L 10 U 1019/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 3641/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1019/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Bei der Frage, ob bei einer Wiedererkrankung des Versicherten Verletztengeld auch über den Ablauf der 78. Woche seit Beginn der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit zu zahlen ist, hat der Unfallversicherungsträger eine Prognose dahingehend anzustellen, ob mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist bzw. ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht kommen; dabei ist auf die Tätigkeit abzustellen, die der Versicherte zu Beginn der Wiedererkrankung ausgeübt hat. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Unfallversicherungsträger Teilhabeleistungen im Hinblick auf das Alter des Versicherten (hier: 64 Jahre) und damit unter Verneinung von Wiedereingliederungschancen nicht für angezeigt erachtet.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.02.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist (nur noch) die Einstellung von Verletztengeld (VzG) zum Ablauf des 24.02.2017 streitig.

Der 1952 geborene Kläger absolvierte die Meisterprüfung zum Raumausstatter und Parkettleger (s. Bl. 1816, S. 7 VerwA). Er betreibt als selbstständiger Unternehmer einen Raumgestaltungs-/ausstattungs- und Renovierungsmeisterbetrieb und ist ohne Anspruch auf Krankengeld gesetzlich krankenversichert (s. Bl. 1356 VerwA) sowie bei der Beklagten freiwillig unfallversichert (Bl. 1518 VerwA). Mitarbeiter beschäftigt er nicht (Bl. 1398 S. 2 VerwA). Im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit erlitt er am 13.08.2009 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich den Daumen der linken Hand - er ist Linkshänder - in Höhe des Grundglieds an einer Kreissäge amputierte. In der Folge wurde der Daumen in der BG-Unfallklinik T.  (BGU) replantiert und es kam wiederholt zu Entzündungen und Wundheilungsstörungen sowie zu Dauerschmerzen im operierten Areal, sodass mehrere stationäre Aufenthalte und Operationen - allein bis Februar 2015 14 (Bl. 1478 VerwA) - erforderlich waren. Bei einem Arbeitsversuch nach Rechtshänder(schreib)training (s. dazu Bl. 1173 S. 6 VerwA) zog sich der Kläger zudem am 14.01.2011 bei Arbeiten an einer Tischkreissäge eine offene Endgliedschaftfraktur am Daumen der rechten Hand zu.

Mit Bescheid vom 22.08.2011 bewilligte ihm die Beklagte die Übernahme von Kosten für eine berufsbegleitende Weiterbildung zum Gebäudeenergieberater, mit Bescheid vom 11.01.2012 für einen Zusatzqualifikationskurs „Schimmelbeseitigung in Innenräumen“ sowie mit Bescheid vom 07.02.2013 für einen Grundkurs „Thermografie“; der Kläger absolvierte diese erfolgreich, ebenso die Prüfung „Sachverständiger für die Erkennung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzbelastungen (TÜV)“ im März 2012. Mit weiterem Bescheid vom 08.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2011 gewährte ihm die Beklagte eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. ab dem 10.06.2011 und mit Bescheid vom 12.07.2012 schließlich Rente auf unbestimmte Zeit (ebenfalls nach einer MdE von 40 v.H.), wobei sie als Folgen des Unfalls vom 13.09.2009 eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit (Kraftminderung) und Beweglichkeit der linken Hand mit Sensibilitätsstörung im linken Daumen und instabiler Narbe mit persistierender Sekretion (bei Zustand nach Kreissägenverletzung und Replantation des Daumens am Grundglied und nachfolgender Wundheilungsstörung sowie stattgehabter Grundgelenksarthrodese) sowie persistierender Fistel und als Folgen des Unfalls vom 14.01.2011 eine Einschränkung der Beweglichkeit mit Sensibilitätsstörung des rechten Daumens und eine Funktionsstörung der rechten Hand mit Kraftminderung zu Grunde legte. Grundlage dessen waren (u.a.) die Rentengutachten des  E1. (Chefarzt der Klinik für Hand-, Plastische- und Mikrochirurgie des K. -Krankenhauses S. ) vom 24.04.2012 und 06.08.2013.
Bei Zustand nach mehrfachen Wundrevisionen und rezidivierender Infektsymptomatik bei persistierender Fistel und chronischer Sekretion im Bereich des linken Daumens wurde beim Kläger am 16.07.2014 eine erneute Fistelexzision durchgeführt. Vom 21.07. bis 26.07.2014 war er sodann wiederum in stationärer Behandlung im K. -Krankenhaus bei E1. , wo eine Infektion mit Staphylococcus aureus, Streptococcus mitis und Enterobacter cloacae diagnostiziert sowie (u.a.) eine weitere Revision mit Drainage und Einlage einer Gentamicin-Minikette durchgeführt wurde. Mitte August 2014 fragte der Kläger bei der Beklagten an, ob er einen Heilpraktiker einschalten könne, weil die Hand immer noch offen sei und sehr schlecht heile. In seinem Nachschaubericht vom 08.09.2014 beschrieb E1. u.a. eine deutliche Handfunktionseinschränkung links mit chronischen Schmerzen im linken Daumen, die über die Zeit des letzten Jahres zugenommen habe.

Mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom 09.10.2014 (S 6 U 6446/11) wurden (u.a.) die o.a. Rentenbescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Verletztenrente ab dem 10.06.2011 nach einer MdE von 50 v.H. zu gewähren. Mit Ausführungsbescheid vom 26.11.2014 setzte die Beklagte das Urteil um und verfügte (u.a.) eine Rente auf unbestimmte Zeit ab 10.06.2011 nach einer MdE von 50 v.H., wobei sie nunmehr auch eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als Unfallfolge zu Grunde legte.

Nach der Entfernung der PMMA-Kette am 10.10.2014 beschrieb E1 eine verzögerte Wundheilung mit Funktionslosigkeit des Daumens, und auch bei seiner Kontrolluntersuchung am 11.06.2015 (bei seit Mitte Juli 2014 bestehender Arbeitsunfähigkeit) lag weiterhin eine Wundinfektion mit Erfordernis einer neuerlichen operativen Revision vor, die der Kläger aber seinerzeit ablehnte (s. Bl. 1529 VerwA). Bei seiner weiteren Untersuchung des Klägers am 26.06.2015 zeigte sich im Bereich des linken Daumens eine lokale Rötung ohne fortgeschrittene Schwellung bei einer Wunddehiszenz im Bereich der alten Narbe mit teilweiser purtider Sekretion, wobei der Daumen in einer funktionslosen Adduktionskontraktur mit massiv verändertem Narbenstatus stand. E1. zog eine Amputation des 1. Daumenstrahls in Erwägung und vermochte sich im Übrigen den Verlauf mit immer wieder auftretenden unklaren Infektionsherden auf der Grundlage der lokalen Gegebenheiten nicht zu erklären; er äußerte den „hochgradigen“ Verdacht auf ein „Münchhausen-Syndrom“ (s. Bericht vom 29.06.2015, Bl. 1532 VerwA).

