L 2 AS 215/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AS 4379/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 215/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 21.01.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Der am 00.00.1961 geborene Kläger war als Masseur in Vollzeit selbstständig tätig. Aufgrund eines Aortarisses befand er sich ab dem 10.09.2016 in stationärer Behandlung in der Uniklinik N. Sein Bruder, E, der über eine General- und Vorsorgevollmacht verfügt (vgl. notarielle Urkunde vom 08.12.2012), stellte am 18.10.2016 für die Zeit ab 01.11.2016 im Namen des Klägers erstmals einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger verfüge aufgrund der Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit über keine Einnahmen mehr, auch der Krankenversicherungsschutz mit der privaten Krankenversicherung Landeskrankenhilfe sei ungeklärt.

Mit Bewilligungsbescheid vom 05.12.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 01.11.2016 bis 30.04.2017 (Änderungsbescheid vom 17.10.2017). Nachdem der Kläger seine Erwerbstätigkeit wieder aufnahm, setzte der Beklagte nach Vorlage der Anlage zur vorläufigen oder abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (Anlage EKS) vom 10.11.2017 die zunächst vorläufig gewährten Leistungen mit Bescheid vom 09.04.2018 abschließend fest.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 25.04.2017 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 03.05.2017 Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2017 bis 31.10.2017 vorläufig. Nach Vorlage der Anlage EKS vom 09.12.2017 setzte der Beklagte die Leistungen mit Bescheid vom 09.04.2018 abschließend fest und forderte den Kläger mit Bescheid vom 06.04.2018 zur Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruches für den Zeitraum vom 01.05.2017 bis 31.10.2017 in Höhe von 4.225,20 Euro auf. Dem hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 06.08.2018 unter Aufhebung des Bescheids vom 06.04.2018 abgeholfen.

Aufgrund des Weiterbewilligungsantrags vom 15.09.2017 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2017 vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 (Änderungsbescheid vom 27.11.2017). Aufgrund der vom Kläger in der Anlage EKS gemachten Angaben rechnete der Beklagte ein monatliches Einkommen in Höhe von 215,00 Euro an.

Aufgrund des Weiterbewilligungsantrags vom 30.05.2018 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 04.06.2018 vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2018 bis 31.10.2018 (Änderungsbescheide vom 05.06.2018 und vom 07.09.2018). Aufgrund der vom Kläger in der Anlage EKS gemachten Angaben rechnete der Beklagte nunmehr kein monatliches Einkommen an.

Mit Schreiben vom 07.09.2018 und 04.10.2018 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage von Unterlagen zur endgültigen Festsetzung des Leistungsanspruchs für den Zeitraum vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 bzw. vom 01.05.2018 bis 31.10.2018 auf.

Mit Bescheid vom 11.12.2018 stellte der Beklagte fest, dass für die Zeit vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 ein Leistungsanspruch nicht bestanden habe. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger trotz Aufforderung vom 07.09.2018 Unterlagen zur endgültigen Leistungsfestsetzung nicht vorgelegt habe. Mit Bescheid vom selben Tag stellte der Beklagte fest, dass für die Zeit vom 01.05.2018 bis 31.10.2018 ein Leistungsanspruch ebenfalls nicht bestanden habe. Auch hier wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger die am 04.10.2018 angeforderten Unterlagen innerhalb der Frist nicht eingereicht habe. Mit Bescheid vom 10.12.2018 wurde der Kläger zur Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruches für die Zeit vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 und vom 01.05.2018 bis 31.10.2018 in Höhe von insgesamt 21.038,89 Euro aufgefordert.

Im Rahmen des Widerspruchverfahrens gegen den Bescheid vom 10.12.2018 zu dem Erstattungszeitraum vom 01.11.2017 bis 31.10.2018 legte der Kläger weitere Unterlagen vor. Er trug vor, dass er teilweise wegen eines stationären Aufenthaltes nicht in der Lage gewesen sei, die Unterlagen innerhalb der Frist vorzulegen.

