S 10 KR 498/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 498/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 446/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 24/22 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Kostenerstattung für eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer/Israel.

Der 1950 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Bezieher einer Altersrente krankenversichert. Der Kläger leidet seit der Kindheit an Neurodermitis mit rezidivierenden Exazerbationen, chronischer Sinusitis sowie inzwischen an einer depressiven Episode. Die Beklagte gewährte ihm in der Vergangenheit wiederholt Rehabilitationsmaßnahmen im Deutschen Medizinischen Zentrum (DMZ) am Toten Meer, zuletzt in der Zeit vom 06. Mai bis 10. Juni 2016.

Am 16. Januar 2017 beantragte der Kläger unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung seiner Hausärztin Frau E. vom 2. Januar 2017 die Kostenübernahme für eine erneute stationäre Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer für die Dauer von sechs Wochen. Dem Antrag beigefügt waren Berichte der behandelnden HNO-Ärztin Dr. H. vom 3. Januar 2017, des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr R. vom 12. Januar 2017 und der Hautärztin Dr. D. vom 12. Januar 2017 sowie ein Bescheid des Versorgungsamtes über die Feststellung eines Grades der Behinderung von 50. Die Verordnung wurde dahingehend begründet, dass aufgrund der heilklimatischen Bedingungen am Toten Meer ein Kur-Aufenthalt unbedingt zu empfehlen sei; kurative Maßnahmen in Deutschland seien ausgeschöpft. In dem Bericht der Hautärztin Dr. D. gab diese an, dass sich das Hautbild aktuell in superinfiziertem, entzündlichem Zustand zeige. An Kopfhaut und allen Extremitäten seien lichenoide Papeln und Ekzemflächen in starker Ausprägung sichtbar. Über die Jahre seien bereits sämtliche schulmedizinische und alternative Therapien durchgeführt worden, welche nur einen mäßigen bzw. kurzfristigen Erfolg gezeigt hätten.

Die Beklagte beauftrage daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Beurteilung nach Aktenlage. Für diesen kam Dr. K. am 8. Februar 2017 zu dem Ergebnis, dass die letzte Reha-Maßnahme gerade 7 Monate her sei. Es seien zunächst ambulante Maßnahmen am Wohnort auszuschöpfen.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 14. Februar 2017 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass sich aus der Verordnung des Hausarztes ergebe, dass in den letzten 12 Monaten keinerlei ambulante Therapiemaßnahmen durchgeführt worden seien. Der Kläger habe bereits vom 6. Mai 2016 bis zum 10. Juni 2016 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt und dort neben den klimatischen Therapieerfolgen geeignete Bewältigungsstrategien erlernt sowie die Empfehlung zu fortlaufender dermatologischer Basistherapie. Es seien zunächst die ambulanten Therapien am Wohnort (z.B. Phototherapie, medizinische Bäder) durchzuführen.

Hiergegen erhob der Kläger am 13. März 2017, ärztlich gestützt durch eine Bescheinigung seiner Hausärztin vom 23. Februar 2017, Widerspruch. Zur Begründung verwies er im Kern darauf, dass die Behandler im DMZ eine regelmäßige, jährliche Klimabehandlung am Toten Meer unbedingt empfohlen hätten. Die stationären und ambulanten Behandlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft, was die ihn behandelnden Fachärzte bestätigt hätten. Er setzte der Beklagten eine Frist bis zum 28. März 2017 und kündigte an, sich nach Ablauf der Frist die beantragte Maßnahme im Selbstbehelf zu beschaffen.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens beauftragte die Beklagte daraufhin erneut den MDK mit der Erstellung eines Gutachtens. Nach Absage eines Begutachtungstermins durch den Kläger und Mitteilung durch den MDK, dass weitere Unterlagen erforderlich seien, forderte die Beklagte bei dem Kläger den Entlassungsbericht der im Jahr 2016 durchgeführten Rehamaßnahme sowie einen ausführlichen Befundbericht mit Fotodokumentation sowohl bei dem behandelnden Hausarzt als auch bei den behandelnden Dermatologen an. Diese wurden – auch auf telefonische Rückfrage durch die Beklagte – nicht vorgelegt.

Mit Schreiben vom 19. April 2017 teilte der Kläger mit, die beantragte Maßnahme nunmehr für den 13. Mai 2017 bis zum 17. Juni 2017 gebucht zu haben und forderte die Beklagte unter Vorlage einer Rechnung der Gesundheitsreisen Wessel GmbH vom 18. April 2017 i.H.v. 5.978,00 € zur Kostenerstattung auf. 

