L 5 R 203/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3220/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 203/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 04.12.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Im Streit steht die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der 1965 in der Türkei geborene Kläger zog 1991 in die Bundesrepublik Deutschland. Er hat keinen Beruf erlernt. Er übte bis zuletzt 2012 verschiedene sozialversicherungspflichtige Hilfstätigkeiten aus. Gegenwärtig bezieht er Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt.

Vom 20.08.2013 bis 24.09.2013 absolvierte der Kläger eine stationäre medizinische Rehabilitation in der M-Klinik. Im Entlassungsbericht vom 01.10.2013 werden folgende Diagnosen aufgeführt: mittelgradig depressive Episode, Tendinitis der Achillessehne, Hypertonie, Lumboischialgie sowie Schulterarthrose. Es wurde von einem vollschichtigen Leistungsvermögen unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen ausgegangen.

Bereits im Jahr 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Im damaligen Verwaltungsverfahren erfolgte auf nervenärztlichem Fachgebiet eine Begutachtung bei E. Diese hat in ihrem Gutachten vom 18.12.2014 eine Dysthymie und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren festgestellt und ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen. Mit Bescheid vom 22.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Im sich anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Heilbronn (S 8 R 972/ 15) wurde der Kläger von H, begutachtet, der im Gutachten vom 28.09.2015 eine depressive Erkrankung mit derzeit leichter, im Grenzbereich zu einer mittelgradigen Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Agoraphobie feststellte und das Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf mindestens sechs Stunden täglich einschätzte. Der Kläger nahm daraufhin am 11.01.2016 seine Klage zurück.

In der Zeit vom 12.04.2016 bis zum 17.05.2016 erfolgte eine weitere stationäre medizinische Rehabilitationsbehandlung in der S-Klinik in A. Im Entlassungsbericht vom 09.06.2016 wurden folgende Diagnosen gestellt: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Diabetes Mellitus Typ II, Prostatahyperplasie, Krankheit der Harnblase und essentielle Hypertonie. Beschrieben wird eine gute Besserung der depressiven Symptomatik während des stationären Aufenthalts. Wegen vorliegender Restsymptome erfolge die Entlassung zunächst als arbeitsunfähig. Eine relevante quantitative Leistungseinschränkung habe sich nicht ergeben.

Am 12.12.2017 beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger von B, gutachterlich untersucht. In ihrem Gutachten vom 16.04.2018 gelangte sie zur Bewertung, dass der Kläger trotz seiner gesundheitlichen Störungen in Form von gehäuftem Harndrang bei Zustand nach mehrfacher transurethraler Resektion wegen Prostatahyperplasie, tablettenpflichtigem Diabetes mellitus, suboptimal eingestellt, bisher keine Folgeerkrankungen bekannt, tablettenpflichtigem Bluthochdruck, suboptimal eingestellt, chronischem Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, Asthma bronchiale und Dysthymie noch in der Lage sei, eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig auszuüben.