Aufgrund der nachgereichten Anlage EKS vom 10.04.2019 setzte der Beklagte mit Bescheid vom 10.07.2019 und mit Bescheid vom 11.07.2019 für die Zeit vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 für die Zeit vom 13.04.2019 für die Zeit vom 01.05.2018 bis 31.10.2018 höhere Leistungen fest. Am 11.07.2019 erließ der Beklagte zudem einen Änderungsbescheid bezüglich des Erstattungsbescheides von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruchs vom 10.12.2018. Eine Erstattung wurde nur noch für die Zeit vom 01.05.2018 bis 31.10.2018 in Höhe von 3.256,56 Euro gefordert. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2019 (Az.: W-32302-00114/19) wies der Beklagte den Widerspruch vom 03.01.2019 gegen den Bescheid vom 10.12.2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 11.07.2019 nach Erlass des Änderungsbescheides als unbegründet zurück. Die Rückforderung für die Zeit vom 01.11.2017 bis 30.04.2018 sei entfallen und der zurückzuzahlende Betrag sei von ursprünglich 21.038,89 Euro auf 3.256,56 Euro (Zeitraum 01.05.2018 bis 31.10.2018) zu reduzieren.

Mit Schreiben vom 16.07.2019, eingegangen am 18.07.2019, legte der Kläger Widerspruch gegen den Änderungsbescheid des Erstattungsbescheids vom 11.07.2019 ein. Diesen Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019 (Az.: W-32302-02224/19) als unzulässig. Der Kläger habe mit Schreiben vom 16.07.2019 gegen den Bescheid vom 11.07.2019 für den Zeitraum vom 01.05.2018 bis 31.10.2018 Widerspruch erhoben. Der angefochtene Bescheid sei gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens W-32302-00114/19, so dass ein weiterer Widerspruch nicht statthaft sei.

Mit Schreiben vom 24.07.2019 und 01.08.2019 erklärte der Kläger, dass der Widerspruchsbescheid vom 16.07.2019 am 19.07.2019 und der Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019 am 29.07.2019 zugegangen sei. In beiden Schreiben folgten teils umfangreiche Ausführungen; diese sind auch zuvor schon im Verwaltungsverfahren getätigt worden. Die Ausführungen lassen sich – soweit verständlich – insbesondere dahingehend zusammenfassen, dass der Kläger das Bankwesen, das Zahlungsmittel „Geld“ und verschiedene Institutionen (etwa die Europäische Zentralbank) nicht akzeptiert. Er vertrat die Auffassung, keine realen geldwerten Zahlungen erhalten zu haben, da kein wirksames Geldsystem bestehe. Die Banken generierten über ein technisches System Buchungsgelder (teilweise als wertloses Geld bezeichnet) und kreierten künstliche Bilanzen. Der Beklagte erhebe eine Erstattungsforderung. Zunächst müsse dieser aber noch beweisen, dass er ihm, dem Kläger, reales Geld mit einem Gegenwert habe zukommen lassen. Der Beklagte habe nachzuweisen, dass er, der Kläger, ein gesetzliches Zahlungsmittel und kein künstliches, technisches Buchgeld erhalten habe. Hierzu stellte er dem Beklagten mehrere Fragen. Er forderte den Beklagten zur Beantwortung und zur Vorlage von rechtsverbindlichen Belegen bis zum 02.08.2019 um 12:00 Uhr auf. Solange der Beklagte die Existenz des Geldes nicht nachweise, müsse der Kläger davon ausgehen, dass die Zahlen durch technische Bilanzveränderung erzeugt worden seien und ein Ausgleich nicht notwendig sei. Im Falle eines fruchtlosen Fristablaufs werde er diese Aussage konstatieren. Mit Schreiben vom 05.08.2019 erklärte der Kläger, dass der Vorgang aus seiner Sicht abgeschlossen sei, da der Beklagte innerhalb der Frist keine Belege vorgelegt habe. Er sei sich sicher, dass ausschließlich Buchgeld erzeugt worden sei, welches nicht zurückzuzahlen sei. Mit weiterem Schreiben vom 05.08.2019 erhob der Kläger „Beschwerde“ und erklärte, dass er den Beschluss vom 24.07.2019 (gemeint wohl Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019) anfechte. Dieser leide an verschiedenen „Defekten“. Insbesondere fehle es an der namentlichen Nennung der an der Entscheidung mitwirkenden Personen und an deren Unterschrift. Dem Beklagten werde eine Frist von sieben Tagen zur Stellungnahme und Korrektur gesetzt. Mit Schreiben vom 15.08.2019 wies der Kläger darauf hin, dass der Beklagte auf seine Beschwerde nicht reagiert habe und die Frist zur Vorlage von Belegen verstreichen habe lassen. Damit seien die Vorgänge „vollständig abgeschlossen und beendet“.

