren Vereinbarungen im Einzelfall ergibt. Maßstab der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung ist andererseits nicht der Einzelfall, sondern der dazu allgemein erforderliche Betriebsaufwand. Zum Maßstab erhoben ist dadurch der generalisierte Vergütungsbedarf eines idealtypischen und wirtschaftlich operierenden Pflegedienstes (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 P 3/08 R – juris Rn. 57).

 

 

Methode der Wahl zur Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit einer Vergütungsforderung ist der externe Vergleich mit anderen Pflegediensten, weil anders nicht zu beurteilen ist, ob die beanspruchte Vergütung den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. Einzubeziehen in den Vergleich sind jene Pflegedienste, die in demselben Einzugsbereich oder wesentlichen Teilen davon ambulante Pflegeleistungen erbringen dürfen, und zwar unabhängig von ihrer Größe, ihrer sozialen Ausrichtung, ihrer Kostenstruktur, ihrer etwaigen Tarifbindung und ihrer Organisationsform.

 

Allerdings bestimmt das Ergebnis des externen Vergleichs die angemessene Pflegevergütung nicht abschließend. Leistungsgerecht ist die Pflegevergütung nur dann, wenn sie mit nachvollziehbaren prognostischen Gestehungskosten unterlegt ist und sich im Hinblick auf die Vergütung anderer Einrichtungen nicht als unwirtschaftlich erweist. Die Pflegevergütungen anderer Einrichtungen können demzufolge nur eine Vergleichsgröße im Rahmen der Angemessenheitskontrolle darstellen, nicht aber eine unmittelbar verbindliche Bemessungsgröße für die Entgelte sein. Insoweit ist der externe Vergleich kein Ersatz für die von den Vertragsparteien und gegebenenfalls der Schiedsstelle vorzunehmenden Bewertung der Vergütungsforderung auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit, sondern Grundlage dieser Bewertung. Im Rahmen des externen Vergleichs sind in Anlehnung an das Urteil des BSG vom 17.12.2009 (Az.: B 3 P 3/08 R – juris Rn. 60 ff) drei Fallgruppen zu unterscheiden: Stets als leistungsgerecht anzusehen sind jene Entgelte, die über die günstigsten Eckwerte vergleichbarer Einrichtungen nicht hinausreichen. Insoweit ist mit dem niedrigsten Entgelt derjenige Betrag bezeichnet, der zur Erfüllung des Versorgungsauftrages als noch ausreichend angesehen wird. Weitere Prüfungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Betriebsführung und die Leistungsgerechtigkeit der Vergütung sollen in diesem Fall entbehrlich sein.

 

Ebenfalls regelmäßig ohne weitere Prüfung als leistungsgerecht anzusehen sind demnach Entgeltforderungen im unteren Drittel der vergleichsweise ermittelten Vergütungen. Auch oberhalb des unteren Drittels vergleichbarer Pflegevergütungen kann sich eine Forderung als leistungsgerecht erweisen, sofern sie auf einem – zuvor nachvollziehbar prognostizierten – höheren Aufwand der Pflegeeinrichtung beruht und dieser nach Prüfung im Einzelfall wirtschaftlich angemessen ist. Dies ist der Fall, soweit der Pflegedienst Gründe für ein höheres Entgelt aufzeigt und diese den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen. Gründe für einen in diesem Sinne als wirtschaftlich angemessen anzusehenden höheren Aufwand können sich insbesondere aus Besonderheiten im Versorgungsauftrag des Pflegedienstes ergeben. Rechtfertigende Gründe für ein höheres Entgelt können auch aus Standort und Größe eines Pflegedienstes folgen, wenn sich daraus wirtschaftliche Nachteile gegenüber der Lage oder dem Zuschnitt anderer Anbieter ergeben und der Sicherstellungsauftrag ohne die vergleichsweise teure Einrichtung nicht erfüllt werden kann.

 

Darüber hinaus können sich Gründe für einen in diesem Sinne als wirtschaftlich angemessen anzusehenden höheren Aufwand insbesondere aus Besonderheiten im Versorgungsauftrag der Einrichtung ergeben, etwa aus besonders personalintensiven Betreuungserfordernissen, aus besonderen Leistungsangeboten zugunsten der Heimbewohner oder einem in der Pflegequalität zum Ausdruck kommenden Personalschlüssel (BSG, Urteil vom 29. Januar 2009 – B 3 P 6/08 R – juris Rn. 36).