Mit Bescheid vom 18.05.2018 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Hiergegen legte der Kläger am 25.05.2018 Widerspruch ein mit der Begründung, er leide unter einer ausgeprägten depressiven Störung. Deshalb sei er regelmäßig in Behandlung. Aufgrund der Gemütstrübung sei an eine Arbeitsaufnahme nicht zu denken. Eine relevante dauerhafte Besserung habe sich nicht eingestellt. Außerdem sei er Schmerzpatient. Dies ergebe sich allein schon aus der Vielzahl der verordneten Medikamente. Bekannt seien darüber hinaus degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinung. Aufgrund der Entfernung der Prostata habe sich zudem eine Blasenentleerungsstörung eingestellt. Er leide unter vermehrtem Harndrang, müsse täglich etwa 20 bis 30 Mal auf die Toilette. Auch nachts bestehe diese Problematik. Der Nachtschlaf sei erheblich gestört.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 23.10.2018 hat der Kläger zum SG Heilbronn Klage erhoben. In Ergänzung zu dem bisherigen Vorbringen im Widerspruchsverfahren hat er ausgeführt, die Leiden auf urologischem Fachgebiet seien nicht hinreichend gewürdigt worden. Aus dem Gutachten der B ergebe sich zudem eine Wirbelsäulenproblematik mit eingeschränkter Funktionsfähigkeit. Ferner habe im Dezember 2018 eine erneute Rehabilitationsbehandlung wegen seiner Depression stattgefunden; eine relevante Besserung habe sich nicht eingestellt. Ergänzend hat er den Entlassungsbericht der Reha-Klinik S1 vom 22.12.2018 vorgelegt, in dem als wesentliche Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig ausgeprägt, eine somatoforme Störung der Urogenitals-Systems, ein Diabetes Mellitus Typ II sowie ein Zustand nach Blasenhalsobstruktion angegeben werden. Empfohlen wurde eine ambulante psychotherapeutische sowie urologische Mitbehandlung. Gegenwärtig sei nicht von einer überdauernden quantitativen Leistungsminderung auszugehen. Im weiteren Prozessverlauf hat der Kläger noch ein Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) B1 vom 05.07.2019 vorgelegt, wonach die Empfehlung für den Pflegegrad I seit 01.08.2018 ausgesprochen wurde. Außerdem hat der Kläger Befundberichte des P aus den Jahren 2016 und 2018, radiologische Befundberichte vom 30.08.2019 und 23.10.2020 sowie ein Attest des E1 vom 16.11.2020 vorgelegt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sozialmedizinische Stellungnahmen des H1 vom 16.05.2019 und der K, vom 29.09.2020 vorgelegt.

Das SG hat zunächst Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher sachverständiger Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte. F, hat im Februar und März 2019 angegeben, dass dem Kläger eine Tätigkeitsausübung in Nachtschichten nicht möglich sei; es solle zudem auf geregelte Schichten geachtet werden. Es bestünden gewisse Schwierigkeiten wegen der überreaktiven Harnblase. Er halte eine Erwerbstätigkeit unter drei Stunden für möglich. K1, hat im März 2019 angegeben, den Kläger zuletzt im Januar 2019 behandelt zu haben. Es bestünde eine rezidivierende depressive Störung. Es liege eine gedrückte Stimmungslage vor mit Anhedonie und reduzierter affektiver Schwingungsfähigkeit und Antriebsstörung. E1 hat ebenfalls im März 2019 mitgeteilt, dass der Kläger an einem imperativen Harndrang und Harninkontinenz leide. Eine leichte Tätigkeit könne der Kläger ausführen, wobei dieser nicht schwer heben solle. Zusätzlich solle eine Toilette in erreichbarer Nähe sein. K2, hat im März 2019 angegeben, den Kläger seit dem Jahr 2013 regelmäßig zu behandeln. Der Kläger leide unter rezidivierenden depressiven Angststörungen mit depressivem Rückzug, Schlafstörung und einer Schmerzsymptomatik, einem Somatisierungssyndrom einhergehend mit mangelnder Belastbarkeit und einem dekompensierten Diabetes Mellitus mit rezidivierenden Schmerzen. Die Rehabilitation habe zwar eine Besserung erbracht, allerdings sei die Entlassung als arbeitsunfähig erfolgt. Es sei aus nervenärztlicher Sicht weiterhin von Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Er halte den Kläger aufgrund der Chronifizierung sowie den urologischen Problemen allenfalls untervollschichtig für leistungsfähig. Der Kläger könne zudem nur leichte Tätigkeiten ausüben, eine vermehrte körperliche Arbeit sowie schwere kognitive und geistige Anstrengungen seien dem Kläger nicht zumutbar.