Die Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit Recklinghausen Inkasso Service – wies den Kläger mit Mahnbescheid vom 16.10.2019 darauf hin, dass sie vom Jobcenter mit der Wahrnehmung des Forderungseinzugs beauftragt worden sei. Die am 28.07.2019 fällige Forderung des Jobcenters sei bisher nicht beglichen worden. Der Kläger wurde unter Festsetzung einer Mahngebühr zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 3.241,82 Euro (Restforderung von 3.224,82 Euro zzgl. Mahngebühr 17,00 Euro) aufgefordert.

Mit gesondertem Schreiben vom 22.10.2019 informierte der Kläger den Beklagten über die Einschaltung des Sozialgerichts. Dies sei schlussendlich erfolgt, weil der Beklagte die geforderten Belege über die Herkunft der Gelder nicht vorgelegt habe. Es bestehe der Verdacht, dass diese Summen nicht existent seien.

Mit Schriftsatz vom 22.10.2019, eingegangen beim Sozialgericht Köln am 25.10.2019, legte der Kläger „pro Forma Widerspruch“ ein gegen den Vorgang und Beschluss des Jobcenters N mit dem Aktenzeichen W-32302-02224/19. Zur Begründung führte er aus, „die Forderungen des Jobcenters N gem. (AZ) konnten weder in Aussage und dem Wert der angegebenen Zahl mit Frist verifiziert, noch konnte die Entscheidung unterschriftlich versichert werden“. Hierauf habe er gezielt hingewiesen und um Belege erbeten, welche ausgeblieben seien. Stattdessen seien die Bundesagentur für Arbeit und deren Inkasso-Service gebeten worden, einen Mahnbescheid zu erlassen. Dazu habe er der Bundesagentur für Arbeit einige Fragen zum Vorgang gestellt (und das Jobcenter N entsprechend informiert). Er betrachte es als richtig, „hier einen pro Forma Widerspruch anzustrengen, für den Fall, dass die Mitteilungen an das Jobcenter N und die Bundesagentur für Arbeit unfruchtbar bleiben sollten“. Dem Schreiben legte er das Schreiben an die Bundesagentur für Arbeit vom 22.10.2019 als Anlage bei. Mit weiterem Schriftsatz vom 07.11.2019 erfolgte eine weitere Klagebegründung. Die Fehler im „Beschluss vom 24.07.2019“ (gemeint ist der Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019) in Bezug auf die fehlenden Unterschriften und Namen der an der Entscheidung beteiligten Personen seien nicht behoben worden. Zudem habe der Beklagte die Fragen zu der Existenz der Geldforderung nicht beantwortet. Es sei sein Wunsch, „diese offenen und ungeklärten Fragen“ durch das Gericht „klären zu lassen und das Jobcenter N aufzufordern, dabei behilflich zu sein“. Dem Schriftsatz waren mehrere Anlagen beigefügt, u.a. die Widerspruchsbescheide vom 16.07.2019 und 24.07.2019, die vom Kläger hiergegen verfassten Schreiben vom 24.07.2019 und 05.08.2019 bzw. Beschwerde vom 05.08.2019 und 15.08.2019 nebst Sendungsbelegen, der Mahnbescheid vom 16.10.2019. Mit Schriftsatz vom 27.11.2019 erklärte der Kläger, dass er die Forderungen bereits angenommen habe, die Klage beziehe sich auf die Feststellung des Wertes der Forderung. Er habe die Annahme der Forderung in allen Schreiben deutlich signalisiert und diese an die Bedingung und Forderung geknüpft, dass der Beklagte Fragen beantworte. Er sei bereit, die Forderung auszugleichen, wenn der Beklagte belege, dass die geforderte Summe existiere. Nachweise hierzu seien bisher trotz Aufforderung und Fristsetzung nicht vorgelegt worden. Es stellten sich u.a. folgende Fragen: „1. Wieviel ist der Buchungssatz 1 wert? Was unterscheidet den Buchungssatz 1 von 100 oder 1.000 oder von 10.000? 2. Was ist der Wert der ausgewiesenen Beiträge? Wodurch unterscheiden sich digitale Buchungssätze in Höhe von EUR 1,00 von digitalen Buchungssätzen in Höhe von EUR 3.241,82 in ihrem substantiellen Wert?“

Da der Kläger keinen eindeutigen Klageantrag erhoben hat, hat das Sozialgericht den Antrag entsprechend dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers sinngemäß bestimmt.