 

Schließlich genügen auch die Einhaltung der Tarifbindung und ein deswegen höherer Personalkostenaufwand stets den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung. Entscheidend kommt es jeweils in der Gesamtbewertung darauf an, ob der von einem Pflegedienst geforderte Vergütungssatz im Vergleich mit günstigeren Entgelten anderer Einrichtungen im Hinblick auf die Leistungen der Einrichtung und die Gründe für ihren höheren Kostenaufwand dennoch als insgesamt angemessen und deshalb leistungsgerecht anzusehen ist. Ist diese Frage zu bejahen, dann sind die Vergütungsforderungen auch oberhalb des unteren Vergleichsdrittels wirtschaftlich angemessen. Die Wahrung der Tarifbindung hat die Schiedsperson bei der Ausübung seines "billigen Ermessens" zu berücksichtigen. Der Sinn besteht nach der Ansicht des BSG im Urteil vom 25.11.2010 (Az.: B 3 KR 1/10 R – juris Rn. 40) darin,

 

  • den in der Pflege tätigen Arbeitnehmern eine ihren Leistungen und ihrem Einsatz für kranke und behinderte Mitmenschen angemessenes Arbeitsentgelt zu gewährleisten;

 

  • zu verhindern, dass der "Preiskampf" zwischen den verschiedenen Trägern von Pflegediensten und Pflegeheimen letztlich zu einer nicht vertretbaren Absenkung der Entgelte der Pflegekräfte und der Qualität der Leistungen führt, und sich das Entgeltniveau auf Dauer dem geltenden Mindestlohn-Niveau nähert;

 

  • den Anreiz zu verringern, kollektive Tarifverträge zu verlassen (Tarifflucht) und auf Leiharbeit, die Auslagerung von Aufgaben (Outsourcing) oder ähnliche kostensenkende – aber die Stammbelegschaft benachteiligende – Maßnahmen auszuweichen.

 

Der Grundsatz, dass die Wahrung der Tarifbindung der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung nicht entgegensteht, gilt nicht nur für kollektive Tarifverträge, sondern auch für Haustarifverträge. Eine Grenze ist allerdings dort zu ziehen, wo im Einzelfall die Höhe der tarifvertraglich vereinbarten Lohn- und Gehaltssteigerungen die von den anderen Einrichtungsträgern gezahlten Arbeitsentgelte deutlich übersteigt und es hierfür am Markt keine sachlichen Gründe gibt. Ein sachlicher Grund könnte z.B. darin bestehen, einen bisher vorhandenen Rückstand der Arbeitsentgelte bei gleicher beruflicher Qualifikation der Pflegekräfte und vergleichbarer Leistungsqualität allmählich auszugleichen und so der Gefahr der Abwerbung guter Kräfte durch Konkurrenzunternehmen vorzubeugen. Ist ein rechtfertigender Grund für überdurchschnittliche Steigerungen der Entgelte aber nicht ersichtlich, sind die Versicherungsträger und die Schiedspersonen nicht gehalten, die Tarifverträge in voller Höhe bei der Festsetzung der Vergütungen für die Pflegeleistungen zu berücksichtigen. Es gibt also keinen "Freibrief" der Tarifpartner, auf Kosten der Versicherungsträger und der Versicherten jedwede Tariferhöhung zu vereinbaren.

 

Der Grundsatz der Beitragsstabilität ist zu wahren (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris Rn. 39; Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 1/10 R – juris Rn. 43. Die Zahlung höherer als am Markt üblicher Preise wäre eine Subventionierung der Einrichtungsträger durch die Krankenkassen, die mit ihren gesetzlich bestimmten Aufgaben nicht in Einklang zu bringen wäre. Nach den §§ 2, 12 und 13 SGB V sollen die Krankenkassen ihren Mitgliedern den notwendigen Schutz im Krankheitsfall gewährleisten. Bei der Verwendung der zur Finanzierung dieses Aufwands eingezogenen Beiträge sind die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, ihre Leistungen auf das Notwendige und Angemessene zu beschränken. Dies lässt für eine Subventionierung von Anbietern keinen Raum. Diese stünde zudem im Widerspruch dazu, dass die Ausgaben der Krankenkassen durch Pflichtbeiträge der Versicherten finanziert werden, die von diesen nach der Vorstellung des Gesetzes nur zur Finanzierung des notwendigen Aufwandes der Krankenkassen eingezogen werden. Es ist allerdings nicht die Sache eines marktbeherrschenden Unternehmens, die Gewinnmargen seines Vertragspartners festzulegen. Ein solcher Eingriff in die Stellung des anderen Teils ist mit den Grundsätzen eines funktionierenden Wettbewerbs nicht zu vereinbaren (BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 – B 3 KR 23/07 R – juris Rn. 61). Die Steigerung der Grundlohnsummen ist ein plausibler, nachvollziehbarer Beurteilungsmaßstab für die Bestimmung der Vergütungen für die Leistung der häuslichen Krankenpflege. Eine Zweckmäßigkeitskontrolle erfolgt nicht (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris Rn. 37; Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 1710 R – juris Rn. 47).

