S 11 R 612/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 R 612/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente.

Der am 00.00.1964 geborene Kläger lebte nach eigenen Angaben dreißig Jahre lang mit der am 00.00.1961 und am 00.00.2020 verstorbenen Versicherten, Frau K O, in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Sie heirateten am 00.00.2020. Aus der ersten Ehe der Versicherten war ein Sohn, der Zeuge P Q, hervorgegangen, der Kläger selbst ist kinderlos. Seit November 2019 war bei der Versicherten ein Gallengangskarzinom bekannt; es erfolgte beim Klinikum C N eine Gallengangsresektion, eine geplante Chemotherapie konnte aufgrund des postoperativen Verlaufs bei der Versicherten nicht mehr durchgeführt werden. In der Zeit vom 06.03.2020 bis 20.03.2020 befand sich die Versicherte zur stationären Behandlung im Klinikum H. Ihr Zustand verschlechterte sich am 20.03.2022 derart, dass anstelle der geplanten Entlassung die Verlegung auf die Palliativstation des Klinikums erfolgte. Die Eheschließung erfolgte am 00.00.2020 auf der Krankenstation. Am 13.05.2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Witwerrente. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 22.09.2020 ab: Dem Antrag auf Witwerrente könne sie nicht entsprechen, da die Ehe weniger als ein Jahr gedauert habe; die Ehe sei am 00.00.2020 geschlossen worden und habe zum Zeitpunkt des Todes am 00.00.2020 weniger als ein Jahr gedauert; nach den vorliegenden Unterlagen sei zum Zeitpunkt der Eheschließung absehbar gewesen, dass eine vorhandene Krankheit innerhalb eines Jahres zum Tod der Versicherten führen würde. Damit seien die Voraussetzungen des § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfüllt. Der Kläger erhob hiergegen am 13.10.2020 Widerspruch mit der Begründung, dass die für den 60. Geburtstag der Versicherten geplante Hochzeit vorgezogen worden sei, weil bei ihr der große Wunsch bestanden habe, den Nachnamen den Klägers – O – zu tragen; dieser habe dann auch auf dem Grabstein stehen sollen. Die Absicherung durch eine Witwerrente sei nicht Grund der Eheschließung gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2021 als unbegründet zurück: Ein besonderer, gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sprechender Umstand liege unter anderem nicht darin, dass Eheleute – wie der Kläger und die Versicherte – schon seit vielen Jahren ununterbrochen in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt hätten; gerade einem langjährigen Zusammenleben liege in der Regel auch die bewusste Entscheidung zugrunde, nicht zu heiraten.

Der Umstand, dass nach dem Auftreten der im November 2019 festgestellten lebensbedrohlichen Tumorerkrankung mit einer kurzen Vorlaufzeit zwischen dem Kläger und Versicherten die Ehe geschlossen worden sei, lasse die vom Gesetzgeber grundsätzlich unterstellte Vermutung der Versorgungsehe naheliegend erscheinen: Litten Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit, sei der Ausnahmetatbestand regelmäßig nicht erfüllt. Jedoch sei auch bei einer im Zeitpunkt der Heirat nach objektiven Maßstäben vorliegenden schweren Erkrankung mit ungünstiger Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis beider Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet worden sei; indes müssten in diesem Fall die gegen die Versorgungsehe sprechenden Umstände umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit bei Eheschließung gewesen sei. Die Ehe zwischen dem Kläger und der Versicherten sei am 00.00.2020, mithin einen Tag vor dem Tod der Versicherten, geschlossen worden; zu diesem Zeitpunkt habe eine erhebliche Verschlechterung des Allgemeinzustandes vorgelegen und die tödlichen Folgen der Krebserkrankung seien eindeutig vorhersehbar gewesen. Die Versorgungsabsicht sei auch nicht durch den vorgebrachten Wunsch, einen gemeinsamen Ehenamen tragen zu wollen, widerlegt: Die Absicht, mit der Eheschließung einen gemeinsamen Namen führen zu können, könne nicht für sich allein betrachtet werden, sondern stelle lediglich eines mehreren Indizien dar, die in der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers einzubeziehen seien.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 17.06.2021 vor dem Sozialgericht Detmold erhobenen Klage.