Dr. G. führte für den MDK Hessen in ihrem sozialmedizinischen Gutachten nach Aktenlage vom 5. Mai 2017 aus, dass sich dem Befundbericht des Hautarztes von Januar 2017 keine Objektivierung des Schweregrades unter Verwendung des SCORAD-Indexes (Scoring Atopic Dermatitis Index), mit welchem sowohl Intensität der Hautveränderungen als auch das flächenmäßige Ausmaß und subjektive Parameter erfasst würden, entnehmen lasse. Auch auf Anforderung sei kein Therapieverlaufsbericht vorgelegt worden, aus welchem sich eine kontinuierliche fachärztlich dermatologische leitliniengerechte Stufentherapie der Neurodermitis ergebe. Es stünden vielfältige Therapieverfahren mit Verwendung differenzierter Lokaltherapeutika, systemischer Therapien und UV-Bestrahlung zur Verfügung. Es bestehe kein Anhalt dafür, dass ambulante Maßnahmen nicht erfolgsversprechend oder ausreichend seien. Eine medizinische Notwendigkeit der Vorzeitigkeit der Rehabilitationsmaßnahme sei nicht ersichtlich. Sie wies zudem darauf hin, dass es in Deutschland eine Reihe qualifizierter Rehabilitationskliniken für dermatologische Erkrankungen wie die Neurodermitis gebe und die dermatologische Rehabilitation im Inland aufgrund der interdisziplinären, multimodalen Behandlung im Einzelfall vorzuziehen sei.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2017 teilte die Beklagte dem Kläger unter Verweis auf das Ergebnis des MDK mit, dass es bei der Entscheidung vom 14. Februar 2017 bleibe und eine Weiterleitung an den Widerspruchsausschuss erfolge.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2017 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Februar 2017 unter Verweis auf die eingeholten MDK-Gutachten als unbegründet zurück. 

Hiergegen hat der Kläger am 25. September 2017 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Er ist der Auffassung, dass ihm ein Anspruch zustehe und verweist auf die ärztliche Verordnung der medizinischen Rehabilitation und die – auch bereits im Vorverfahren vorgelegten – medizinischen Unterlagen, insbesondere die Atteste und Empfehlungen der ihn behandelnden Fachärzte, welche seiner Auffassung nach belegen würden, dass er in Deutschland austherapiert sei. Zudem rügt er, dass die Beklagte sich nicht an die formalen zeitlichen Vorgaben zur Entscheidungsfindung gehalten habe.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die im Zeitraum vom 13. Mai 2017 bis zum 17. Juni 2017 durchgeführte stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme i.H.v. 5.978,00 € zu erstatten sowie Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. April 2017 an ihn zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf den Inhalt des Bescheides vom 14. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2017. Es bestehe keine Notwendigkeit für eine vorzeitige Kurwiederholung.

Das Gericht hat im Rahmen seiner Ermittlungen von Amts wegen Befundberichte bei der Hausärztin Frau E., der HNO-Ärztin H., den Hautärzten Dr. W. und Dr. D. sowie dem Arzt für Neurologie und Psychotherapie Dr. R. eingeholt. 
Die Hautarztpraxis Dres D./W. führte aus, dass leitliniengerechte Therapieverfahren (intermittierende externe Steroidtherapie, lokaldesinfizierende Anwendungen, Schulungen zur Hautpflege) durchgeführt worden seien. Die meisten Maßnahmen seien, wenn überhaupt, nur von kurzem Erfolg gewesen. Zudem seien zur Linderung des Juckreizes diverse Antihistaminika verordnet worden. Die Erkrankung verlaufe in Schüben – teils schwerwiegend – so dass der Kläger mehrfach zur stationären Behandlung in die Universitätsklinik Mainz eingewiesen worden sei. Zum Beleg fügte sie Berichte der Universitätsklinik Mainz aus dem Jahr 2014 bei. Einzig die Aufenthalte am Toten Meer hätte insofern Erfolg gebracht, als dass die Rezidive deutlich später wieder aufgetreten seien. Da die Erkrankung hoch chronisch verlaufe und keine andere Maßnahme bis jetzt eine Linderung über einen entsprechend langen Zeitraum erbracht habe, sei eine Kur-Wiederholung „unbedingt sinnvoll“. Dr. R. verwies in seinem Befundbericht vom 26. Januar 2018 darauf, dass sich der Zustand des Klägers nur mittelfristig stabilisieren lasse und eine erneute bisher sehr hilfreiche Behandlungsmaßnahme am Toten Meer auch schon nach kurzer Zeit wieder notwendig würde. Gleichzeitig führte er aus, dass die Behandlung am Toten Meer eine langanhaltende Verbesserung der Hauterscheinungen und daraus resultierend seines Gesundheitszustandes möglich gewesen seien. Die verordnende Hausärztin Frau E. führte aus, dass wiederholt Probleme mit der Haut bestünden (extremer Juckreiz, offene Hautstellen, blutige Kratzspuren). Aufgrund der Hauterkrankung erfolge ein sozialer Rückzug mit depressiven Tendenzen. Hinsichtlich erhobener Befunde und stattgefundener Behandlungen oder Untersuchungen verwies sie auf Befunde der mitbehandelnden Fachärzte. Weitere Unterlagen übersandte sie nicht.