 

Für die 1. Prüfungsstufe - Nachvollziehbarkeit der prognostizierten Kostenansätze – hat zunächst der Pflegedienst seine voraussichtlichen Gestehungskosten zu benennen und gegebenenfalls durch Unterlagen zu belegen. Daraus erwächst für die Leistungsträger aus der im Rechtsverhältnis zu den Versicherten bestehenden Treuhänderstellung bereits auf dieser ersten Prüfungsstufe die Rechtspflicht, die von der Einrichtung vorgelegte Kalkulation in sich und gegebenenfalls auch im Vergleich mit den Werten anderer Einrichtungen auf Schlüssigkeit und Plausibilität in dem Sinne zu prüfen, ob diese Kostenkalkulation eine nachvollziehbare Grundlage für die vergleichende Bewertung auf der zweiten Prüfungsstufe sein kann. Ist dies nicht der Fall, haben die Leistungsträger den Leistungserbringer bereits in dieser Phase der Prüfung substantiiert auf Unschlüssigkeit im eigenen Vorbringen hinzuweisen oder durch geeignete Unterlagen anderer Pflegedienste mit Verweis auf deren Kostenstruktur konkret darzulegen, dass die aufgestellte Kalkulation der voraussichtlichen Gestehungskosten nicht plausibel erscheint. Wird die Kostenprognose der Einrichtung durch ein solch substantiiertes Bestreiten der Kostenträger erschüttert, muss die Einrichtung wiederum im Nachweisverfahren weitere Belege dafür beibringen, dass ihre Vergütungsforderung auf einer plausiblen Kalkulation der voraussichtlichen Gestehungskosten beruht. Entsprechendes gilt für das Schiedsstellenverfahren (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 P 3/08 R – juris Rn. 65).

 

Für die 2. Prüfungsstufe – externer Vergleich – haben zunächst die Kostenträger dem Pflegedienst und – soweit die Schiedsstelle angerufen ist – dieser alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, die einen Vergleich der von der Einrichtung geforderten Vergütung mit den Vergütungen anderer Pflegedienste erlaubt. Dazu sind die Leistungsträger im Rahmen ihrer Sachwalterstellung im Verhältnis zu den Versicherten verpflichtet, weil die notwendige Kenntnis über die Pflegevergütungen der vergleichbaren Einrichtungen ausschließlich bei ihnen anfällt und die Angaben unschwer von ihnen aufbereitet werden können. Zu erstrecken haben sich die Angaben auf die Entgelte aller Einrichtungen in dem einschlägigen räumlichen Markt, also ohne Unterscheidung nach der Tarifbindung. Besteht hiernach – auf der Grundlage des externen Vergleichs – Rechtsfertigungsbedarf für eine Vergütung oberhalb des unteren Vergleichsdrittels, so hat zunächst die Einrichtung die Gründe dafür anzugeben und nachvollziehbar zu belegen, die – aus ihrer Sicht – höhere Vergütungsforderung angemessen erscheinen zu lassen. Dazu haben wiederum die Leistungsträger nach Maßgabe ihrer – notfalls zu beschaffenden – Marktkenntnis Stellung zu nehmen, sodass sowohl dem Einrichtungsträger als auch – bei ihrer Anrufung – der Schiedsstelle eine sachgerechte Beurteilung der Pflegesatzforderung möglich ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 P 3/08 R – juris Rn. 66).

 

Diese Grundsätze lassen sich weitestgehend auf die Vertragsparteien im Schiedsstellenverfahren nach § 75 SGB XII übertragen. Denn auch im SGB XII und im SGB IX sollen durch eine Wettbewerbsorientierung Anreize für möglichst kostengünstige Leistungen gesetzt werden (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 20. Juni 2019 – L 9 SO 3/13 KL – juris Rn. 36). Die unterschiedliche Finanzierung der Leistungen steht einem Rückgriff auf das SGB V und das SGB XI nicht entgegen. Denn es ist kein Grund erkennbar, weshalb mit den Beitragsmitteln der Versicherten (Kranken- und Pflegeversicherung) großzügiger umgegangen werden dürfte als mit dem Steueraufkommen des Staates (vgl. dazu Sächsisches LSG, Urteil vom 10. Juni 2015 – L 8 SO 58/14 KL – juris Rn. 34).

