L 8 SB 1041/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 3570/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1041/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 10.03.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50.

Die im Jahr 1957 geborene Klägerin beantragte am 10.04.2019 beim Landratsamt H erstmals die Feststellung eines GdB und teilte mit, dass sie eine Humerusfraktur rechts, eine Beckenringfraktur links, eine Orbitafraktur rechts, eine Orbitabodenfraktur rechts erlitten habe sowie an einer arteriellen Hypertonie leide. Die Klägerin hatte zuvor einen Verkehrsunfall erlitten, bei dem sie als Fußgängerin mit ca. 40 km/h von einem PKW angefahren worden war. Der Beklagte zog einen Bericht des Klinikums H, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 09.01.2019 über die stationäre Behandlung vom 11.12.2018 bis zum 27.12.2018, einen Rehaentlassungsbericht der Fklinik B vom 07.03.2019 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 07.02.2019 bis 07.03.2019 und des Befundberichts des K vom 03.06.2019 bei. G führte in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 110.07.2019 aus, dass der GdB für die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks 10 betrage. Der Zustand nach Beckenfraktur sowie nach Augenbodenfraktur und der Bluthochdruck bedingten keinen GdB von mindestens 10. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29.07.2019 die beantragte Feststellung eines GdB ab, da kein GdB von mindestens 20 vorliege.

Die Klägerin legte hiergegen am 12.08.2019 Widerspruch ein und führte an, dass die Verletzungen der rechten Schulter so gravierend gewesen seien, dass die Implantation einer Schulterprothese notwendig sei. Sie leide unter ständigen starken Schmerzen in der rechten Schulter und am Oberarm sowie an einer erheblichen Bewegungseinschränkung. Zudem stünden noch zwei weitere Operationen an. Zum einen werde die Platte im Gesicht entfernt sowie die linke Hand bei schwerer Arthrose des Daumengrundgelenkes operiert. Die Klägerin reichte einen radiologischen Befundbericht von R über eine Kernspintomographie der rechten Schulter vom 19.06.2019 ein.

Z bewertete in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.08.2019 die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks mit 20. Der Beklagte stellte mit Teilabhilfebescheid vom 06.09.2019 den GdB mit 20 seit dem 10.04.2019 fest und wies im Übrigen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2019 zurück.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 17.10.2019 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung auf die bei dem Unfall vom 11.12.2018 erlittenen Frakturen verwiesen. Zudem leide die Klägerin an Herzbeschwerden sowie an einer Hypertonie. Ein GdB von mindestens 50 sei angemessen.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte bei den die Klägerin behandelnden Ärzten.

Der S hat in seiner Auskunft vom 19.12.2019 eine leichte Behinderung der rechten Schulter mitgeteilt und einen GdB von 20 für angemessen erachtet.

Die W hat mit Schreiben vom 09.01.2020 mitgeteilt, dass sie eine mittelschwere Rhizarthrose des linken Daumens diagnostiziert habe.

Der G1 hat in seiner Auskunft vom 26.01.2020 eine schwergradige Einschränkung der Schulterbeweglichkeit rechts sowie einen jeweils schwergradigen Folgezustand nach Orbitafraktur rechts, Orbitabodenfraktur rechts, Beckenringfraktur links und dislozierter Jochbeinfraktur rechts mitgeteilt.

H1 in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Klinikums H, hat in seiner Aussage vom 13.05.2020 eine schwere Behinderung der rechten Schulter und mittelschwere Behinderungen des Beckens mitgeteilt.

Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.06.2020 von H2 ausgeführt, dass eine Höherbewertung nicht zu begründen sei.

Das SG hat F1 mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. F1 hat in seinem Gutachten vom 24.09.2020 eine Rhizarthrose an beiden Daumen und einen Morbus Dupuytren der Finger II-IV beidseits (Schweregrad jeweils leicht) sowie ein Impingement-Syndrom der rechten Schulter mit funktionellen Einschränkungen (Schweregrad mittelschwer) diagnostiziert. Den Teil-GdB bezüglich der Rhizarthrose und des Morbus Dupuytren hat F1 mit 10, den des Impingement-Syndroms der rechten Schulter mit 20 bewertet. Der Gesamt-GdB betrage 20.

Das SG hat die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 10.03.2021 abgewiesen und zur Begründung auf die Feststellungen im Gutachten von F1 verwiesen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen den ihm am 17.03.2021 zugestellten Gerichtsbescheid am 18.03.2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden – Württemberg eingelegt. Er hat vorgetragen, dass ein GdB von mindestens 50 angemessen wäre. Die Klägerin habe am 11.12.2018 einen unverschuldeten Verkehrsunfall erlitten, wobei der Beckenbereich, der Schulterbereich sowie der Jochbeinbereich stark betroffen waren. Im Jahre 2019 seien Operationen im Schulterbereich und im Gesichtsbereich durchgeführt worden. Im Beckenbereich werde nach Mitteilung des Arztes ein Dauerzustand verbleiben. Im Hinblick hierauf sei eine Höherstufung angemessen.

