L 19 R 643/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 774/19
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 643/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Frage der Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach den Regelungen des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.

 

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.10.2020 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

T a t b e s t a n d :

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin ein weiterer halber persönlicher Entgeltpunkt (0,5) wegen Kindererziehung für ihre Tochter D aufgrund der Neuregelung der sog. Mütterrente II ab dem 01.01.2019 zuzuerkennen ist und sie in der Folge Anspruch auf eine höhere Altersrente hat.

Die 1952 geborene Klägerin war mit einem Soldaten der United States Armed Forces verheiratet. In der Zeit von Januar bis Oktober 1985 hielt sich die Klägerin mit ihrem Mann in den USA auf und brachte dort 1985 das gemeinsame Kind M zur Welt. Ab dem 08.10.1985 hielt sich die Familie bis Januar 1988 wieder in Deutschland auf. Am 22.12.1986 brachte die Klägerin die gemeinsame Tochter D zur Welt. Von Januar 1988 bis Juli 1992 hielt sich die Familie wieder in den USA auf. Seit 01.07.1992 lebt die Klägerin in Deutschland. Nach Angaben der Klägerin wurde die Ehe am 28.01.1998 geschieden.

Mit Bescheid der Beklagten vom 25.02.2005 wurden im Rentenkonto der Klägerin folgende Zeiten der Kindererziehung anerkannt:
-   Für die am 10.05.1985 geborene Tochter M die Zeit vom 01.10.1985 bis 31.01.1988 als Kindererziehungszeit; die Zeiten vom 01.10.1985 - 31.01.1988 sowie vom 01.07.1992 bis 09.05.1995 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung
Die Zeit vom 10.05.1985 bis 30.09.1985 sowie vom 01.02.1988 bis 30.06.1992 könne nicht als Berücksichtigungszeit anerkannt werden, weil die Tochter M in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei.

-   Für die am 22.12.1986 geborene Tochter D die Zeit vom 01.01.1987 bis 31.12.1987 als Kindererziehungszeit; die Zeiten vom 22.12.1986 bis 31.01.1988 sowie vom 01.07.1992 bis 21.12.1996 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung.
Die Zeit vom 01.02.1988 bis 30.06.1992 könne nicht als Berücksichtigungszeit anerkannt werden, weil die Tochter D in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei.

Gegen den Bescheid vom 25.02.2005 legte die Klägerin nur im Hinblick auf geltend gemachte Ausbildungszeiten Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2006 zurückgewiesen worden war.

Aufgrund eines Antrags vom 19.01.2006 gewährte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.01.2006 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer, wobei teilweise eine Anrechnung von Einkommen sowie einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgte.

Mit Bescheid der Beklagten vom 14.10.2015 wurde die Rente ab dem 01.12.2015 in eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen umgewandelt und der Klägerin eine Altersrente in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 862,10 € (Bruttorente 962,69 €) zuerkannt. In dem dem Bescheid beigefügten Versicherungsverlauf fanden sich die mit dem Bescheid von 2005 zuerkannten Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in dem oben beschriebenen Umfang. Weiterhin waren Zeiten des Auslandsaufenthalts in den USA als Pflichtbeitragszeiten (nur für den Anspruch) aufgelistet.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 26.03.2019 berechnete die Beklagte die bisherige Altersrente für schwerbehinderte Menschen wegen eines höheren Zuschlags für Kindererziehung ab dem 01.01.2019 neu und bewilligte der Klägerin eine monatliche Rente in Höhe eines Bruttobetrages von 1.071,65 € (Zahlbetrag 956,98 €). Der bisherigen Berechnung hätten 32,9576 persönliche Entgeltpunkte zugrunde gelegen. Diese seien um 0,5000 für 1 Kind zu erhöhen.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 03.04.2019 Widerspruch ein. Sie könne sich den Nachzahlungsbetrag von 42,88 € nicht erklären und bitte um Überprüfung. Sie habe vor 1992 zwei Kinder geboren. Mit weiterem Schreiben vom 06.04.2019 wies die Klägerin auf die Anwendbarkeit des NATO-Truppenstatuts aufgrund der Ehe mit einem US-Soldaten sowie auf die doppelte Staatsangehörigkeit ihrer beiden Töchter hin.