 

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Schiedsspruch aufzuheben. Die Schiedsstelle hat bereits keine Plausibilitätsprüfung vorgenommen. Sie hat weder die Personal- noch die Sachkosten nachvollziehbar geprüft. Obwohl der Antragsgegner die Notwendigkeit zweier nach der Entgeltgruppe 10 vergüteter Stellen für die beiden Führungskräfte noch in den mündlichen Verhandlungen bezweifelt hat, hat sich die Schiedsstelle nicht dazu veranlasst gesehen, die Kostenstruktur des Klägers eingehend zu betrachten. Sie hat während der mündlichen Verhandlung vom 2. Juni 2021 lediglich für zweifelhaft erachtet, ob die bisherige Regelung der Eingruppierung zweier Mitarbeiter in die Entgeltgruppe 10 wegen Leitungs- und Verwaltungstätigkeiten "so fortgeführt werden müsse". Mit den Sachkosten hat sie sich ersichtlich überhaupt nicht beschäftigt. Der Kläger hat mit Schreiben vom 5. November 2019 eine Kostenkalkulation, Lohnjournale und schließlich auch eine Übersicht über Sachkosten vorgelegt. Zwar hat der Antragsgegner – wie oben erwähnt – weitere Nachweise verlangt. Die Schiedsstelle hat sich jedoch erkennbar nicht mit den vom Kläger vorgelegten Nachweisen beschäftigt noch mit dem Vortrag des Beklagten, dass weitere Unterlagen vorzulegen seien. Der Senat geht daher davon aus, dass die Entscheidung der Schiedsstelle bezüglich der Tatsachengrundlage nicht hinreichend fundiert gewesen ist. Den Protokollen der mündlichen Verhandlungen ist zudem nicht zu entnehmen, dass die Schiedsstelle die Vergütungsforderung des Klägers für schlüssig erachtet haben könnte. Allerdings steht der Schiedsstelle bei der Plausibilitätsprüfung kein Entscheidungsfreiraum im eigentlichen Sinne zu. Mit Rücksicht auf ihre beschränkte Leistungskapazität obliegt ihr nur eine Schlüssigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten, die als solche gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar ist (BSG, Urteil vom 28. Januar 2021 – B 8 SO 6/19 R – juris Rn. 19; Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 18). Die prozentuale Erhöhung der Sachkosten um 3 Prozent ist nicht näher erläutert worden und erscheint – da ohne jeden Bezug – als willkürlich.

 

Einen externen Vergleich hat die Schiedsstelle nicht durchgeführt. Der Beklagte hat während des Vergütungsverfahrens zwar eine Übersicht mit anderen Leistungsanbietern vorgelegt. Offen geblieben ist dabei allerdings, ob es sich tatsächlich um Leistungserbringer handelt, die vergleichbare Leistungen anbieten wie der Kläger. Denn der Beklagte hat nicht darüber informiert, welche Leistungen diese Anbieter erbringen. Die Schiedsstelle hat sich allerdings nicht mit dieser Übersicht befasst. Kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2021 sind zwei Schiedsstellenmitglieder darauf eingegangen, dass über die Personalkosten noch nicht detailliert gesprochen worden sei. Nachdem der stellvertretende Vorsitzende kein Potential für eine Einigung zwischen den Beteiligten zu erkennen vermochte, zog sich die Schiedsstelle zur Beratung zurück, um den Schiedsspruch abzufassen. Die pauschale Erhöhung der Personal- und Strukturausgleichskosten um 3,33 Prozent unter Hinweis auf erfolgte Tariferhöhungen vermag den externen Vergleich nicht zu ersetzen. Zwar sind tarifliche Vergütungen im Rahmen eines solchen Vergleichs nicht als unwirtschaftlich zu bewerten. Gleichwohl müssen die Vergütungen vergleichbarer Dienste zunächst überhaupt herangezogen werden – auch wenn sie kein Ergebnis vorgeben - um die Bewertung der Forderung eines Leistungserbringers durch die Schiedsstelle zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 25. April 2018 – B 8 SO 26/16 R – juris Rn. 19, 20).