In der Zeit vom 23.07.2019 bis zum 20.08.2019 hat sich der Klägerin in stationärer Behandlung in der Fachklinik D1 in Heilbronn befunden. Es sind im Entlassungsbericht vom 21.08.2019 folgende Diagnosen aufgeführt: rezidivierende depressive Störung z.Zt. schwere Episode, Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie und eine Prostatahyperplasie bei Zustand nach Operation mit Harninkontinenz und verstärktem Harndrang sowie ein chronisches Schmerzsyndrom.

Das SG hat weiter Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens auf nervenärztlichem Fachgebiet bei H. In seinem nervenfachärztlichen Gutachten vom 22.10.2019 hat dieser beim Kläger eine mittelgradig ausgeprägte Depression im Grenzbereich zum Übergang einer leichten Depression diagnostiziert. Anhaltspunkte für eine schwere Depression hätten sich nicht gezeigt. Unter Berücksichtigung der Aktenlage sei zudem von einem anhaltenden somatoformen Schmerzsyndrom auszugehen. Eine typische Angsterkrankung sei nicht nachweisbar. Relevante mnestische und kognitive Defizite habe er nicht feststellen können. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen für Akkordarbeiten, Nachtarbeit, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, Arbeiten mit besonders hohen Ansprüchen an Auffassung und Konzentration sowie mit besonders hoher Verantwortung und mit besonders hoher geistiger Beanspruchung mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG bei B2 ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dieser hat im Gutachten vom 03.09.2020 die Diagnosen mittelgradige depressive Episode, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie, leichtes Asthma bronchiale, vegetatives Urogenitalsyndrom mit Pollakisurie bei Zustand nach mehrfacher transurethraler Resektion wegen Prostatahyperplasie, mittelgradige Hörminderung beidseits und rezidivierende Lumboischialgie bei bekannten degenerativen Prozessen aufgeführt und geht von einem aufgehobenen Leistungsvermögen beim Kläger aus. Es sei unter anderem die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Kläger jahrelang nicht mehr beruflich aktiv gewesen sei.

Mit Urteil vom 04.12.2020 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser oder gar voller Erwerbsminderung. Der Bescheid der Beklagten vom 18.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2018 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Bei dem Kläger lägen insbesondere relevante Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem sowie orthopädischem und urologischem Fachgebiet vor. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei der Kläger unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen (keine Tätigkeitsausübung, die besonders gesteigerte Anforderungen an Konzentration, emotionale Belastbarkeit und Konfliktfähigkeit erfordern, keine Tätigkeitausübung in Nachtschicht, keine Tätigkeit bei welcher schweres Heben und Tragen erforderlich ist, keine Tätigkeitsausübung auf Leitern und Gerüsten, kein Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltung, keine Überkopfarbeiten, keine Akkordtätigkeit, kein Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, keine Tätigkeit mit besonders hoher Verantwortung) in der Lage, eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Die Kammer stütze sich insofern auf das eingeholte Gutachten auf nervenärztlichem Fachgebiet des H sowie die eingeholten Befundberichte. Indes überzeuge die von B2 getroffene Leistungsbewertung in seinem Gutachten nach § 109 SGG nicht, da das Gutachten nicht schlüssig und nachvollziehbar begründet sei. Daneben führten auch die nachgewiesenen orthopädischen Leiden des Klägers in der Gestalt eines Impingementsyndroms rechts sowie eines chronischen LWS-Syndroms nicht zu einer relevanten quantitativen Leistungseinschränkung. Diese begründeten lediglich eine qualitative Leistungseinschränkung, in der Gestalt, dass die Ausübung einer Tätigkeit unter Wirbelsäulenzwangshaltung sowie Arbeiten über Kopf und auf Leitern und Gerüsten nicht leidensgerecht seien. Auch die urologischen Leiden führten lediglich zu qualitativen Leistungseinschränkungen. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nicht angezeigt gewesen.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigen am 04.01.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.01.2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag und macht ergänzend geltend, das SG habe den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt und sei zu Unrecht dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, ein fachübergreifendes Gutachten auf urologischen, orthopädischen und neurologischen-psychiatrischen Fachgebiet einzuholen, nicht gefolgt. Die Krankheitsbilder auf neurologisch, psychiatrischem, urologischem und orthopädischen Fachgebiet griffen ineinander ein. Zudem seien keine qualitativen Mängel des Gutachtens des B2 festzustellen. Er habe sich sehr intensiv mit ihm (dem Kläger) beschäftigt und habe sogar eine Aggravationstendenz festgestellt. Die ergänzende Stellungnahme von H (s. unten) stehe der Leistungseinschätzung durch B2 nicht entgegen. Auch nach Vorliegen des Gutachtens von D2 (s. unten), der erhebliche qualitative Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet festgestellt habe, gehe er weiterhin davon aus, dass Erwerbsunfähigkeit gegeben sei. Es sei eine Gesamtschau sämtlicher Einschränkungen auf dem psychischen, urologischen und orthopädischen Fachgebiet vorzunehmen. Ergänzend hat er einen radiologischen Befundbericht vom 01.07.2021 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 04.12.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18.05.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2018 zu verurteilen, dem Kläger eine volle, hilfsweise teilweise Erwerbsminderungsrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. Ergänzend hat sie eine sozialmedizinische Stellungnahme von H1 vom 29.06.2021 vorgelegt.