Mit Schreiben vom 01.08.2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Zuschlag nach der "Mütterrente II" nur für die Tochter M berücksichtigt werden könne. Da die Berücksichtigungszeit für die Tochter D im Januar 1989 wegen Auslandsaufenthalt abgelehnt worden sei, habe kein Zuschlag in Höhe von 0,5 Entgeltpunkten anerkannt werden können. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Klägerin und ihr Ehemann in den USA gelebt und beide hätten keinen Bezug zur deutschen Rentenversicherung gehabt. Dass ihre Kinder die Doppelstaatlichkeit besäßen, sei bei der Prüfung der Anerkennung der Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nicht von Bedeutung. Die Höhe des Nachzahlungsbetrags erkläre sich aufgrund einer Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung und einer Änderung des Zusatzbeitrages zur Krankenversicherung der Klägerin.

Mit Schreiben vom 08.08.2019 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass für sie das NATO-Truppenstatut anzuwenden sei. Der aktive Dienst als Soldat bringe verschiedene Einsatzorte mit sich und hieraus sollten keine Nachteile für Familienangehörige entstehen. Dies ergebe sich aus Art 13 Abs 1 Satz 1 des NATO-Truppenstatuts. Mit der rechtskräftigen Scheidung sei der Status einer Angehörigen eines Mitglieds der NATO-Truppe verloren und damit das deutsche Sozialrecht wieder anzuwenden und die Sozialversicherungspflicht und entsprechende Berechnungszeiten anzuerkennen. Sie habe zu jeder Zeit die deutsche Staatsangehörigkeit und als Erziehende mit den Kindern M und D ihren gewöhnlichen Aufenthalt hier gehabt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2019 als unbegründet zurück. Voraussetzung für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten sei, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt mit dem Kind im Inland vorliege und eine Beitragsleistung zur deutschen Rentenversicherung erfolgt sei. Im Januar 1989 und somit im 24. Kalendermonat der Erziehung habe sich die Klägerin mit dem Kind D in den USA aufgehalten. Eine Inlandserziehung liege deshalb nicht vor und könne im Rahmen des § 307d Abs 1 S 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - nicht berücksichtigt werden.

Zur Begründung der hiergegen am 23.12.2019 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 06.02.2020 ausgeführt, dass es in dem hier vorliegenden, besonderen Einzelfall nicht auf das Tatbestandsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthalts ankommen könne. Die Klägerin sei seit August 1984 mit Herrn A, welcher Angehöriger der Armed Forces USA gewesen sei, verheiratet gewesen. Die Ehe sei im Standesamt A im Melderegister eingetragen gewesen und sodann auch in Berlin registriert worden, um die Anwendung des NATO-Truppenstatuts zu dokumentieren. Das Kind D sei in Deutschland geboren und habe die deutsche Staatsbürgerschaft. Zwar habe die Familie im 24. Kalendermonat der Erziehung der Tochter D in den USA gelebt, weil der Vater des Kindes als Truppenangehöriger dorthin versetzt worden sei. Beide Kinder hätten ihre deutschen Staatsbürgerschaften behalten. Es sei zu jedem Zeitpunkt des Aufenthalts in den USA der Wille der ganzen Familie gewesen, mit den Kindern wieder nach Deutschland zu kommen, sobald der Armeedienst ihres Mannes dies zuließe. Der Ehemann habe ebenfalls seine Versetzung nach Deutschland beantragt, weshalb die Familie auch wieder in Deutschland stationiert worden und schlussendlich, wie geplant, auch geblieben sei. Die Klägerin habe sowohl unmittelbar vor der Geburt der Kinder sowie unmittelbar danach den von der Beklagten geforderten Bezug zur deutschen Rentenversicherung gehabt, da sie sich in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befunden habe. Bis zum 31.12.1987 habe sie Beiträge entrichtet. Sodann sei die Klägerin ab 1996, als es die Kindererziehung zugelassen habe, wieder einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Gemäß den Erläuterungen zum Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung Ziff. 10.2 könnten Erziehungszeiten auch Elternteilen, die Mitglieder einer Truppe/eines zivilen Gefolges im Sinne des NATO-Truppenstatuts beziehungsweise deren Angehörige seien oder gewesen wären, unter den allgemeinen Voraussetzungen angerechnet werden. Es könne gerade nicht (ausschließlich) an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werden. Dies würde zu einer unangemessenen Benachteiligung führen, weil man als Mitglied einer Truppe naturgemäß nirgends einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs 3 S 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - begründe, da Versetzungen und Stationierungen jederzeit und regelmäßig an verschiedene Orte erfolgen könnten, so dass immer nur ein vorübergehendes Verweilen gegeben sei. Verwiesen werde auf die Entscheidung des SG Nürnberg vom 11.04.2017 - S 3 EG 7/17. Danach sei es unangemessen, für Personen, die unter das NATO-Truppenstatut fallen würden, allein wegen ihres tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland und ihren Beziehungen untereinander oder zu der jeweiligen Truppe Rechte und Pflichten durch deutsche Bestimmungen der sozialen Sicherheit und Fürsorge zu begründen. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass der Klägerin nicht allein aufgrund des Aufenthalts außerhalb Deutschlands der Bezug zur Rentenversicherung abgesprochen werden könne. Auch das LSG Baden-Württemberg habe mit seinem Urteil vom 28.04.2009 - L 11 EL 5023/08 zum Erziehungsgeld entschieden, dass es keinen Grund gebe, rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung, die außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften oder ihrem zivilen Gefolge begründet worden seien, nur deshalb zu beschneiden, weil es sich gleichzeitig um Mitglieder der NATO-Streitkräfte, des zivilen Gefolges oder Angehörige handele. Aus den gleichen Gesichtspunkten müsse diese Rechtsprechung auch auf rentenrechtliche Ansprüche übertragen werden. Lehnte man die Anrechnung der Erziehungszeiten mangels gewöhnlichem Aufenthalts der Klägerin in Deutschland ab, würde dies mittelbar zu einer Beschneidung ihrer rechtlichen Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung nur aufgrund der Anwendbarkeit des NATO-Truppenstatuts führen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 26.03.2020 darauf hingewiesen, dass die Anerkennung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Abs 3 S 2 und 3 SGB VI bei Erziehungszeiten im Ausland eine enge Beziehung der Erziehenden zur Arbeits- und Erwerbswelt in Deutschland verlangen würde (sog. Inlandsintegration). Dies sei weder bei der Klägerin noch bei ihrem Ehemann der Fall gewesen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten Lücken in der sozialen Biographie des Erziehenden geschlossen werden, die dadurch entstünden, dass sich der Erziehende, anstatt eine Erwerbstätigkeit auszuüben der Kindererziehung widme. Dies sei im vorliegenden Fall weder bei der Klägerin noch bei deren Ehepartner, der als amerikanischer Staatsbürger bei den NATO-Truppen tätig sei, der Fall. Eine Integration in die inländische Arbeits- und Erwerbswelt liege während der Auslandsaufenthalte nicht vor. Es habe sich auch nicht um einen vorübergehenden kurzfristigen Auslandaufenthalt gehandelt.