Der Kläger habe schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2019 den Beklagten zu verpflichten, die gestellten Fragen zu beantworten.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat im Rahmen der Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass die Klage unzulässig sei, da der Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019 dem Kläger nach seinen eigenen Angaben bereits am 29.07.2019 zugegangen sei. Die am 25.10.2019 erhobene Klage sei damit außerhalb der einmonatigen Klagefrist erhoben worden. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei weder gestellt noch seien Wiedereinsetzungsgründe erkennbar. 

Das Sozialgericht hat mit Verfügung vom 16.12.2019 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG angehört.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.01.2020 hat das Sozialgericht sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei. Soweit sich der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019 wende, sei die Klagefrist nicht eingehalten worden. Der Kläger habe erst am 25.10.2019 Klage erhoben, obwohl er bestätigt habe, den Bescheid bereits am 29.07.2019 erhalten zu haben. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht erkennbar. Soweit sich der Kläger auf die Beantwortung zu Fragen des Geldverkehrs beziehe, sei ein Rechtsschutzinteresse nicht zu erkennen. Der Kläger habe die Erstattungsforderung anerkannt und keine Klage erhoben. 

Gegen den ihm am 28.01.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Schriftsatz vom 07.02.2020, eingegangen per Fax am selben Tag beim Landessozialgericht (LSG), „Widerspruch“ eingelegt. Der Beklagte habe ihm schon keine realen Gelder zu Verfügung gestellt. Es seien ihm trotz Aufforderung keine Belege zur Existenz der Geldsummen vorgelegt worden. Er könne nicht etwas ausgleichen, was vorher nachweislich nicht da gewesen sei. Dies sei der „erste Widerspruchsgrund“. Der „zweite Widerspruchsgrund“ beziehe sich auf die rechtzeitige Eingabe an angeblich falscher Stelle. Er habe den „Widerspruch“ rechtzeitig, aber am falschen Platz eingelegt. Das Schreiben des Sozialgerichts Köln (gemeint ist der Gerichtsbescheid) benenne als „Widerspruchsstelle“ neben dem LSG NRW auch das Sozialgericht Köln. Eine solche „Arbeitsteilung und Zuarbeitung“ müsse auch zwischen dem Sozialgericht Köln und dem Jobcenter N möglich sein.

Es sei sein Wille, „den ersten und zweiten Widerspruchsgrund eingehend prüfen und belegen zu lassen, resp. den Verfahrensfehler zu korrigieren“ und den Vorgang „zu prüfen und Fehler aufzudecken“.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 21.01.2020 abzuändern und den Bescheid vom 11.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 21.01.2020 zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid. Das Widerspruchsverfahren sei wegen § 86 SGG als unzulässig verworfen worden. Die dagegen erhobene Klage sei ebenfalls unzulässig, da sie verfristet erhoben worden sei.

Der Senat hat den Beklagten in Vorbereitung des Termins um eine aktuelle Forderungsaufstellung gebeten. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 04.07.2022 mitgeteilt, dass gegen den Kläger im streitigen Zeitraum vom 01.05.2018 bis 31.10.2018 eine offene Forderung aus dem Änderungs-Erstattungsbescheid vom 11.07.2019 in Höhe von 3.224,82 Euro bestehe. Der Betrag sei zurzeit befristet niedergeschlagen. Für einen weiteren Zeitraum vom 01.05.2021 bis 31.10.2021 bestehe noch eine offene Forderung in Höhe von insgesamt 2.612,10 Euro. Diese Forderung sei aufgrund eines anhängigen Widerspruchsverfahrens intern noch mit einer Mahnsperre versehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen sind. 

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2022 in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da der Kläger mit Postzustellungsurkunde vom 07.07.2022 ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass im Falle eines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet, da das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Die beim Sozialgericht erhobene Klage ist mangels Einhaltung der Klagefrist unzulässig.

1.

Die Klage ist zunächst auszulegen, da ein konkreter Klageantrag und ein eindeutiges Klagebegehren nicht erkennbar sind (hierzu unter a.). Die so verstandene Anfechtungsklage ist nicht innerhalb der Klagefrist erhoben worden (hierzu unter b.) und Wiedereinsetzungsgründe liegen nicht vor (hierzu unter c.).

a.