Der Senat hat H zur Stellungnahme zum Gutachten von B2 aufgefordert. Dieser hat unter dem 30.03.2021 ausgeführt, das Gutachten von B2 gebe keinen Anlass von seiner Einschätzung im Blick auf die diagnostische Einordnung und die Leistungsfähigkeit im Gutachten vom 22.010.2019 abzuweichen. Naturgemäß könnten depressive Erkrankungen in ihrer Intensität schwanken. Das Gutachten von B2 ergebe jedoch keinen Hinweis auf eine jedenfalls bedeutsame Verschlechterung seit der bei ihm (H) erfolgten Untersuchung.

Der Senat hat außerdem den Orthopäden des Klägers, P, als sachverständigen Zeugen befragt. Er hat unter dem 14.06.2021 von der Behandlung des Klägers seit 20.12.1999 berichtet und einen Patientenkarteiauszug sowie Arztbriefe vorgelegt.

Der Senat hat des Weiteren ein Sachverständigengutachten bei dem D2 eingeholt. Im Gutachten vom 25.10.2021, das sich auf eine Untersuchung des Klägers am 08.09.2021 stützt, werden folgende Diagnosen aufgeführt: 7,5 %ige Gesamtbeweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule (bei fehlenden sensiblen und motorischen Nervenwurzelreizerscheinungen seitens die Halswirbelsäule betreffender Rückenmarksnerven), 14 %ige Gesamtbeweglichkeitseinschränkung der Brustwirbelsäule (bei teilfixierter Rundrückenbildung mit hälftig eingeschränkter Vorneigbeweglichkeit und Streckhemmung der kopfnahen Brustwirbelsäulenhälfte von 15°), Bandscheibenvorwölbung im Bewegungssegment BWK 8/9 (kernspintomografisch objektiviert) ohne Irritation neuraler Strukturen, mäßig degenerative Veränderungen (Verschleißerscheinungen) des mittleren Brustwirbelsäulendrittels im Knochenszintigramm, endgradig eingeschränkte Entfaltbarkeit (Vorneigbeweglichkeit) der Lendenwirbelsäule (bei freier Beweglichkeit in den übrigen Bewegungsrichtungen) entsprechend einer 2 %igen Gesamtbeweglichkeitseinschränkung (bei fehlenden sensiblen und motorischen Nervenwurzelreizerscheinungen seitens die Lendenwirbelsäule betreffender Rückenmarksnerven), mäßig degenerative Veränderungen (Verschleißerscheinungen) der beckennahen LWS im Knochenszintigramm, endgradig eingeschränkte Beugung im rechten Hüftgelenk, resultierend aus der Schmerzsymptomatik der rechten Kniekehle, Knochenszintigraphisch objektivierte mäßig ausgeprägte Arthrose in den Retropatellargelenken (Gelenke zwischen körperfernen Oberschenkelknochen und Kniescheiben) bei freier Kniegelenksbeweglichkeit und endgradig eingeschränktem tiefen Hocksitz (die klinische Verdachtsdiagnose einer rechtsseitigen Retropatellararthrose wird knochenszintigrafisch bestätigt), kernspintomografisch objektivierte Schultereckgelenksarthrose und Tendinopathie der Supraspinatussehne rechts ohne funktionelle Einschränkungen und endgradige Streckhemmung des linken Kleinfingers. Mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten, d. h. regelmäßiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über 6 bis 7 kg, Arbeiten mit häufigem Bücken und Arbeiten in gebückter Zwangshaltung, Arbeiten mit vorwiegendem Gehen und Stehen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten, die ein in-die-tiefe-Hocke-Gehen erfordern und häufige Überkopfarbeiten seien nicht mehr zumutbar. Unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen sei der Kläger noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Die Wegefähigkeit sei erhalten.