Das Gericht hat die Beteiligten zunächst mit Schreiben vom 7. August 2020 davon in Kenntnis gesetzt, dass es beabsichtigt, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. 

Im Nachgang hat das Gericht noch weitere ergänzende medizinische Unterlagen für erforderlich gehalten und bei den damals den Kläger behandelnden Arztinnen Dr. D. und Frau E. die Dokumentation der Behandlung (§ 603f Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –) betreffend die Jahre 2019 bis Juni 2017 angefordert, sowie um Übersendung einer Fotodokumentation betreffend den bei Verordnung im Jahr 2017 bestandenen Hautzustand gebeten. Es wurde zudem um nachvollziehbare Begründung gebeten, ob der Kläger in Deutschland austherapiert gewesen sei und weshalb eine vorzeitige Verordnung bereits ½ Jahr nach Abschluss der letzten Rehabilitation dringend medizinisch notwendig war. Die Beteiligten wurden hierüber mit gerichtlichem Schreiben vom 29. Januar 2021 informiert.

Dr. D. verwies mit ergänzendem Befundbericht vom 13. März 2021 darauf, dass in der Hautklinik Mainz bereits im Jahr 2014 postuliert worden sei, dass bei dem Kläger lediglich Aufenthalte am Toten Meer zu einer mehrere Monate anhaltenden Besserung führen würden. Sie hob den Auszug aus dem Behandlungsbericht vom 8. Juli 2014 über einen stationären Aufenthalt in der Hautklinik Mainz im Jahr 2014 hervor, wonach das Vorhaben des Patienten, einen erneuten Aufenthalt dort [Anmerkung d. Unterzeichnerin: am Toten Meer] vorzunehmen „gerne mit einer entsprechenden Empfehlung unterstützt“ werde. Sie hob zudem die Empfehlung der Rehaklinik DZM hervor, wonach eine regelmäßige, jährliche 5-wöchige Klimaheilbehandlung am Toten Meer „unbedingt zu empfehlen“ sei. Dr. D. führte an, dass der Neurodermitis- Score im Januar 2017 SCORAD 88 betragen habe. Auf den von Dr. D. vorgelegten Auszug der Patientenakte (Bl. 86 bis 88 der Gerichtsakte) wird verwiesen.

Frau E. führt mit Schreiben vom 6. April 2021 aus, dass eine vorzeitige Verordnung der Rehabilitation habe erfolgen müssen, damit der Aufenthalt am Toten Meer rechtzeitig habe organisiert werden können. Der Kläger sei mehrmals in Hautkliniken behandelt und experimenteller Therapie unterzogen worden, zuletzt mit Dupilumab. Der Kläger gelte in Deutschland als austherapiert und die regelmäßigen Aufenthalte (1x jährlich) am Toten Meer seien die einzige Maßnahme, die wirklich das Leiden des Patienten lindere. Sie verwies auf eine Übersendung der Behandlungsdokumentation bereits im Januar 2018. Auf weitere gerichtliche Anforderungen vom 14. April 2021, 26. Mai 2021 sowie 9. Juli 2021 unter Hinweis auf eine nicht erfolgte Übersendung der Behandlungsdokumentation, übersandte Frau E. schließlich unter dem 2. August 2021 die gerichtliche angeforderte Behandlungsdokumentation. Auf den von Frau E. vorgelegten Auszug der Patientenakte (Bl. 142 bis 179 der Gerichtsakte) wird verwiesen.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 17. März 2021 erklärte, „die Ärzteschaft und wir fühlen uns von der Beklagten und dem SG terrorisiert“, widerrief er mit Schreiben vom 31. Juli 2021 seine Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweige- und Geheimhaltungspflicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.