Das SG hat sodann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2020 durch Urteil vom gleichen Tag die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26.03.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2019 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Nach § 307d Abs 1 S 3 SGB VI werde ab dem 01.01.2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 01.Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente bestanden habe und wenn (Nummer 1) in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 S 2 SGB VI nicht angerechnet worden sei und wenn (Nummer 2) kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a SGB VI bestehe. Nach § 57 Satz 1 SGB VI sei die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorlägen. Für einen Elternteil werde eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen sei, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei oder einer solchen gleichstehe und der Elternteil von der Anrechnung nicht ausgeschlossen sei (§ 56 Abs 1 S 2 SGB VI).

Bei der Tochter D sei für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, also für Januar 1989, keine Berücksichtigungszeit in der Rente angerechnet. Dies stehe bestandskräftig aufgrund der Bescheide vom 25.02.2005 und 14.10.2015 fest. Bereits deshalb scheide ein Anspruch auf den Zuschlag von 0,5 Entgeltpunkten aus. Aber auch wenn dies nicht bereits bestandskräftig festgestellt worden wäre, lägen die Voraussetzungen nach § 307d Abs 1 S 3 SGB VI nicht vor, weil im 24. Kalendermonat keine Erziehung im Inland stattgefunden habe. Auch sei die in den USA zurückgelegte Erziehungszeit einer Erziehung im Bundesgebiet nicht gleichgestellt. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des NATO-Truppenstatuts, das den Aufenthalt von Streitkräften der NATO und deren Angehörigen auf dem Gebiet anderer NATO-Staaten regle. Während des Aufenthalts in den USA sei das NATO-Truppenstatut ohne Belang gewesen, weil der Ehemann der Klägerin als Mitglied der United States Armed Forces während dieser Zeit in seinem Heimatstaat war. Dies gelte auch für das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut. Eine Anwendung des NATO-Truppenstatuts bzw. des Zusatzabkommens würde im Übrigen genau das Gegenteil dessen bedeuten, was die Klägerin wünsche, nämlich dass geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und auf Angehörige nicht angewendet würden (Art 13 Satz 1 des NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen). Denn es wäre unangemessen, für diese Personen allein wegen ihres tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland und ihren Beziehungen untereinander oder zu der jeweiligen Truppe Rechte und Pflichten durch deutsche Bestimmungen der sozialen Sicherheit und Fürsorge zu begründen. Hingegen finde deutsches Sozialrecht uneingeschränkt Anwendung, wenn und soweit seine Normen für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen zu deutschen Leistungsträgern an andere Umstände (z. B. Beziehungen dieser Personen zu anderen inländischen Rechtssubjekten) anknüpften. So seien neben dem Aufenthalt im Bundesgebiet noch andere Umstände maßgeblich gewesen, die zu dem von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zitierten positiven Urteil des SG Nürnberg vom 11.04.2017 geführt hätten. Vorliegend fehle es aber bereits an einem Aufenthalt der Klägerin im Bundesgebiet, weil die Klägerin im fraglichen Zeitraum mit ihrer Familie in den USA gewesen sei. Die Klägerin werde demnach wie jeder andere Elternteil behandelt, der sein Kind ganz oder zum Teil im Ausland erzogen habe.