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Ist dieses wie hier nicht eindeutig erkennbar, bedarf es einer Auslegung. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Ein Klageantrag ist unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen, dass das Begehren möglichst weitgehend zum Tragen kommt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R, Rn. 11, juris; LSG NRW, Beschluss vom 13.06.2016 – L 7 AS 707/16 B, Rn. 5, juris). Die Behörden und Gerichte haben sich daran zu orientieren, was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird, soweit vernünftige Antragsteller mutmaßlich ihren Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würden und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (LSG NRW, a.a.O.). Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Klageanträge ist die Auslegungsregel der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 13.03.1991 – 6 RKa 20/89, Rn. 23, juris). Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er erkennbar ist (Aussprung, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 123 Rn. 16 m.w.N.). Dabei muss der gesamte Vortrag einschließlich der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.1988 – 8/5a RKn 11/87, Rn. 11, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2015 – L 6 U 3058/14, Rn. 49 m.w.N., juris; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 92 Rn. 12). Auszugehen ist vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R, Rn. 18 m.w.N., juris). Entscheidend ist der objektive Erklärungswert, d.h. ein Antrag muss so ausgelegt werden, wie der Empfänger ihn bei Berücksichtigung aller Umstände verstehen konnte (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.1988, a.a.O., Rn. 11). Auslegungsergebnis, d.h. rechtlich maßgebender Erklärungsinhalt ist der Wille des Erklärenden, wenn er in der Erklärung einen erkennbaren – wenn auch unvollkommenen – Ausdruck gefunden hat (BSG, a.a.O.).

Nach dem objektiven Empfängerhorizont besteht das Ziel der Klage nicht darin, dass der Beklagte dem Kläger dessen Fragen zum „Zahlungsverkehr“ beantwortet. Zwar hat der Kläger wiederholt erklärt, dass er bereit sei die Forderung auszugleichen, wenn die Beklagte ihm Nachweise über das Bestehen der Forderung erbringe und seine Fragen beantworte. Damit hat er die Anerkennung der Forderung an den Eintritt einer Bedingung geknüpft. Da er aber an mehreren Stellen im Verwaltungs- und Klageverfahren darauf hingewiesen hat, unter anderem das Bankwesen, das Zahlungsmittel Geld und verschiedene Institutionen in der Bundesrepublik nicht zu akzeptieren, ist nicht zu erwarten, dass es zu den von ihm gestellten Fragen Antworten gibt oder aber, dass er sich mit diesen Antworten zufriedengeben würde. Da der Kläger die Forderung nur unter einer Bedingung akzeptiert und die Bedingung bisher nicht eingetreten ist, hat er die Forderung bisher nicht akzeptiert und da ein Bedingungseintritt nicht wahrscheinlich ist, wird er diese wohl auch in Zukunft nicht akzeptieren. Daraus folgt – anders als das Sozialgericht angenommen hat – nicht, dass der Kläger die Forderung anerkennt. Das Ziel des Klägers besteht vielmehr darin, die Forderung (jetzt noch in Höhe von 3.224,82 Euro) nicht erstatten zu müssen. In der Sache geht es dem Kläger primär um die Aufhebung der streitigen Erstattungsforderung. Hierfür spricht, dass er weiterhin Leistungen des Beklagten bezieht und insofern selbst davon ausgeht, dass die an ihn ausgezahlten Geldleistungen irgendeinen realen Wert haben. Er wendet sich nicht gegen die Bewilligung in Form des Zahlungsmittels „Geld“ als solches, sondern um die Erstattung bzw. die ihn belastende Rückzahlungsverpflichtung. Zudem legt er seinen Schreiben wiederholt den Abhilfebescheid vom 06.08.2018 zu dem Erstattungszeitraum vom 01.05.2017 bis 31.10.2017 vor. Bei interessengerechter Auslegung kann das Ergebnis daher nur sein, dass der Kläger auch die Aufhebung der Erstattungsforderung in dem hier streitigen Zeitraum Mai 2018 bis Oktober 2018 begehrt. Der Klageantrag, den das Sozialgericht im Gerichtsbescheid vom 21.01.2020 aufgenommen hat, gibt das Rechtsschutzziel daher nur unzureichend wieder. Im wohlverstandenen Interesse des Klägers ist nicht davon auszugehen, dass es ihm in erster Linie um Antworten auf seine Fragen geht. Er will auch nicht irgendwelche Auskünfte (etwa mittels Leistungsklage) erhalten. Mit den Fragen bzw. den Antworten möchte er sich gegen die Rückzahlungsverpflichtung als solche wenden. Denn die von ihm gestellten Fragen dienen ihm als Argument gegen die Erstattungsforderung. Gegen diese wendet er sich gerade mit dem Argument, dass er keine realen geldwerten Zahlungen erhalten habe, die er im Nachhinein erstatten müsse. Es gebe in dem Konstrukt der Europäischen Zentralbank mit anderen Banken keinen realen Zahlungsverkehr; da ihm nichts wirksam zugeflossen sei, könne von ihm auch nichts zurückerstattet werden. Dies stellt im Kern ein Argument gegen die Erstattungsforderung dar. Im Rahmen einer Prüfung der Begründetheit der Anfechtungsklage gegen einen Erstattungsbescheid wäre diese Problematik im Rahmen der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung nach § 41a Abs. 6 SGB II (oder § 50 Abs. 1 SGB X) unter dem Tatbestandsmerkmal „erbrachte Leistungen“ zu erörtern. Der Kläger bestreitet, dass ihm wirksam Leistungen zugeflossen, mithin erbracht worden sind. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht erforderlich, die Fragen des Klägers z.B. im Rahmen eines Hilfsantrags aufzunehmen. Die Klage ist vielmehr im wohlverstandenen Interesse des Klägers insgesamt als Anfechtungsklage gegen den Erstattungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides auszulegen.

