S 54 KR 681/20

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Braunschweig (NSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Braunschweig (NSB)
Aktenzeichen
S 54 KR 681/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2076,91 € nebst Zinsen in Höhe von
2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. August 2020 zu zahlen.

2) Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3) Der Streitwert wird auf 2076,91 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Vergütung einer im Krankenhaus der Klägerin durchgeführten vollstationären Krankenbehandlung.

Der bei der beklagten Krankenkasse familienversicherte, 2010 geborene G. wurde vom 28. Juli 2020 bis 29. Juli 2020 im Krankenhaus der Klägerin in H. stationär behandelt. Es wurde Osteosynthesematerial entfernt (OPS 5-787.1R und 5-787.3R).

Die Klägerin liquidierte gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 3. August 2020 auf der Basis der Fallpauschale DRG I23C 2076,91 €.

Die Beklagte teilte der Klägerin per Datenträgeraustausch mit, die Rechnung werde beanstandet. Gemäß dem BSG-Urteil B 3 KR 28/12 R vom 21.03.2013 läge keine hinreichende med. Begründung für die stationäre Erbringung einer ambulant erbringbaren Leistung vor.

Die Beklagte glich den Rechnungsbetrag daraufhin nicht aus.

Die Klägerin hat am 16. Dezember 2020 Klage vor dem Sozialgericht Braunschweig erhoben. Sie ist der Auffassung, ihr stehe der geltend gemachte Rechnungsbetrag zu, weshalb die Beklagte ihr 2076,91 € nebst Zinsen zu zahlen habe. Das ergebe sich unmittelbar aus § 13 Abs. 6 Satz 1 des Niedersächsischen Krankenhaus-Sicherstellungsvertrags (Nds.SV) und aus § 417 SGB V. Ihre Mitwirkungsverpflichtungen aus § 301 SGB V habe sie erfüllt. Aus den mitgeteilten Nebendiagnosen Z74.1 (Hilfestellung bei der Körperpflege) und Z74.0 (Hilfsbedürftigkeit bei eingeschränkter Mobilität) sei der Grund für die vollstationäre Krankenhausbehandlung ohne weiteres zu erkennen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2076,91 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. August 2020 zu zahlen

Die Beklagte beantragt,

            die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 30. April 2021 (Eingang bei Gericht per EGVP am 4. Mai 2021) hat die Beklagte mitgeteilt, die Rechnung sei noch nicht fällig. Die Klägerin habe ihre sich aus § 301 SGB V ergebenden Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt. Die abgerechneten Prozeduren seien alle im AOP-Katalog (“Katalog ambulant durchführbare Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe gemäß § 115b SGB V im Krankenhaus“) als Anlage 1 gelistet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (ausgehend von BSG, Urteil vom 21. März 2013, 3 KR 28/12 R) müsse im Datensatz nach § 301 SGB V auch der Grund der Aufnahme mitgeteilt und übermittelt werden. Es müsse für die Mitarbeiter/innen der Krankenkasse aufgrund der Daten nach § 301 SGB V erkennbar sein, warum eine im AOP-Katalog gelistete Leistung vollstationär durchgeführt wurde. Aus den vorliegenden Daten sei nicht erkennbar, dass die vollstationäre Krankenhausbehandlung medizinisch erforderlich war.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung am 7. Mai 2021 gewesen sind, verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten von Versicherten gerichteten Klage des Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse geht es um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSG, SozR 4-2500 § 39 Nr. 1 Rdnr. 6 m.w.N.). Ein Vorverfahren ist nicht durchzuführen, eine Klagefrist nicht einzuhalten.

Die Leistungsklage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 2076,91 € für die bei dem Versicherten erbrachte Krankenhausbehandlung.

Mit der Rechnung vom 3. August 2020 hat die Klägerin die Fallpauschale DRG I23C ausgewiesen und 2076,91 € gefordert.