Die Klägerin beantragt, sachdienlich gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 10.03.2021 aufzuheben und den Bescheid vom 29.07.2019 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 06.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf das Gutachten von F1 sowie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides verwiesen. Ohne Nachweis funktioneller Auswirkungen des geltend gemachten Beckenschadens, allein aufgrund von Schmerzhaftigkeit, sei die Vergabe eines GdB bzw. die beantragte Erhöhung des Gesamt-GdB nach den VG Teil B 18.10, nicht möglich.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie dem weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und auf die Gerichtakten beider Rechtszüge Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 29.07.2019 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 06.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen GdB von 50. Der angefochtene Gerichtsbescheid vom 10.03.2021 ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die GdB-Feststellung ist § 2 Abs. 1 SGB IX in den bis zum 31.12.2017 und ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen in Verbindung mit § 69 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese – da Übergangsregelungen fehlen – nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R –; BSG, Urteil vom 04.09.2013 – B 10 EG 6/12 R –, beide in juris).

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. 

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen stellen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen, nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.

Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine – also nicht nur für die medizinische – Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass – soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP) getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie das Gesetz vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R –, in juris).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R –, in juris). Nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.

Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.201 – B 9 SB 3/12 R –, in juris).

Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin keinen Anspruch auf einen höheren Gesamt-GdB als 20. Dies hat das SG, gestützt auf das Ergebnis der dortigen Beweiserhebung, in der angefochtenen Entscheidung ausführlich und zutreffend begründet. Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insbesondere hat das SG schlüssig und überzeugend dargelegt, dass die von F1 in seinem Gutachten vom 24.09.2020 erhobenen Befunde an der rechten Schulter mit einer Bewegungseinschränkung von 40 – 0 - 90 in der Vorhebung in Übereinstimmung mit den VG Teil B 18.13 mit einem GdB von 20 angemessen bewertet sind. Die Daumensattelgelenke zeigte sich zwar beide geschwollen. Die Finger konnten jedoch noch vollständig gestreckt werden. Angesichts des Ausmaßes der Funktionsbeeinträchtigung ist ein GdB von 10 somit ausreichend. Der Senat verweist daher auf die zutreffenden Gründe im Gerichtsbescheid vom 10.03.2021 und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigt keine anderweitige Bewertung des Sachverhaltes. Die Klägerin verweist wie bereits im Klageverfahren darauf, dass sie bei dem Verkehrsunfall verschiedene Frakturen erlitten habe und sich mehrfachen Operationen unterziehen musste. Im Beckenbereich bestehe ein Dauerzustand mit Schmerzen. Der Senat kann jedoch unter Berücksichtigung der von F1 in seinem Gutachten vom 24.09.2020 erhobenen Befunde keine Anhaltspunkte für eine Höherbewertung des GdB feststellen. Die Hüftgelenke waren beidseits aktiv und passiv beweglich. Ein Trochanterklopfschmerz, ein Stauchungsschmerz sowie ein Leistendruckschmerz konnten nicht ausgelöst werden. Auch im Bereich der Wirbelsäule lagen bis auf eine massiv verspannte Muskulatur keine höhergradige Bewegungseinschränkungen und Nervenwurzelreizerscheinungen vor. Soweit der H1 in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 13.05.2020 gegenüber dem SG die Funktionseinschränkungen der Schulter als schwergradig und des Beckens als mittelgradig beurteilt, konnten entsprechende Befunde bei der nachfolgenden Begutachtung durch F1 nicht erhoben werden. Auch im Bericht von H1 über die ambulante Untersuchung am 19.08.2019 lag eine Armvorhebung bis 90 Grad vor. Eine Verschlechterung der Bewegungsmaße lässt sich seinen Ausführungen und den von ihm übermittelten Befundberichten nicht entnehmen. Dies gilt auch für die sachverständige Zeugenaussage des G1, welcher die Funktionseinschränkung der Schulter als schwergradig einstuft, ohne konkrete Befunde mitzuteilen. Soweit die W die Rizarthrose als mittelschwer beurteilt, konnte dies bei der nachfolgenden Begutachtung durch F1 nicht bestätigt werden. Der des Weiteren befragte S hat die Funktionsbeeinträchtigung der Schulter ebenfalls mit einem GdB von 20 bewertet. Die Klägerin teilt auch keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung oder eine Änderung bzw. Intensivierung der Behandlung mit. Neue oder verschlimmerte Befunde werden nicht angegeben. Der Senat kann somit nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren keine anderweitige Bewertung des GdB vornehmen. Auch soweit die Klägerin eine Hypertonie als Gesundheitsstörung angibt, liegen keine Anhaltspunkte für eine mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades nach den VG Teil B 9. 3 vor.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben dem Senat zusammen mit dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Ausgehend von dem Funktionskomplex Rumpf mit der Schultergelenkserkrankung mit einem Einzel-GdB von 20 ist ein GdB von 20 insgesamt festzustellen. Die zudem bestehenden Gesundheitsstörungen durch die Rizarthrose beidseits sowie den Morbus Dupuytren sind dagegen lediglich leichtgradig und mit einem GdB von 10 bewertet und führen somit nicht zu einer weiteren Erhöhung des Gesamt-GdB. Nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB liegt lediglich einGesamt-GdB von 20, nicht jedoch ein Gesamt-GdB von 50 vor.

Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 oder mehr vorsehen andererseits zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht entsprechend schwer funktionell in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. In ihrer Gesamtheit entsprechen die Erkrankungen der Klägerin weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 oder mehr bewerteten Gesundheitsstörungen.

Damit bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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