Ein den Kläger belastender Verwaltungsakt liegt mit dem Bescheid zur Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung vom 11.07.2019 vor. Gegen diesen ist auch das erforderliche Vorverfahren gemäß § 78 SGG durchgeführt worden. Mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2019 ist dieses abgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist auch noch zu beachten, dass ein weiterer Widerspruchsbescheid vom 16.07.2019 existiert. Daher stellt sich die Frage, gegen welchen der beiden Widerspruchsbescheide sich die Klage richtet, ggf. gegen beide. Bei der Frage, welcher Bescheid streitgegenständlich ist, ist auf die Klageschrift abzustellen. Die Klage (hierzu sogleich) richtet sich nur gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019. Denn gegen diesen hat der Kläger unter expliziter Benennung des Az.: W-32302-02224/19 „pro Forma Widerspruch“ erhoben. Im Widerspruchsverfahren hat er noch gegen beide Bescheide Einwände erhoben, mithin Widerspruch eingelegt, so dass ihm die unterschiedlichen Aktenzeichen ganz offensichtlich bekannt waren (gegen den Widerspruchsbescheid vom 16.07.2019 vgl. Schreiben vom 24.07.2019, und gegen Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019 vgl. Schreiben vom 01.08.2019). Mit Schreiben vom 05.08.2019 hat er dann „Beschwerde“ nur gegen den Beschluss vom 24.07.2019 (gemeint ist der Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019) eingelegt und diesen mit weiterem Schreiben vom 15.08.2019 begründet. In beiden Schreiben wird nur noch auf die Entscheidung vom 24.07.2019 verwiesen und das zugehörige Az.: W-32302-02224/19 genannt. Mit dem ans Gericht gerichteten Schriftsatz vom 22.10.2019 hat er ebenfalls nur noch den Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019 moniert und diesen zum Streitgegenstand gemacht.

b.

Gemäß § 87 Abs. 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Gemäß § 87 Abs. 2 SGG beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, wenn ein Vorverfahren stattgefunden hat.

aa.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.10.2019, eingegangen beim Sozialgericht am 25.10.2019, um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Hierin liegt unstreitig eine Klageerhebung gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.07.2019. Da dieser dem Kläger nach eigenen Bekundungen am 29.07.2019 zugegangen ist, begann die Klagefrist des § 87 Abs. 2 i.V.m. § 64 Abs. 1 SGG am 30.07.2019 und endete gemäß § 87 Abs. 2 i.V.m. § 64 Abs. 2 SGG am 29.08.2019. Die am 25.10.2019 erhobene Klage wahrt die Klagefrist offensichtlich nicht. 

bb.

Fraglich ist, ob der Kläger – darauf deuten auch die Ausführungen in seiner Berufungsbegründung hin – bereits zu einem früheren Zeitpunkt bei einer falschen Stelle Klage erhoben hat. Nach § 91 Abs. 1 SGG gilt die Frist für die Erhebung der Klage auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland eingegangen ist. Nach § 91 Abs. 2 SGG ist die Klageschrift unverzüglich an das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit abzugeben. Eine Klageschrift ist nur eingegangen im Sinne von § 91 SGG, wenn sie als solche für die Behörde erkennbar ist (Jaritz, in: Roos/Wahrendorf, a.a.O., § 91 Rn. 14). Unwesentlich ist, wie das prozessuale Begehren bezeichnet wird. Die Bezeichnung als „Klage“ ist daher nicht notwendig (Föllmer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 90, Stand: 15.06.2022, Rn. 11). Ob Klage erhoben werden soll, ist vielmehr durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist die Auslegungsregel des §§ 133, 157 BGB auch hier entsprechend anzuwenden.