Entscheidungsgründe

Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt bzw. – insbesondere nach Widerruf der Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweige- und Geheimhaltungspflicht – nicht weiter aufklärbar ist (§ 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.

Die fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist als kombinierte Anfechtungsklage und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG statthaft.

Die Klage ist jedoch in der Sache unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der im Zeitraum vom 13. Mai 2017 bis zum 17. Juni 2017 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer i.H.v. 5.978,00 €.

Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs des Klägers kommt allein § 13 Abs. 3 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) in der seit 01. Juli 2001 bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung [im Folgenden a.F.] in Betracht, da der Kläger den Antrag hierfür am 2. Januar 2017 bei der Beklagten stellte. § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V bestimmt: Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Reha nach dem SGB IX werden nach § 15 SGB IX erstattet. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet, weil sich der Kläger eine von der Beklagten abgelehnte Leistung zur medizinischen Reha selbst beschaffte und hierfür Kostenerstattung begehrt. Im Rahmen des § 15 SGB IX kommt vorliegend allein die Tatbestandsvariante des Abs. 1 Satz 4 Variante (Var.) 2 in Betracht. Danach besteht die Erstattungspflicht, wenn der Reha-Träger (hier die Beklagte) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Fallgruppe des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX a.F. entspricht jener des § 13 Abs. 3 S 1 Var. 2 SGB V. Der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 15 Abs. 1 S 4 Var. 2 SGB IX reicht dementsprechend nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Untersuchung/Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (std. Rspr zu § 13 Abs. 3 SGB V, vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –juris, m.w.N.).

Die Beklagte hat den Leistungsantrag jedoch nicht zu Unrecht abgelehnt (§ 15 Abs. 1 S 4 Var. 2 SGB IX).

Versicherte haben Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Reicht eine ambulante Krankenbehandlung im Sinne des § 27 SGB V nicht aus, um diese Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Reicht die Leistung nach § 40 Abs. 1 SGB V nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a SGB IX zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V). Leistungen nach § 40 Abs. 1 und 2 SGB V dürfen vor Ablauf von 4 Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, nur vorzeitig erbracht werden, wenn sie aus medizinischen Gründen dringend erforderlich sind (§ 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V). Dringend erforderlich sind vorzeitige Rehabilitationsleistungen dann, wenn andernfalls erhebliche gesundheitliche Schäden oder Nachteile zu befürchten wären. 

Das Gesetz gibt für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen ein Stufensystem vor und schafft in § 40 SGB V im Zusammenhang mit dem Begriff der Erforderlichkeit einen Vor- bzw. Nachrang der einzelnen Leistungen. Dazu gehört die ambulante Krankenbehandlung, die vorrangig gegenüber einer ambulanten einschließlich teilstationären Rehabilitationsleistung nach § 40 Abs. 1 SGB V und damit auch der dieser wiederum nachrangigen vollstationären Rehabilitationsbehandlung nach § 40 Abs. 2 SGB V ist. Letzteres orientiert sich an dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden Prinzip "ambulant vor stationär". Dabei bedingt die Konzeption eines abgestuften Leistungsangebots keine starre oder gar routinemäßige Ausschöpfung des gesetzlichen Leistungsspektrums der jeweils - vorrangigen Stufe. Die mit der Finalität ("um … zu erreichen") verbundene Abwägung und die Individualisierung sowie die Erforderlichkeit erlauben eine flexible Verknüpfung von Normensystem und Einzelfall. Die Erforderlichkeit einer konkreten Rehabilitationsleistung, insbesondere auch ihr Vorzug gegenüber einer der Art nach vor- oder nachrangigen Leistung, ergibt sich aus dem individuellen Rehabilitationsbedarf und dem spezifischen Leistungsangebot und -zweck unter Berücksichtigung angemessener Wünsche des Versicherten (vgl. Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 40, Rn. 44; Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 5. März 2020 – L 1 KR 30/19 –). Erforderlichkeit setzt einen (objektiven) Bedarf an einer Rehabilitationsmaßnahme (§ 8 Rehabilitationsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses – Reha-RL –), Eignung, u.a. Reha-Fähigkeit des Versicherten (§ 9 Reha-RL), und Erfolgsaussicht der ins Auge gefassten oder zu fassenden Leistungen voraus (vgl. Noftz, a.a.O., § 40 Rn. 45). Rehabilitationsbedürftigkeit besteht nach § 8 der Reha-RL nur, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität vorliegen, durch die in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Teilhabe droht oder Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestehen und über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist (Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 40 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 48). 