Zur Begründung der hiergegen am 21.12.2020 beim SG eingelegten Berufung, die am 29.12.2020 an das Bayer. Landessozialgericht weitergeleitet wurde, wiederholt die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Wesentlichen ihren Sachvortrag in erster Instanz und weist zusätzlich darauf hin, dass auch die beiden Töchter der Klägerin seit der Rückkehr aus den USA bis heute in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft seien und beitragspflichtigen Beschäftigungen nachgehen würden. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass auf die Bestandskraft eines Bescheides aus dem Jahr 2005 nicht abgestellt werden dürfe. Der Klägerin würde dadurch der Rechtsweg gegen den aktuellen Bescheid rechtswidrig beschnitten. Dies erscheine im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip unerträglich. Die Klägerin habe logischerweise im Jahr 2005 noch keine Kenntnis von der zukünftigen Rechtslage haben können.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.10.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung des Bescheids vom 26.03.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2019 einen weiteren persönlichen Entgeltpunkt von 0,5 für ihr am 22.12.1986 geborenes Kind D zuzuerkennen und ihr ab dem 01.01.2019 eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.10.2020 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - erklärt.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 27.10.2020 die Klage als unbegründet abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 26.03.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2019 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Klägerin steht für ihre Tochter D kein weiterer persönlicher Entgeltpunkt von 0,5 zu, weil sie die hierfür in § 307d Abs 1 S 3 SGB VI genannten Voraussetzungen nicht erfüllt.

Unstreitig hat die Klägerin vor 1992 zwei Töchter, M und D, geboren. Für die beiden Töchter sind im Versicherungskonto der Klägerin Zeiten der Kindererziehung nach § 56 SGB VI und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach § 57 SGB VI mit Bescheid vom 25.02.2005 bestandskräftig anerkannt worden und sowohl bei der von der Klägerin seit 01.01.1996 durchgehend bezogenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit als auch bei der unmittelbar anschließenden Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.12.2015 zugrunde gelegt worden.

Gemäß § 307 d Abs 1 S 3 SGB VI wird ab dem 01.Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 01.Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1. in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 S 2 SGB VI nicht angerechnet wurde und
2. kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a SGB VI besteht.

Ein Anwendungsfall der §§ 294, 294a SGB VI liegt offensichtlich nicht vor, weil die Klägerin nicht vor 1921 geboren ist. Ebenso liegt ein Fall des § 57 S 2 SGB VI nicht vor, da die Klägerin nicht selbständig tätig gewesen ist. Damit ist ein zusätzlicher halber Entgeltpunkt nach § 307d Abs 1 S 3 SGB VI dann zuzuerkennen, wenn für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind in der Rente der Klägerin für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung zuerkannt ist. Dies war bei der am 30.06.2014 von der Klägerin bezogenen Erwerbsminderungsrente und auch bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen, die die Klägerin seit dem 01.12.2015 bezieht, für die Tochter M der Fall, nicht jedoch für die Tochter D. Die Beklagte hat deshalb zutreffend in Umsetzung der in § 307d Abs 1 S 3 SGB VI genannten Voraussetzungen einen Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten unter Berücksichtigung der Tochter M bei der Berechnung der Altersrente ab dem 01.01.2019 addiert und die Rente der Klägerin entsprechend erhöht. Für die Tochter D war dieser Zuschlag nicht vorzunehmen, weil in der Rente der Klägerin für die Tochter D keine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach § 57 SGB VI für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, d. h. für Januar 1989, zuerkannt ist.