Er ist der Ansicht, dass zwischen ihm und der Versicherten keine Versorgungsehe geschlossen worden sei und behauptet hierzu, dass nicht die etwaige Hinterbliebenenversorgung Grund für die Eheschließung gewesen sei; vielmehr seien andere Gründe ausschlaggebend gewesen: Es sei der Wunsch der Versicherten gewesen, noch zu Lebzeiten seinen Namen zu tragen. Dieser habe auch auf ihrem Grabstein stehen sollen. Das Geld aus der Witwerrente wolle er für die Krebsforschung spenden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2021 zu verurteilen, ihm große Witwerrente beginnend ab dem 26.03.2020 aus der Versicherung der verstorbenen Ehefrau K O zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

                                          die Klage abzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf Vorbringen im Widerspruchsbescheid vom 10.05.2021, den sie inhaltlich für zutreffen hält.

Das Gericht hat gem. § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen P Q, der Eheleute K und N G sowie der Standesbeamtin X vom Standesamt H. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 00.00.2022 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der weiteren Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

  • 0.  

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 22.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2021, mit dem die Beklagte die Bewilligung einer Witwerrente abgelehnt hat. Hiergegen richtet sich die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage.

Der Bescheid ist rechtmäßig und der Kläger hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwerrente gem. § 46 SGB VI.

Nach der Vorschrift des § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie 1. ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, 2. das 47. Lebensjahr vollendet haben oder 3. Erwerbsgemindert sind. Der Kläger erfüllte grundsätzlich die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI: Er ist Witwer der am 00.00.2020 verstorbenen Versicherten, die die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat. Der Kläger hatte ferner zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten das 47. Lebensjahr vollendet.

Indes ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung der großen Witwerrente nach der Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen. Nach Abs. 2a haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Die Ehe zwischen dem Kläger und der Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich einen Tag. Insoweit ist der Tatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI grundsätzlich erfüllt. Die sehr kurze Ehedauer von genau einem Tag, die Erkrankung der Versicherten und der Umstand, dass die Ehe während eines Krankenhausaufenthaltes auf der Palliativstation geschlossen wurde, lässt den Schluss zu, dass die Heirat im Angesicht des nahenden Todes der Versicherten stattfinden sollte. Nach § 46 Abs. 2a Hs. 2 SGB VI tritt der Ausschluss des Anspruchs auf Witwerrente dann nicht ein, wenn nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der Begriff der besonderen Umstände ist dabei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (vgl. SG Dresden, Urteil v. 12.11.2019 – Az.: S 33 R 754/19 mwN).

Die höchstrichterliche Rechtsprechung betont in ihrer Leitentscheidung vom 05.05.2009, dass als Umstände alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen sind, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (vgl. BSG, Urteil v. 05.05.2009 – Az.: B 13 R 55/08 R). Erforderlich ist demnach eine Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat (vgl. Plagemann in: Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 5. Auflage 2018, § 23 Rn. 8). Hierbei spielen auch emotionale Beweggründe, etwa soweit es um die Wiederheirat nach einer früheren Scheidung oder die Wünsche der Kinder geht, eine Rolle (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 03.05.2012 – Az. L 22 R 145/10). Die gesetzliche Vermutung ist widerlegt, wenn sich die Heirat als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung bestehenden Entschlusses darstellt (vgl. Plagemann, a.a.O.). Maßgebend ist dann, ob die Eheleute konkrete Schritte zur Verwirklichung des Entschlusses eingeleitet haben (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.04.2016 – Az.: L 11 R 2064/15). Allein die Tatsache, dass Hinterbliebener und Versicherte vor dem Tod schon seit vielen Jahren ununterbrochen in häuslicher und eheähnlicher Gemeinschaft zusammengelebt haben, reicht nicht aus, um die die Vermutung der Versorgungsehe zu widerlegen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 26.01.2017 – Az.: L 22 R 71/14).

Der Umstand, dass der Kläger und die Versicherte vor der Eheschließung bereits über einen längeren Zeitraum – nach Angaben des Klägers dreißig Jahre lang – zusammenlebten, ist allein für sich betrachtet noch kein besonderer Umstand, der gegen die Annahme einer Versorgungsehe spricht. Denn ob bei einer bereits seit längerem bestehenden Beziehung der Nachweis geführt werden kann, dass die Eheschließung nicht mit dem Ziel der Versorgung geschlossen wurde, hängt vielmehr von der Dauer, der Ausgestaltung und den Umständen der Beziehung ab (vgl. SG Dresden, a.a.O.). Ein solcher besonderer Umstand ist für das Gericht bei dem Kläger nicht zu erkennen. Vielmehr spricht für das Gericht gerade die Tatsache, dass die geplante Hochzeit anlässlich des 60. Geburtstages der Klägerin trotz deren schwerer Erkrankung nicht zeitlich weiter vorgezogen wurde, für das Vorliegen einer Versorgungsehe.