 

Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit verlangen allerdings den Vergleich mit anderen Leistungserbringern (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 16; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 1. Dezember 1998 – 5 C 17/97 – juris Rn. 25). Nach dem Grundkonzept des SGB XI sollen durch eine solche Wettbewerbsorientierung Anreize für möglichst kostengünstige Leistungen gesetzt werden; diese Ziele gelten in gleicher Weise für das SGB XII (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 16). Der Schiedsspruch ist bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil die Schiedsstelle die normativen Vorgaben des § 75 SGB XII nicht eingehalten und damit ihren Beurteilungsspielraum überschritten hat (vgl. dazu BSG, Urteil vom 26. September 2019 – B 3 P 1/18 R – juris Rn. 25). Soweit die Vergütung nicht durch eine Einigung der Vertragsparteien unstreitig festgesetzt wird, ist die Angemessenheitsprüfung der geforderten Vergütung sowohl nach der ersten Prüfungsstufe als auch anhand des externen Vergleichs in vollem Umfang Aufgabe der Schiedsstelle, die diese grundsätzlich in eigener Verantwortung und unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes durchzuführen hat (BSG, Urteil vom 26. September 2019 – B 3 P 1/18 R – juris Rn. 31). Dabei darf die Schiedsstelle sich ihrer Verantwortung, die Vergütungsforderung auf ihre Angemessenheit hin zu bewerten, nicht dadurch entziehen, indem sie diese als "unstreitig" hinnimmt, weil die Vertragsparteien gegen ein solches Vorgehen keine Einwände erhoben haben. Soweit eine Schiedsstelle einzelne Entgelte durch einen konkret bezifferten Betrag festsetzt, trägt sie die Gesamtverantwortung für deren Leistungsgerechtigkeit und Angemessenheit. Dazu hat sie die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der prospektiv dargelegten Kostenkalkulation hinreichend zu prüfen und deren Angemessenheit im externen Vergleich zu bewerten (BSG, Urteil vom 26. September 2019 – B 3 P 1/18 R – juris Rn. 34).

 

Bezüglich der zwei nach der Entgeltgruppe 10 vergüteten Mitarbeiter ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Plausibilitätsprüfung auf der ersten Stufe die tatsächlichen Personalkosten zu betrachten sind. Dabei sind Vergütungen nach den AVR wie tarifliche Regelungen zu werten, selbst wenn sie vom Arbeitgeber lediglich kraft einzelvertraglicher Einbeziehung auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Ihre Angemessenheit ist im Grundsatz einer externen vergleichenden (marktorientierten) Kontrolle nicht mehr zugänglich. Zahlt aber eine Einrichtung Gehälter nach Tarifvertrag (bzw. AVR) oder sonstige ortsübliche Arbeitsvergütungen, kann ihr regelmäßig nicht entgegengehalten werden, dass andere Träger geringere Entgelte zahlen und deshalb ihr Aufwand einer wirtschaftlichen Betriebsführung nicht entspreche; die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter sind danach grundsätzlich als wirtschaftlich angemessen zu werten und genügen insoweit den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung. Darin liegt somit ein nachvollziehbarer plausibler Aufwand der Einrichtung, unabhängig davon, ob andere Einrichtungen eine günstigere Kostenstruktur aufweisen (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 19).

 