Mit Schreiben vom 14.12.2021 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückzuweisen. Ihnen wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu zu äußern. Beide Beteiligten haben sich mit der angekündigten Vorgehensweise einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.


II.

Der Senat konnte die Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden bzgl. einer solchen Entscheidung angehört und haben sich mit der Vorgehensweise einverstanden erklärt.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 18.05.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2018, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer vollen oder teilweisen Rente wegen Erwerbsminderung.

Nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersrente an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) oder Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeinen Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3).

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer - unabhängig von der Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher (quantitativer) Hinsicht eine Rente wegen Erwerbsminderung zu begründen vermag, hingegen der Umstand, dass bestimmte inhaltliche Anforderungen an eine Erwerbstätigkeit aufgrund der gesundheitlichen Situation nicht mehr verrichtet werden können, einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich nicht zu begründen vermag.

In Anlegung dieser Maßstäbe ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger in der Lage ist, einer leichten Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich und mehr nachgehen zu können. Die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen bedingen keine quantitative Leistungsreduzierung. Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Der Vortrag des Klägers und die Beweiserhebung im Berufungsverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Beweiserhebung auf orthopädischem Fachgebiet hat ergeben, dass der Kläger an einer 7,5 %igen Gesamtbeweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule, 14 %igen Gesamtbeweglichkeitseinschränkung der Brustwirbelsäule und endgradiger Beweglichkeitseinschränkung der Lendenwirbelsäule, einer Bandscheibenvorwölbung im Bereich der Brustwirbelsäule, degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule bei fehlenden sensiblen und motorischen Nervenwurzelreizerscheinungen, endgradigen Bewegungseinschränkungen im rechten Hüftgelenk, Arthrose in den Retropatellargelenken bei freier Kniegelenksbeweglichkeit und endgradig eingeschränktem tiefen Hocksitz, Schultereckgelenksarthrose, Tendinopathie der Supraspinatussehne rechts ohne funktionelle Einschränkungen sowie endgradiger Streckhemmung des linken Kleinfingers leidet. Der Sachverständige D2 legt nachvollziehbar dar, dass sich hieraus zwar qualitative Einschränkungen für das regelmäßige Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über 6 bis 7 kg, Arbeiten mit häufigem Bücken und Arbeiten in gebückter Zwangshaltung, Arbeiten mit vorwiegendem Gehen und Stehen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten, die ein in-die-tiefe-Hocke-Gehen erfordern, sowie häufige Überkopfarbeiten ergeben. Unter Beachtung dieser Einschränkungen kann der Kläger aber leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich ausüben.