Der zwischenzeitlich den Kläger behandelnde J1 teilte in seinem Bericht von Mai 2015 (Bl. 1571 VerwA) mit, dass der beim Kläger - nach Fistelabstrich - (u.a.) nachgewiesene Erreger Escherichia coli sicher ungewöhnlich sei, was in Ansehung des Gesamtverlaufs den Verdacht auf ein „Münchhausen-Syndrom“ nahelege. Im November 2015 teilte J1. ferner mit, dass der Infekt immer noch bestehe, dass eine Besserung durch ambulante Maßnahmen nicht zu erreichen sei und dass seiner Meinung nach ein medizinischer Endzustand erreicht sowie mit einer Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei (s. Bl. 1594 VerwA).

Mit Bescheid vom 04.11.2015 stellte die Beklagte die Zahlung von VzG mit Ablauf des 12.01.2016 ein, da der Anspruch längstens bis zum Ablauf der 78. Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestehe und vorliegend durch weitere Maßnahmen der Heilbehandlung mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit als selbstständiger Raumgestalter auf Grund der Folgen des Unfalls vom 13.08.2009 nicht mehr zu rechnen sei; auch qualifizierende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) kämen nicht mehr in Betracht.

Am 04.01.2016 war der Kläger bei P1. (Chefarzt Plastische Chirurgie und Handchirurgie der Chirurgischen Klinik des D1 -Klinikums S ) vorstellig (s. Befundbericht vom 04.01.2016, Bl. 1621 VerwA). Dieser diagnostizierte eine chronische, nicht heilende, fistelnde Wunde über dem linken Daumensattelgelenk und beschrieb einen insgesamt verkürzten, asensiblen sowie aktiv und passiv nahezu bewegungslosen Daumen mit nicht möglichen Funktionsgriffen auf der linken Seite. Ob durch eine weitere Behandlung i.S. einer Sanierung des Infekts und deutlichen Schmerzlinderung eine Funktionsbesserung des Daumens möglich sei, sei eher unwahrscheinlich. Nach einer weiteren bildgebenden Diagnostik empfahl P1. zunächst ein radikales Debridement der entzündlichen Prozesse und ggf. auch eine Knochenbiopsie; je nach Defekt könne dann auch eine Defektdeckung erfolgen (Befundbericht vom 14.01.2016, Bl. 1625 VerwA).

Nachdem sich der Kläger zu einer entsprechenden Debridement- und Biopsie-Operation bereit erklärt hatte, nahm die Beklagte ihren Bescheid vom 04.11.2015 mit (Abhilfe-)Bescheid vom 25.01.2016 zurück und beauftragte die Krankenkasse des Klägers, wieder VzG (auch rückwirkend für die Zeit ab dem 13.01.2016) zu zahlen.

Vom 29.02. bis 10.03.2016 befand sich der Kläger sodann in stationärer Behandlung im D1 -Klinikum, wo am 29.02.2016 ein Debridement mit Fistelexzision und Abstrichentnahme und am 03.03.2016 ein erneutes Debridement sowie eine plastische Deckung mit einem freien Musculus gracilis-Lappen und einer Spalthaut vom Oberschenkel rechts durchgeführt wurde (s. den ärztlichen Entlassungsbericht vom 18.03.2016, Bl. 1657 f. VerwA). In seinem Nachschaubericht vom 23.05.2016 (Bl. 1964 f. VerwA) beschrieb P1. eine noch stark eingeschränkte Daumenbeweglichkeit im Grundgelenk, der Kläger beklagte ein persistierendes Taubheitsgefühl mit Ermüdungserscheinungen im Oberschenkelbereich rechts nach wenigen Metern bzw. wenigen Treppenstufen. P1. nahm eine weiterhin fortbestehende postoperative Arbeitsunfähigkeit an.

Nachdem beim Kläger am 11.07.2016 ambulant eine Lappenkorrektur am Übergang des Thenars zum Unterarm durchgeführt worden war, beklagte der Kläger bei der Nachschauuntersuchung am 14.07.2016 ein plötzliches Taubheitsgefühl im gesamten rechten Bein, welches zum Umknicken und zu Beinahestürzen führe. P1. teilte dem Kläger mit, dass dies mit der Entnahme des Musculus gracilis nicht in Einklang zu bringen sei und empfahl eine neurologische Abklärung (s. Bericht des  P1. vom 14.07.2016, Bl. 1710 VerwA).

Der U1. beschrieb in seinem Befundbericht vom 14.08.2016 (Bl. 1725 VerwA) namentlich eine Gangstörung im rechten Bein und empfahl eine Kräftigung der Muskeln am rechten Oberschenkel durch Physiotherapie. Am 24.08.2016 stellte sich der Kläger bei J1. vor, der eine Fraktur der 9. Rippe rechts diagnostizierte. Gegenüber ihm gab der Kläger an, auf dem Weg zur Physiotherapie beim Einsteigen in das Auto gestürzt zu sein, weil sein rechtes Bein plötzlich taub geworden sei.  P1 beschrieb in seinem Nachschaubericht vom 27.09.2016 (Bl. 1751 VerwA) einen abgeschwollenen Oberschenkel ohne selektiv peripheren Ausfall, obgleich der Kläger weiterhin über eine Schwächung im rechten Bein klage. Der linke Daumen liege immer noch in einer Adduktionsstellung kontrakt an der Hand an und sei funktionslos. J1 bestätigte bei seiner Untersuchung des Klägers am 09.12.2016 (s. D-Arzt-Bericht vom 09.12.2016, Bl. 1783 VerwA) einen funktionslos in Adduktionsstellung fixierten Daumen, beschrieb eine anhaltende Fistelung trotz Gabe von Sobelin, empfahl eine Klinikvorstellung zu einer eventuellen Amputation und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 09.08.2017. Am 13.12.2016 stellte sich der Kläger erneut bei P1. mit einer sezenierenden Wunde am linken Thenar vor (s. Befundbericht Bl. 1793 VerwA). P1. empfahl nach einer MRT-Untersuchung, die u.a. eine massive entzündlich-ödematöse Auftreibung ergeben hatte (s. im Einzelnen den radiologischen Befundbericht Bl. 1908 VerwA), keine weitere antibiotische Therapie (s. Befundbericht vom 23.12.2016, Bl. 1796 VerwA). Auch bei der weiteren Untersuchung am 13.01.2017 zeigte sich ein etwa 5 cm langer Fistelgang am linken Thenar mit einer ca. 2x2x1 cm großen, neugebildeten harten Verkrustung mit positivem Wundabstrich auf den Staphylococcus aureus-Erreger (s. den entsprechenden Befundbericht des P1. vom 13.01.2017, Bl. 1796 VerwA).