Der Beklagte könnte sich im Hinblick auf die tarifliche Einstufung beider Mitarbeiter überlegen, ob diese aufgrund von Besonderheiten im Betrieb des Klägers gerechtfertigt sein könnten. Sollte es den Beteiligten gelingen, ihre Kommunikation zu verbessern, wäre es ihnen sicher möglich, die Potentiale zu nutzen, die Vergütungsverhandlungen grundsätzlich bieten. Der Kläger könnte die Bitte des Beklagten, Aufschluss über die aktuelle Kostenstruktur zu erlangen, als Chance begreifen, seinen Betrieb und seine Dienstleistungen zu präsentieren, um auf diese Weise seine Vergütungsforderung anschaulich und nachvollziehbar zu unterlegen. Denn die Darlegungs- und Substantiierungslast für die fehlende Sicherstellung der notwendigen ambulanten Versorgung im Fall ausgeschöpfter Wirtschaftlichkeitsreserven liegt bei den Leistungserbringern, die über die erforderlichen Daten verfügen
(BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris Rn. 47). Beim Beklagten würden sich womöglich Sichtweisen ändern oder neue Einsichten über den Betrieb des Klägers entstehen mit der Folge, dass sich wechselseitiges Vertrauen einstellt. Über solche Prozesse im Rahmen von Vergütungsverhandlungen – ohne Schiedsverfahren oder, wie im Falle der Beteiligten nicht selten, ausgetragenen gerichtlichen Streitigkeiten - mag dann auch die Bereitschaft wachsen, deutlich entspannter mit erheblich geringerem Aufwand zu akzeptablen und zeitgerechten Abschlüssen zu gelangen. Es mag auch an dem Eindruck des Beklagten liegen, keinen umfassenden Überblick über die Kostenstruktur des Klägers zu haben, wenn er sehr viele und detaillierte Angaben und Nachweise vom Kläger verlangt. Sobald die Beteiligten vertrauensvoller verhandeln, werden sich solche Probleme vermutlich nicht mehr stellen. Grundsätzlich gilt bezüglich der Kostenstruktur: Soweit in den Vergütungsverhandlungen auf nachvollziehbar festgesetzte Vergütungen der Vorjahre als Basis für aktuelle Vergütungsverhandlungen zurückgegriffen werden kann, bezieht sich die Darlegungs- und Substantiierungslast lediglich auf die eingetretenen Veränderungen, die eine Erhöhung der zuvor vereinbarten Vergütung rechtfertigen. Damit werden an den Leistungserbringer keine unzumutbaren Darlegungslasten gestellt (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris Rn. 47). Der Beklagte wird künftig dazu gehalten sein, Standards und Strukturen zu entwickeln, die einen Vergleich mit anderen Leistungserbringern ermöglichen. Ob dazu die Angaben in ihrer Anlage 8 ausreichen, muss der Senat nicht entscheiden. Empfehlenswert wäre aber sicher, durch detailliertere Angaben, darunter Angaben zu den Betreuungsplätzen sowie die Anzahl der Mitarbeiter, für größere Transparenz zu sorgen.

 

Die Schiedsstelle hat nicht die Funktion eines staatlichen Gerichts und hat das Schiedsverfahren daher auch nicht wie ein Gerichtsverfahren durchzuführen. Sie steht vielmehr im Lager der Vertragspartner, die an ihrer Stelle eine vertragsergänzende Leistungsbestimmung vornimmt (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris Rn. 50). Dabei ist es grundsätzlich unbedenklich, wenn sich eine Position der Beteiligten nahezu vollständig durchsetzt, denn es besteht kein Zwang der Schiedsstelle, beide Beteiligtenpositionen in einem bestimmten Umfang zu verwirklichen (Thüringer LSG, Urteil vom 24. Juni 2020 – L 8 SO 787/18 KL – juris Rn. 67). Fraglich ist aber, ob sehr aufwendige und weitreichende Prüfungen überhaupt Aufgabe der Schiedsstelle sein können oder ob diese einem ausdrücklich normativ oder vertraglich institutionell vorgesehenen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren vorzubehalten sind. Zu berücksichtigen ist, dass allein wegen der Anrufung der Schiedsstelle wegen einer streitig gebliebenen Vergütungsvereinbarung dieser nicht grenzenlos die Vertragspflichten der Parteien zuwachsen. Eine solche Vorstellung würde die strukturellen Kapazitäten der Schiedsstelle verkennen und eigene Pflichten unzulässigerweise auf ein Vertragshilfeorgan übertragen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 21, 23).

 