§ 13 Abs. 6 Nds.SV regelt in Satz 1 eindeutig, dass die Krankenkasse die Rechnung unverzüglich, spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungsdatum zu bezahlen hat. Dieser vertraglichen Verpflichtung ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Auch der Bundesgesetzgeber hat mittlerweile dem Grundsatz der Krankenhausliquiditätsgewährleistung Rechnung getragen. Die unbedingte Zahlungsverpflichtung wurde gesetzlich geregelt. In dem vom 27. März 2020 bis 19. Oktober 2020 geltenden (also für den vorliegenden Behandlungsfall anwendbaren) § 330 SGB V und im ab 20. Oktober 2020 geltenden § 417 SGB V heißt es jeweils in den Sätzen 1, dass die von den Krankenhäusern erbrachten und in Rechnung gestellten Leistungen von den Krankenkassen innerhalb von fünf Tagen nach Rechnungseingang zu bezahlen sind.

Auf die Frage der rechnerischen oder sachlichen Richtigkeit der Rechnung kommt es deshalb hier nicht an.

Die Fälligkeit der Rechnung scheitert auch nicht daran, dass der Datensatz nach § 301 SGB V nicht vollständig gewesen war.

Nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung (insbesondere auch des Bundessozialgerichts), die sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 301 SGB V ergibt, sind die Krankenhäuser verpflichtet, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern unter anderem auch den Grund der Aufnahme zu übermitteln (§ 301 Abs. 1 Nummer 3 SGB V). Das BSG (Urteil vom 21. März 2013, B 3 KR 28/12 R, Rn. 12) hat dazu ausgeführt: „Erschließen sich aufgrund dessen oder eines landesvertraglich vorgesehenen Kurzberichts die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten Mitarbeitern der Krankenkasse nicht selbst, hat diese auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nummer 1 SGB V einzuleiten und beim MDK eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen.“ Entsprechend dem Grundsatz ambulant vor stationär hat ein Krankenhaus deshalb notwendige Angaben dazu zu machen, warum eine im Regelfall ambulant durchführbare Versorgung im konkreten Einzelfall stationär vorgenommen worden ist. Die Pflicht des Krankenhauses zu ergänzenden Angaben betrifft aber keine gemäß § 301 SGB V unzulässige medizinische Auskunft an die Krankenkasse, sondern lediglich den Grund für das Abweichen vom Standardvorgehen “ambulant vor stationär“. (BSG, aaO, Rn. 16). Vom Krankenhaus wird keinesfalls gefordert, in jedem „AOP-Fall“ eine medizinische Begründung in Textform abzugeben, die aus sich heraus eine medizinische Vollprüfung möglich macht. Es ist für die Fälligkeit der Rechnung lediglich erforderlich, kenntlich zu machen, warum aus Sicht des Krankenhauses die vollstationäre Behandlung erfolgt ist. Das kann auch durch die Angabe von Nebendiagnosen erfolgen (vergleiche BSG, aaO Rn. 17). Ob dieser Grund tatsächlich vorliegt und die durchgeführte stationäre Versorgung wirklich trägt, ist dann eine medizinische Frage, die zu klären allein dem MDK obliegt (BSG, aaO, Rn. 16).

Die erkennende Kammer geht davon aus, dass mit der Angabe der Nebendiagnose Z74.0 (Hilfsbedürftigkeit bei eingeschränkter Mobilität) eine ausreichende Begründung gegeben wurde. Hilfsbedürftigkeit bei eingeschränkter Mobilität kann stationäre statt ambulante Behandlung rechtfertigen. Ob diese Nebendiagnose tatsächlich kodierbar vorlag und ob deshalb – oder aus anderen Gründen – vollstationäre statt ambulante Behandlung erforderlich war, muss hier nicht geprüft werden. Für die Rechtsfrage der Fälligkeit der Rechnung ist die inhaltliche medizinische Prüfung unerheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.

Rechtskraft
Aus
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