Die Beklagte holte das Gutachten des D2 vom 27.01.2017 ein (Bl. 1866 ff. VerwA), der den Kläger am 19.01.2017 untersucht hatte. Der Gutachter diagnostizierte eine funktionell bedingte Schwäche nebst Sensibilitätsstörung im rechten Bein ohne Hinweis auf eine Schädigung des peripheren oder zentralen Nervensystems und bestätigte die - von der Beklagten bereits im Bescheid vom 08.09.2011 zu Grunde gelegte - Sensibilitätsstörung im linken Daumen als Unfallfolge. Die vom Kläger beklagten Funktionsstörungen im rechten Bein seien seitens des neurologischen Fachgebiets nicht erklärbar, insbesondere lasse sich kein Zusammenhang mit der Entnahme des Musculus gracilis oder sonst mit einer irgendwie gearteten Nervenverletzung im Operationsgebiet herstellen. Möglicherweise liege beim Kläger eine unfallunabhängige Polyneuropathie vor. Eine Arbeitsunfähigkeit müsse von chirurgischer Seite beurteilt werden, neurologischerseits bestehe eine solche nicht. Der Kläger wandte gegen das Gutachten namentlich ein (s. Schreiben vom 27.10.2016, Bl. 1835 VerwA), dass D2 sich nicht nur zum rechten Bein geäußert habe, sondern „ein Vollgutachten der Unfallfolgen“ erstattet habe; außerdem habe der Gutachter mit keinem Wort erwähnt, dass im rechten Bein Gewebewasser vorhanden sei.

Nachdem P1. gegenüber der Beklagten die Einschätzung vertreten hatte, dass - ausgehend von seinem Heilverfahrensbericht vom 14.07.2016 - am 14.07.2016 auch in Ansehung der fortbestehenden oberflächlichen Wundheilungsstörung von handchirurgischer Seite ein medizinischer Endzustand eingetreten sei (s. Schreiben vom 09.02.2017, Bl. 1828 VerwA), lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.02.2017 (u.a.) die Gewährung von VzG über den 14.07.2016 hinaus ab. Zur Begründung führte sie insoweit aus, dass ab dem 15.07.2016 keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr vorliege, da von einem medizinischen Endzustand im Bereich der linken Hand auszugehen sei. Soweit VzG über den 14.07.2016 hinaus gezahlt worden sei, werde dieses nicht zurückgefordert.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass seine operierte Hand weiterhin offen und entzündet bei Sekretbildung sei. Er könne daher nicht arbeiten und deswegen sei VzG weiter zu zahlen. Im Übrigen beruhten seine Beinbeschwerden rechts auf der Transplantation.

In seinem Befundbericht vom 24.02.2017 (Bl. 1851 VerwA) diagnostizierte P1 weiterhin ein lokales Infektionsgeschehen am Daumen links mit lokaler Rötung und zwei offenen Stellen und ging von einem Status idem aus. Zugleich äußerte P1. (s. Bl. 1840 VerwA), dass der Kläger seiner Einschätzung nach die vielseitigen Komplikationen manipuliere, um einen Nutzen aus seiner Verletzung zu ziehen und verwies auf das vordiagnostizierte „Münchhausen-Syndrom“. Dies wiederholte er in seinem Befundbericht vom 04.05.2017 (Bl. 1901 VerwA) und diagnostizierte weiterhin eine Wundheilungsstörung am Rand der Lappenplastik mit sich entleerender Flüssigkeit. Es bestehe eine starke Einschränkung der Greiffunktion der linken Hand.

Mit Schreiben vom 11.05.2017 (Bl. 1893 VerwA) wies die Beklagte die Klägerseite darauf hin, dass der Kläger gegenüber D2 angegeben habe (s. dazu Bl. 1816 S. 6 f. VerwA), dass „handwerklich gar nichts mehr gehe“, weil er mit der linken Hand nicht greifen, sich insbesondere auch nicht an Leitern festhalten, könne; seine Schrift (mühsam erlernt mit rechts) sei zudem krakelig und schlecht lesbar. Nach den stattgehabten Operationen am 29.02. und 03.03.2015 habe der Kläger selbst eingeräumt, dass die Beweglichkeit des Daumens links schlechter sei als zuvor, nämlich steifer und zudem auch schmerzhafter (s. dazu erneut die Angaben gegenüber  D2 , Bl. 1816 S. 6 VerwA). Gegenüber der R1 - gerichtliche Sachverständige im Verfahren S 6 U 6446/11 (s.o.) - habe der Kläger ausweislich ihres Gutachtens vom 12.04.2014 (s. dazu Bl. 1275 S. 4 f. VerwA) insbesondere geltend gemacht, wegen der Funktionslosigkeit seines linken Daumens bei Gebrauchseinschränkung auch des rechten Daumens nur noch erschwert Messer und Gabel halten, keine feinmotorischen Verrichtungen mehr durchführen sowie keine Kreissäge mehr bedienen zu können; ebenso wenig sei ihm das sichere Halten und Stabilisieren von Werkstücken noch möglich. Zudem habe der Kläger selbst geltend gemacht, die Tätigkeit eines Parkettlegemeisters nicht mehr ausüben zu können. Auch eine Tätigkeit als Raumausstatter komme - so sein Vorbringen - nicht mehr in Betracht, da er keine aufwändigen Gardinenkonstruktionen mehr nähen und auch keine Polsterarbeiten mehr durchführen könne. In Ansehung all dessen sei der Kläger schon auf der Grundlage seiner eigenen Einschätzung wegen der verbliebenen Unfallfolgen nicht in der Lage, seine Tätigkeit weiter auszuüben. Im Hinblick darauf und auf die stattgehabten Behandlungen mit den fortbestehenden Funktionseinschränkungen sei mit einem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen und auch LTA-Maßnahmen kämen auf Grund des Alters des Klägers (64 Jahre) nicht mehr in Frage. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass er weiter behandlungsbedürftig sei und dass seine Ärzte weiterhin Arbeitsunfähigkeit bescheinigten. Die 78. Woche sei im Übrigen bereits am 12.01.2016 abgelaufen gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und verwies zur Begründung u.a. auch auf ihr Schreiben vom 11.05.2017.

Hiergegen hat der Kläger am 29.06.2017 Klage beim SG erhoben (S 13 U 3641/17), mit der er u.a. sein Begehren auf VzG über den 14.07.2016 hinaus weiterverfolgt hat; seine Klage auf Heilbehandlung bezüglich seiner Beschwerden im rechten Bein hat er im Laufe des Klageverfahrens zurückgenommen (s. Bl. 62 SG-Akte) und die Beklagte hat einen weiteren Anspruch auf VzG für die Zeit vom 18.02. (Tag nach der letztmaligen Zahlung von VzG durch die beauftragte Krankenkasse) bis 24.02.2017 (Tag der Bekanntgabe des Bescheids vom 20.02.2017) anerkannt, wobei der Kläger dieses (Teil-)Anerkenntnis nicht angenommen hat.