Auf nervenfachärztlichem Fachgebiet leidet der Kläger an einer mittelgradig ausgeprägten Depression im Grenzbereich zum Übergang einer leichten Depression und einem anhaltenden somatoformen Schmerzsyndrom. Der Senat folgt wie auch das SG dem Sachverständigengutachten von H vom 22.10.2019. H beschrieb eine im Wesentlichen gedrückte Stimmungslage mit gelegentlicher themenabhängiger Auflockerung. Die affektive Schwingungsfähigkeit und der Antrieb werden als insgesamt leicht reduziert beschrieben. Eine relevante Störung der Gedächtnisleistung war nicht feststellbar. Auch bzgl. des Durchhaltevermögens und der Konzentration sowie Auffassungsgabe zeigten sich beim Kläger während der Begutachtung keine Defizite. Vor dem Hintergrund dieser erhobenen Befunde gelangt der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass der Kläger leichte Tätigkeiten ohne besonders hohe Verantwortung für Menschen und Maschinen und ohne Nachtschicht, Zeitdruck und Akkord im Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten kann. Das Sachverständigengutachten des B2 überzeugt den Senat demgegenüber nicht. H hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.03.2021 nachvollziehbar ausgeführt, dass das Gutachten von B2 an einigen Stellen nicht nachvollziehbar ist. Im psychischen Befund werden – entgegen den Grundregeln einer Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet – vom Kläger angegebene Beschwerden und Äußerungen aufgenommen, und dies, obwohl B2 an anderer Stelle ausdrücklich auf Aggravationstendenzen des Klägers hinweist. Es hätte deshalb – neben der klaren Trennung von Anamnese, Beschwerden und Befunderhebung – der kritischen Würdigung der subjektiven Schilderungen des Klägers bedurft. Wie K in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 29.09.2020 zudem zu Recht einwendet, vermischt B2 darüber hinaus die erhobenen Befunde mit eigenen Interpretationen, wenn er z.B. auf Seite 19 des Gutachtens ausführt, „dieser Mann ist traurig. Er ist vor Gram gebeugt. […] Er ist sei Opfer seiner Vergangenheit“. Letztlich ist die von B2 vorgenommene Leistungsbeurteilung damit nur unzureichend begründet und insgesamt nicht nachvollziehbar. Da sich aus dem Gutachten von B2 auch kein Hinweis auf eine bedeutsame Verschlechterung ergibt und auch im Berufungsverfahren keine Befundverschlechterung geltend gemacht wurde, sah sich der Senat nicht veranlasst, ein weiteres Sachverständigengutachten auf nervenfachärztlichem Gebiet einzuholen.

Auch die Gesundheitsstörungen auf internistischem und urologischem Fachgebiet (imperativer Harndrang bei Zustand nach mehrfacher transurethraler Resektion wegen Prostatahyperplasie, tablettenpflichtigem Diabetes mellitus, suboptimal eingestellt, ohne Folgeerkrankungen, tablettenpflichtiger Bluthochdruck, suboptimal eingestellt, Asthma bronchiale) stehen zur Überzeugung des Senats einer leichten Tätigkeit im Umgang von sechs Stunden und mehr nicht entgegen. Dies ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der B, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet. Darüber hinaus sah auch der Urologe des Klägers Engin von Seiten seines Fachgebiets nur qualitative Einschränkungen insoweit, als nur leichte Tätigkeiten mit erreichbarer Toilette verrichtet werden können, nicht jedoch quantitative Einschränkungen. Eine relevante Verschlechterung der Erkrankung auf urologischem Fachgebiet, die zu einer weiteren Beweiserhebung veranlassen würde, ergibt sich aus den Akten nicht.

Der Senat sieht auch keine Notwendigkeit zur Einholung eines fachübergreifenden Gutachtens auf urologischen, orthopädischen und neurologischen-psychiatrischen Fachgebiet, weil der Sachverhalt auf allen drei Fachgebieten mit den eingeholten Sachverständigengutachten und Arztauskünften hinreichend aufgeklärt ist.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor.