Der Kläger ist nicht dazu berechtigt, nicht konkretisierte Risiken prozentual bezogen auf die prospektiven Personal- und Sachkosten zu kalkulieren (ebenso: BSG, Urteil vom 26. September 2019 – B 3 P 1/18 R – juris Rn. 37 ff; Thüringer LSG, Urteil vom 24. Juni 2020 – L 8 SO 787/18 KL – juris Rn. 71; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 20. Juni 2019 – L 9 SO 3/13 KL – juris Rn. 40, 43; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2018 – L 23 SO 300/15 KL – juris Rn. 46). Zwar gehört die Kalkulation der Möglichkeit, mit der Vergütung Gewinne zu erzielen, zum Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle. Allerdings gibt das Gesetz dafür richtungsweisende Maßgaben vor. Die pauschale Orientierung an den Verzugszinsen für Sozialleistungsberechtigte in Höhe von 4 Prozent nach § 44 SGB I ist jedenfalls rechtswidrig, weil es sich bei der Vergütung um keine Sozialleistung handelt. Die Schiedsstelle ist aber dazu gehalten, sich von der Plausibilität und der Nachvollziehbarkeit der prospektiv dargelegten Kostenstruktur ein eigenes Bild zu machen und mindestens die wesentlichen Eckpunkte der Kostenstruktur des Leistungserbringers einer wertenden Betrachtung im Hinblick auf Gewinnmöglichkeiten zu unterziehen. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass – unabhängig vom tatsächlich in der Vergangenheit erreichten Auslastungsgrades – mit einem Auslastungsgrad von 98 Prozent kalkuliert wird. Die Betrachtung des tatsächlich in den zurückliegenden Jahren erreichten Auslastungsgrades kann Aufschluss darüber geben, ob dieser Aspekt im Folgejahr wahrscheinlich eher positiv zu Buche schlagen wird, weil die kalkulierten 98 Prozent regelmäßig übertroffen werden oder ob dieser Ansatz wahrscheinlich nicht erreicht werden kann, was dann negativ zu verbuchen wäre. Es ist gerade Aufgabe der Schiedsstelle, sich mit solchen einrichtungsspezifischen Unterschieden zu befassen und dabei nach ihrem Ermessen auch zu berücksichtigen, ob eine Einrichtung den durchschnittlichen Auslastungsgrad wegen eines hinreichenden anderweitigen Versorgungsangebots voraussichtlich nicht erreicht oder ob diese Einrichtung zur Vorhaltung ausreichender Plätze für die betroffene örtliche Versorgungsinfrastruktur besonders bedeutsam ist. Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit der geforderten Vergütung dürfte regelmäßig auch die Höhe eines oder mehrerer Geschäftsführerentgelte und –nebenleistungen (darunter Dienstwagenregelungen, Bonus- und Freistellungsregelungen, der Geschäftsführung zuarbeitender Personalkörper) sein, durch welche mehr oder weniger große Teile der Gewinne bereits abgeschöpft werden können (BSG, Urteil vom 26. September 2019 – B 3 P 1/18 R – juris Rn. 29, 30, 37).

 

Eine zusätzliche, prozentual am Umsatz ausgerichtete pauschale Gewinnmarge wird regelmäßig nur dann angemessen sein, wenn sich die Vergütungen einschließlich dieser Gewinnmarge auch im externen Vergleich noch als leistungsgerecht erweist. Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit rufen dabei erkennbar zur Zurückhaltung auf. Dabei liegt auch die Erwägung nicht fern, ob etwas daraus zu folgen hat, dass es sich bei einzelnen Leistungserbringern – wie dem Kläger – um steuerrechtlich begünstigte, in ihrer wirtschaftlichen Ausrichtung begrenzte Einrichtungen handelt, die als gemeinnützige Organisationen verfasst sind und ihre Erträge nur für gemeinnützige Zwecke verwenden dürfen. Das Gebot der Zurückhaltung muss jedenfalls allgemein insbesondere für Gewinnmargen gelten, die Leistungserbringer zusätzlich fordern, sofern ihre Aufwendungen bereits vollständig prospektiv refinanziert werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 26. September 2019 – B 3 P 1/18 R – juris Rn. 40, 43).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei ist dem Senat bekannt, dass für jedes Verfahren der VwGO der Grundsatz gilt, dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt
(§ 154 Abs. 1 VwGO), und zwar unabhängig von den Gründen des Unterliegens. Unterliegender Teil ist, wessen Sachantrag in vollem Umfang in der rechtskräftigen Entscheidung erfolglos bleibt. Ob die Auferlegung der Kosten billig ist, darf vom Gericht grundsätzlich nicht geprüft werden. Billigkeitserwägungen können aber im Rahmen der Verschuldenshaftung nach § 155 Abs. 4 VwGO bedeutsam sein (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2017, § 154 Rn. 2). Die Vorschriften über die Ausnahmen vom formalen Gesichtspunkt des erfolglosen Ergreifens eines Rechtsbehelfs, die unter speziellen Verursachungs- bzw. Verschuldensgesichtspunkten eine Haftung für Mehr-, Teil- oder Gesamtkosten unabhängig vom Prozesserfolg vorsehen (§§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4, 156 VwGO) sind gegenüber dem allgemeinen Unterliegensprinzip spezieller und daher vorrangig (vgl. Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 154 Rn. 4). Die Generalklausel des § 155 Abs. 4 VwGO ist bei jeder Kostenentscheidung zu berücksichtigen und sprengt insoweit den starren Rahmen der Kostenverteilung. Dem Gericht wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, für die Kostenentscheidung auch das prozessuale und ggf. auch das vorprozessuale Verhalten der Beteiligten zu werten. Voraussetzung der Haftung aus § 155 Abs. 4 VwGO ist, dass ein Beteiligter unter Außerachtlassung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt durch eigenes Verhalten einen anderen Beteiligten oder das Gericht zu Prozesshandlungen oder Entscheidungen veranlasst hat, die an sich nicht erforderliche Kosten verursachen (Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2017, § 155 Rn. 5).