Zur Begründung seines Begehrens auf Weitergewährung von VzG hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, dass nicht von einem medizinischen Endzustand im Bereich der linken Hand/des linken Daumens auszugehen sei, er wolle noch mit K1 (Klinik für Hand-, Plastische- und Rekonstruktive Chirurgie, Mikrochirurgie der BGU L1. ) über weitere Behandlungsmaßnahmen sprechen. Er hat seine zuletzt ausgeführte Tätigkeit als Raumausstatter/Parkettleger näher beschrieben (u.a. Verspannen von Webware, Entfernen alter und Verlegen sowie Verkleben neuer Bodenbeläge, Maler-/Tapezier-/Polsterarbeiten, Schleifen/Grundieren/Spachteln, Gardinendekorationen etc. nähen und anbringen, s. im Einzelnen Bl. 61 f. SG-Akte) und geltend gemacht, dass er auf Grund seiner Einschränkungen diese Arbeiten nicht mehr durchführen könne. Seine linke Hand sei weiterhin „schwerst entzündet“ (s. Bl. 66 SG-Akte), sein rechter Fuß/sein rechtes Bein geschwollen und bläulich verfärbt. Bei der Entlassung aus der stationären Behandlung im Klinikum E1 wegen eines akuten Posterolateralwandinfarkts Ende August 2017 sei er im Übrigen wegen einer plötzlichen Taubheit des rechten Beines gestürzt, was auf die Entnahme des Musculus gracilis zurückzuführen sei.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass eine absehbare Arbeitsfähigkeit weiterhin nicht naheliege, nachdem sich der unfallbedingte Zustand seit Juli 2016 im Wesentlichen nicht geändert habe. Sie hat unter näherer Darlegung des dem Kläger ausgezahlten VzG (s. dazu die Aufstellung Bl. 52 f. SG-Akte) darauf aufmerksam gemacht, dass dem Kläger bis 17.02.2017 rund 69.000 € VzG und bis 31.10.2017 rund 45.000 € an Verletztenrente ausgezahlt worden sei.

Das SG hat K1 schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat über seine Untersuchung des Klägers am 12.07.2017 berichtet (s. dazu auch bereits seinen Heilverfahrenskontrollbericht vom 14.07.2017, Bl. 28 ff. SG-Akte), als Diagnose einen chronisch fistelnden Infekt des linken Daumens nach zuletzt durchgeführter Lappenplastik am 03.03.2016 (mit fortwährender Sekretion aus zwei Fisteln) bei chronischer Osteitis nach Replantation, eine PTBS sowie eine Bewegungseinschränkung im rechten Daumen nach Unfall im Jahr 2011 genannt. Der Kläger sei weiterhin als arbeitsunfähig eingeschätzt worden und die geplante (erneute) Operation mit Debridement und Weichteilverschluss - die auf Grund eines Herzinfarktes beim Kläger im August 2017 zunächst nicht hat durchgeführt werden können (s. Bl. 33 SG-Akte) - habe das Ziel der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, wobei ein Erreichen dieses Ziel sowie die Zeitspanne bis dahin in Ansehung des langandauernden Infekts und der Behandlung „fraglich, jedoch grundsätzlich möglich“ sei.

Vom 28.02. bis 15.03.2018 hat sich der Kläger sodann erneut in stationärer Behandlung befunden (BGU L1. ), wo am 01.03.2018 eine Ausschneidung der Fistelgänge mit Debridement und Sekundärnaht und am 10.03.2018 eine erneute Revision mit Debridement und Spülung durchgeführt worden sind; histologisch hat sich eine Infektion mit den Erregern Staphylococcus aureus, Enterobacter cloacae und Staphylococcus epidermidis nachweisen lassen. Die Ärzte der BGU bescheinigten weiterhin eine Arbeitsunfähigkeit. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Entlassungsbericht vom 15.03.2018 Bezug genommen (Bl. 119 ff. SG-Akte). Vom 02.05. bis 23.05.2018 hat sich eine erneute stationäre Behandlung angeschlossen, in deren Rahmen erneut eine Fistelexzision stattgefunden hat (s. wegen der Einzelheiten den Entlassungsbericht des K1 vom 23.05.2018, Bl. 94 ff. SG-Akte). Der Kläger ist weiterhin arbeitsunfähig entlassen worden, und die Ärzte der BGU L1 sind auch bei ihrer Nachuntersuchung am 11.06.2018 von einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen (s. Arztbrief vom 05.07.2018, Bl. 114 f. SG-Akte).

Der Kläger hat sodann vorgebracht, seit dem 01.07.2018 „nicht mehr krankgeschrieben“ und wieder berufstätig gewesen zu sein, soweit „ohne große Belastung der linken Hand möglich“ (Bl. 117 SG-Akte).

Das SG hat J1 schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört, der u.a. bekundet hat (Auskunft vom 15.06.2018), dass die vom Kläger angeführten Tätigkeiten (s.o.) mit der linken Hand nicht durchgeführt werden könnten, dass Feinarbeiten wegen des fehlenden Spitzgriffs und der Asensibilität des Daumens nicht möglich und dass auch grobe Arbeiten auf Grund des rezidivierenden Infekts ausgeschlossen seien (Bl. 109 SG-Akte).

Dem ist die Klägerseite entgegengetreten und hat u.a. gemeint, dass der Kläger nach Abheilen der Wunde eine „Vielzahl an Arbeiten als Raumausstatter“ - mit der linken Hand als Hilfshand - verrichten könne, sodass der „Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit“ gelungen sei (s. im Einzelnen Schriftsatz vom 09.08.2018, Bl. 125 ff. SG-Akte).

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2020 unter Abänderung des Bescheids vom 20.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2017 verurteilt, dem Kläger VzG über den 14.07.2016 hinaus bis einschließlich 24.02.2017 - unter Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen - zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und angeordnet, dass die Beklagte 1/8 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Einstellung von VzG für die Vergangenheit (betreffend die Zeit vom 14.07.2016 - richtig: 15.07.2016 - bis einschließlich 24.02.2017 - Tag der Bekanntgabe des Bescheids vom 20.02.2017 -) rechtswidrig gewesen sei, da eine rückwirkende Feststellung der Beendigung von VzG nicht in Betracht komme (Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -); insoweit habe die Klage in der Sache Erfolg. Demgegenüber habe der Kläger keinen (weitergehenden) Anspruch auf VzG über den 24.02.2017 hinaus. Die Beklagte habe im Rahmen der angefochtenen Bescheide zu Recht die erforderliche Prognoseentscheidung (Hinweis auf § 46 Abs. 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VII -) dahingehend getroffen, dass nach Ablauf von 78 Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit (wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.08.2009 im Bereich der linken Hand/des linken Daumens) im Sommer 2014 mit einem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei und dass auch ein Anspruch auf LTA-Maßnahmen nicht bestehe.