Krankenversicherungsrechtlich sind geplante Behandlungsmaßnahmen außerhalb der Europäischen Union bzw. des Geltungsbereichs des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EU/EWR) gemäß § 18 Abs. 1 SGB V nur ausnahmsweise von der Krankenkasse übernahmefähig, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb Europas möglich ist. Entsprechende Leistungen stehen im Ermessen der Krankenkasse. Nach § 18 Abs. 1 SGB IX in der seit 01. Juli 2001 bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung [im Folgenden a.F.] können Sachleistungen auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Ob eine Sachleistung im Ausland erbracht wird, steht somit im Ermessen des jeweiligen Leistungsträgers. Auch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer selbstbeschafften Rehabilitationsleistung im Ausland ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, setzt jedoch eine Ermessensreduzierung auf Null voraus (vgl. O’Sullivan in jurisPK-SGB IX, 2. Aufl., § 18 Rn. 31)

Allerdings liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null im Sinne einer zwingenden Gewährung einer stationären Rehabilitation in Israel zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Aus dem im Widerspruchsverfahren vorgelegten Gutachten des MDK Hessen vom 5. Mai 2017 ergibt sich insoweit überzeugend, dass keine kontinuierliche fachärztlich dermatologische leitliniengerechte Stufentherapie der Neurodermitis nachvollzogen werden könne. Dr. G. erläuterte, dass grundsätzliche vielfältige Therapieverfahren mit Verwendung differenzierter Lokaltherapeutika, systemischer Therapien und UV-Bestrahlung zur Verfügung stünden und sich anhand der eingeholten ärztlichen Unterlagen kein Anhalt ergebe, dass ambulante Maßnahmen nicht erfolgsversprechend oder ausreichend seien, so dass eine medizinische Notwendigkeit der Vorzeitigkeit der Rehabilitationsmaßnahme nicht ersichtlich sei. Dr. G. legte für die Kammer nachvollziehbar dar, dass es in Deutschland eine Reihe qualifizierter Rehabilitationskliniken für dermatologische Erkrankungen wie die Neurodermitis gebe und die dermatologische Rehabilitation im Inland aufgrund der interdisziplinären, multimodalen Behandlung im Einzelfall vorzuziehen sei. Insofern ist gerichtsbekannt, dass entsprechende Kurmaßnahmen in Deutschland als Klimatherapien ebenfalls an Nord- und Ostsee angeboten werden. Aus den seitens der Kammer im Rahmen des Klageverfahrens eingeholten und Befundberichten und Behandlungsdokumentationen der behandelnden Ärzte ergab sich zudem nicht, dass der Kläger – neben einer Therapie mit verschiedenen Lokaltherapeutika – ambulante Behandlungen Patientenschulung, Ernährungsberatung und Photo- und Badetherapie verordnet und durchgeführt wurden. So dass auch die im Klageverfahren eingeholten ärztlichen Unterlagen nicht belegen, dass ambulante Therapien überhaupt ausreichend durchgeführt und mitunter erfolglos ausgeschöpft wurden und der Kläger tatsächlich unter Nutzung der zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten wie von der verordnenden Hausärztin vorgetragen „austherapiert“ ist. 

Die Rechtsprechung (vgl. etwa: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Juni 2013 – L 6 R 921/11 –, juris) hat insoweit Kriterien zur Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null für Rehabilitationsbehandlungen am Toten Meer entwickelt. Zu fordern sind danach eine ausgeprägte Krankheitsanamnese mit schwer chronifiziertem, über Jahrzehnte hinweg progredientem Verlauf der Psoriasis, ständige ambulante ärztliche Betreuung unter Einschluss erfolgloser so genannter systematischer Therapien, die Durchführung stationärer inländischer Rehabilitationsmaßnahmen mit nachweislich geringem Erfolg und kürzeren Remissionszeiten sowie ein ausgeprägter Akutbefund mit schweren Hauteffloreszenzen. Unter Zugrundelegung dieser Prämissen ist vorliegend ein solcher Ausnahmefall im Jahr 2017 nicht gegeben, da die vorgenannten Voraussetzungen durch die eingeholten medizinischen Unterlagen nicht belegt wurden.