Die gesetzlich unterstellte Versorgungsabsicht ist auch nicht zur Überzeugung des Gerichtes im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung der Zeugen X, Q und der Eheleute G, und dem damit verbundenen Nachweis der „besonderen Umstände“ von dem insoweit beweisbelasteten Kläger widerlegt worden.

Die Zeugin X, Standesbeamtin der Stadt H, hat im Rahmen ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung bekundet, dass der Sohn der Versicherten, der Zeuge Q, mit ihr den Erstkontakt aufgenommen habe. Nach ihrer Erinnerung sei eine Eheschließung zwischen dem Kläger und der Verstorbenen bereits mehrfach angedacht gewesen, indes habe diese aus verschiedenen Gründen nicht stattgefunden. Im Rahmen des persönlichen Gespräches am Tag der Trauung erinnere die Zeugin, dass die Versicherte sehr bewusst den Namen des Klägers habe annehmen wollen; nach ihrem Eindruck sei das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Versicherten sehr innig gewesen. Auch habe die Versicherte nach ihrer Erinnerung große Freude verspürt und noch „auf schöne Jahre“ mit dem Kläger gehofft. Sogenannte Nottrauungen kämen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Standesbeamtin äußerst selten vor. Auf weitere Nachfrage des Bevollmächtigten des Klägers hat die Zeugin zudem glaubhaft bekundet, dass sie keine Nottrauungen vollziehe, bei denen es um die etwaige Versorgung mit einer Witwerrente gehe; in seiner solchen Fall hätte sie das Zimmer verlassen und die Trauung nicht durchgeführt.

Der Zeuge Q hat angegeben, dass die Versicherte, seine verstorbene Mutter, und der Kläger seit dem Jahr 1984 ein Paar gewesen seien. Der Kläger habe ihn wie einen Sohn großgezogen; man sei eine „komplette Familie“ gewesen; der Kläger und die Versicherte seien 36 Jahre gemeinsam glücklich gewesen. Es sei der Versicherten nach seiner Erinnerung noch sehr wichtig gewesen, den Kläger zu heiraten und den Namen O zu tragen. Nach seiner Erinnerung stand das Thema Heirat schon eine ganze Weile im Raum – sogar „etliche Jahre“. Eine etwaige Eheschließung sei aus verschiedenen Gründen aber immer wieder verschoben worden. Er selbst habe sowohl dem Kläger als auch der Versicherten immer geraten, sich abzusichern; damit sei das Thema für den Zeugen indes abgeschlossen gewesen. Auf Nachfrage hat der Zeuge ferner bekundet, dass er vom Hörensagen wisse, dass der Kläger der Versicherten an ihrem 56. Geburtstag einen Heiratsantrag gemacht habe; die Eheschließung habe an dem 60. Geburtstag der Versicherten stattfinden sollen. Der Tod der Versicherten sei diesem Vorhaben dazwischengekommen. Es habe eine große Festivität stattfinden sollen; es sei um die Planung eines großen Familienfestes anlässlich des 60. Geburtstages der Versicherten, des 70. Geburtstages seiner Tante und der geplanten Hochzeit des Klägers mit der Versicherten gegangen.

Im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung hat der Zeuge K G bekundet, dass zwischen dem Kläger und der Versicherten „alles super“ gelaufen sei, die beiden hätten sich geliebt. Der Heiratsantrag des Klägers an die Versicherte, seine Schwester, sei nach seiner Erinnerung an dem 56. Geburtstag der Versicherten erfolgt. Man habe dies bei „Kaffee und Kuchen“ besprochen. Geplant gewesen sei eine große Feier zum 60. Geburtstag der Versicherten; an diesem Tag habe auch die Hochzeit stattfinden sollen. Anlässlich der konkreten Eheschließung am 00.00.2020 habe er Trauzeuge sein sollen; dies sei indes aufgrund der Corona-Situation nicht möglich gewesen.

Die Zeugin N G hat bekundet, dass der Kläger und die Versicherte immer „gut gelebt“ hätten, man habe sich nach ihrer Erinnerung immer gut verstanden. In Übereinstimmung mit den Angaben der Zeugen Q und K G hat die Zeugin angegeben, dass die Versicherte ihr „bei einer Zigarette“ erzählt habe, dass sie an ihrem 60. Geburtstag den Kläger habe heiraten wollen. Auf weitere Nachfrage hat die Zeugin zudem bekundet, auch bei dem Heiratsantrag des Klägers, etwa zwei oder drei Jahre vorher, anwesend gewesen zu sein. Die Klägerin habe ihr hinsichtlich der Frage, warum sie den Kläger nicht bereits früher geheiratet habe, geantwortet: „Mir geht’s gut“. Das Thema Hochzeit sei aber bereits zuvor „mal angesprochen“ worden.