Aus den Angaben des Klägers selbst ergebe sich, dass er die zuletzt ausgeführten und von ihm beschriebenen Tätigkeiten im Rahmen seiner selbstständigen Arbeit als Parkettleger/Raumausstatter wegen der Verletzung an der linken Hand nicht mehr habe durchführen können, weswegen auch Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Dass die Beklagte in Ansehung dessen sowie des Umstands, dass sich die in 2014 erneut und verstärkt aufgetretene rezidivierende Wundheilungsstörung im Bereich des linken Daumens mit Sensibilitätsstörung und einer nahezu aufgehobenen Beweglichkeit bei Versteifung, insbesondere im Grundgelenk, trotz der vielfältigen Behandlungen und Operationen seither nicht gebessert habe - noch im April 2018 habe die persistierende Wundheilungsstörung bei bis dahin durchgehend fortbestehender Arbeitsunfähigkeit vorgelegen -, zum Zeitpunkt der angefochtenen Verwaltungsentscheidung keine ausreichenden Erfolgsaussichten hinsichtlich der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit gesehen habe, sei nicht zu beanstanden. Dies hat das SG in seinen Entscheidungsgründen auf der Grundlage der ärztlichen Befunde und Einschätzungen seit Mitte Juli 2014 im Einzelnen näher dargelegt und begründet, namentlich auch gestützt auf die Mitteilung des J1. vom 04.11.2015 bzw. auf dessen Auskunft vom 15.06.2018 sowie auf das Schreiben des P1 vom 09.02.2017. Dem stehe nicht entgegen, dass K1 zuletzt ein Wiedererlangen von Arbeitsfähigkeit für grundsätzlich möglich gehalten habe, denn dies ziehe die Prognose der Beklagten nicht in Zweifel. Dass der Kläger - wie er behaupte - zwischenzeitlich seine selbstständige Tätigkeit wieder aufgenommen habe, ändere ebenfalls nichts, da auch und gerade in Ansehung seines Vorbringens, die Parkettarbeiten seien „ausgelagert“ und er würde insbesondere Angebote schreiben, Telefonate erledigen und Ausmessarbeiten durchführen, eine leidensgerechte, vollwertige und konkurrenzfähige Tätigkeit als Parkettleger und Raumausstatter im Vollbild nicht vorliege. Zu Recht habe die Beklagte auch die Gewährung weiterer LTA-Maßnahmen schon wegen des Alters des Klägers nicht für erfolgversprechend erachtet.

Gegen den - der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26.02.2020 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.03.2020 Berufung eingelegt, mit der er (allein) die Gewährung von VzG über den 24.02.2017 hinaus begehrt hat (s. dazu auch Bl. 61, 52 Senats-Akte). Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass ein medizinischer Endzustand noch nicht erreicht sei, weswegen ihm die Beklagte weiterhin VzG zu gewähren habe. Seine Beschwerden im rechten Bein seien auf die stattgehabte Operation zurückzuführen. Zwar habe er seine linke Hand auf Grund der seit zehn Jahren bestehenden massiven Entzündungen und der Keimbelastung nach Infektion mit bakteriellen Erregern nicht - auch nicht als Hilfshand - einsetzen können, weswegen seine Arbeitsfähigkeit massiv beeinträchtigt bzw. nicht vorhanden gewesen sei. Indes habe die letzte Operation (am 24.09.2018; Hinweis auf den Entlassungsbericht der Ärzte der BGU vom 27.09.2018, Bl. 43 ff. Senats-Akte: stationäre Behandlung vom 24.09. bis 28.09.2018; erneutes Debridement mit Einlage einer PMMA-Kette bei persistierender Fistel und Schmerzen im Bereich des erstens Strahls des linken Daumens; „weiter“ arbeitsunfähig bis voraussichtlich 15.10.2018) eine dauerhafte Stabilisierung erbracht, die es ihm erlaube, die linke Hand wieder einzusetzen. Demgemäß habe in der Zeit vom 01.07. bis 23.09.2018 und dann wieder ab dem 15.10.2018 Arbeitsfähigkeit bestanden, sodass er seinen Beruf als selbstständiger Raumausstatter mit Ladengeschäft - mit der linken Hand als Hilfshand - wieder voll ausüben könne, zumal seine Tätigkeit nicht nur Handwerkliches, sondern namentlich auch kaufmännische bzw. buchhalterische Arbeiten umfasse (s. im Einzelnen die Tätigkeitsbeschreibung des Klägers Bl. 41 f. Senats-Akte). Auch K1 habe bereits in seinem Bericht vom 24.11.2017 den möglichen Eintritt von Arbeitsfähigkeit in Aussicht gestellt. Die ständigen Unterstellungen, er leide an einem „Münchhausen-Syndrom“ bzw. habe die Verletzungen manipuliert respektive sich selbst zugefügt, seien im Übrigen haltlos.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.02.2020 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 20.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2017 zu verurteilen, ihm über den 24.02.2017 hinaus Verletztengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Einstellung des VzG zum 24.02.2017 entspreche der Sach- und Rechtslage. Die Behauptung des Klägers, seit dem 01.07.2018 wieder arbeitsfähig zu sein und die von ihm geschilderten Tätigkeitsbereiche (namentlich z.B. Malerarbeiten, Treppensanierung) vollwertig ausführen zu können, sei schon nicht belegt. Ohnehin erschließe sich das entsprechende Vorbringen nicht, denn der Kläger könne ja nicht nur seine linke Hand (weiterhin) nicht voll einsetzen, sondern auch im Bereich der rechten Hand lägen erhebliche Funktionsdefizite vor, die im Rahmen der Rentengewährung MdE-erhöhend berücksichtigt seien.


Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom
20.02.2017 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2017, dies indes nur hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung von VzG wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.08.2009 und auch nur insoweit, wie das SG die Bescheide nicht auch für den Zeitraum ab dem 25.02.2017 hinsichtlich der (Weiter-)Gewährung von VzG abgeändert und die Beklagte entsprechend verurteilt hat. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist mithin der Zeitraum davor (15.07.2016 bis 24.02.2017), nachdem die insoweit allein beschwerte Beklagte gegen die diesbezügliche Abänderung der Bescheide und ihre Verurteilung zur Gewährung von VzG kein Rechtsmittel eingelegt hat.

Das SG hat die Klage - soweit der Kläger die Gewährung von VzG auch über den 24.02.2017 hinaus begehrt - zu Recht abgewiesen. Denn der (vom SG abgeänderte) Bescheid vom 20.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2017 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Einstellung von VzG zum Ablauf des 24.02.2017 - also die Ablehnung der weiteren Zahlung durch die Beklagte - ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger über den 24.02.2017 hinaus geltend gemachten Anspruch auf Verletztengeld ist § 48 Abs. 1 SGB VII. Danach gelten im Fall der Wiedererkrankung an den Folgen des Versicherungsfalls die §§ 45 bis 47 SGB VII mit der Maßgabe entsprechend, dass anstelle des Zeitpunkts der ersten Arbeitsunfähigkeit auf den der Wiedererkrankung abgestellt wird. Die damit (u.a.) in Bezug genommene Vorschrift des § 45 Abs. 1 SGB VII bestimmt wiederum - soweit hier von Bedeutung -, dass VzG erbracht wird, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig ist (unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen hatte.

Da der bei der Beklagten als Unternehmer freiwillig versicherte Kläger Mitte Juli 2014 in diesem Sinne wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.08.2009 im Bereich der linken Hand respektive des linken Daumens erneut arbeitsunfähig geworden ist und (auch) zu diesem Zeitpunkt eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete selbstständige Tätigkeit als Raumgestalter/-ausstatter bzw. Parkettleger/Renovierer (mit angeschlossenem Ladengeschäft) ausgeübt - und insoweit auch einen „Anspruch auf Arbeitseinkommen“ i.S.d. § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII (vgl. dazu nur BSG, Urteil vom 30.06.2009, B 2 U 25/08 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris) gehabt - hat, hat ihm die Beklagte seit dieser Wiedererkrankung VzG gewährt; wegen der diesbezüglichen weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf die „Kostenaufstellung“ Bl. 52 SG-Akte Bezug.