Die fehlende Bezeichnung als Klage ist dabei unschädlich, da von einem unvertretenen Kläger keine vertieften Kenntnisse gefordert werden können. So hat der Kläger auch die Klage vom 25.10.2019 als „Widerspruch“ und die Berufung gegen den Gerichtsbescheid als „Einspruch“ bezeichnet. Eine Klageerhebung bei der Behörde liegt allerdings nur vor, wenn das eingegangene Schriftstück den Willen erkennen lässt, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu wollen (hierzu und zum Folgenden vgl. Föllmer, a.a.O., § 90 Rn. 12). Der Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit reicht nicht aus. Macht ein nicht rechtskundig vertretener Empfänger eines Widerspruchsbescheides dessen Unrichtigkeit gegenüber der Widerspruchsbehörde geltend, so ist beispielsweise zu ermitteln, ob die Überprüfung lediglich durch die Widerspruchsbehörde oder durch eine andere, unabhängige Stelle begehrt wird. Hier ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung gerade auf den gerichtlichen Rechtsschutz verweist. Auch der Versuch des Klägers, sich mit der Behörde gütlich einigen zu wollen, ist nicht als Klage auszulegen.

Hiervon ausgehend liegt keine Klageerhebung bei dem Jobcenter N vor. Die Auslegung der Schreiben vom 23.07.2019, 01.08.2019, 05.08.2019 und 15.08.2019 ergibt, dass der Kläger zwar die Unrichtigkeit der Entscheidung des Beklagten moniert, in ihnen aber nicht zum Ausdruck, dass er die Überprüfung durch eine andere, unabhängige Stelle begehrt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid auf den gerichtlichen Rechtsschutz verweist, der Kläger zu diesem Zeitpunkt aber hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Den Schreiben ist vielmehr zu entnehmen, dass der Kläger mit dem Beklagten weitere Verhandlungen über die Forderung führen will, u.a. zum Geldwert und zur Wirksamkeit einer Zahlung über deutsche Banken. Hierzu werden Fragen gestellt und Fristen zur Beantwortung gesetzt. Der Kläger ging offensichtlich davon aus, mit dem Beklagten eine Einigung über diese Fragen zu erzielen, entweder mit dem Ergebnis, dass der Beklagte die Unterlagen vorlegen könne (unwahrscheinlich) oder aber, dass sich der Beklagte von seinen Ausführungen überzeugt zeigen werde. Nachdem der Beklagte die Fristen fruchtlos hat verstreichen lassen, hat der Kläger dies dahingehend verstanden, dass sich die Angelegenheit erledigt habe. Dies hat er mit Schreiben vom 05.08.2019 konstatiert. Die Notwendigkeit der Einschaltung einer dritten Stelle hat der Kläger zu diesem Zeitpunkt insofern auch gar nicht gesehen. Erst nachdem der Beklagte die Bundesagentur für Arbeit mit dem Forderungseinzug beauftragt und diese das Mahnschreiben an den Kläger versendet hatte, ist diesem wohl bewusst geworden, dass die Angelegenheit noch nicht erledigt ist, und erst unter diesem Eindruck hat er das Gericht eingeschaltet. Hierfür spricht auch das Schreiben des Klägers vom 22.10.2019 an den Beklagten, in dem er erklärt, dass die Einschaltung des Sozialgerichts erforderlich geworden sei, weil der Beklagte die geforderten Belege innerhalb der gesetzten Frist (diese sind vom Kläger teilweise erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides angefordert worden) nicht vorgelegt habe. Ähnliches findet sich in der am 25.10.2019 eingegangen Klageschrift, wenn der Kläger erklärt, dass er das Sozialgericht für den Fall bemühen wolle, dass „die Mitteilungen an das Jobcenter N und die Bundesagentur für Arbeit unfruchtbar bleiben sollten“. Erst mit diesem Schreiben bringt der Kläger hinreichend klar zum Ausdruck, dass sich – nunmehr – eine unabhängige Stelle mit dem Vorgang befassen solle; mithin dass er eine gerichtliche Prüfung des Vorgangs begehre. Erst darin liegt auch eine Klageerhebung. Diese Klage ist allerdings nicht mehr innerhalb der Monatsfrist eingegangen.

c.