Nach der amtlichen Begründung zu § 307d Abs 1 S 3 SGB VI soll durch den weiteren Zuschlag in Höhe des halben Entgeltpunktes die Erziehungsleistung von Versicherten, die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben, umfassender anerkannt werden (BT-Drs. 19/4668, 22). Auch dieser Zuschlag (wie auch bereits der ab 01.07.2014 im Rahmen der sog. Mütterrente erfolgte Zuschlag) wird aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität in einem pauschalierten Verfahren gewährt (BT-Drs. 19/4668, 39; Körner, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand September 2021, § 307d SGB VI, Rdnr 4b). Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, d. h. zur effizienten verwaltungstechnischen Umsetzung dieser Vorschrift, ist von den Rentenversicherungsträgern gerade nicht in jedem Einzelfall erneut zu prüfen, ob und wie lange eine Erziehung eines vor dem 01.01.1992 geborenen Kindes tatsächlich erfolgt ist; vielmehr knüpft der Gesetzgeber pauschalierend an zwei Umstände an, nämlich einmal das Bestehen eines Anspruchs auf Rente am 30.06.2014, wozu auch - wie im Falle der Klägerin - eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gehört, und zum anderen an eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, die bei dieser Rente bereits angerechnet wird.

Der Gesetzgeber geht bei der Regelung des § 307d Abs 1 S 3 SGB VI durch die Anknüpfung an den 24. Kalendermonat pauschalierend davon aus, dass eine Erziehungsleistung auch tatsächlich im dritten Lebensjahr des Kindes erfolgte (BT-Drs. 19/4668, 39), ohne dass dies im Einzelnen nochmals zu prüfen wäre. Insoweit geht auch der Hinweis der Prozessbevollmächtigten ins Leere, dass durch Hinweis auf einen bestandskräftigen Bescheid aus dem Jahr 2005 oder auf den - ebenfalls bestandskräftigen - Rentenbescheid vom 14.10.2015 die Rechte der Klägerin rechtswidrig beschnitten würden, weil die Klägerin im Jahr 2005 noch keine Kenntnis von der zukünftigen Rechtslage hätte haben können. Hätte die Klägerin nicht bereits am 30.06.2014 einen Anspruch auf Gewährung einer Rente gegen die Beklagte gehabt, hätte auch für das Kind M kein weiterer persönlicher Entgeltpunkt von 0,5 anerkannt werden können. § 307d Abs 1 S 3 SGB VI enthält insoweit eine pauschale Begünstigung für Rentenbezieher.

Es bestehen auch - wie das SG in seinem Gerichtsbescheid vom 27.10.2020 bereits zutreffend ausgeführt hat - keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der bislang zuerkannten Kindererziehungszeiten nach § 56 SGB VI und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach § 57 SGB VI.

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass sich die Klägerin zum notwendigen Stichtag, dem 24. Kalendermonat nach dem Monat der Geburt ihrer Tochter D, nicht im Inland aufgehalten hat, sondern einen längeren und auch geplanten Aufenthalt in den USA mit ihrer Tochter (und der gesamten Familie) verbracht hat. Da infolge des Auslandsaufenthalts die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten nicht vorgelegen haben und die Erziehung in den USA vorliegend auch einem Inlandsaufenthalt nicht gleichgestellt werden kann, kann ein weiterer Zuschlag von 0,5 nicht gewährt werden. Eine Gleichstellung der Erziehung im Ausland ist nach § 56 Abs 3 S 2 SGB VI nur möglich, wenn während des Auslandsaufenthalts wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden sind, etwa im Rahmen einer Entsendung im Sinne des § 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie im Rahmen eines bestehenden inländischen Beschäftigungsverhältnisses auf Wunsch ihres Arbeitgebers in die USA entsandt worden wäre. Auch über § 56 Abs 3 S 3 SGB VI ist eine Zuerkennung von Kindererziehungszeiten in den USA nicht möglich, weil der Ehegatte - auch unter Berücksichtigung seines Status als NATO-Truppenangehöriger - in die USA weder entsandt wurde noch sonst Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hatte (vgl. hierzu Gürtner, in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand September 2021, § 56 SGB VI Rdnrn. 62 ff. m. w. N.).