Rechtsgrundlage für die Beendigung des VzG ist § 46 Abs. 3 SGB VII (vorliegend i.V.m. § 48 SGB VII, s.o.).

Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII endet das VzG mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlung. Damit werden die Folgen des Wegfalls der in § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII normierten Grundvoraussetzung für VzG wiederholt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, deren Beendigungswirkung keine ausdrückliche Entscheidung des Unfallversicherungsträgers voraussetzt, liegen hier allerdings nicht vor. Denn der Kläger war durchgehend wegen der Unfallfolgen am linken Daumen arbeitsunfähig. Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - bzw. wie hier einer entsprechenden Wiedererkrankung (§ 48 SGB VII, s.o.) - besteht, wenn ein Versicherter auf Grund der Folgen eines Versicherungsfalls nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 31/01 R, auch zum Nachfolgenden). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls - bzw. der Wiedererkrankung - konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Ob er eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist insoweit unerheblich. Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich der rechtliche Maßstab nur insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten „verwiesen“ werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengelds bzw. des VzG eng zu ziehen ist.

Maßgeblich für die Frage der Arbeitsunfähigkeit ist vorliegend die Tätigkeit, die der Kläger zum Zeitpunkt seiner Wiedererkrankung Mitte Juli 2014 zuletzt - und auch darüber hinaus weiterhin (s. dazu noch unten) - ausgeübt hat, also die selbstständige Tätigkeit als Raumgestalter/-ausstatter bzw. Parkettleger/Renovierer (mit angeschlossenem Ladengeschäft), im Rahmen dessen er ausweislich seiner Angaben (Bl. 61 f. SG-Akte) u.a. namentlich Bodenbeläge zu entfernen und neu zu verlegen/verkleben, Webware zu verspannen, Maler-, Tapezier- und Polsterarbeiten zu verrichten, Gardinendekorationen, Kissenhüllen, Stores etc. zu nähen sowie anzubringen und Estrichkonstruktionen zu schleifen, grundieren und zu spachteln hatte. Diese Tätigkeiten sind ihm nach seinem eigenen Vorbringen, seinen Angaben u.a. gegenüber dem Gutachter D2 (s. dazu oben im Tatbestand; sein Gutachten ist urkundsbeweislich verwertbar) und der R1 (s. auch dazu oben im Tatbestand; auch ihr Sachverständigengutachten im Verfahren S 6 U 6446/11 ist vorliegend im Wege des Urkundsbeweises verwertbar) sowie auf der Grundlage der von E1 , J1 und P1 jeweils bescheinigten Arbeitsunfähigkeit wegen der Funktionslosigkeit des linken Daumes mit Sensibilitätsstörung und rezidivierender Infektsymptomatik bei persistierender Fistel und chronischer Sekretion in diesem Areal nicht mehr möglich gewesen, und zwar insbesondere auch über den 24.02.2017 hinaus, weshalb er zweifellos auch über diesen Zeitpunkt hinaus arbeitsunfähig gewesen ist. Dies hat der Kläger - wie schon dargelegt - auch selbst so gesehen (s. etwa Bl. 66 SG-Akte).


Da er VzG nicht wegen des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme ohne Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit (s. dazu nur Schur in Hauck/Noftz, SGB VII, § 45 Rdnr. 11, Stand März 2022; Westermann in jurisPK-SGB VII, § 45 Rdnr. 28, Stand 15.01.2022), die ihn an einer ganztätigen Erwerbstätigkeit gehindert hätte, erhielt (so die anspruchsbegründende Regelung des § 46 Abs. 1 Alt. 2 SGB VII), kommt die zweite Alternative des § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB VII von vornherein als Beendigungstatbestand nicht in Betracht.

Des Weiteren endet das VzG nach § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und LTA nicht zu erbringen sind, mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung soweit abgeschlossen ist, dass der Versicherte eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen kann (Nr.1), mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) genannten Leistungen (z.B. Renten wegen voller Erwerbsminderung, Vollrente wegen Alters), es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen (Nr. 2) und im Übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung (Nr. 3).

Dabei kommt das Ende des VzG-Anspruchs nach Nr. 3 erst in Betracht („im Übrigen“), wenn die Beendigungstatbestände der Nrn. 1 und 2 nicht vorliegen (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R). Dies ist allerdings der Fall. Eine zumutbare Berufs- oder Erwerbstätigkeit i.S.d. § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VII stand dem Kläger zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung, ebenso wenig bezog er eine Leistung i.S.d. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V unabhängig von den Folgen des hier in Rede stehenden Arbeitsunfalls.

Damit kommt als Rechtsgrundlage für die Einstellung (genau: Feststellung des Endes) des VzG nur § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen hier vor.

Sämtliche Tatbestände in § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII, und damit auch die Nr. 3, setzen voraus, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist, d.h. mit der Beendigung der infolge des Versicherungsfalls bzw. - hier - der Wiedererkrankung (§ 48 SGB VII) eingetretenen Arbeitsunfähigkeit zumindest für die nächsten 78 Wochen nicht zu rechnen sein darf (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R). Weiter darf zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Anspruch auf LTA, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen, bestehen (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R). Erst wenn dies der Fall ist, endet der Anspruch auf VzG mit Ablauf der 78. Woche seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw. zu dem festgestellten späteren Zeitpunkt, wobei das Ende des VzG-Anspruchs durch Verwaltungsakt festzustellen ist, weil es hierfür einer Prognoseentscheidung bedarf (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R, und BSG, Urteil vom 30.10.2007, a.a.O.). Maßgebend für diese Prognoseentscheidung sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R), also jene im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids (s. u.a. BSG, Urteil vom 11.05.2000, B 7 AL 18/99 R).

Vorliegend traf die Beklagte eine solche Entscheidung - Feststellung des Endes des Anspruchs auf VzG mit Ablauf des 14.07.2016 - durch den angefochtenen Bescheid vom 20.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2017, wobei das SG das Anspruchsende - wie oben dargelegt - auf den späteren 24.02.2017 abgeändert hat.

Auch die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII und damit der Nr. 3 der Regelung haben vorgelegen. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten ist nicht damit zu rechnen gewesen, dass beim Kläger in absehbarer Zeit (s. dazu schon oben) wieder Arbeitsfähigkeit eintreten würde; auch sind LTA nicht zu erbringen gewesen. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Einstellung des VzG nach Ablauf der 78. Woche - was bereits am 12.01.2016 der Fall gewesen ist - erfüllt.

Was die Frage nach dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten anbelangt, hat das SG in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend auf der Grundlage der aktenkundigen ärztlichen Befundunterlagen und Einschätzungen - auch anhand des seitherigen Krankheits- und Behandlungsverlaufs - im Einzelnen dargelegt und begründet, dass und warum keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme bestanden haben, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2017 damit zu rechnen gewesen ist, dass der Kläger in absehbarer Zeit seiner bisherigen
selbstständigen Tätigkeit als Raumgestalter/-ausstatter bzw. Parkettleger/Renovierer (mit angeschlossenem Ladengeschäft) wieder würde nachgehen können. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend merkt der Senat an, dass auch die Beklagte bereits in ihrem Hinweisschreiben vom 11.05.2017 (insoweit wird auf die obige Darstellung im Tatbestand Bezug genommen) - also zeitlich unmittelbar vor Erlass des Widerspruchsbescheids - ausführlich begründet hat, warum eine entsprechende Positivprognose nicht gestellt werden kann. Die dortigen Ausführungen sind für den Senat ebenfalls in jeder Hinsicht überzeugend und der Kläger selbst hat noch im SG-Verfahren geltend gemacht, dass er seine Tätigkeit auf Grund seiner Einschränkungen bei fortbestehender „schwerst entzündeter“ linker Hand nicht mehr durchführen kann (Bl. 66 SG-Akte).