Die Angaben der vernommenen Zeugen sind nach Ansicht des Gerichtes durchaus glaubhaft, wenngleich nicht geeignet, den Nachweis der „besonderen Umstände“ zu führen: Allen Zeugenangaben ist zwar gemein, dass die zwischen dem Kläger und der Zeugin bestandene Beziehung innig und intakt gewesen sei. Indes zieht das Gericht das Bestehen einer liebevollen Beziehung zwischen Kläger und Versicherter nicht in Zweifel. Denn das „Besiegelnwollen“ der Beziehung und das Tragen eines gemeinsamen Namens, wie etwa von der Zeugin und Standesbeamtin X glaubhaft und nachvollziehbar dargestellt, sind vor allem nachdem sie erst nach Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung in den Vordergrund gerückt wurden, keine so bedeutsamen Gründe der Ehegatten, dass sie der gesetzlichen Vermutung zumindest gleichwertig wären (vgl. LSG München, Urteil v. 13.11.2018 – L 19 R 314/17). Auch hat keiner der Zeugen Näheres zu der geplanten großen Festivität berichten können. Nach allgemeiner Lebenserfahrung stellt die Planung und Durchführung eines großen Festes eine zeitliche und logistische Herausforderung dar, die regelmäßig nur mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf zu bewerkstelligen ist. Denn hier sollten nach Angaben der Zeugen Q und K G gleich drei familiäre Ereignisse zusammenfallen: 60. Geburtstag und Hochzeit der Versicherten mit dem Kläger sowie der 70. Geburtstag eines weiteren Familienmitgliedes. Nach Überzeugung des Gerichtes verdeutlichen die Angaben der Zeugin N G, wonach die Versicherte ihr auf Nachfrage, warum sie den Kläger nicht bereits früher geheiratet habe, „mir geht’s gut“ geantwortet habe, vielmehr das Verhältnis des Klägers und der Versicherten zur Eheschließung: Die grundsätzlich glückliche Beziehung sollte in ferner Zukunft – sofern die Umstände in der (weiteren) Familie passten, in eine Heirat münden; hierin lag jedoch kein Absolutheitsanspruch. Hierfür sprechen auch die übrigen Zeugenaussagen der Zeugen X und Q, wonach der Kläger und die Versicherte immer „mal“ wieder über das Thema Hochzeit – auch „laut“ im Kreis der Familie – nachgedacht hätten. Dass die Eheschließung nicht absolute Priorität für den Kläger und die Versicherte gewesen ist, leitet das Gericht schließlich auch aus dem Umstand ab, dass die schwere und lebensbedrohliche Krankheit im November 2019 bei der Versicherten festgestellt wurde. Damit lagen zwischen Bekanntwerden der Krankheit und tatsächlicher Eheschließung mehr als drei Monate, sodass auch hier noch wesentliche Zwischenschritte notwendig waren und tatsächlich erst in den konkreten Bemühungen des Zeugen Q in Form der Kontaktaufnahme mit der Zeugin X vom Standesamt H mündeten. Damit stellt die vollzogene Heirat aber nicht die konsequente Verwirklichung eines konkret gefassten Entschlusses dar.

Schließlich stehen der Annahme einer Versorgungsehe auch keine wirtschaftlichen Gründe entgegen. So ist anerkannt, dass eine Versorgungsehe nicht angenommen werden kann, wenn sich die wirtschaftliche Situation der Witwe bzw. des Witwers durch Heirat verschlechtert hat (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 11.11.1999 – Az.: L 5 U 112/98). Indes gilt die gesetzliche Vermutung nicht nur in den Fällen, in denen eine geringe oder sogar möglicherweise fehlende eigene Versorgung der Witwe/des Witwers vorliegt, sondern auch dann, wenn die Hinterbliebenenversorgung die eigene Versorgung aufbessert (vgl. SG Lübeck, Urteil v. 26.01.2006 – Az.: S 7 RA 320/03). Diese Frage erübrigt sich indes, da der Kläger mehrfach vorgetragen hat, die Witwerrente für allein für die Krebsforschung einzusetzen bzw. zu spenden.

  • II.         

Die Kostentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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