Zwar ist für die Kammer nachvollziehbar, dass eine Behandlung am Toten Meer infolge der dort höheren Salinität und verlässlicherer Sonneneinstrahlung gegenüber Nord- und Ostsee eine höhere Erfolgsaussicht haben könnte. Eine eindeutige Überlegenheit der Behandlung in Israel kann zur Überzeugung der Kammer aber nicht konstatiert werden, nicht zuletzt deswegen, weil nach den vom Amts wegen eingeholten medizinischen Unterlagen der Kläger entsprechende Kurmaßnahmen in Deutschland nicht ausprobiert hat.
Soweit Dr. D. und Frau E. ausführen, dass eine Rehabilitation am Toten Meer die einzige Maßnahme darstelle, die wirklich das Leiden des Patienten lindere, vermag dies eine Ermessensreduzierung auf Null in dem vorliegenden Einzelfall nicht zu begründen. Unstreitig dürfte sein, dass die durchgeführte Rehamaßnahme am Toten Meer – erfreulicherweise – zu positiven Erfolgen geführt hat und sich der Hautzustand des Klägers wesentlich gebessert hat. Gleichwohl kann für die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null auf die erfolglose bzw. wenig nachhaltig erfolgreiche Durchführung einer inländischen bzw. innereuropäischen Rehabilitation nicht verzichtet werden, denn die Durchführung von Rehabilitationsleistungen im außereuropäischen Ausland ist sowohl in § 18 SGB IX als auch in § 18 SGB V als Ausnahme konzipiert, so dass nicht allein auf den erzielten Erfolg durch die Behandlungen am Toten Meer verwiesen werden kann, wenn vorhandene Maßnahmen in Deutschland nicht durchgeführt wurden. Würde man indessen lediglich den Erfolg im konkreten Einzelfall für die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null ausreichen lassen, so würde die gesetzliche Intention zum Regel-Ausnahmeverhältnis bei Hauterkrankungen vollkommen unterlaufen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass im Rahmen krankenversicherungsrechtlichen Rehabilitationen nicht das medizinische Optimum, sondern die nach Lage des konkreten Einzelfalls gebotene, erforderliche und wirtschaftliche Maßnahme geschuldet wird (§ 12 Abs. 1 SGB V).

Anzumerken ist darüber hinaus, dass die behandelnden Ärzte Dr. D. und Frau E. die stationäre Rehabilitation nicht als medizinisch notwendig, sondern lediglich als „unbedingt sinnvoll“ bezeichneten. 

Es liegen auch keine Anhaltpunkte vor, die das Gericht zu weiteren Ermittlungen drängen. Das im Widerspruchsverfahren erstellte Gutachten des MDK (zu dessen Verwertbarkeit im sozialgerichtlichen Verfahren vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 14.12.2017 – L 8 KR 171/17 – juris Rn. 31) ist für die Kammer schlüssig und in dich nachvollziehbar. Zudem werden die dortigen Angaben durch die aktenkundigen medizinischen Unterlagen der behandelnden Ärzte hinsichtlich eines Nichtausschöpfens grundsätzlicher verfügbarer Therapien und Rehamaßnahmen im Inland gestützt.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass die Beklagte „sich nicht an die formalen zeitlichen Vorgaben zur Entscheidungsfindung gehalten“ habe, so dass allein aus diesem Grund die Leistungen bewilligt werden müssten bzw. ein Anspruch auf Kostenerstattung bestünde, ist darauf hinzuweisen, dass sich für diese Rechtsauffassung keine gesetzliche Grundlage findet. 
Insoweit kam es nach der damals gültigen Rechtslage der §§ 14, 15 SGB XI a.F. nicht allein auf den Ablauf etwaiger Fristen (wie etwa heute im § 13 Abs. 3a SGB V oder des § 18 SGB IX n.F.) an. Vielmehr hätte der Kläger der Beklagten trotz Ablaufs der gesetzlichen Fristen eine Frist zur Entscheidung mit der Ankündigung der Selbstbeschaffung setzen müssen, um Kostenerstattung geltend machen zu können. Denn die Kostenerstattung stellt eine Ausnahme zum geltenden Sachleistungsprinzip dar (vgl. Götze in: Hauck/Noftz, SGB, Werksstand: 12/12, § 15 SGB IX, Rn. 3). Die Fristsetzung durch den Kläger erfolgte jedoch erst am 13. März 2017, nachdem der Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2017 ergangen war, mithin nachdem die Beklagte den Antrag des Klägers bereits beschieden hatte. 

Da aus vorgenannten Gründen ein Anspruch auf Kostenerstattung nicht besteht, kommt auch der ebenfalls begehrte Zinsanspruch nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, und folgt der Entscheidung in der Sache. 

Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus §§ 105 Abs. 2, 143, 144 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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