Soweit er gemeint hat, aus der Auskunft (gegenüber dem SG) des K1 bzw. dessen Entlassungsbericht vom 15.03.2018 lasse sich ableiten, dass die Prognose der Beklagten unzutreffend gewesen sei, geht dies bereits deshalb fehl, weil K1 eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gerade als „fraglich“ und lediglich als „grundsätzlich möglich“ erachtet hat. Dies ist indes bereits deshalb nicht geeignet, die Prognoseentscheidung der Beklagten (nachträglich) in Zweifel zu ziehen, da K1 eine entsprechende hinreichende Wahrscheinlichkeit des Wiedererlangens von Arbeitsfähigkeit (s. dazu nur Westermann in jurisPK-SGB VII, § 46 Rdnr. 34 m.w.N., Stand 15.01.2022) gerade nicht angenommen hat; er hat seine Einschätzung ohnehin auch nicht weiter begründet. Davon abgesehen hat sich der Kläger auch nach der Entlassung am 15.03.2018 wiederum - bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit - in stationäre Behandlung zwecks einer weiteren Fistelexzision begeben müssen, die auch noch über den 11.06.2018 zur (weiteren) Arbeitsunfähigkeit geführt hat, was der Senat dem Entlassungsbericht des K1 vom 23.05.2018 sowie dem Arztbrief vom 05.07.2018 (Bl. 114 f. SG-Akte) entnimmt. Woraus sich vor diesem Hintergrund und auch in Ansehung der Auskunft des J1 gegenüber dem SG (insoweit wird auf die entsprechende Darstellung oben im Tatbestand verwiesen) eine Fehlerhaftigkeit der Prognose der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2017 ergeben soll, erschließt sich dem Senat nicht. Vielmehr hat die gesundheitliche Entwicklung des Klägers im Bereich der linken Hand/des linken Daumens - auch insoweit wird auf die obige Darstellung im Tatbestand verwiesen - die Prognose gerade bestätigt.
Soweit der Kläger behauptet hat, seine - oben bereits beschriebene - Tätigkeit vom 01.07. bis 23.09.2018 und sodann wieder ab dem 15.10.2018 aufgenommen zu haben, hat bereits die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 23.06.2022 (Bl. 46 f. Senats-Akte) darauf aufmerksam gemacht, dass es insoweit bereits an jeglichen Belegen fehlt, aus denen sich eine tatsächliche Wiederaufnahme der selbstständigen Tätigkeit ableiten lässt; der rechtskundig vertretene Kläger hat auch im Nachgang zu diesem Schriftsatz nichts Entsprechendes substantiiert. Unabhängig davon führt die tatsächliche Verrichtung einer Arbeit - ggf. auf Kosten der Gesundheit - ohnehin nicht dazu, dass Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen ist (s. dazu nur Schur in Hauck/Noftz, a.a.O. Rdnr. 6a, m.w.N. auch zur Rspr. des BSG), sodass das (pauschale) Vorbringen des Klägers, er habe seine selbstständige Tätigkeit „im Vollbild des Berufs des Raumausstatters“ (so ausdrücklich Bl. 42 Senats-Akte) am 01.07. bzw. ab dem 15.10.2018 wieder aufgenommen, nicht geeignet ist, die Prognose der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zu widerlegen.

Auf welcher Grundlage der Kläger wieder in der Lage gewesen sein soll, die oben beschriebene selbstständige Tätigkeit zu verrichten, erschließt sich dem Senat nicht ansatzweise. Noch im Juni 2018 hat  J1. in seiner Auskunft gegenüber dem SG bestätigt, dass die linke Hand des Klägers weiterhin für handwerkliche Tätigkeiten weitgehend nutzlos ist, dass er die (oben aufgeführten) Verrichtungen eines Raumausstatters bzw. Parkettlegers mit der linken Hand nicht ausführen kann, dass ihm Feinarbeiten ebenso wenig möglich sind wie grobe Arbeiten. Was sich daran geändert haben soll, nachdem der Kläger auch am 11.06.2018 noch und weiterhin arbeitsunfähig gewesen ist (s. die ärztliche Feststellung im Arztbrief vom 05.07.2018) und am 24.09.2018 erneut am linken Daumen bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit (s. den Vermerk im Entlassungsbericht der Ärzte der BGU T.  vom 27.09.2018: „weiter“ arbeitsunfähig) hat operiert werden müssen, ist unplausibel und ebenfalls nicht geeignet, die Leistungsprognose der Beklagten auch nur in Zweifel zu ziehen, geschweige denn, sie zu widerlegen. Unplausibel ist im Übrigen auch, soweit der Kläger gemeint hat, dass ihm Arbeiten „ohne große Belastung der linken Hand“ wieder möglich sind und er eine „Vielzahl an Arbeiten als Raumausstatter“ verrichten könne. Zum einen hat er wiederum selbst eingeräumt, dass die linke Hand nur als Hilfshand einsetzbar ist - welche mehr als nur unwesentliche Belastbarkeit vor diesem Hintergrund bestehen soll, ist schon nicht nachvollziehbar -, zum anderen - darauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen - ist er auch im Bereich der rechten Hand auf Grund des Unfalls von 2011 eingeschränkt und der Kläger hat diese Verletzung selbst als „erheblich“ bezeichnet (s. z.B. Schriftsatz vom 05.04.2013 im Verfahren S 6 U 6446/11, Bl. 1093 S. 2 VerwA).

Soweit der Kläger versucht hat, seine eigene Tätigkeitsbeschreibung dahingehend zu relativieren, er würde nicht nur Handwerkliches verrichten, sondern namentlich auch kaufmännische bzw. buchhalterische Arbeiten erledigen, erschließt sich auch dieser Vortrag nicht, nachdem er zuletzt wieder bestätigt hat, dass er u.a. einen Nähservice, Parkettsanierung, Maler- und Tapezierarbeiten sowie Treppensanierung etc. (s. Bl. 41 f. Senats-Akte) anbietet und „dem Vollbild des Berufs eines Raumausstatters“ genügt bzw. - wie schon dargelegt - eine „Vielzahl an Arbeiten als Raumausstatter“ erledigen könne. Unabhängig davon ist bereits oben dargelegt worden, dass es auf die
zuletzt vor Eintritt der Wiedererkrankung (hier: Mitte Juli 2014) konkret ausgeübte Tätigkeit ankommt.