Davon hat der Senat aufgrund des Verhaltens der Beteiligten während des Vergütungsverfahrens, aber auch während des Verfahrens vor der Schiedsstelle Gebrauch gemacht. Zu berücksichtigen ist dabei zunächst, dass der Senat den Schiedsspruch ausschließlich aus Gründen aufgehoben hat, die der lediglich formal obsiegende Kläger nicht geltend gemacht hat. Nachdem die Vergütungsforderung des Klägers weder auf ihre Schlüssigkeit geprüft noch im Rahmen des externen Vergleichs bewertet worden ist (s.o.), konnte sich der Senat allerdings nicht auf die zwischen den Beteiligten "strittigen Punkte" gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB XII beschränken. Die Beteiligten haben aufgrund ihres Vorgehens die Überprüfung der geltend gemachten Forderung und ihre Bewertung durch externen Vergleich verhindert und damit einer der grundlegenden Vorgaben des Vergütungsrechts nach § 75 SGB XII zuwidergehandelt. Nach der Überzeugung des Senats erscheint es nicht sachgerecht, die Gründe für das Scheitern der Vergütungsverhandlungen allein beim Beklagten erkennen zu wollen. Der Kläger hat sowohl das Vergütungsverfahren als auch das Schiedsverfahren schließlich wie ein streitiges Gerichtsverfahren geführt. Die Bitte des Beklagten, weitere Nachweise zu erhalten, war nicht als "uferlos" misszuverstehen. Wie oben aufgezeigt, ist der Leistungserbringer dazu verpflichtet, die notwendigen Unterlagen vorzulegen, damit der Leistungsträger die Schlüssigkeit der Forderung zu prüfen vermag. Beide Seiten müssen hier das nötige Feingefühl aufbringen. "Schlüssigkeit" heißt Plausibilität, nicht letzte Gewissheit, so dass der Leistungsträger sich nicht in kleinste Details der Kostenstruktur verlieren darf. Der Leistungserbringer hat die oben beschriebene Rolle des Leistungsträgers als "Sachwalter" zu berücksichtigen und ist verpflichtet, ihm die Schlüssigkeitsprüfung ebenso zu ermöglichen wie die Bewertung der Forderung im Rahmen des externen Vergleichs. Denn vergleichbare Leistungserbringer vermag der Beklagte erst dann auszumachen, wenn ihm die Kostenstruktur des Klägers bekannt ist. Es genügt dabei nicht, sich über die jeweils andere Vertragspartei aufzuregen. Der Gesetzgeber hat sich – wie aufgezeigt – für dieses durchaus anspruchsvolle Modell der Vergütungsfindung entschieden und verlangt den Beteiligten nicht nur etwas ab, sondern eröffnet ihnen Gestaltungsspielräume. Diese haben die Beteiligten noch nicht genutzt. Nach der Aufhebung des Schiedsspruchs durch den Senat haben sie die Chance, auch wenn das Verfahren vor der Schiedsstelle wieder eröffnet ist (s.o.), eigenständig eine Vereinbarung zu treffen. Dabei sollte der Beklagte den Überblick über vergleichbare Leistungserbringer im Rahmen des externen Vergleichs transparenter gestalten. Insgesamt haben beide Beteiligte in gleichem Maße das Scheitern der Vergütungsverhandlungen und des Verfahrens vor der Schiedsstelle verursacht, sicher nicht zuletzt mit Blick auf die mögliche Klage vor dem Senat. Dafür spricht, dass auch der Schiedsspruch für das Geschäftsjahr 2021 beklagt ist (beim Senat anhängig unter dem Az. L 8 SO 47/22 KL).

 

Daher ist es sachgerecht, den Beteiligten gleichermaßen die Kosten nach § 155 Abs. 4 VwGO aufzuerlegen, da sie diese gemeinsam durch mangelhafte Kommunikation und fehlendes wechselseitiges Verständnis der gesetzlich vorgesehenen Rollen des jeweils anderen Vertragspartners schuldhaft verursacht haben.

 

 

 

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit
§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.

 

 

Rechtskraft
Aus
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