Nach § 67 Abs. 1 SGG ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind das Versäumen einer gesetzlichen Frist ohne Verschulden und ein entsprechender Antrag auf Wiedereinsetzung.

Bei der Klagefrist des § 87 Abs. 1 SGG handelt es sich um eine gesetzliche Verfahrensfrist. Diese Frist hat der Kläger nach den obigen Ausführungen auch versäumt. Weitere Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die Hinderung, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Es müssen demnach Gründe vorliegen, welche die Einhaltung der Frist unmöglich oder unzumutbar machen. Hinderungsgründe können sowohl äußere als auch innere Umstände sein. Äußere Umstände sind z.B. die verzögerte Beförderung durch die Post oder das Verhalten von Rechtsanwaltsangestellten; innere Umstände sind z.B. die Unkenntnis über den Fristablauf, mangelnde Sprachkenntnisse oder Krankheit (vgl. Senger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 67 (Stand: 15.06.2022), Rn. 21). Der Beteiligte muss gemäß § 67 Abs. 1 SGG ohne Verschulden gehindert gewesen sein, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller/Schmidt, a.a.O., § 67 Rn. 3 m.w.N.). Die Versäumnis der Frist muss bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaft und sachgerecht Prozessführenden nicht vermeidbar gewesen sein (Keller, a.a.O.). Für die Vorwerfbarkeit der Fristversäumnis kommt es auf die persönlichen Verhältnisse, insbesondere den Bildungsgrad und die Rechtserfahrung an (vgl. Jung, in: Roos/Wahrendorf, a.a.O., § 67 Rn. 12 m.w.N.). Ein Rechtsirrtum oder fehlende Rechtskenntnisse sind grundsätzlich nicht unverschuldet. Maßgeblich ist, ob der Beteiligte den Irrtum auch bei Anwendung der gebotenen subjektiven Sorgfalt vermeiden konnte. Ein juristisch ungebildeter Beteiligter muss die Rechtsmittelbelehrung beachten und sich juristischen Rat einholen (Keller, a.a.O., § 67 Rn. 8a). Ein Rechtsirrtum ist dagegen dann unverschuldet, wenn er vom Gericht oder einer Behörde verursacht wurde (Senger, a.a.O., § 67 Rn. 57).

Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, dass die Fristversäumung auf gesundheitlichen Gründen oder ähnlichem beruhte. Da der Kläger innerhalb der Monatsfrist nach Zugang des Widerspruchsbescheides in regelmäßigem Kontakt mit dem Beklagten stand (vgl. Schreiben vom 23.07.2019, 01.08.2019, 05.08.2019 und 15.08.2019), sind solche Hinderungsgründe auch für das Gericht nicht ersichtlich. Der Kläger unterlag vielmehr einem Rechtsirrtum. Er ist davon ausgegangen, mit seinen weiteren Schreiben eine Klärung der Angelegenheit mit dem Beklagten herbeiführen zu können. So hat er nach Ablauf der von ihm gesetzten Fristen auch konstatiert, dass die Angelegenheit erledigt sei. Der Beklagte hat diesen Irrtum allerdings nicht verursacht, auch die fehlende Reaktion auf die vom Kläger gesetzten Fristen haben nicht den Anschein erweckt, dass der Beklagte mit der vom Kläger gezogenen Schlussfolgerung, dass ein Nichtstun zur Erledigung der Angelegenheit führen werde, einverstanden war. Der Beklagte war nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht mehr verpflichtet, dem Kläger auf seine (teils wirren) Ausführungen zu antworten. Der Beklagte hat den Kläger vielmehr im Widerspruchsbescheid über den gegebenen Rechtbehelf, die Klageerhebung, ordnungsgemäß belehrt (vgl. § 66 SGG). Nimmt der Kläger diese Rechtsbehelfsbelehrung nicht zur Kenntnis bzw. beachtet er diese nicht, handelt er sorgfaltswidrig. Die Nichteinlegung des Rechtsmittels ist dann nicht mehr unverschuldet. 

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

3.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür nicht ersichtlich sind.

 

Rechtskraft
Aus
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