Soweit er ferner seine Beschwerden im rechten Bein thematisiert hat, erschließt sich schon ein Zusammenhang mit dem vorliegend allein in Rede stehenden Anspruch auf Weitergewährung von VzG bei über dem 24.02.2017 hinaus bestehender Arbeitsunfähigkeit wegen der Erkrankung an der linken Hand bzw. am linken Daumen nicht. Unabhängig davon ist auch ein Unfallursachenzusammenhang zwischen den geklagten Beinbeschwerden rechts und dem Arbeitsunfall vom 13.08.2009 nicht ersichtlich. Ein solcher Zusammenhang könnte allenfalls im Hinblick auf die Biopsie-Operation am 03.03.2016 bestehen. Indes hat P1 seitens des chirurgischen Fachgebiets einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen den geklagten Beinbeschwerden rechts und der Entnahme des Musculus gracilis ausgeschlossen und D2 hat dies von Seiten des neurologischen Fachgebiets ebenfalls getan. Der Kläger führt seine Beinbeschwerden rechts auch einzig darauf zurück, dass diese (zeitlich) vor der Operation nicht bestanden hätten. Der ursächliche Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinn kann jedoch nicht rein zeitlich begründet werden, sondern muss sachlich-inhaltlich nachvollziehbar sein. Dem entsprechend kann im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung auch nicht im Sinne eines Anscheinsbeweises aus dem Vorliegen einer bestimmten Einwirkung auf die berufliche Verursachung der Erkrankung geschlossen werden (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R). Einen derartigen sachlich-inhaltlichen Bezug hat indes keiner der mit der vorliegenden Angelegenheit befassten Ärzte auch nur für möglich erachtet - der Neurologe U1. hat eine Ursächlichkeit weder bestätigt noch ausgeschlossen (vgl. Bl. 1725 VerwA) -, was zur Annahme eines Ursachenzusammenhangs ohnehin ebenfalls nicht genügen würde (vgl. nur BSG, Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R, und Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R).

Schließlich kommt es vorliegend auch nicht entscheidungserheblich auf die weitergehende Ursache der beim Kläger bestehenden rezidivierenden Wundheilungsstörung an, weswegen es ohne Relevanz ist, ob diese auf einer irgendwie gearteten „Manipulation“ durch den Kläger bzw. auf einem „Münchhausen-Syndrom“ beruht. Die in Rede stehende Prognoseentscheidung der Beklagten lässt nicht einmal andeutungsweise erkennen, dass die Beklagte dem Kläger einen entsprechenden Vorwurf oder einen solchen auch nur zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat. Das entsprechende Berufungsvorbringen geht somit ins Leere.
Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten waren auch LTA nicht zu erbringen.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (in der hier maßgeblich, bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung - a.F. -) haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) Anspruch u.a. auf LTA. Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern (§ 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII a.F.). Diese Regelungen geben einen Anspruch dem Grunde nach (BSG, Urteil vom 20.03.2007, B 2 U 18/05 R). Entsprechend bestimmt § 35 Abs. 1 SGB VII a.F., dass die Unfallversicherungsträger die entsprechenden Leistungen „erbringen“. Damit steht die Frage, „ob“ Leistungen zur Teilhabe zu erbringen sind (anders als die Auswahl derartiger Leistungen, vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2007, a.a.O.) nicht im Ermessen des Unfallversicherungsträgers. Ein Vergleich mit Regelungen aus dem Bereich der medizinischen Rehabilitation bestätigt dies. Dort ist anerkannt (s. BSG, Urteil vom 23.02.2000, B 5 RJ 8/99 R), dass die Entscheidung der Frage, ob medizinische Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind (sog. Eingangsprüfung), nicht im Ermessen des Rentenversicherungsträgers steht, sondern davon abhängig ist, ob die entsprechenden allgemeinen Leistungsvoraussetzungen vorliegen, obwohl in § 9 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Wendung gebraucht wird, medizinische Leistungen zur Rehabilitation „können erbracht werden“. Dies muss dann im Bereich der Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB VII umso mehr gelten, wo - wie dargelegt - die Leistungen zu „erbringen“ sind (s. dazu z.B. Senatsurteil vom 14.07.2016, L 10 U 76/11).

Die Frage, ob LTA zu erbringen sind, richtet sich nach den Erfolgsaussichten, dem Alter des Versicherten und weiteren Umständen, wie sie vom Unfallversicherungsträger zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04 R), s. hierzu die Regelungen der §§ 26 und 35 SGB VII a.F. sowie der §§ 33 ff. SGB IX (ebenfalls in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung).

Dabei ist - wie eingangs dargestellt - zu berücksichtigen, dass im Sinne der genannten Regelung LTA nur solche Leistungen sind, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen. Übergangsgeld wird erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls LTA erhalten (§ 49 SGB VII). Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Regelung wegen des Charakters des Übergangsgelds als Entgeltersatzleistung nur für solche Teilhabe-Maßnahmen gilt, die ihrer Art nach überhaupt einen Entgeltausfall zur Folge haben können, also einer Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise entgegenstehen, insbesondere also wegen der aktiven Mitwirkung und der zeitlichen Inanspruchnahme des Versicherten, wie dies z.B. bei der Teilnahme an Umschulungslehrgängen der Fall ist (Ricke in KassKomm, § 49 SGB VII Rdnr. 3, Stand Juni 2013).

LTA erbringen die Unfallversicherungsträger gemäß § 35 SGB VII a.F. nach den Regelungen der §§ 33 bis 38 SGB IX a.F. Dabei werden gemäß § 33 Abs. 1 SGB IX a.F. zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohten Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilnahme am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die hiervon insbesondere umfassten Leistungen werden in Abs. 2 der Regelung aufgeführt, wobei angesichts der zu berücksichtigenden Beschränkung auf Leistungen, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen, im Wesentlichen Leistungen der Berufsvorbereitung, einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung (Nr. 2), der beruflichen Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen (Nr. 3) sowie der beruflichen Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden (Nr. 4), in Betracht kommen.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten (Widerspruchsbescheid vom 29.05.2017) kamen für den Kläger bereits angesichts seines Alters (s. dazu erneut BSG, Urteil vom 13.09.2005, B 2 U 4/04) von 64 Jahren keine derartigen Leistungen zur Teilhabe in Form von beruflichen oder schulischen Bildungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen, die einen Anspruch auf Übergangsgeld ausgelöst hätten, in Betracht. Denn der Beurteilung der Arbeitsmarktchancen nach Abschluss der Teilhabeleistung kommt zentrale Bedeutung zu und angesichts des deutlich fortgeschrittenen Lebensalters des Klägers - bei darüber hinaus bestehenden erheblichen dauerhaften körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen (s. dazu nur die der Rentenbewilligung zu Grunde gelegten Störungen) - ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte von wesentlichen Wiedereingliederungshindernissen ausgegangen ist und einen entsprechenden Anspruch auf LTA im o.g. Sinne verneint hat (vgl. auch Schur in Hauck/ Noftz, a.a.O., § 46 Rdnrn. 17, 20, Stand März 2022, auch zum Vorstehenden).

Unter Zugrundelegung all dessen bejaht somit auch der Senat die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII. Damit endete der Anspruch des Klägers auf VzG jedenfalls mit Ablauf des 24.02.2017.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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