Zwar wirkt, wie oben dargelegt, grundsätzlich nur eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht rentenbegründend, jedoch kann unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer spezifischen Leistungsbehinderung das Erfordernis resultieren, den Versicherten eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen (vgl. BSG, Urteile vom 24.02.1999 - B 5 RJ 30/98 R - und vom 11.03.1999 - B 13 71/97 R -, jew. in juris). Grundlage der Benennungspflicht bildet in diesen Fällen der Umstand, dass von vornherein ernste Zweifel an einer Einsetzbarkeit in einem Betrieb aufkommen. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ist in Betracht zu ziehen, wenn, neben einer qualitativen Leistungseinschränkung auf „leichte Tätigkeiten“, die Leistungsfähigkeit zusätzlich in erheblichem Umfang einschränkt ist (Niesel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 1, § 43 SGB VI, Rn. 47). In diesem Sinne ist unter der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen eine Häufung von Leistungseinschränkungen zu verstehen, die insofern ungewöhnlich ist, als sie nicht regelmäßig bei einer Vielzahl von Personen bis zum Erreichen der Altersgrenze für die Regelaltersrente angetroffen wird.

Eine solche ergibt sich nicht unter dem Aspekt eines etwaig verschlossenen Arbeitsmarktes. Bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es für eine Vollzeittätigkeit hinreichend Arbeitsplätze gibt. Mithin obliegt bei einer vollschichtigen Einsatzfähigkeit das Arbeitsplatzrisiko der Arbeitslosenversicherung bzw. dem Versicherten, nicht aber der Beklagten (vgl. insofern § 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI, der bestimmt, dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist).

Ausnahmsweise kann jedoch der Arbeitsmarkt als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbleibende Erwerbsfähigkeit nur möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Der Arbeitsmarkt gilt in Ermangelung einer praktischen Einsatzfähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG abschließend als verschlossen, wenn der Versicherte nicht unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen arbeiten kann, der Versicherte entsprechende Arbeitsplätze aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann, der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Betriebsfremde nicht vergeben werden, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Aufstiegspositionen nicht an Betriebsfremde vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen.

Keine der genannten Fallkonstellationen ist hier gegeben. Die qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen.

Auch die Wegefähigkeit des Klägers ist zur Überzeugung des Senats nicht eingeschränkt. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG, Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 - GS 2/95 -, in juris). Diese Kriterien hat das BSG zum Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit entwickelt, wie ihn § 1247 RVO und § 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) umschrieben hatten (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -, in juris). Diese Maßstäbe gelten für den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 SGB VI) unverändert fort (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.2002 - B 5 RJ 12/02 R -, in juris). Konkret gilt: Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssen, - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege absolvieren muss. Eine (volle) Erwerbsminderung setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -, in juris). Dazu gehört z. B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (zur Wegefähigkeit vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R -, in juris). Der Kläger ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Auch insoweit schließt sich der Senat den Sachverständigengutachten von D2 und H an. Darüberhinaus ist der Kläger im Besitz einer Fahrerlaubnis und verfügt über einen Pkw.

Aus der Anerkennung eines GdB folgt ebenfalls nicht, dass der Kläger erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987 - 5b BJ 156/87 -, in juris, Rn. 3). Für die Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI sind die Erwerbsmöglichkeiten des Betroffenen maßgeblich, während § 152 Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX; in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung des Art. 1 Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen [BTHG] vom 23.12.2016 [BGBL. I, S. 3234]) auf die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft abstellt (zuvor § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14.01.2015 geltenden Fassung und § 159 Abs. 7 SGB IX in der seit dem 15.01.2015 geltenden Fassung, eingefügt durch Art. 1a Nr. 3 Gesetz zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015 [BGBl. II, S. 15], die auf die abstrakten Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) verwiesen; vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987 - 5b BJ 156/87 -, in juris, Rn. 3). Dasselbe gilt auch für die Zuerkennung eines Pflegegrades.

b) Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet bereits deswegen aus, weil der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

3. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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