Das SG hat auch zutreffend ausgeführt, dass aus den Regelungen des NATO-Truppenstatuts und des Zusatzabkommens hierzu für die Klägerin kein Anspruch abgeleitet werden kann. Nach Art 13 Abs 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut werden - soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist - zwischenstaatliche Abkommen oder andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und auf Angehörige nicht angewendet. Nach Art 13 Abs 1 S 2 des Abkommens bleiben jedoch Rechte und Pflichten, die diesen Personen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit während eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet erwachsen sind, unberührt. Die Zugehörigkeit zu dem genannten Personenkreis schließt - so Satz 3 der Regelung - ferner die Möglichkeit nicht aus, dass in der deutschen sozialen Kranken- und Rentenversicherung zum Zwecke der freiwilligen Weiterversicherung Beiträge geleistet werden und im Rahmen einer bestehenden Versicherung Rechte entstehen und geltend gemacht werden. Die Klägerin hat die von ihr erworbenen Anwartschaften aus Beitragsleistungen in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung behalten und die Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten zuerkannt bekommen, soweit dies nach nationalem Recht möglich war. Darüberhinausgehende Zeiten können aus dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut und auch aus dem NATO-Truppenstatut als solchem für den Rentenanspruch der Klägerin nicht abgeleitet werden.

Die Klägerin kann auch nicht beanspruchen, nach ihrer Scheidung von ihrem Ehemann so behandelt zu werden, als wäre sie immer in der Bundesrepublik Deutschland gewesen und hätte hier die beiden Töchter erzogen. Der Auslandsaufenthalt der Klägerin während der Erziehungszeiten hat tatsächlich stattgefunden, die Dauer ist unstreitig und stellt einen wesentlichen sachlichen Differenzierungsgrund für eine Nichtanerkennung dieser Zeiten dar. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) oder Art 6 GG liegt sicherlich nicht vor.

Der Senat sieht insoweit von einer Entscheidung nach § 153 Abs. 2 SGG ab und verweist in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils des SG Würzburg vom 27.10.2020.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch unter Berücksichtigung des deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommens kein Anspruch der Klägerin auf diesen zusätzlichen halben Entgeltpunkt besteht. Das deutsch-amerikanische Sozialversicherungsabkommen betrifft zwar ausschließlich die Rentenversicherung mit Beitragszeiten in den beiden Ländern der Vertragsparteien. Es führt aber - wie bei anderen Sozialversicherungsabkommen auch - lediglich dazu, dass die in dem jeweils anderen Land zurückgelegten Beschäftigungszeiten und hierfür geleistete Pflichtbeiträge für die Frage der Erfüllung der notwendigen Vorversicherungszeit gegenseitig berücksichtigt werden. Rentenleistungen errechnen sich jedoch nur aus den im jeweiligen Land zurückgelegten Zeiten, so dass bei einer Beitragsentrichtung in beiden Ländern grundsätzlich auch ein Anspruch auf Rente in beiden Ländern bestehen kann.

Die Klägerin hat ausweislich des dem Bescheid vom 14.10.2015 beigefügten Versicherungsverlaufs Beitragszeiten sowohl in der deutschen als auch in der amerikanischen Rentenversicherung zurückgelegt. Die amerikanischen Zeiten, die im Versicherungsverlauf vom 14.10.2015 aufgelistet sind, werden bei der Frage, ob die Klägerin die nach deutschem Rentenrecht erforderliche Vorversicherungszeit erfüllt hat, mit eingerechnet und zu den deutschen Zeiten addiert. Die der Klägerin gewährte Erwerbsminderungsrente und nachfolgend die Altersrente für schwerbehinderte Menschen wird jedoch ausschließlich aus den deutschen Beitragszeiten bzw. sonstigen Zeiten nach dem SGB VI berechnet. Ob und inwieweit die Klägerin gegebenenfalls neben der ihr zuerkannten deutschen Rente einen Anspruch auf eine Rente aus der amerikanischen Rentenversicherung aufgrund ihrer Beitragszeiten dort hat, hat der Senat nicht zu entscheiden.

Durch das deutsch-amerikanische Sozialversicherungsabkommen werden die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung nach § 56 SGB VI und auch für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach § 57 SGB VI nicht modifiziert, d. h. eine Erziehung von Kindern in Amerika wird gerade nicht einer im Inland, d. h. in der Bundesrepublik Deutschland, erfolgten Kindererziehung gleichgestellt.

Nach alledem war die Berufung gegen das Urteil des SG Würzburg vom 27.10.2020 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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